Was Innovationen leisten müssen - Information Resources GmbH

Round-Table Sortiment
RUNDSCHAU-BEIRAT BESTSELLER AWARD
Was Innovationen
leisten müssen
Es gibt zu viele neue Produkte, aber zu wenig echte Produktneuheiten.
Der RUNDSCHAU-Beirat unseres BESTSELLER Awards hat getagt und
gesagt, welche Kriterien er der Listung von Neuheiten zugrunde legt.
Brauchen Sie in Zeiten von Rezession und Preiskampf in Ihren
Märkten mehr Produktneuheiten als in der Vergangenheit, um
mehr Umsatz auf Ihren Flächen zu erwirtschaften?
Rissel: Produktneuheiten sind immer wichtig. Der Markt lebt von
neuen Ideen. Eine richtig gute Innovation waren die Smoothies.
Sie haben ein neues Segment geschaffen. Im
Übrigen sind neue Produkte nicht nur für uns
„Wir brauchen echte
Händler, sondern auch für unsere Kunden, die
Produktneuheiten in
Verbraucher wichtig.
Behringer: Das kann ich nur unterstreichen.
allen Warengruppen.“
Wir brauchen Produktinnovationen, aber nicht
Martin Behringer,
nur in einer Warengruppe, sondern in möglichst
Geschäftsführer Famila
allen Warengruppen. Da sehe ich noch reichlich Potenzial. Wir erzielen in unseren Verkaufsflächen rund 30 Prozent unseres Umsatzes mit Produktneuheiten.
Vielfach wird seitens der Markenartikler behauptet, dass sich
die nicht diskontierenden Handelsorganisationen zu wenig mit
den Eigenschaften von Produktneuheiten befassen. Aldi und
Lidl würden sich mehr Zeit dafür nehmen. Was sagen Sie dazu?
Burger: Richtig ist, dass der Discount – insbesondere Lidl und Aldi
– sich intensiver mit Produktentwicklungen beschäftigen, um sich
von der Industrie unabhängiger zu machen. Für echte Produktinnovationen nehmen wir uns genügend Zeit. Vielfach sind wir doch
allein schon durch den Mediendruck gezwungen, neue Produkte zu
listen. Wenn ein Artikel in Tageszeitungen, Hörfunk oder Fernsehen
beworben wird, dann müssen wir das Produkt auch führen.
Rissel: Es macht keinen Sinn, eine Produktinnovation nicht ins
Sortiment aufzunehmen und dafür einen anderen Artikel einzulisten, der einen höheren WKZ bezahlt. Die Zeiten sind vorbei. Wir
brauchen für unsere Kunden in unseren Märkten echte Produktneuheiten und davon mehr als in der Vergangenheit.
Der RUNDSCHAU-Beirat BESTSELLER Award: Prof. Dr. Martin Fassnacht
(WHU – Otto Beisheim School of Management), Klaus Burger (Geschäftsführer
Coop), Rainer Anskinewitsch (Geschäftsführer Information Resources),
Bärbel Hammer (Marketingleiterin Bartels-Langness), Martin Behringer
(Geschäftsführer Famila), Bernhard Delakowitz (Geschäftsbereichsleiter
Zentrale Dienste Ware Markant), Harald Rissel (Geschäftsführer
Edeka Südwest), Jan Frauen (Selbstständiger Edeka-Kaufmann) (v.l.n.r).
Setzen die Hersteller falsche Prioritäten, wenn Sie ihnen Ihre
neuen Produkte in der Zentrale vorstellen?
Burger: Das Problem liegt darin, dass jeder Produktmanager glaubt,
dass seine Produktneuheit ein Topseller wird, ohne den Mehrwert
wirklich zu hinterfragen. Da wird man echt überschwemmt.
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Hammer: Wenn es wirklich eine Innovation
ist und einen echten emotionalen Mehrwert hat, dann listen wir die Neuheit auch.
