Was bringt eigentlich QMS? - Die PTA in der Apotheke

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Was bringt eigentlich QMS?
Ist das Thema Qualitätsmanagementsystem, kurz QMS, für Sie ein rotes Tuch? QMS
bedeutet nicht nur Arbeit, sondern die Sicherung und Weiterentwicklung der betrieblichen
© Jan Röhl / Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG
Möglichkeiten zum Wohle von Patient und Apotheke. Lesen Sie, wie es geht!
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ie Anforderungen an Leistungsträger im Gesundheitssystem wachsen stetig. So auch an Apotheken. Die Sicherung von fachlicher Kompetenz
und Qualität gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Immer mehr Apotheken entschließen sich deshalb, Ihre Arbeit auf die Grundlage eines Qualitätsmanagementsystems
zu stellen. Doch vom Entschluss, dieses einzuführen, bis zur
tatsächlichen Zertifizierung ist es ein weiter Weg. Als Mitarbeiter schreckt man zunächst zurück, wenn neben der Routinearbeit noch ein weiteres Arbeitsfeld hinzukommen soll.
Mit den Aufgaben des QMS wird häufig ein Übermaß an
Bürokratie verbunden.
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Das Sozialgesetzbuch V verpflichtet alle Leistungsanbieter
im Gesundheitswesen zu qualitätssichernden Maßnahmen.
Qualitätsorientiertes Denken ist von jeher ein Element des
pharmazeutischen Arbeitens, insbesondere bei Herstellung,
Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln. Ziel von QMS ist, die
Beschaffenheit von Dienstleistungen und Produkten jederzeit zu gewährleisten, ständig zu optimieren und somit den
Unternehmenserfolg langfristig zu sichern. Praktisch bedeutet es zum Beispiel, dass jeder Mitarbeiter im Handverkauf
zu bestimmten Arzneimitteln die gleiche Beratung liefern
kann oder dass eine bestimmte Rezeptur nach festgelegten
Regeln angefertigt wird und deren Qualität immer gleich ist.
Die P·T·A in der Apotheke
36 (2007), Heft 9
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Beeinflusst durch die Politik, die steigenden Wünsche der
Kunden oder Konkurrenzdruck ist die Arbeit in der Apotheke
ständigen Veränderungen unterworfen. Diesen Marktanforderungen muss man sich immer wieder stellen. QMS hinterfragt den aktuellen Status quo und strebt nach ständiger
Verbesserung. Stellt man zum Beispiel bei einer Kundenumfrage fest, dass bestimmte Beratungsfelder gewünscht werden, resultiert daraus eine Erweiterung des Leistungsspektrums der Apotheke.
DIN EN ISO Wer ein Qualitätsmanagementsystem aufgebaut hat, kann sich zertifizieren lassen. Die Zertifizierung orientiert sich an den Normen der “International Organization
of Standardization ISO“. Da gibt es die Normenreihe DIN EN
ISO 9000 : 2000 ff, ein Werk für Qualitätsmanagement und
-sicherung, das für die Zertifizierung von Apotheken und
gleichermaßen für andere Unternehmen, Dienstleistungen
und Massengüter gilt. Die DIN EN ISO 9001 beschreibt die
Anforderungen, die zur Zertifizierung erfüllt werden müssen.
Da diese Anforderungen sehr allgemein gehalten sind, werden sie apothekenspezifisch durch die Leitlinien der Bundesapothekerkammer ergänzt (www.abda-online.org, weiter über den Link Themen, Qualitätssicherung zum Download der Leitlinien).
Kundenorientierung Ein gut gelebtes Qualitätsmanagementsystem ist für den Kunden spürbar. Aber was macht es
für einen Unterschied, ob man QMS hat oder nicht? Ein
Muss für eine Apotheke mit QMS ist die klare Kundenorientierung, die zu den Grundsätzen der DIN EN ISO 9000 :
2000 gehört. Kundenorientierung bedeutet dabei nicht nur,
Wünsche zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch unausgesprochene Bedürfnisse zu erkennen und in gleich bleibender Qualität von allen Mitarbeitern zu befriedigen. Ein Kunde
betritt die Apotheke und möchte ein Rezept einlösen. Die
Beratung zu möglichen Nebenwirkungen, Dosierung und
Einnahmeschemata sowie die bestmögliche Qualität und
schnellstmögliche Lieferung der Arzneimittel gehören in diesem Beispiel zu den unausgesprochenen Kundenwünschen.
Die Norm verlangt weiterhin, dass die Kundenzufriedenheit
regelmäßig ermittelt, hinterfragt und verbessert wird. So
steht der Kunde absolut im Mittelpunkt des Arbeitens.
