Was bisher geschah: klassische Aussagenlogik

Was bisher geschah: klassische Aussagenlogik
Syntax Symbole und Struktur
Junktoren: t, f (nullstellig), ¬ (einstellig),
∨, ∧, →, ↔ (zweistellig)
aussagenlogische Formeln AL(P)
induktive Definition:
IA Atome : Aussagenvariablen (p, q, r , . . .)
IS zusammengesetzte Formeln (ϕ, ψ, η, . . .):
Verknüpfung von Formeln durch Junktoren
Prinzip der strukturellen Induktion über Baumstruktur von Formeln
Semantik (Bedeutung der Syntaxelemente)
eines Junktors: Wahrheitswertfunktion
einer Aussagenvariablen: Wahrheitswert
aller Aussagenvariablen einer Menge P:
Belegung (Interpretation) W : P → {0, 1}
einer Formel aus AL(P): Funktion
W : AL(P) → {0, 1}
Boolesche Funktion
Erfüllbarkeit, Allgemeingültigkeit von Formeln
Äquivalenz von Formeln, z.B. p → q ≡ ¬p ∨ q
43
Formelmengen
Formelmenge Φ ⊆ AL(P)
(Menge von Bedingungen)
Beispiele:
{p, p → q} ⊆ AL(P)
{p, p → q, ¬q} ⊆ AL(P)
{p → q} ⊆ AL(P)
∅ ⊆ AL(P)
44
Semantik von Formelmengen
Eine Belegung W : P −→ {0, 1} erfüllt eine Menge Φ ⊆ AL(P)
von Formeln genau dann, wenn W jede Formel ϕ ∈ Φ erfüllt.
Bestimmung der erfüllenden Belegungen z.B. durch
Wahrheitswerttabellen
Beispiele:
einzige erfüllende Belegung für {p, p → q}: [p → 1, q → 1],
{p, p → q, ¬q} hat keine erfüllende Belegung.
erfüllende Belegungen für {p → q}:
[p → 0, q → 0], [p → 0, q → 1], [p → 1, q → 1]
Jede Belegung ist ein Modell für die Formelmenge ∅.
Fakt
Eine Belegung W : P → {0, 1} erfüllt eine endliche
Formelmenge Φ = {ϕ1 , . . . , ϕn } genau dann, wenn sie die
Formel ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn erfüllt.
45
Modellierung durch aussagenlogische Formelmengen
Aussagen:
1. Es wird nicht mehr viel Eis gekauft, wenn es kalt ist.
2. Der Eisverkäufer ist traurig, wenn nicht viel Eis gekauft
wird.
3. Es ist kalt.
Darstellung als Formelmenge Φ ⊆ AL({k , t, v }):
Φ = {k → ¬v , ¬v → t, k }
erfüllende Belegungen für Φ: [k → 1, t → 1, v → 0]
neue zusätzliche Aussage:
4. Der Eisverkäufer ist nicht traurig.
Erweiterung der Formelmenge Φ zu
Φ = Φ ∩ {¬t} = {k → ¬v , ¬v → t, k , ¬t}
erfüllende Belegungen für Φ : keine
46
Modellierungsbeispiel Zuordnungen
In einem Eisenbahnabteil sitzen die Herren Lehmann und
Müller. Einer ist Sachse und einer Thüringer.
Jeder der beiden Personen kommt aus genau einem Land, also
1. Jede Person kommt aus wenigstens einem Land.
LS ∨ LT , MS ∨ MT
2. Aus jedem Land kommt wenigstens eine Person.
LS ∨ MS, LT ∨ MT
3. Jede Person kommt aus höchstens einem Land.
LS → ¬LT , LT → ¬LS, MS → ¬MT , MT → ¬MS
oder (äquivalent) ¬LS ∨ ¬LT , ¬MS ∨ ¬MT
4. Aus jedem Land kommt höchstens eine Person. (ÜA)
Zuordnungen kommen (mit viel mehr beteiligten Individuen) in
vielen praktischen Anwendungen vor, z.B. Ressourcen-Planung
Stundenplan
Aufgabenverteilung
Job-Scheduling (Betriebssystem)
47
Beschränkte Ausdrucksstärke der Aussagenlogik
Aussagen immer zweiwertig
(nur wahr oder falsch, keine Zwischenwerte),
z.B.: Die Rose ist rot. Das Bier ist kalt. Der Student ist fleißig.
(Erweiterung zu mehrwertigen Logiken, fuzzy logic)
Aussagen immer absolut
(keine Abhängigkeit vom Kontext, z.B. Ort, Zeitpunkt),
z.B.: Es regnet. x > 3
(Erweiterung zur Modal- und Temporallogiken)
Aussagen über alle Elemente „großer“ Mengen aufwendig
(Erstellung, Platzbedarf), z.B. Zuordnungen
keine Aussagen über Elemente einer unendlichen Mengen oder
Mengen unbestimmter Mächtigkeit möglich, z.B.
Jede durch 4 teilbare Zahl ist gerade.
In jedem zusammenhängenden Graphen mit ≥ 2 Knoten
hat jeder Knoten einen Nachbarn.
Es ist nicht alles Gold was glänzt.