Wenn es sich allerdings um die zehnte
Variante eines bereits vorhandenen Produktes handelt, wird das Ganze eher fragwürdig. Manchmal entscheidet dann leider
auch der Werbedruck der Hersteller über die
Listung, da die Kunden die aktuelle Ware in
unserem Sortiment erwarten.
An welche echte Produktneuheit der
vergangenen Monate können Sie
sich ganz besonders gut erinnern?
Frauen: Die Smoothies waren eine wirklich
echte Neuheit. Viele Hersteller haben den
Markt und das Nachfragepotenzial schnell
erkannt und Smoothie-Varianten einge-
Round-Table Sortiment
führt, leider sehr differenziert im Preis. Das
macht es uns schwer. Es gibt viele günstige, aber zum Teil auch übertrieben hohe
Verkaufspreisvorstellungen. Neben den
Smoothies sind auch die sogenannten
Near-Water-Produkte, also Wässer mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, vom
Verbraucher gut angenommen worden.
Werden Sie Ihrer Meinung nach von
der Markenartikelindustrie ausreichend
über Produktneuheiten informiert?
Frauen: Die Edeka Nord informiert mich
sehr gut darüber und Ihre Fachzeitschrift
Behringer: Bei uns sind es ebenfalls drei bis
auch. Zudem pflegen wir den persönlichen
sechs Monate. Während dieser Zeit verfolKontakt zu den Herstellern. Generell würde
gen wir die Umsatzentwicklung jeder einich mir wünschen, dass die Hersteller mit
zelnen Produktneuheit kontinuierlich. Wir
uns Händlern besprechen,
bewerten den Verlauf und
was Erfolg versprechend
entscheiden auf dieser
„Oftmals
entscheidet
scheint und was nicht. Wir
Grundlage, ob das Produkt
leider der Werbedruck
im ­ Regal bleiben kann
sind so nah an den Kunden dran. Schließlich entoder nicht. Entscheidend
über eine Listung.“
scheiden die Verbraucher,
ist die Wiederkaufrate
Bärbel Hammer, Leitung
welche Produkte funktioeiner ausreichend großen
Marketing, Bartels-Langness
nieren und welche nicht.
Käufergruppe.
Delakowitz: EntscheiWie viel Zeit lassen Sie grundsätzlich
dend ist doch, ob es sich um eine Innovaneuen Produkten, um sich in Ihren
tion oder um eine Neuheit handelt. Echte
Verkaufsflächen zu bewähren?
Innovationen machen einen eigenen Markt
Hammer: Maximal sechs Monate, je
und sind in der Regel damit auch erfolgnach Warengruppe. Dann sehen wir, ob
reich. Vor dem Hintergrund der wachsenein Produkt vom Verbraucher angenomden Bedeutung von Handelsmarken sollmen wird oder nicht. Und es ist tatsächten die Markenartikelhersteller viel mehr
lich so, dass viele Produktneuheiten leiunternehmen, um tatsächliche Innovatider dieser Bewährung nicht standhalten.
onen herauszubringen. Nur so können sie
Rissel: Wir handhaben das genauso.
sich dauerhaft im Sortiment halten. Und
Burger: Drei bis sechs Monate.
nur so helfen sie Vollsortimentern auch.
auch nach zwölf Monaten ein Flop sein.
Diese Prognosegenauigkeit ist wirklich
sehr beeindruckend.
Prof. Dr. Fassnacht: Die Alleinstellung ist auf
jeden Fall ein Erfolgskriterium. Dies reicht
aber nicht aus. Ich muss diesen Mehrwert
dem Verbraucher auch vermitteln – zum Beispiel über Verkostung, über Proben und über
eindeutig verständliche Werbebotschaften.
