Dr.Hugo Gottschall schreibt: Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen! Der Großvater meiner Frau hieß Jakob Baldes. Er war Brauer, Wirt und Fuhrunternehmer. Bis zum Jahre 1860 unterhielt er in Saarbrücken am St. Johanner- Markt - Ecke Kaltenbachstraße - eine kleine Brauerei, wie es im vorigen Jahrhundert viele in unserer Stadt gab, eine Wirtschaft und ein Fuhrunternehmen. Er hatte einen Transport nach St. Wendel. Dort konnte er in einem Gasthaus ein Gespräch am Nachbartisch verfolgen, das ihn selbst betraf. Man erzählte sich, in Saarbrücken habe der Gastwirt Jakob Baldes von der preußischen Grubenverwaltung ein Gelände an der Saar gekauft, das bisher als Kohlehalde benutzt worden sei. Und hierfür habe er 10. 000, - Taler bezahlt. Eine Unsumme Geld in der damaligen Zeit. Man schüttelte die Köpfe, zweifelnd, ob das mal gut gehe. In der Tat hatte der Jakob Baldes 1860 von der Grubenverwaltung für den genannten Betrag von 10.000,-- Talern das Gelände zwischen Saar und Bahnhofstraße (damals noch Staatsstraße) und Ufergasse und Sulzbach gekauft. Das Gelände war für die Grube als Kohlenhafen entbehrlich geworden, da mit dem Bau der Eisenbahnlinie Saarbrücken-Bingerbrück die Kohlen per Bahn verfrachtet wurden. Der in St. Wendel kritisierte Grundstückskauf war aus heutiger Sicht das beste Grundstücksgeschäft, das in den 3 Generationen der Familie Baldes abgeschlossen wurde. Wie der Jakob Baldes die Mittel für den Grundstückskauf aufbrachte, das lässt sich nicht mehr feststellen. Sicher ist aber, dass er ein weit blickender, risikofreudiger Unternehmer war. Auf dem neu erworbenen Gelände baute er Ecke Bahnhofstraße und Ufergasse ein Wohnhaus mit einer Gastwirtschaft und dahinter die Brauerei. Die Brauerei betrieb er selbst bis in die 90er Jahre. Er hatte mit seiner Frau Luise geb. Klein eine große Familie. 2 seiner Söhne starben in jugendlichem Alter. Die einzige Tochter heiratete einen Offizier. Die Söhne Adolf und August mein Schwiegervater - blieben im elterlichen Geschäft, das sie auch später übernahmen. 3 seiner Söhne wanderten aus. 1893 zog sich der Großvater aus dem aktiven Geschäftsleben zurück. Seine Söhne Adolf und August erwarben die Brauerei und fanden ihre Geschwister ab. Adolf war für den kaufmännischen, August als gelernter Brauer für den technischen Bereich der Brauerei zu ständig. Um 1900 modernisierten und erweiterten sie die Brauerei. Für diese Investitionen und zur Abfindung ihrer Geschwister nahmen sie bei der Freiherr von Stumm‘ schen Vermögensverwaltung Halberg ein größeres Darlehn auf, das mit 4 % zu verzinsen war. Adolf war unverheiratet. Sein Bruder August hatte 3 Töchter. Es waren keine männlichen Nachkommen vorhanden. So entschlossen sich die Gebrüder Baldes im Jahre 1923 die Brauerei aufzugeben, die vorhandenen Gebäude und das Gelände zu verpachten bzw. anderweitig zu verwenden. Die Wirtekundschaft wurde der Brauerei Neufang übergeben. Von diesem Zeitpunkt an lebten die Brüder Adolf und August Baldes, letzterer mit seiner Familie, als Rentner von den Mieteinnahmen aus ihrem Grundbesitz, insbesondere der Häuser in der Bahnhofstraße. Im 2. Weltkrieg wurden die Gebäude Bahnhofstraße 47 und 49 durch Fliegerangriffe fast völlig zerstört. In den ersten Nachkriegsjahren war aus vielerlei Gründen an einen Wiederaufbau nicht zu denken. In dieser Zeit fand eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Generationen statt. Onkel Adolf vermachte seinen Anteil am Grundbesitz in der Bahnhofstraße und Saarufergasse seinem Bruder August und dessen Kindern. Sein sonstiges Vermögen, darunter eine