CONTROLLING Was bringt eigentlich QMS? Ist das Thema Qualitätsmanagementsystem, kurz QMS, für Sie ein rotes Tuch? QMS bedeutet nicht nur Arbeit, sondern die Sicherung und Weiterentwicklung der betrieblichen © Jan Röhl / Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG Möglichkeiten zum Wohle von Patient und Apotheke. Lesen Sie, wie es geht! D ie Anforderungen an Leistungsträger im Gesundheitssystem wachsen stetig. So auch an Apotheken. Die Sicherung von fachlicher Kompetenz und Qualität gewinnt zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Apotheken entschließen sich deshalb, Ihre Arbeit auf die Grundlage eines Qualitätsmanagementsystems zu stellen. Doch vom Entschluss, dieses einzuführen, bis zur tatsächlichen Zertifizierung ist es ein weiter Weg. Als Mitarbeiter schreckt man zunächst zurück, wenn neben der Routinearbeit noch ein weiteres Arbeitsfeld hinzukommen soll. Mit den Aufgaben des QMS wird häufig ein Übermaß an Bürokratie verbunden. 74 Das Sozialgesetzbuch V verpflichtet alle Leistungsanbieter im Gesundheitswesen zu qualitätssichernden Maßnahmen. Qualitätsorientiertes Denken ist von jeher ein Element des pharmazeutischen Arbeitens, insbesondere bei Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln. Ziel von QMS ist, die Beschaffenheit von Dienstleistungen und Produkten jederzeit zu gewährleisten, ständig zu optimieren und somit den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern. Praktisch bedeutet es zum Beispiel, dass jeder Mitarbeiter im Handverkauf zu bestimmten Arzneimitteln die gleiche Beratung liefern kann oder dass eine bestimmte Rezeptur nach festgelegten Regeln angefertigt wird und deren Qualität immer gleich ist. Die P·T·A in der Apotheke 36 (2007), Heft 9 CONTROLLING Beeinflusst durch die Politik, die steigenden Wünsche der Kunden oder Konkurrenzdruck ist die Arbeit in der Apotheke ständigen Veränderungen unterworfen. Diesen Marktanforderungen muss man sich immer wieder stellen. QMS hinterfragt den aktuellen Status quo und strebt nach ständiger Verbesserung. Stellt man zum Beispiel bei einer Kundenumfrage fest, dass bestimmte Beratungsfelder gewünscht werden, resultiert daraus eine Erweiterung des Leistungsspektrums der Apotheke. DIN EN ISO Wer ein Qualitätsmanagementsystem aufgebaut hat, kann sich zertifizieren lassen. Die Zertifizierung orientiert sich an den Normen der “International Organization of Standardization ISO“. Da gibt es die Normenreihe DIN EN ISO 9000 : 2000 ff, ein Werk für Qualitätsmanagement und -sicherung, das für die Zertifizierung von Apotheken und gleichermaßen für andere Unternehmen, Dienstleistungen und Massengüter gilt. Die DIN EN ISO 9001 beschreibt die Anforderungen, die zur Zertifizierung erfüllt werden müssen. Da diese Anforderungen sehr allgemein gehalten sind, werden sie apothekenspezifisch durch die Leitlinien der Bundesapothekerkammer ergänzt (www.abda-online.org, weiter über den Link Themen, Qualitätssicherung zum Download der Leitlinien). Kundenorientierung Ein gut gelebtes Qualitätsmanagementsystem ist für den Kunden spürbar. Aber was macht es für einen Unterschied, ob man QMS hat oder nicht? Ein Muss für eine Apotheke mit QMS ist die klare Kundenorientierung, die zu den Grundsätzen der DIN EN ISO 9000 : 2000 gehört. Kundenorientierung bedeutet dabei nicht nur, Wünsche zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch unausgesprochene Bedürfnisse zu erkennen und in gleich bleibender Qualität von allen Mitarbeitern zu befriedigen. Ein Kunde betritt die Apotheke und möchte ein Rezept einlösen. Die Beratung zu möglichen Nebenwirkungen, Dosierung und Einnahmeschemata sowie die bestmögliche Qualität und schnellstmögliche Lieferung der Arzneimittel gehören in diesem Beispiel zu den unausgesprochenen Kundenwünschen. Die Norm verlangt weiterhin, dass die Kundenzufriedenheit regelmäßig ermittelt, hinterfragt und verbessert wird. So steht der Kunde absolut im Mittelpunkt des Arbeitens. Nutzen für die Apotheke Kein Zweifel, QMS bedeutet in der