Selbst Innovationen werden erst dann erfolgreich, wenn sie sichtbar für den Verbraucher werden. Was nicht bekannt ist, läuft
nicht. Dazu muss auch der Handel in seinen
Sicherlich benötigen wir dazu auch eine
Verkaufsflächen beitragen. Es reicht nicht
qualitativ bessere Zusammenarbeit von
aus, ein Produkt zu listen und es ins Regal zu
Handel und Industrie – und zwar von der
stellen. Wir brauchen mehr VermarktungsProduktidee bis hin zur
ideen für Innovationen und
Vermarktung am POS.
den Mut und Platz, diese
„Ich wünsche mir vor
auch umzusetzen.
allem
bei
Süßwaren
Welche Eigenschaften
Behringer: Dazu benötimehr Innovationen.“
muss aus Ihrer Sicht ein
gen wir aber auch echte
neues Produkt erfüllen,
Produktneuheiten mit erJan Frauen, selbstständiger
Edeka-Kaufmann
um auch im Verkauf
kennbarem Zusatznutzen
erfolgreich zu bleiben?
für die Kunden. Wir leben
Anskinewitsch: Das Produkt muss einzigdoch nicht von WKZ‘s, sondern von
artig, nicht austauschbar sein. Es muss eimöglichst hohen Stücknutzen.
nen Nutzen haben, den der Verbraucher
spürt, versteht und auch wirklich haben
In welchen Warengruppen sehen Sie
will. Ist das nicht der Fall, führt der Weraus Ihren Erfahrungen heraus den
bedruck vielleicht sehr kurzfristig zum Ergrößten Bedarf an neuen Produkten?
folg, die Wiederkaufrate sinkt dann aber
Delakowitz: Es gibt viele gesellschaftliche
schnell gegen Null. Wir können mit neuThemen wie Gesundheit, Ernährungsbeesten Methodiken bereits zwei bis drei
wusstsein und Nachhaltigkeit, die warenMonaten nach der Markteinführung aufgruppenübergreifend Ansätze für Innovatizeigen, ob eine Produktneuheit erfolgonen bieten. Die Verbraucher befassen sich
reich werden wird oder nicht. Ein Produkt,
doch zunehmend intensiv mit diesen Thedas nach zwei Monaten ein Flop ist, wird
men. Und sie erwarten Produktlösungen.
Rissel: Wir brauchen einfach viel mehr echte
Innovationen, die exakt daran ansetzen und
die unsere Verbraucher auch verstehen.
Frauen: Ich wünsche mir vor allem mehr
Innovationen im Süßwaren- und SnackSegment. Damit sind wir sehr erfolgreich.
Der Nutzen ist dort für uns sofort greifbar.
Hammer: Dem kann ich nur zustimmen.
Nicht umsonst ist der Handelsmarkenanteil
im Süßwarenbereich noch vergleichsweise
gering – die Marke hat hier durch die Innovationsfreude eine starke Bedeutung. Trotzdem ist die Wechselbereitschaft hoch. Süßwaren sind nun mal Impulsartikel. Hier sind
die Kunden aufgeschlossen für Neues. n
Klaus Mehler, [email protected]
Steffi Simone Müller, [email protected]
INFO
Am 27. Oktober 2009
zeichnet die RUNDSCHAU
die erfolgreichsten, umsatzstärksten Produktneuheiten
des vergangenen Jahres mit
dem BESTSELLER aus. Der
RUNDSCHAU-Beirat BESTSELLER Award
analysiert dabei den nachhaltigen Innovationswert der umsatzstärksten Neuheiten.
Mitglied des Beirats sind Professor Dr.
Martin Fassnacht, Bernhard Delakowitz
(Markant), Klaus Burger (Coop), Martin
Behringer (Famila), Bärbel Hammer (BartelsLangness), Jan Frauen (selbstständiger EdekaKaufmann), Harald Rissel (Edeka Südwest)
und Rainer Anskinewitsch (Information
Resources) (Fotoleiste v.l.n.r.).
Fotos: T. Schindel
Sortiment Round-Table