repräsentative Villa, fiel den übrigen Erben zu. Onkel Adolf verstarb hoch betagt im Jahre 1947, damit fiel sein Anteil am gemeinsamen Grundbesitz an seinen Bruder August. Aufgrund seines hohen Alters verkaufte kurze Zeit darauf mein Schwiegervater August Baldes sein um den Anteil seines Bruders erweitertes Grundvermögen mit je 1/3 Anteil an seine Kinder Thea Stamm geb. Baldes, Gertrud Kirchner geb. Baldes und meine Frau Hildegard Gottschall geb. Baldes. Für den Lebensunterhalt der Eltern war durch ein Wohnrecht und eine lebenslange Leibrente Sorge getragen. Als ich im Herbst 1948 nach Saarbrücken zurückkehrte, stand privatrechtlich dem Wiederaufbau der Gebäude Bahnhofstraße - Ufergasse nichts mehr im Wege. Die städtische Planung sah die Erweiterung der Bahnhofstraße durch den Einbau von Arkaden vor. Das bedeutete die Abtretung eines Grundstücksstreifens entlang der Straße. Auch hiermit erklärten wir uns einverstanden, weil wir das Recht erhielten, die Ufergasse zu überbauen und rückwärtige Ausweichmöglichkeiten hatten. Die finanzielle Regulierung dieser durch die städtische Planung bedingte Inanspruchnahme von Teilflächen unseres Grundbesitzes zog sich allerdings noch jahrelang hin. Nach längerer Überlegung entschlossen sich die 3 Eigentümerinnen im Einvernehmen mit ihren Männern zum Wiederaufbau ihres Grundbesitzes. Ein besonderes Interesse entwickelte hierbei unser Schwager Carl Stamm, der möglichst rasch an gleicher Stelle sein gut eingeführtes Stahlwareneinzelhandelsgeschäft wiedereröffnen wollte. Die Architekten Geis und Schmitt fertigten die Baupläne, die stützenfreie Arkaden vorsahen. Sie hatten die Bauleitung, schlossen die Liefer- und Leistungsverträge mit den Baufirmen ab und waren für das Bauwerk verantwortlich. Das schwierigste Problem, vor dem wir standen, war die Finanzierung dieses großen Bauvorhabens. Eigenmittel waren nicht vorhanden. An eine Regulierung der Kriegssachschäden war vorerst nicht zu denken. Einen Hypothekenmarkt, wie in normalen Zeiten, gab es nicht. Es war ein finanzielles Wagnis, dieses Bauvorhaben zu beginnen. Dafür trug ich gegenüber der Familiengemeinschaft die Verantwortung. Das Bauvolumen betrug 50 Mio.ffrs. Es war auch möglich, in mehreren Abschnitten zu bauen, z.B. zunächst Keller- und Erdgeschoß und später, soweit Mittel vorhanden, nach und nach die Etagen. Diesen Gedanken vertrat mein Schwager Stamm, der in erster Linie am Erdgeschoß interessiert war. Das Eigenkapital beschafften wir uns durch den Verkauf des alten Brauereigebäudes in der Ufergasse an die Kleiderfabrik Berklei, die lang jährige Mieterin war. Der Kaufpreis betrug 15 Mio. ffrs. Weitere Mittel konnte ich über die Vorfinanzierung von Bausparvertragen beschaffen. Es waren 12 Mio. ffrs., aufgeteilt mit je 4 Mio. ffrs. auf die drei Beteiligten. Später gewährte die Landesbank noch einen Konto-Korrentkredit über 5 Mio. ffrs. Meine beiden Schwäger konnten über ihre Banken weitere 5 Mio. ffrs. beschaffen. Was danach zur Errichtung des Bauwerkes an finanziellen Mitteln noch fehlte, wurde mit Hilfe des Bauunternehmens überbrückt. - Das war alles andere als eine klassische Finanzierung. Die Kredite hatten alle eine Laufzeit von weniger als 4 Jahren. Aber das Gebäude stand. - Es war der erste nach dem Kriege errichtete Neubau in der City unserer Stadt, erbaut, wie von der städtischen Bauverwaltung verlangt, mit stützenfreien Arkaden. Irgendwelche Schwierigkeiten sind uns aus der kurzfristigen Finanzierung auch später nicht entstanden. Die Mieteinnahmen wurden in den ersten Jahren nicht an die Eigentümer ausgezahlt, sondern zur Kredittilgung