Was ist eine Ausländerin - Stadt Köln

Internationaler Frauentag 2008
Frauen International – Dialog der Kulturen
Wir feiern – Wir fordern!
Rede der stellvertretenden Leiterin des Amtes für Gleichstellung von Frauen und
Männern - Petra Engel
- Es gilt das gesprochene Wort -
Was ist eine Ausländerin?
Was ist eine Migrantin?
Was ist eine Deutsche?
Eine Frau
Eine Frau
Eine Frau
Was verbindet eine Sülzerin, eine Ehrenfelderin und eine Mülheimerin?
Sie sind alle Frauen!
Wir sind viele, wir sind unterschiedlich und wir sind gleich, wir sind Frauen!
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Herren,
liebe Frauen, liebe Kölnerinnen,
nach den interkulturellen Wochen, der Auftaktveranstaltung zum Integrationskonzept,
der 3. Kölner Integrationskonferenz und vielen weiteren Veranstaltungen bildet der
heutige Tag mit einen Höhepunkt.
Ich begrüße Sie ganz herzlich zum Internationalen Frauentag!
Migration und Integration sind aktuelle und teilweise hoch brisante Themen.
Aber, wie wird die aktuelle Situation unter dem Geschlechteraspekt gesehen?
Welches Frauenbild liegt den Diskussionen zugrunde?
Was können wir zur Förderung und Stärkung der Mädchen und Frauen mit
Migrationshintergrund beitragen?
Mit einem Blick in die Vergangenheit, die Gegenwart und in die Zukunft möchte ich
Ihnen einen Einstieg in den heutigen Tag geben.
1.
Ein Blick zurück
Migration wurde lange Zeit vor allem als männliches Phänomen beschrieben und
vielleicht kennen einige von Ihnen das Lied: „Ich wor ne stolze Römer kom met
Caesars Legion…“ Die Frauen galten vorrangig als Anhängsel wandernder Männer, da
sie zunächst mit ihren Kindern am Herkunftsort blieben und später ihren Männern
folgten. Dieser „Mythos“ wurde entlarvt. Frauen sind nicht nur als nachziehende
Familienangehörige migriert. Viele sind eigenständig und häufig ohne Ehepartner nach
Deutschland gekommen. Von 1960 bis 1973 wurden „Gastarbeiterinnen für
frauentypische Branchen sogar gezielt angeworben.
Der Frauenanteil an ausländischen Arbeitskräften betrug in jenen Jahren bis zu 30 %,
was den Anteil an erwerbstätigen einheimischen Frauen deutlich überstieg.
Wer von Ihnen hätte das gedacht?
Eine Frau möchte ich hierfür exemplarisch erwähnen und sie steht für viele:
Bedriye Eravci kam 1965 mit 34 Jahren als Gastarbeiterin alleine nach Berlin. Für sich
und ihre Familie wollte sie erkunden, ob es tatsächlich Lohn und Brot in Deutschland
gibt – so wie es die Werbung im türkischen Radio versprochen hatte. Immerhin: Die
junge Türkin hatte einen Arbeitsvertrag von Siemens in der Tasche. Der Ehemann war
skeptisch, aber bereit, mit dem Sohn nachzukommen, wenn Bedriye das Signal gäbe.
Und sie gab das Signal.
Sie erinnern sich an den stolzen Römer von vorhin? Der Römer aus Caesars Legion ist
wohl eher der Stadtgründerin „Agrippina“ gefolgt.
2.
Ein Blick in die Gegenwart
Ein paar Daten möchte ich Ihnen nicht vorenthalten (wobei einige bereits erwähnt
wurden):
Derzeit leben 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland,
davon 53% mit einem deutschen Pass.
Hiervon leben 322.000 in Köln und unter ihnen 159.000 Frauen. Fast Ein Drittel der
Kölnerinnen und Kölner haben somit einen Migrationshintergrund und bei den unter 18Jährigen beträgt der Anteil sogar 46%. Auch hiervon sind rund die Hälfte natürlich
Mädchen und junge Frauen. Daher wird es dringend Zeit, sie mehr in den Blickpunkt zu
nehmen.
