Was bedeutet Qualität in der Pflege? - Kirchliche Sozialstation

Nr. 2 H e r b st 2 0 0 8
gepflegt
Hauszeitung der Kirchlichen Sozialstation
Schwetzingen e.V.
Die Kirchliche Sozialstation arbeitet nach strengen Qualitätsstandards
Was bedeutet Qualität in der Pflege?
Liebe Leserin, lieber Leser!
Die positive Resonanz auf die Frühjahrsausgabe unserer Hauszeitung hat uns sehr
gefreut und angespornt. Jetzt haben wir
wieder interessante Themen rund um die
Pflege zu Hause für Sie zusammengestellt. Was ist Pflegequalität? Sicherlich ist
Pflege dann gut, wenn Sie zufrieden sind.
Doch welche Leistungen sind dafür notwendig? Und wie lässt sich die Qualität
kontrollieren? Das sind Fragen, die unsere
Qualitätsbeauftragte, Schwester Heike Wies,
beschäftigen. Informationen zum Qualitätsmanagement lesen Sie auf dieser Seite.
Was sich durch die Reform der Pflegeversicherung alles ändert, erfahren Sie auf den
Innenseiten von Gepflegt zu Hause. Und
schließlich erzählen Ihnen auf der Seite 4
zwei Nachbarinnen ihre Geschichte.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre
von Gepflegt zu Hause!
Es grüßen Sie herzlich
Wenn die Pflegekräfte der Kirchlichen Sozialstation alte oder kranke Menschen zu Hause betreuen,
wollen sie das liebevoll und professionell tun. Wie sich dieser Anspruch erfüllen lässt, ist in einem
Qualitätsmanagement festgelegt.
Karin Eisinger
Geschäftsführer
Pflegedienstleiterin
Wir stellen uns vor
Heike Wies
Qualitätsbeauftragte
Nach meiner Ausbildung
zur Krankenschwester ha­be ich im Psychiatrischen
Zentrum Nordbaden gearbeitet. 1991 bin ich zur
Kirchlichen Sozialstation
nach Schwetzingen ge­kommen. Seit Ende 2003
arbeite ich hier nach einer
entsprechenden Weiterbildung als Qualitätsbeauftragte. Meine Aufgabe
ist es, die Arbeitsabläufe mit Hilfe von Standards,
Arbeits- oder Verfahrensanweisungen transparent zu machen. So wird unsere Arbeit für jeden
ersichtlich, nachvollziehbar und messbar. Die Qualitätsstandards sind in einem Handbuch zusammengefasst und für alle Mitarbeiter verbindlich.
Mir ist es wichtig, dass wir neue wissenschaftliche
Erkenntnisse in der Pflege einführen und durch
Fort- und Weiterbildungen vertiefen.
Heike Wies
D
ie Zahl der Menschen, die zu Hause gepflegt
werden, hat in den letzten Jahren zugenommen
und wird auch in Zukunft noch weiter steigen.
Diese Entwicklung sehen wir als Herausforderung, unsere Arbeitsprozesse und Strukturen immer wieder zu überdenken und der veränderten Situation anzupassen. Dabei
stehen immer die Menschen, die unsere Hilfe brauchen,
im Mittelpunkt. Es geht darum, dass sie zufrieden sind
und eine optimale Leistung bekommen. Das geht nur
mit freundlichem Pflegepersonal, gewiss, – aber für eine
qualitätsvolle Pflege ist noch viel mehr nötig: Fachwissen
und Beratung zum Beispiel. Die Sozialstation hat deshalb
Richtlinien für die Qualität ihrer Arbeit festgelegt:
Beratung: Die Sozialstation berät ausführlich und sehr
persönlich vor Ort. Die individuellen Wünsche und
Bedürfnisse der Klienten werden berücksichtigt. Nach
Möglichkeit betreut immer die gleiche Fachkraft den
Patienten.
Gute Ausbildung: Die Klienten werden von zufriedenen,
motivierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern betreut.
Alle Mitarbeiter arbeiten selbstständig und eigenverantwortlich und sind sich bewusst, wie wichtig ihr Beitrag
ist. Alle motivieren und unterstützen sich gegenseitig und
pflegen einen respektvollen Umgang. Fort- und Weiterbildungen sind verpflichtend.
Netzwerk: Durch eine gute Zusammenarbeit mit Hausärzten, Therapeuten, Apothekern etc. kann optimale
Pflege gewährleistet werden.
Sicherheit: Die Klienten sollen sich sicher fühlen. Damit
die Sozialstation rund um die Uhr erreichbar ist, gibt
es eine 24-Stunden-Rufbereitschaft. Zusätzlich wird ein
Hausnotrufsystem angeboten.
Kontrolle: Die Pflegequalität wird kontrolliert. Es wird
nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gearbeitet. Pflegepläne und Pflegestandards werden regelmäßig überprüft. Die Leistungen sind für den Klienten
ersichtlich. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Pflegevisiten. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hat
der Kirchlichen Sozialstation die gute Qualität der Arbeit
bescheinigt. n
Kirchliche Sozialstation Schwetzingen e.V.
Hildastrasse 4 a • 68723 Schwetzingen
Telefon 06202/27680 • Fax 06202/276840
Geschäftsführer Edelbert Meiswinkel
Pflegedienstleitung Karin Eisinger
[email protected]
www.sozialstation-schwetzingen.de
Siehe Rückseite
Ihre Adresse
Name
Straße
Ort
Telefon
✃
Edelbert Meiswinkel
Nr. 2 Herbst 2008
gepflegt
Was ändert sich? Was bleibt?