verwandt. In der Folgezeit hatten wir Erlöse aus Grundstücksverkäufen, die notwendig waren zur Erschließung des Geländes zwischen Saar und Bahnhofstraße. Nur durch unsere Verkaufsbereitschaft ist es möglich gewesen, die Berliner Promenade, heute ein Kernstück unserer Innenstadt, zu bauen. Die mächtige Platane unweit der Mündung des Sulzbaches in die Saar, die der Großvater Jakob Baldes pflanzte, weckt Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Im Jahre 1959 errichteten wir am Steg, der Verbindungsstraße von der Bahnhofstraße zur Berliner Promenade ‚ ein kleineres Geschäfts haus, das über das Kellergeschoß mit unseren Häusern in der Bahnhofstraße verbunden ist. Die Finanzierung dieses Objektes war kein besonderes Problem. Wir hatten Erlöse aus Grundstücksverkäufen zur Verfügung und nahmen ein langfristiges Darlehn auf, das damals zu einem günstigen Zinssatz möglich war. Die Verwaltung der Häuser liegt seit ihrer Errichtung in meinen Händen. Sie umfasst die Vermietung der Häuser, das Aushandeln und Abschließen der Mietverträge, die Vergabe notwendiger Instandsetzungsarbeiten, die Überwachung der Mieteingänge, die Verrechnung der Heizungs- und Mietnebenkosten mit den Mietern, den Jahresabschluss und die Steuererklärung. Es ist mein Grundsatz, stets ein gutes Einvernehmen mit den Mietern zu haben. Das ist mir auch im Verlaufe meiner bisherigen mehr als 30-jährigen Verwaltungsarbeit bis auf wenige Ausnahmen gelungen. Ich habe in dieser Zeit keinen Prozess z.B. wegen Mietstreitigkeiten geführt. Ich vereinbare im allgemeinen Mieten, die am unteren Ende des Preisspiegels für gewerbliche Räume in dieser Lage liegen. Damit bin ich bisher gut gefahren. Ich bemühe mich um Mietverträge mit l0-jähriger und längerer Laufzeit. So ist ein Mieterwechsel mit den oft damit verbundenen Ausfällen recht selten. Vielmehr melden die Mieter oftmals einen zusätzlichen Raumbedarf an, der nicht immer befriedigt werden kann. Das Areal, das der Großvat Jakob Baldes 1860 für 10.000,- Taler von der Grubenverwaltung erwarb ist heute vielfältig verwendet. Große Teile des Grundstückes wurden öffentlichen Zwecken zugeführt. - Bau der Berliner Promenade, - Erweiterung der Bahnhofstraße durch Einbau von Arkaden - andere Teile wurden an private Interessenten verkauft und in der Zwischenzeit bebaut. Das Herzstück blieb im Eigentum der Familiengemeinschaft. Darauf sind unsere Geschäftshäuser Bahnhofstraße 47 und 49 und Am Steg errichtet. Seit 1973 ist das Eigentum mit gewissen Einschränkungen von den Schwestern Baldes an die nächste Generation - es ist vom Zeit punkt des Erwerbes des Grundstückes durch den UrGroßvater Jakob Baldes die 4. - übergegangen. Ich wurde oft gefragt, welche Kapitalanlage ich für die beste halte. So absolut lässt sich diese Frage nicht beantworten. Ich meine aber, der Grundbesitz ist heute trotz mancher Unkenrufe noch so sicher und wertbeständig wie ehedem. Wer sein Vermögen oder Teile davon in Grundbesitz anlegt, muss sich allerdings klar darüber sein, dass ein schneller Verkauf schwierig sein kann und zu Verlusten führen kann. Grundbesitz eignet sich für eine langfristige Kapitalanlage. Wir sind in 3. und 4. Generation dem Großvater Jakob Baldes zu Dank verpflichtet, dass er vor 120 Jahren in unserer aufstrebenden Stadt den Wert des Grundbesitzes erkannt und danach gehandelt hat. Aufgeschrieben von Dr.Hugo Gottschall, Schwiegersohn von August Baldes, Ehemann von Hildegard Gottschall, geb. Baldes. H.Gottschall war für viele Jahre Vorstandsmitglied der Landesbank Saar (SaarLB)
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