ORIGINALBEITRÄG E H. Wallrabenstein Zusammenfassun g Was spricht für den Einsatz vo n Assessments (FCE) in de r sozialmedizinischen Begutachtung ? Die „arbeitsbezogen e Leistungsfähigkeit” al s wesentliches Element sozial medizinischer Begutachtun g Die zentrale Bedeutung von Arbeit in unserer Gesellschaft als Teilhabebereich, der ganz wesentlich zur materiellen Existenzsicherung, zur persönliche n Selbstverwirklichung sowie zur sozialen Integration beiträgt, dürfte unbestritte n sein . Die Zusammenhänge von psychosozialer Gesundheit und Arbeit bzw . Arbeitslosigkeit wurden insbesondere vo n Weber [8] kürzlich umfassend dargestell t und veröffentlicht. Da Arbeit, Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit demzufolge in fast alle n Zweigen unseres Sozialversicherungssystems eine wesentliche Rolle spielen , nimmt diese Thematik auch einen entsprechenden Raum bei sozialmedizinisch gutachterlichen Fragestellungen ein . Als Hilfskonstrukt für die gutachterliche Operationalisierung wurde insbesondere von Nellessen und Schuntermann [5,6] die Leistungsfähigkeit i m Erwerbsleben oder synonym die „arbeitsbezogene Leistungsfähigkeit” beschrieben . Sie setzt sich zusammen au s der körperlichen, geistigen, psychische n und sozialen Leistungsfähigkeit und ha t mit der gegenwärtigen Berufstätigkeit , einem möglichen neuen Tätigkeitsfel d oder dem sogenannten allgemeinen Ar- Anschrift des Verfassers Dr. med . Heln ut Wallrabenstei n Leitender Arzt des Regionalverbunde s Nord des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbei t Projensdorfer Str . 8 2 24106 Kie l email :Helmut . Wallrabenstein @ arbeitsagentur .de DMED SACH 105 4/2008 beitsmarkt unterschiedliche Bezüge . In Deutschland existiert derzeit kein einheitliches, konsensfähiges und für all e Institutionen gültiges Konzept, das die arbeitsbezogene Leistungsfähigkeit um fassend abbilden könnte . Zwar sind mi t REFA (Reichsausschuss für Arbeit) un d IMBA (Integration von Menschen mi t Behinderung in die Arbeitswelt) unterschiedliche Modelle vorhanden, sie werden aber nicht wie beispielsweise in de n USA 0-NET bzw. das bekanntere Vorgängerkonzept DOT (Directly observe d Treatment) allgemein verbindlich verwendet. Bei allen Schwierigkeiten der Operationalisierung steht man als sozialmedizinischer Gutachter aber in der Verpflichtung, sich zur arbeitsbezogene n Leistungsfähigkeit im Einzelfall äußern zu müssen und benötigt dafür eine entsprechende Befundbasis . Von der Krankheitsdiagnosti k zur Aktivitätsdiagnostik Bemühungen, das Konstrukt der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit in irgendeiner Weise zu quantifizieren, wurden insbesondere seit Mitte der 90er Jahre zunehmend erkennbar . Im Zuge der im gesamten Gesundheitswesen, insbesondere aber auch in der Rehabilitatio n und im Bereich der Sozialmedizin, auf kommenden Diskussion über Qualitätssi cherung einerseits und Kostensenkunge n andererseits wuchs das Bestreben, Sachverhalte messbar zu quantifizieren . S o war es in diesem Zusammenhang nur folgerichtig, dass Ende der 90er Jahre erstmals Systeme zur objektivierbaren un d standardisierten Erfassung der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit in Deutschland zur Anwendung kamen . Ihr Einsatz sollte Möglichkeiten schaffen, über ein e verbesserte Rehabilitationsdiagnostik die individuelle Rehabilitationsbedürftigkei t und auch den konkreten Rehabilitations - Die Feststellung der arbeitsbezogene n Leistungsfähigkeit spielt in der sozialmedizinischen Begutachtung eine zentrale Rolle . Die bisherige überwiegend krankheitsbezogene Diagnostik sollte dabei zugunsten einer aktivitätsorientierten Befundgenerierung in den Hintergrund treten . Sogenannte Assessments (FCE-Systeme) ermöglichen bei besonders gelagerten komplexeren Fallkonstellationen eine die ] herkömmliche Diagnostik ergänzend e Befunderhebung unter objektivierbaren standardisierten Bedingungen , die Aktivitäten im Arbeitsleben abzubilden bzw . zu simulieren vermögen . Hierdurch kann eine deutliche Verbesserung der Gutachtenqualität un d -validität herbeigeführt werden . Schlüsselwörter Arbeitsbezogen e Leistungsfähigkeit — Assessments — FCE-Systeme — Sozialmedizinisch e Begutachtung bedarf wesentlich zielgenauer feststelle n zu können . Bedauerlicherweise erfolgte die Einführung von FCE-Systemen (Functiona l Capacity Evaluation), insbesondere vo n ERGOS, gegen eine Frontstellung weiter Teile der Sozialmedizin . Dies hing mit teilweise ungeschickten Marketingstratgie n der ERGOS-Anbieter, also insbesonder e der Berufsförderungswerke, ebenso zusammen wie mit dazu korrespondierende n fehlgeleiteten Wunschvorstellungen einzelner Verwaltungsmitarbeiter der groß en Sozialversicherungsträger . Die damal s entstandenen Missverständnisse bezüglich der Zielsetzung zur Verwendung vo n FCE- Systemen haben lange nachgewirk t und wesentlich dazu beigetragen, dass be i der praktischen Anwendung dieser Systeme auch nach zehn Jahren keine grund legenden Fortschritte erzielt wurden . Dass von den vier Dimensionen de r Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu nächst die körperliche Komponente in den Fokus der Quantifizierungsbemühungen geriet, dürfte nicht verwunderlich sein, weil in der Medizin traditionell somatische Aspekte eher eine größere Rolle als psychosoziale Faktoren spielen ; darüber hinaus sind körperliche Merkmale 135
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