Einführung: Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?

„Einführung in die deutsche
Sprachwissenschaft“ (V)
Einführung:
Was ist „Sprache“?
Was ist „Sprachwissenschaft“?
Inhalt der Vorlesung
„Die Vorlesung gibt einen Überblick über Gegenstände, Begriffe und
Methoden der Sprachwissenschaft sowie einen ersten Einblick in
ausgewählte Arbeitsgebiete der Linguistik.“
Linguistik = Sprachwissenschaft
Ausgewählte Arbeitsgebiete:
1) Was ist ein Zeichen? (Semiotik)
2) Ebenen der Sprache:
- Laute (Phonetik/Phonologie)
- Wörter (Morphologie)
- Sätze (Syntax)
3) Bedeutungen von Wörtern und Sätzen (Semantik)
4) Schreibung (Graphematik/Orthographie)
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
Kurzer Abriss zur Geschichte der Sprachwissenschaft
> Lit.: Andreas Gardt: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland.
Berlin/New York 1999.
19. Jahrhundert: Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft
„Historisch“: wiss. Betrachtung der Sprache = Untersuchung ihrer
Geschichte (Lautwandel, Bedeutungswandel usw.)
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
ÄRMEL, m. manica, ahd. armilo (GRAFF 1, 426), mhd.
ermel (BEN. 1, 57b), bei H. SACHS erbel, bair. erwel;
man schreibt auch heute besser ermel, ursprünglich
alles, was den arm umwindet, also auch fessel, armkette.
lange oder kurze ermel, weite oder enge. bei der arbeit,
beim essen die ermel zurückstreifen, dasz die arme freier
werden: der salat war bereit, das fleisch darein schmuckt
sich, er streift die ärmel hinder sich, grif darein und asz
es also mit öl, essig und salz hinein. Garg. 237b; die ir
erbel hinder sich streift. H. SACHS 1, 265c. einem etwas
auf den ermel binden, aufbinden, aufheften, seine
leichtgläubigkeit misbrauchen; er läszt sichs auf die
ermel biegen. RACHEL 19, eine sicher alte
ausdrucksweise, die noch vom biegen des goldes um den
arm herrührt, vgl. mhd. armbouc. einen am ermel fassen,
ziehen, zupfen, leise auffordern oder warnen, dasz er
sich einhalte, nicht zu weit gehe: mein verleger hat einen
sehr demütigen brief an mich geschrieben und mich
wegen des vierten theils am ärmel gezupft.
Jacob Grimm (1785-1863)
Deutsches Wörterbuch (33 Bde., 1838-1965)
Jacob Grimm: Deutsche Grammatik (4 Bde., 1819-1837)
- „deutsch“ = hier eher „germanisch“
- also Vergleich des Nhd. mit dem Engl., Nd., Nl., Fries., den skandinavischen
Sprachen etc., aber auch mit älteren Sprachstufen (Althochdeutsch,
Altsächsisch, Altnordisch, Mittelhochdeutsch, Mittelniederdeutsch usw.)
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
„Vergleichend“: Sprachenvergleich > Rekonstruktion von
Sprachverwandtschaften und historischen Sprachstufen
Rekonstruktion des „Indoeuropäischen“
Näheres dazu in der Vorlesung
„Einführung in die deutsche Sprachgeschichte“
Paradigmenwechsel zu Beginn des 20. Jahrhunderts:
„Strukturalismus“ (Ferdinand de Saussure)
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
Ferdinand de Saussure
- geb. 1857 in Genf
- ab 1875: Studium in Genf,
Leipzig und Berlin
- 1880: Promotion in Leipzig über
den Genitivgebrauch im
Sanskrit (= Altindisch)
- 1881: Dozent für Vergleichende
Grammatik in Paris
- 1891-1913: Professor für
Geschichte und
indoeuropäischen
Sprachvergleich in Genf
- gestorben 1913
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
1906-1911: drei Vorlesungen zur
Allgemeinen
Sprachwissenschaft
- Vorlesungsmanuskripte 1916
veröffentlicht von zweien seiner
Schüler
= „Cours de linguistique générale“
(1916)
Dt.: Grundfragen der Allgemeinen
Sprachwissenschaft (3. Aufl.
2001)
Zur Anschaffung empfohlen!
(19,95 EUR)
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
Saussure = Begründer der modernen Linguistik
> Was ist das Neue an Saussures strukturalistischem Ansatz?
Saussures Dichotomien:
1) Zwei Betrachtungsweisen von Sprache: Langue vs. parole
- langue = Sprachsystem
- parole = Sprachgebrauch
Langue
- sozial
- wesentlich
- virtuell
- System von Zeichen
Parole
- individuell
- akzessorisch (zufällig)
- konkret, materiell
- Gebrauch von Zeichen im Kontext
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
Die langue ist ein Objekt, das man gesondert erforschen kann und muss.