(Erweiterung zur Prädikatenlogik)
48
Modellierungsbeispiel
1. Max ist ein Fisch.
2. Alle Fische schwimmen.
3. Also schwimmt Max.
Individuenbereich (Objekte): Lebewesen
Individuen (Konstanten) Max
Eigenschaften: istFisch, schwimmt
prädikatenlogische Formeln:
1. istFisch(Max)
2. ∀x(istFisch(x) → schwimmt(x))
3. schwimmt(Max)
49
Modellierung in Prädikatenlogik
Grundannahme:
Die zu modellierende Welt besteht aus Individuen, die
Eigenschaften haben und zueinander in Beziehungen
(Relationen, Funktionen) stehen.
Aussagen beschreiben Eigenschaften von und und
Beziehungen zwischen Individuen.
Formalisierung solcher Aussagen durch prädikatenlogische
Formeln.
50
Prädikatenlogische Aussagen – Beispiele
Personen sind genau dann Geschwister, wenn sie dieselbe
Mutter oder denselben Vater haben.
A ist genau dann Nachfahre von B, wenn B A’s Vater oder
A’s Mutter ist oder ein Elternteil von A Nachfahre von B ist.
Nachfahren derselben Person sind verwandt.
Individuenbereich: Menge von Personen
Beziehungen: Nachfahre, verwandt, Geschwister
Funktionen: Mutter, Vater
Primzahlen sind genau diejenigen natürlichen Zahlen, die
genau zwei verschiedene Teiler haben.
Gerade Zahlen sind genau diejenigen natürlichen Zahlen,
die durch 2 teilbar sind.
Es existieren gerade Primzahlen.
Nachfolger ungerader Primzahlen sind nicht prim.
Das Quadrat jeder geraden Zahl ist gerade.
Individuenbereich: Menge aller natürlichen Zahlen
Eigenschaft: prim, gerade
Beziehung: teilt
Funktion: Nachfolger, Quadrat
◆
51
Atome (elementare Aussagen)
Aussagenlogik : Aussagenvariable,
bekommt festen Wahrheitswert durch Belegung
Prädikatenlogik : (parametrisierte) Aussage über
Eigenschaften von oder Beziehungen zwischen
Individuen
Wahrheitswert abhängig von beteiligten Individuen
z.B. nebeneinander(x, y ),gerade(n) , x < 3, x < y ,
geschwister(x, mutter(y ))
52
Prädikatenlogik (der ersten Stufe) – Syntax
bekannt: aussagenlogische Junktoren t, f, ¬, ∨, ∧, →, ↔
neu: prädikatenlogische Atome, Quantoren ∀, ∃
Definition (induktiv)
Die Menge aller Formeln der Prädikatenlogik ist definiert durch:
IA: Alle Atome sind Formeln.
IS:
t und f sind Formeln.
Ist ϕ eine Formel und x eine
Individuenvariable, dann sind auch
¬ϕ, ∀xϕ, ∃xϕ Formeln.
Sind ϕ und ψ Formeln, dann sind auch
ϕ ∨ ψ, ϕ ∧ ψ, ϕ → ψ und ϕ ↔ ψ Formeln.
Baumstruktur der Formeln
53
Modellierung in Prädikatenlogik – Beispiel
Auf jeden Topf passt ein Deckel.
Individuenbereich: Kochgeschirr
Eigenschaften: ist-Topf T (_), ist-Deckel D(_)
Beziehung: passt-auf P(_)
Schrittweise Entwicklung einer Formel:
1. Atome: P(x, y ) (x passt auf y ),
D(x) (x ist ein Deckel), T (y ) (y ist ein Topf)
2. Formel D(x) ∧ T (y ) ∧ P(x, y )
Der Deckel x passt auf den Topf y .
3. Formel ∃x (D(x) ∧ T (y ) ∧ P(x, y ))
Es gibt einen Deckel, welcher auf den Topf y passt.
4. Formel ∀y ∃x (D(x) ∧ T (y ) ∧ P(x, y ))
Zu jedem Topf gibt es einen Deckel, der auf diesen Topf passt.
bedeutet dasselbe wie: Auf jeden Topf passt ein Deckel.
54
Modellierung in Prädikatenlogik – Beispiele
Personen sind genau dann Geschwister, wenn sie dieselbe Mutter
oder denselben Vater haben.
Individuenbereich: Personen
Beziehungen: sind-Geschwister G(_, _),
ist-Mutter-von M(_, _) , ist-Vater-von V (_, _)
Zwischenschritte:
Atome: G(x, y ), M(z, x), M(z, y ), V (u, x), V (u, y )
M(z, x) ∧ M(z, y )
z ist Mutter von x und y .
∃z (M(z, x) ∧ M(z, y ))
x und y haben dieselbe Mutter (z).
∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) ∨ ∃u (V (u, x) ∧ V (u, y ))
x und y haben dieselbe Mutter (z) oder denselben Vater (u).
G(x, y ) ↔ (∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) ∨ ∃u (V (u, x) ∧ V (u, y )))
x und y sind genau dann Geschwister, wenn Sie dieselbe Mutter
oder denselben Vater haben.
(Zwei beliebige) Personen sind genau dann Geschwister, wenn Sie
dieselbe Mutter oder denselben Vater haben.
∀x∀y (G(x, y ) ↔ (∃z (M(z, x) ∧ M(z, y )) ∨ ∃u (V (u, x) ∧ V (u, y ))))
55