Ein Blick auf die Stadtbezirke zeigt auch, dass überall in Köln Mädchen und Frauen mit
Migrationshintergrund leben, auch wenn der Anteil je nach Stadtbezirk deutlich variiert.
Dennoch, wir blicken auf ein buntes Köln!
Was mich bei meinen Recherchen gewundert hat, ist, dass das Landesamt für
Datenverarbeitung und Statistik aktuell nur zwischen Menschen mit deutschem und
ausländischem Pass unterscheidet. Dabei werden zwei Aspekte vernachlässigt. Zum
einen der des Migrationshintergrundes, denn auch Menschen mit deutschem Pass
können eine ausländische Herkunft haben, und zum anderen der
geschlechterspezifische Aspekt. Dabei dürfte allen Anwesenden vielleicht auch aus
eigener Erfahrung klar sein, dass bei der Diskussion der Probleme dieser Menschen
die beiden genannten Aspekte eine gewichtige Rolle spielen. Um passgenauer und
konsequenter auf diese Probleme eingehen zu können, ist erst einmal entscheidend,
dass die Statistiken den geschlechterdifferenzierten Migrationshintergrund miterfasst.
Würden wir in Köln diese Daten nicht erheben, würden wir nicht über 322.000
Menschen mit Migrationshintergrund reden, sondern lediglich über 177.000
ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ein gewaltiger Unterschied.
Im Hinblick auf die berufliche Situation der Migrantinnen hat sich das Bild von damals
leider gewandelt. Die Erwerbsquote von Migratinnen ist heute wesentlich geringer als
die der deutschen Frauen. Dagegen nimmt bereits seit einigen Jahren die nicht
unumstrittene Beschäftigung von Migrantinnen in privaten Haushalten deutlich zu.
Viele der Migrantinnen, die in privaten Haushalten als Reinigungskraft, Babysitterin
oder Pflegerin tätig sind, sind nicht selten Frauen mit Hochschulabschluss oder
qualifiziertem Berufshintergrund. Das führt Migrantinnen und ihre Familien dauerhaft in
äußerst schwierige Arbeits- und Lebensverhältnisse.
Da müssen wir aufhorchen und hier muss sich etwas ändern! Denn wenn wir uns
umschauen, sehen wir, dass es sehr wohl viele gut ausgebildete und erfolgreiche
Frauen mit Migrationshintergrund gibt.
„Menschen mit Migrationshintergrund“
Stehen diese Menschen eigentlich im Hintergrund?
Wie integrationsfähig bzw. „integrierfähig“ sind eigentlich wir, die die Mehrheit
darstellen?
Wie heißt es so schön im Karnevalslied, welches in jeder Session lauthals gesungen
wird:
„Su simmer all he hinjekumme.
Mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewunne.
Mir sin wie mer sin…..mir Jecke am Rhing.
Dat is jet, wo mer Stolz drop sin.“
Sprechen wir eigentlich nur zu Karneval dieselbe Sprache?
Wenn ich mit der Straßenbahn fahre, bin ich immer ganz fasziniert, in welchen
Sprachen dort kommuniziert wird und wie oft die Sprache wie selbstverständlich
wechselt. Noch eben unterhalten sich zwei Frauen auf italienisch, russisch oder
spanisch und fünf Minuten später sprechen sie auf Deutsch weiter. Sprache öffnet das
Tor zur Welt. Migrantinnen aller Altersklassen sollten dazu motiviert werden, neben
ihrer Muttersprache auch Deutsch zu lernen, damit ihnen auch die Tore in Deutschland
nicht verschlossen bleiben. Mehrsprachigkeit sollte nicht als Problem, sondern als
Bereicherung und Chance gerade für die berufliche Karriere verstanden werden.
Schließlich sind Sprachkenntnisse heute vor allem in der Wirtschaftswelt das A und O.
Manchmal drängt sich mir der Eindruck auf, dass wir uns in Köln zwar multikulturell
geben, dies aber nicht immer leben!
Viele Kölnerinnen und Kölner haben persönliche Kontakte zu Menschen aus anderen
Nationen und selbstverständlich Freundschaften geschlossen.