„Langue“ bedeutet nicht notwendig ‚Sprachsystem der Standardsprache‘:
> Man kann auch die langue einer niederdeutschen Ortsmundart
untersuchen.
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
2) Synchronie vs. Diachronie
- diachron/diachronisch = ‚durch die Zeit hindurch‘ (Untersuchung von
Sprachwandel)
- synchron/synchronisch = ‚gleichzeitig‘ (Untersuchung eines
Sprachsystems zu einem bestimmten Zeitpunkt)
Diachron bedeutet nicht immer „historisch“.
Bsp.: Analyse der Verwendung von „ich sach ma“ in Fernsehinterviews
der Jahre 1990 bis 2007 = bezogen auf Gegenwartssprache, aber
diachronische Fragestellung
Synchron bedeutet nicht immer „auf die Gegenwartssprache bezogen“.
Bsp.: Analyse der syntaktischen Strukturen im Nibelungenlied (um 1200)
= bezogen auf mittelalterliche Sprache, aber synchronische
Fragestellung
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
Unterschiedliche Antworten auf die Fragen „Was ist Sprache?“ und
„Womit beschäftigt sich die Sprachwissenschaft?“
Histor.-vergl. Grammatik:
- Sprache = ein historisch gewachsenes Gebilde
- Sprachwissenschaft = Untersuchung der sprachhistorischen
Entwicklungen, die zum heutigen Deutsch führten
Strukturalismus:
- Sprache = ein System von Zeichen
- Sprachwissenschaft = (zunächst) synchrone Beschreibung der langue
= Schwerpunkt dieser Vorlesung und des Begleitseminares
Was ist „Sprache“? Was ist „Sprachwissenschaft“?
Diachrone Sprachwissenschaft:
- Sprachgeschichte
- Sprachwandelforschung
= Gegenstand der Vorlesung
„Einführung in die deutsche Sprachgeschichte“
Sprachwissenschaft der „parole“ (Sprachgebrauch):
- Sprache in Texten: Textlinguistik
- Sprache im Diskurs: Gesprächslinguistik
- Sprache und Gesellschaft (sozialer Gebrauch): Soziolinguistik,
Varietätenlinguistik
- Sprache und Handeln: Pragmatik (Pragmalinguistik)
- Sprache und Raum: Dialektologie
- Sprache und Denken: Psycholinguistik
= Gegenstand des weiterführenden Seminars „Synchrone
Beschreibung der deutschen Sprache“ (Modul 2 V-SPR)
Literaturtipps für die Hausbibliothek
Einführungen
* Albert Busch / Oliver Stenschke: Germanistische Linguistik. Eine
Einführung. Tübingen 2007. 14,90 EUR
* Angelika Linke / Markus Nussbaumer / Paul R. Portmann:
Studienbuch Linguistik. 5. Aufl. Tübingen 2004. 19,90 EUR
* Kirsten Adamzik: Sprache: Wege zum Verstehen. 2. Aufl. Stuttgart
2004. (= UTB 2172) 18,90 EUR
* Werner König: dtv-Atlas Deutsche Sprache. 15. Aufl. München 2004.
(= dtv 3025) 12,50 EUR
* Manfred Geier: Orientierung Linguistik. Was sie kann, was sie will.
Reinbek 1998. (= rowohlts enzyklopädie 55602) ab 0,89 EUR
Literaturtipps für die Hausbibliothek
Linguistisches Wörterbuch
* Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. Aufl.
Stuttgart 2002. 29,80 EUR
Grammatik des Gegenwartsdeutschen
Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 7. Aufl.
Mannheim (u.a.) 2005. 21,95 EUR
Zur deutschen Rechtschreibung
Christian Stang: Duden. Deutsche Rechtschreibung – kurz gefasst. 3.
Aufl. Mannheim (u.a.) 2006. 5,00 EUR
Reader zum Kurs
„Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft“
Der Reader zum Kurs „Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft“
kann von folgender Internetseite heruntergeladen werden:
http://www.germsem.uni-kiel.de/hundt/stud-material.shtml
Darin finden sich:
- weitere Literaturhinweise zur germanistischen Linguistik
- Stichwörter, Texte und Aufgaben zu verschiedenen Gebieten der
Linguistik
- eine Sammlung möglicher Klausuraufgaben
Wöchentlicher Arbeitsaufwand?
Vorlesung:
1,5 Std.
Vor- und Nachbereitung der Vorlesung + eigenes Üben:  2,5 Std.
Seminar „Einführung in die Sprachwissenschaft“:
Intensives Lesen der obligatorischen Begleitlektüre:
= wöchentlich ca. 8 Stunden für Vorlesung und Kurs
1,5 Std.
 2,5 Std.