Aufbauphase einen hohen Zeitaufwand. Ist es jedoch gemeinsam vom gesamten Team installiert, regelt es klar die Verantwortlichkeiten, schafft Transparenz bezüglich einzelner Arbeitsprozesse, erleichtert die Dokumentation und gibt der Apothekenleitung eine fundierte Grundlage für die weitere Unternehmensplanung und sachliche Entscheidungsfindung. In jeder Apotheke gibt es apothekenspezifisches Wissen, das es zu bewahren gilt. Doch was passiert, wenn die langjährige Vollzeitkraft auf einmal den Betrieb verlässt oder die für die EDV zuständige Kollegin erkrankt? Die P·T·A in der Apotheke 36 (2007), Heft 9 Plötzlich wird den Mitarbeitern und der Apothekenleitung klar, dass kein anderer diese Auf-gaben beherrscht. QMS hilft, solche Situationen zu bewältigen. Die Arbeitsvorgänge werden klar definiert und in einem Handbuch dokumentiert. Sie sind so für jeden leicht nachzuvollziehen (siehe auch Artikel „Wer weiß Bescheid im Teilzeitteam?” ab Seite 58). Immer wieder stellt sich die Frage, wer für was zuständig ist. Medikamente wurden zum Beispiel falsch eingeräumt – der Fehler wird erkannt, doch wer ist dafür verantwortlich? QMS regelt klar, wer für welche Aufgaben verpflichtet wird und welche Person die Vertretung übernimmt. Für Unternehmen ist es wichtig, sich Ziele zu setzen und Maßnahmen zum Erreichen dieser zu definieren. Nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums wird überprüft, ob die Ziele erreicht wurden. Auch das fordert QMS. Ein Bestreben für die Apotheke könnte sein, die Stammkundenzahl innerhalb eines Jahres um 20 Prozent zu steigern. Als Maßnahmen werden spezielle Beratungsaktionen unternommen und es wird jedem Nicht-Stammkunden eine Kundenkarte angeboten. Nach Ablauf des Jahres wird die aktuelle Stammkundenzahl überprüft und analysiert. VORTEILE DES QUALITÄTSMANAGEMENTS Absolute Kundenorientierung Transparenz der Arbeitsprozesse Erhalt von apothekenspezifischem Knowhow Klare Verantwortlichkeiten im Team Systematische Ziele für den Apothekenbetrieb Ständige Verbesserung der Arbeitsleistung Sachliche Entscheidungsfindung Systematische Dokumentation Aufbau QMS Sicher ist es möglich, ein QMS ausschließlich in Eigenregie zu installieren. Dieser Weg erfordert viel Geduld und Disziplin, um neben dem üblichen Apothekenalltag tatsächlich am Ball zu bleiben. Dazu eignet man sich das notwendige Wissen über Schulung oder Selbststudium an und setzt es dann mit den Mitarbeitern um. Verschiedene Apothekerkammern und -verbände bieten QMS-Fortbildungen an, in denen das Knowhow vermittelt wird und ein ständiger Erfahrungsaustausch zur praktischen Umsetzung stattfindet. Eine weitere Möglichkeit ist, einen externen Berater zu engagieren. Dabei sollte man darauf achten, dass sich dieser nicht alleine auf die betriebswirtschaftliche Organisation, sondern auch auf pharmazeutisch relevante Bereiche konzentriert. Diese Fachleute bieten den Apotheken wahlweise Beratung, Schulung, Erstellung von fertigen 75 CONTROLLING Handbüchern bis hin zum „Rundum-sorglos-Paket“ an. Diese Methode ist nicht so arbeitsintensiv, aber je nach Anbieter relativ teuer. Welchen Weg man zur Umsetzung von QMS in der Apotheke auswählen möchte, sollte man vorab gründlich abwägen. Motivation des Teams QMS kann man nicht alleine als Apothekenleiter oder -leiterin umsetzen. Das A und O ist der Teamgeist. Es macht Spaß, wenn alle Angestellten und die Apothekenleitung an einem Strang ziehen und gleichermaßen involviert sind. So ist gewährleistet, dass sich alle mit dem neuen System identifizieren und danach arbeiten. QMS darf nicht nur in einem schicken Hochglanzhandbuch im Regal beschrieben sein, es muss von jedem Mitarbeiter gelebt werden. Auf keinen Fall darf QMS als Kontrollinstrument missbraucht werden, um den Kollegen ihre Schwächen vorzuhalten. Es sollen die Schwächen und Stärken des Apothekenbetriebs mit dem Ziel der Verbesserung für das gesamte Team aufgezeigt werden. Das motiviert. Das Handbuch ist zentrales Element bei der Einführung eines QMS. Es dokumentiert