Aber gibt es nicht auch viele einzelne Gruppen ob nun griechisch, türkisch, afrikanisch
und auch deutsch, die fast ausschließlich unter sich bleiben. Vielleicht lassen sie
meinen Eindruck einmal kurz auf sich wirken und überlegen, ob sie dies bestätigen
können oder auch nicht.
Natürlich spielen der eigene Kulturkreis, die eigenen Wurzeln und die eigene
Muttersprache eine zentrale Rolle im Leben.
Integration heißt auch nicht, diese aufzugeben, ganz und gar nicht. Aber wir sollten
dabei auch nicht vergessen, mehr aufeinander zuzugehen, uns auszutauschen, uns zu
vernetzen, uns zu stärken und zu unterstützen. Integration ist eine beidseitige
Angelegenheit und keine Einbahnstraße.
Der heutige Tag soll hierzu beitragen!
Der Dialog bildet die Grundlage für eine gelebte „Kulturenvielfalt“ und baut auf der
gegenseitigen Achtung und Wertschätzung der 180 Nationalitäten in der Domstadt auf.
Wir müssen sowohl unsere Gemeinsamkeiten betonen, als auch auf Unterschiede
hinweisen. Vielfach reden wir nur über Letzteres. Eine Balance aus beidem ist jedoch
wichtig. Und dazu gehört auch, auf die Frauen zu schauen, denn für das friedliche
Miteinander der Kulturen spielen gerade Mädchen und Frauen eine entscheidende
Rolle.
3.
Noch ein Blick auf die nächste Frauengeneration:
Studien belegen, dass junge Frauen der zweiten und dritten Zuwanderungsgeneration
bessere und höhere Schulabschlüsse als ihre männlichen Altersgenossen haben. Sie
streben qualifizierte Schul- und Berufsausbildungen an. Viele fühlen sich in
Deutschland wohl und richten ihre künftige Lebensplanung eindeutig auf Deutschland
aus.
Dennoch zeigt sich im Vergleich zu deutschen Jugendlichen ein erschreckendes
Bildungs- und Ausbildungsgefälle. Sie haben laut Studien weniger Chancen, eine
Erstausbildung zu absolvieren. Die ihnen offenen Ausbildungs- und Berufsfelder sind
meist gekennzeichnet durch geringere Übernahmechancen und
Verdienstmöglichkeiten, und das betrifft vorwiegend junge Frauen. Die Erfahrung lässt
annehmen, dass wohl noch viel Wasser den Rhein hinunter fließen wird, bevor sich
etwas nachhaltig ändert. Aber es wird sich ändern. Schon jetzt ist die Stadt Köln dabei,
konkrete Schritte einzuleiten, andere Realitäten zu schaffen.
So hat die Stadt die Charta der Vielfalt unterschrieben und berücksichtigt im
Bewerbungsverfahren für die städtischen Ausbildungsberufe besonders Menschen mit
Migrationshintergrund. Das Integrationskonzept befindet sich in der Entwicklung, und
Sie haben heute die Möglichkeit, sich hierüber bei den Kolleginnen des Interkulturellen
Referates der Stadt Köln zu informieren.
4.
Mit den heutigen Foren wollen wir mit Ihnen Probleme diskutieren, Lösungen erarbeiten
und Forderungen stellen. Ihre Forderungen übergeben wir später dem Integrationsrat
und den Kölner Politikerinnen und Politikern. Sie fließen in das Integrationskonzept ein
und sollen auch über Köln hinaus an das Land und den Bund getragen werden. Wir
möchten mit Ihnen gemeinsam Zeichen setzen.
Schließen möchte ich meine Rede mit einem Dank an die Arbeitsgruppe des Runden
Tisches, die den heutigen Internationalen Frauentag mit unterstützt hat.
Mein besonderes Dankeschön geht dabei an Antonella Giurano, u.a. Mitglied des
Integrationsrates der Stadt Köln, der wir zu verdanken haben, dass so viele
Migrantinnenorganisationen und –vereine beim multikulturellen Infomarkt im Atrium
vertreten sind. Diese bunte Vielfalt verdient – wie ich finde – einen kräftigen Applaus.
Für den heutigen Tag wünsche ich uns einen ergebnisreichen Austausch von
Gedanken und Ideen und ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen ins Gespräch zu
kommen.
Vielen Dank!