Nutzen für die Apotheke Kein Zweifel, QMS bedeutet in
der Aufbauphase einen hohen Zeitaufwand. Ist es jedoch
gemeinsam vom gesamten Team installiert, regelt es klar
die Verantwortlichkeiten, schafft Transparenz bezüglich einzelner Arbeitsprozesse, erleichtert die Dokumentation und
gibt der Apothekenleitung eine fundierte Grundlage für die
weitere Unternehmensplanung und sachliche Entscheidungsfindung. In jeder Apotheke gibt es apothekenspezifisches Wissen, das es zu bewahren gilt. Doch was passiert,
wenn die langjährige Vollzeitkraft auf einmal den Betrieb verlässt oder die für die EDV zuständige Kollegin erkrankt?
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Plötzlich wird den Mitarbeitern und der Apothekenleitung
klar, dass kein anderer diese Auf-gaben beherrscht. QMS
hilft, solche Situationen zu bewältigen. Die Arbeitsvorgänge
werden klar definiert und in einem Handbuch dokumentiert.
Sie sind so für jeden leicht nachzuvollziehen (siehe auch
Artikel „Wer weiß Bescheid im Teilzeitteam?” ab Seite 58).
Immer wieder stellt sich die Frage, wer für was zuständig ist.
Medikamente wurden zum Beispiel falsch eingeräumt – der
Fehler wird erkannt, doch wer ist dafür verantwortlich? QMS
regelt klar, wer für welche Aufgaben verpflichtet wird und
welche Person die Vertretung übernimmt.
Für Unternehmen ist es wichtig, sich Ziele zu setzen und
Maßnahmen zum Erreichen dieser zu definieren. Nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums wird überprüft, ob die Ziele
erreicht wurden. Auch das fordert QMS. Ein Bestreben für
die Apotheke könnte sein, die Stammkundenzahl innerhalb
eines Jahres um 20 Prozent zu steigern. Als Maßnahmen
werden spezielle Beratungsaktionen unternommen und es
wird jedem Nicht-Stammkunden eine Kundenkarte angeboten. Nach Ablauf des Jahres wird die aktuelle Stammkundenzahl überprüft und analysiert.
VORTEILE DES
QUALITÄTSMANAGEMENTS
Absolute Kundenorientierung
Transparenz der Arbeitsprozesse
Erhalt von apothekenspezifischem Knowhow
Klare Verantwortlichkeiten im Team
Systematische Ziele für den Apothekenbetrieb
Ständige Verbesserung der Arbeitsleistung
Sachliche Entscheidungsfindung
Systematische Dokumentation
Aufbau QMS Sicher ist es möglich, ein QMS ausschließlich
in Eigenregie zu installieren. Dieser Weg erfordert viel Geduld und Disziplin, um neben dem üblichen Apothekenalltag
tatsächlich am Ball zu bleiben. Dazu eignet man sich das
notwendige Wissen über Schulung oder Selbststudium an
und setzt es dann mit den Mitarbeitern um. Verschiedene
Apothekerkammern und -verbände bieten QMS-Fortbildungen an, in denen das Knowhow vermittelt wird und ein ständiger Erfahrungsaustausch zur praktischen Umsetzung stattfindet. Eine weitere Möglichkeit ist, einen externen Berater
zu engagieren. Dabei sollte man darauf achten, dass sich
dieser nicht alleine auf die betriebswirtschaftliche Organisation, sondern auch auf pharmazeutisch relevante Bereiche konzentriert. Diese Fachleute bieten den Apotheken
wahlweise Beratung, Schulung, Erstellung von fertigen
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Handbüchern bis hin zum „Rundum-sorglos-Paket“ an.
Diese Methode ist nicht so arbeitsintensiv, aber je nach Anbieter relativ teuer. Welchen Weg man zur Umsetzung von
QMS in der Apotheke auswählen möchte, sollte man vorab
gründlich abwägen.
Motivation des Teams QMS kann man nicht alleine als
Apothekenleiter oder -leiterin umsetzen. Das A und O ist der
Teamgeist. Es macht Spaß, wenn alle Angestellten und die
Apothekenleitung an einem Strang ziehen und gleichermaßen involviert sind. So ist gewährleistet, dass sich alle mit
dem neuen System identifizieren und danach arbeiten. QMS
darf nicht nur in einem schicken Hochglanzhandbuch im Regal beschrieben sein, es muss von jedem Mitarbeiter gelebt
werden. Auf keinen Fall darf QMS als Kontrollinstrument
missbraucht werden, um den Kollegen ihre Schwächen vorzuhalten. Es sollen die Schwächen und Stärken des Apothekenbetriebs mit dem Ziel der Verbesserung für das gesamte Team aufgezeigt werden. Das motiviert.
