Institut für Soziologie Fachgebiet Methoden der empirischen Sozialforschung Was sind Methoden der empirischen Sozialforschung? In der Forschungspraxis können sehr viele Fehler auftreten, die die Ergebnisse verzerren oder im schlimmsten Fall wertlos machen. Forschungsmethoden sind eine Anleitung an die Forschungspraxis, die dem Forscher dabei helfen sollen, effizient zu arbeiten, Fehler zu vermeiden sowie zu beurteilen, ob in der eigenen oder fremden Forschung Fehler aufgetreten sind und wie kritisch diese sind. Forschungsfrage (oder Hypothese) Forschungspraxis Gegenstand Forschungsfrage (Bezug zur soziologischen Theorie, Speziellen Soziologien) Forschungsdesign und Operationalisierung Qualitative Sozialforschung Daten(träger)auswah z bewusste Auswahl z wenig Fälle Datenerhebung Primärerhebung verbal Rückmeldung: Beantwortung der Frage Forschungtrias Rückmeldung Konzeptuelle Vorstrukturierung Theorie Im Forschungsprozess zu treffende Schlüsselentscheidungen Anleitung Methoden visuell Reanalyse bzw. Analyse prozessproduzierter Daten Quantitative Sozialforschung z Zufallsauswahl z viele Fälle z offene Verfahren z viele Informationen pro Fall z geschlossene Verfahren z wenige Informationen pro Fall z offene Befragung, z.B. Leitfaden, narrativ, Experten, Delphi, Gruppendiskussion z schwach strukturierte Beobachtung z Befragungen und z sämtliche Spuren menschlichen Verhaltens, z.B. Karten, Pläne, Dokumente z standardisierte Befragung, z. B. persönlich, telefonisch, postalisch, online z stark strukurierte Beobachtung Wissenschaftliche Fachkulturen und Anforderungen an die Forschungsmethoden Aus der Wissenschafts- und Hochschulforschung ist seit langem bekannt, dass verschiedene akademische Fachkulturen existieren: Wissenschaftliche Disziplinen unterscheiden sich sehr stark hinsichtlich ihres Wissenschaftsverständnisses und ihres spezifischen Fachwissens. Auch wenn innerhalb eines Faches sehr große Unterschiede existieren, lassen sich verschiedene Wissenschaften ideal-typisch entlang zweier Dimensionen anordnen: der Formalisierbarkeit ihrer Theorien und dem Praxisbezug. Methodologische Konsequenzen a) Fächereinteilung entlang der Dimensionen Für die Theoriebildung eignen sich meist qualitative Methoden besser. Für die Theorieprüfung eignen sich bei schwach formalisierten Theorien qualitative Methoden, bei stark formalisierten Theorien quantitative Methoden. Wegen der Besonderheiten des Forschungsgegenstands „Gesellschaft“ (z.B. einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit) gelingt es selten, formale Theorien über den Gegenstand aufzustellen, bevor sich dieser wieder gewandelt hat. Formalisierbarkeit der Theorien und Modelle z Befragungen und Beobachtungen z z.B. standardisiert erhobene Verwaltungsdaten, Log-Files, Kundendatenbanken stark formalisierbar Mathematik Naturwissenschaften PROF. DR. NINA BAUR Instrumentelle Anforderungen Soziologie als empirische Wissenschaft Welche Methoden sinnvoll sind, hängt vom Gegenstandsbereich, dem theoretischen Zugriff auf den Gegenstandsbereich und der Forschungsfrage ab. Die Soziologie definiert sich als empirische Wissenschaft: Soziologische Theorien werden daran gemessen, wie gut sie sich eignen, reales menschliches Handeln zu beschreiben und zu erklären. Im Rahmen der empirischen Sozialforschung (1) werden in Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit neue Theorien entworfen, (2) existierende Theorien anhand der Wirklichkeit überprüft. Ein weiteres Forschungsziel kann sein, (3) Informationen und Fakten über die Gesellschaft zu bekommen. Die Grafik rechts gibt einen Überblick über die im Rahmen eines empirischen Forschungsprojekts typischerweise zu treffenden Entscheidungen. Datenaufbewahrung z Archivierungstechniken z Infrastruktureinrichtungen Datenaufbereitung Datenauswertung Verallgemeinerung z Transkription z Einlesen in QDA-Programm z Archivierungstechniken z Infrastruktureinrichtungen z Einlesen in den Datensatz z Datenumformung (z.B. Data Mining) z Auswertung mit QDAProgramm (z.B. MAXqda, z min. 50 verschiedene Auswertungstraditionen, z.B. Grounded Theory z Basistechniken des Verstehens, Kodierens, Strukturierens z Auswertung mit StatistikProgramm (z.B. SPSS, Stata, deskriptiven Statistik, i.E. z univariate Statistik z bivariate Statistik z multivariate Statistik (Kausal-, Längsschnitts-, Dimensions-, Mehrebenen-, Netzwerkanalyse, Typenbildung) z theoretische Verallgemeinerung z induktive Statistik Forschungsbericht (wissenschaftliches Schreiben) Praxisbezug gering (Grundlagenwissenschaft) Psychologie Volkswirtschaftslehre Soziologie (Geo-)Informatik Ingenieurs-, Prozess-, Umweltwissenschaften Planungswissenschaften Betriebswirtwirtschaftslehre, Erziehungswissenschaft hoch (Angewandte Wissenschaft) Philosophie Geistes-/Kultur-, Sprach-/Literaturwissenschaften Methodologische Konsequenzen b) wenig formalisierbar Formalisierbarkeit der Theorien und Modelle Durch die Fachkultur ergeben sich jeweils spezifische Anforderungen an die Forschungsmethoden. So definiert sich die Soziologie als Grundlagenwissenschaft und damit als nicht-normativ: Damit der analytische Blick nicht getrübt wird, soll sich der Forscher im Forschungsprozess möglichst jeglicher Werthaltung enthalten. Spezielle Techniken und Methoden sollen dem Forscher dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. stark formalisierbar Beispiel aus der Soziologie Was ist am wichtigsten für den Schulerfolg eines Kindes? die Leistung des Kindes die Bildung und das Engagement der Eltern der Lehrer das schulische Umfeld Formalisierte Modelle als Rahmen der Forschung Die Forschung bestimmt/testet Parameter eines formalisierten Modells Quantitative Methoden Standardisierte Verfahren (z.B. Fragebögen und Auswertung mit Statistik) Beispiel aus der Physik Modell A: Licht als Teilchen Modell B: Licht als Wellen Modellbildung als Ziel der Forschung Die Forschung bestimmt/testet, welches Modell am besten zur Erfassung des Gegenstandsbereichs geeignet ist Qualitative Methoden Offene Verfahren (z.B. narrative Interviews und Auswertung mit hermeneutischen Verfahren) Beispiel aus der Soziologie Modell A: Gesellschaft als System Modell B: Gesellschaft als die Summe der Handlungen einzelner Personen wenig formalisierbar © Prof. Dr. Nina Baur, Cornelia Thierbach und Janin Dziamski, 2013 Was sind Forschungsmethoden?
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