die Unternehmensphilosophie, Ziele, Arbeitsprozesse, Verbesserungsvorschläge, Bewertungen und Korrekturmaßnahmen. Von der Übernahme vorgefertigter Handbücher ist abzuraten. Sie beschreiben in der Regel nicht die Besonderheiten der eigenen Apotheke. Das Handbuch dient als tägliche Arbeitshilfe in der Praxis. Da alle wichtigen Anweisungen dort nachzulesen sind, ist es ein wichtiges Mittel, den Informationsfluss zu stärken. Neue Mitarbeiter, Teilzeitkräfte und Vertretungen finden sich mit dem Handbuch besser zurecht. Wichtig ist, es auch nach der Fertigstellung regelmäßig zu aktualisieren. Der Qualitätsmanagementbeauftragte, kurz QMB, übernimmt die tragende Rolle bei der Einführung, Zertifizierung und weiteren Fortführung eines jeden QMS. Der QMB kann der Apothekenleiter oder ein anderer qualifizierter Mitarbeiter sein. Bei der Erstellung des Handbuchs hat der QMB die Federführung. Er kann Arbeiten an andere Mitarbeiter delegieren, hat aber den zeitlichen und inhaltlichen Überblick über das gesamte Projekt. Er bringt alles für das Handbuch in eine einheitliche Form und bereitet das Team auf die spätere Zertifizierung vor. KO S T E N Je nachdem, ob QMS in kompletter Eigenregie mit Zertifizierung zum Beispiel durch die Apothekerkammer oder als Komplettlösung mit extern erstelltem Handbuch aufgebaut wird, liegen die zu erwartenden Kosten in der Regel zwischen 750 und 4000 Euro. Seriöse Beratungsfirmen werden von den Apothekerkammern empfohlen. Qualitätskreislauf Bevor man mit dem Aufbau eines QMS in seiner Apotheke beginnt, sollte man sich mit einigen wichtigen Elementen vertraut machen. Grundlage für das betriebliche Arbeiten ist das Leitbild, das man gemeinsam als Team entwirft. Es beschreibt den Ist-Zustand der Apotheke und die Unternehmensphilosophie. Häufig gibt es neue Impulse, wenn man im Team gemeinsam darüber nachdenkt, wie die Ausrichtung eigentlich sein soll: beratungsaktive Service-Apotheke, Wellness-Apotheke, etc. Die Ziele, die dann für den Betrieb und die Mitarbeiter formuliert werden, sollten dem beschriebenen Leitbild entsprechen. Wichtig ist, die gemeinsame Identifikation aller mit diesem Ideal. Um die Ziele zu erreichen, müssen Arbeitsabläufe und Maßnahmen in einem Handbuch beschrieben werden. Interne Audits dienen der Überprüfung. Die Auswertung erfolgt in einer Managementbewertung, die in der Regel einmal jährlich vorgenommen wird. Daraus erwachsen neue Impulse, die das Leitbild möglicherweise verändern und neue Ziele setzen. So setzt sich der Qualitätskreislauf immer weiter fort. 76 Zertifizierung Ist das Handbuch erstellt und wird QMS in der Apotheke gelebt, kann man sich zertifizieren lassen. Dazu wird vor der Einreichung des Handbuchs kontrolliert, ob die formale und inhaltliche Darstellung den Anforderungen der Norm und der jeweiligen Zertifizierungsstelle entsprechen. Die Überprüfung erfolgt durch speziell ermächtigte Institute, zum Beispiel die Apothekerkammern oder den TÜV. Es wird zunächst das QMS-Handbuch begutachtet. Im Folgenden wird in einem Vor-Ort-Audit, bei dem der Auditor der Zertifizierungsstelle die Apotheke besucht, überprüft, ob die Anforderungen der Norm dem Handbuch entsprechend von allen Mitarbeitern bei der Arbeit umgesetzt werden. Der Auditor ist nicht nur Prüfer, er gibt vielmehr als Berater weitere Impulse zur Verbesserung des Systems. Nachdem die Empfehlung des Auditors an eine Zertifizierungskommission weitergegeben wurde, wird über die Vergabe des QMS-Zertifikats für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel ein bis drei Jahre, entschieden. Nach der Zertifizierung geht es erst richtig los. Die Arbeit der Erstellung sollte keineswegs nur zur Erlangung des Zertifikats dienen. Das Qualitätsmangement soll weiterhin zum Wohle von Kunde und Betrieb die Arbeitsabläufe hinterfragen und verbessern. ● Literatur bei der Autorin Dr. Katja Renner Apothekerin E-Mail: [email protected] Die P·T·A in der Apotheke 36 (2007), Heft 9
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