Das Handbuch ist zentrales Element bei der Einführung eines QMS. Es dokumentiert die Unternehmensphilosophie,
Ziele, Arbeitsprozesse, Verbesserungsvorschläge, Bewertungen und Korrekturmaßnahmen. Von der Übernahme vorgefertigter Handbücher ist abzuraten. Sie beschreiben in der
Regel nicht die Besonderheiten der eigenen Apotheke. Das
Handbuch dient als tägliche Arbeitshilfe in der Praxis. Da alle wichtigen Anweisungen dort nachzulesen sind, ist es ein
wichtiges Mittel, den Informationsfluss zu stärken. Neue
Mitarbeiter, Teilzeitkräfte und Vertretungen finden sich mit
dem Handbuch besser zurecht. Wichtig ist, es auch nach
der Fertigstellung regelmäßig zu aktualisieren.
Der Qualitätsmanagementbeauftragte, kurz QMB, übernimmt die tragende Rolle bei der Einführung, Zertifizierung
und weiteren Fortführung eines jeden QMS. Der QMB kann
der Apothekenleiter oder ein anderer qualifizierter Mitarbeiter sein. Bei der Erstellung des Handbuchs hat der QMB die
Federführung. Er kann Arbeiten an andere Mitarbeiter delegieren, hat aber den zeitlichen und inhaltlichen Überblick
über das gesamte Projekt. Er bringt alles für das Handbuch
in eine einheitliche Form und bereitet das Team auf die spätere Zertifizierung vor.
KO S T E N
Je nachdem, ob QMS in kompletter Eigenregie mit
Zertifizierung zum Beispiel durch die Apothekerkammer oder als Komplettlösung mit extern erstelltem Handbuch aufgebaut wird, liegen die zu erwartenden Kosten in der Regel zwischen 750 und 4000
Euro. Seriöse Beratungsfirmen werden von den
Apothekerkammern empfohlen.
Qualitätskreislauf Bevor man mit dem Aufbau eines QMS
in seiner Apotheke beginnt, sollte man sich mit einigen
wichtigen Elementen vertraut machen. Grundlage für das
betriebliche Arbeiten ist das Leitbild, das man gemeinsam
als Team entwirft. Es beschreibt den Ist-Zustand der Apotheke und die Unternehmensphilosophie. Häufig gibt es
neue Impulse, wenn man im Team gemeinsam darüber
nachdenkt, wie die Ausrichtung eigentlich sein soll: beratungsaktive Service-Apotheke, Wellness-Apotheke, etc. Die
Ziele, die dann für den Betrieb und die Mitarbeiter formuliert
werden, sollten dem beschriebenen Leitbild entsprechen.
Wichtig ist, die gemeinsame Identifikation aller mit diesem
Ideal. Um die Ziele zu erreichen, müssen Arbeitsabläufe und
Maßnahmen in einem Handbuch beschrieben werden. Interne Audits dienen der Überprüfung. Die Auswertung erfolgt
in einer Managementbewertung, die in der Regel einmal
jährlich vorgenommen wird. Daraus erwachsen neue Impulse, die das Leitbild möglicherweise verändern und neue Ziele setzen. So setzt sich der Qualitätskreislauf immer weiter fort.
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Zertifizierung Ist das Handbuch erstellt und wird QMS in
der Apotheke gelebt, kann man sich zertifizieren lassen. Dazu wird vor der Einreichung des Handbuchs kontrolliert, ob
die formale und inhaltliche Darstellung den Anforderungen
der Norm und der jeweiligen Zertifizierungsstelle entsprechen. Die Überprüfung erfolgt durch speziell ermächtigte
Institute, zum Beispiel die Apothekerkammern oder den
TÜV. Es wird zunächst das QMS-Handbuch begutachtet. Im
Folgenden wird in einem Vor-Ort-Audit, bei dem der Auditor
der Zertifizierungsstelle die Apotheke besucht, überprüft, ob
die Anforderungen der Norm dem Handbuch entsprechend
von allen Mitarbeitern bei der Arbeit umgesetzt werden. Der
Auditor ist nicht nur Prüfer, er gibt vielmehr als Berater weitere Impulse zur Verbesserung des Systems. Nachdem die
Empfehlung des Auditors an eine Zertifizierungskommission
weitergegeben wurde, wird über die Vergabe des QMS-Zertifikats für einen bestimmten Zeitraum, in der Regel ein bis
drei Jahre, entschieden. Nach der Zertifizierung geht es erst
richtig los. Die Arbeit der Erstellung sollte keineswegs nur zur
Erlangung des Zertifikats dienen. Das Qualitätsmangement
soll weiterhin zum Wohle von Kunde und Betrieb die Arbeitsabläufe hinterfragen und verbessern. ●
Literatur bei der Autorin
Dr. Katja Renner
Apothekerin
E-Mail: [email protected]
Die P·T·A in der Apotheke
36 (2007), Heft 9