Materialen, die sich beim Erwärmen zusammenziehen – wo gibt‘s denn so was? Martin Heggli, Asja Jelić Was ist Gummi? Kristall-Elastizität – Hookesches Gesetz Gummi ist eine feste Substanz, die durch Vulkanisation elastisch wird; es gibt sowohl natürlichen wie auch synthetischen Gummi. Natürlicher Gummi (Kautschuk) wird als Latex (milchige Flüssigkeit) vom Kautschukbaum Hevea Brasiliensis - gewonnen. Alle gummiartigen Materialien sind Polymere, d.h. sehr lange kettenförmige Moleküle mit einem hohen Molekulargewicht. Elastizität beobachtet man, weil die Ketten gestreckt werden können und Querverbindungen dafür sorgen, dass die Ketten sich zurückstellen, wenn die Spannung losgelassen wird. Eine wichtige Eigenschaft von vielen Materialien ist die Fähigkeit, ihre ursprüngliche Form zurück-zugewinnen, nachdem eine Belastung entfernt wird. Solche Materialien nennt man elastisch. Kristalline Materialien (z.B. Metalle) zeigen ein sog. Hookesches elastisches Verhalten bei kleinen Dehungen. Ihre Elastizität wird durch die Energie bestimmt. Die Verschiebung der Atome im Gitter durch eine Spannung führt zu einer Erhöhung der inneren Energie U. Das Material versucht eine möglichst geringe Energie zu erreichen und schrumpft deshalb. r0 dehnen r schrumpfen Durch die sogenannte Vulkanisation bekommt der Gummi seine nützlichen Eigenschaften, z.B. Festigkeit, Elastizität und Beständigkeit gegen Lösungsmittel. Der Gummi wird mit Schwefel und Wärme behandelt, wobei che-mische Quererbindungen zwischen den einzel-nen Ketten gebildet werden. Dieser Prozess wurde 1839 von Charles Goodyear erfunden. Die Kaltvulkanisation wurde 1846 von Alexander Parkes erfunden (Gummi wird mit einer Lösung oder mit einem Dampf von Schwefelverbindungen behandelt). Gummi-Elastizität Die Ursache für die Gummi-Elastizität ist grundsätzlich anders als für die Elastizität von kristallinen Materialien. Im Gegensatz zu einem Kristall sind die Atome in einem Gummi nicht regelmässig angeordnet, sondern sie bilden lange Ketten (Polymere), welche untereinader verbunden sind und ein Netzwerk bilden. Anschaulich kann man sich das wie einen Teller gekochte Spaghetti vorstellen. Dieser Unterschied in der Mikrostruktur zeigen sich in den mechanischen Eigenschaften von Gummi. Wenn das Gumminetzwerk nicht gespannt ist, sind sehr viele verschiedene Anordnungen (Konfigurationen) der Kette zwischen zwei Verbindungspunkten möglich – mehr Unordnung (grössere Entropie S). Thermoelastische Effekte dehnen Gough (1805) und Joule (1859) untersuchten das thermische Verhalten von Gummi. Dabei machten sie die folgenden Beobachtungen, die als Gough-JouleEffekte bekannt sind : schrumpfen • ein mit konstantem Gewicht gespannter Gummi zieht sich zusammen, wenn er erwärmt wird • Gummi gibt Wärme ab, wenn er gedehnt wird mehr Diese Effekte sind darauf zurückzuführen, dass die innere Energie des Gummis bei der Deformation relativ unverändert bleibt, d.h. Arbeit, die am System verrichtet wird, wird in in Wärme umgewandelt. Die Unordnung im Gummiband wird beim Dehnen verringert, d.h. die Entropie S des Gummis wird reduziert. Die Entropie S, ist ein Mass für die Unordnung in einem System. Nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik strebt die Entropie ein Maximum an, was zu den beschriebenen Effekten führt. Unordnung weniger Wenn das Gummiband gedehnt wird, vergrössert sich der Abstand zwischen den Querverbindungen entsprechend, wie man oben sieht. Die Ketten können weniger verschiedene Anordnungen einenehmen – weniger Unordnung (kleinere Entropie S). Weil die Entropie immer nach ihrem Maximum strebt, zieht sich die Kette zusammen, wenn die Last entfernt wird. Die Gummi-Elastizität besteht also aus zwei Anteilen – einem energetischen Anteil und einem entropischen Anteil. Beschreibung des Experiments 1 Heissluftfön 2 Metall -feder Gummi 3 Erwärmen einer Metallfeder ( ) und eines Gummibands ( ). Zuerst werden die Metallfeder und das Gummiband mit dem gleichen konstanten Gewicht gespannt. Beim Erwärmen dehnt sich die Feder aus, aber der Gummi schrumpft (Bilder 1 – 3). Das ist beim Gummiband viel deutlicher (Gough-Joule Effekt) – beachte die rote Linie im Hintergrund als Markierung! Nach dem Abkühlen erreichen Feder und Gummi wieder ihrer ursprünglichen Länge. Probiere es selbst aus! Das Gummi-Rad. Am Anfang steht das Rad still. Wenn die Lampe die "Gummispeichen" auf der linken Seite erwärmt, verkürzen sich diese (sog. Gough-Joule-Effekt) und der Schwerpunkt des Rades verschiebt sich aus der Mitte auf die rechte Seite. Dadurch beginnt sich das Rad zu drehen. 150 Jahre ETH Zürich, März 2005.
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