Die Pflegereform – eine gute Nachricht
für die häusliche Pflege
Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, das zum 1. Juli
2008 in Kraft getreten ist, bringt pflegebedürftigen
Menschen mehr Geld. Vor allem Leistungen für Pflegebedürftige, die zu Hause leben, werden schrittweise bis
zum Jahr 2012 erhöht. Auch für Menschen, die zum
Beispiel an einer Demenz leiden, will der Gesetzgeber
besser sorgen als bislang.
Foto: © Gina Sanders, fotolia.com
2012), in Stufe II statt
921 Euro dann 1.100
Euro und in Stufe III
statt 1.432 Euro dann
1.550 Euro erhalten
(siehe Übersicht).
Das sind natürlich
keine Beträge, mit
denen sich ein Pflegearrangement komplett bezahlen ließe,
es sind aber deutliche Signale, dass die
häusliche Pflege stärker unterstützt werden soll, denn im stationären Bereich
werden nur die Leistungen in Stufe
III angehoben – von 1.432 Euro auf
1.550 Euro. Ab dem Jahr 2015 sollen
die Leistungen der Pflegeversicherung
dann alle drei Jahre der Preisentwicklung gemäß angepasst werden. Diese
so genannte Leistungsdynamisierung
wurde vor allem von den Pflegeverbänden immer wieder gefordert: Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr
1995 sind die Beträge für Pflegegeld
und Sachleistungen ja gleich geblieben,
während Lohn- und Lebenshaltungskosten kontinuierlich gestiegen sind.
Die wichtigsten Neuerungen
Sach- und Geldleistungen: Vor allem
Pflegebedürftige, die ambulante Leistungen erhalten oder Pflegegeld beziehen, haben ab 1. Juli mehr Geld zur
Verfügung: So steigt z.B. das Pflegegeld in Stufe I von derzeit 205 Euro
monatlich bis zum Jahr 2012 auf 235
Euro, in Stufe III von 665 Euro auf
700 Euro. Wer ambulante Sachleistungen bekommt, wird in Stufe I statt
384 Euro dann 450 Euro (im Jahr
Ihr Absender: siehe Rückseite
Sage und Schreibe
✃
D
ie Pflegereform ist also zunächst
eine gute Nachricht für die häusliche Pflege. Um die vielen Verbesserungen bezahlen zu können, wird
die Regierung in Berlin den Beitragssatz
für die Pflegeversicherung von bisher 1,7
auf 1,95 Prozent anheben, für Kinderlose
erhöht er sich auf 2,2 Prozent. Das bringt
den Pflegekassen pro Jahr rund 2,5 Milliarden Euro mehr. Das Geld, so meinen
viele Kritiker, wird jedoch nicht lange
vorhalten: Sie rechnen für die Zukunft
mit weiter steigenden Beitragssätzen.
Wie gefällt Ihnen Gepflegt zu Hause? Welche Informationen sind für Sie
besonders interessant? Was fehlt Ihnen in dieser Ausgabe? Ihre Meinung
ist für uns wichtig. Und: Nennen Sie uns Ihr Wunschthema für die nächste
Ausgabe. Durch Ihre Ideen und Anregungen werden wir noch besser.
Betreuungsleistungen: Verbesserungen bringt die Reform auch Demenzkranken, die bislang ja erst dann, wenn
sie in einer Pflegestufe waren, zusätzliche 460 Euro pro Jahr
für Betreuungsleistungen beanspruchen konnten. Jetzt
können auch zum
Beispiel altersverwirrte Menschen ohne Pflegestufe Geld erhalten, und zwar bis zu
2.400 Euro jährlich.
Je nach Grad der eingeschränkten Fähigkeiten, im Alltag zurechtzukommen, stehen den Erkrankten Sachleistungen im
Wert von monatlich 100 bis 200 Euro
zur Verfügung. Da das Geld nicht an
die Betroffenen ausgezahlt wird, sondern ausschließlich als Sachleistung zur
Verfügung steht, kurbelt der Gesetzgeber zugleich Angebote an, die wirksam helfen, den Pflegealltag zu meistern: – zum Beispiel eine stundenweise Betreuung in den eigenen vier Wänden oder außer Haus.
Auch das so genannte „Poolen“ von
Leistungen wird ermöglicht – interessant zum Beispiel für ambulant betreute Wohngruppen, oder auch für pflegebedürftige Menschen in einer solidarischen Nachbarschaft: Mehrere
Pflegebedürftige können damit ihre
Ansprüche auf grundpflegerische Leistungen und hauswirtschaftliche Versorgung addieren und so zusammen
sicher mehr und passendere, individuelle und kollektive Betreuungsleistungen einkaufen und organisieren.
In jedem Fall: Fragen Sie Ihre Sozialstation nach den weiteren Informationen
und neuen Angeboten für Demenzkranke!
Tages- und Nachtpflege: Das PflegeWeiterentwicklungsgesetz sieht außerdem vor, die Leistungen für die Tagesund Nachtpflege anzuheben. Solche
teilstationären Angebote können pflegende Angehörige wirksam entlasten.
Nachtpflege – das ist zum einen sichere Betreuung für den pflegebedürftigen Menschen, zum anderen aber
die Chance auf einen
ungestörten Schlaf
für den pflegenden Angehörigen. Auch von
der Tagespflege profitieren
beide: Sie belebt
und motiviert den
kranken Menschen
und schenkt Angehörigen ein paar freie Stunden.
Während die Kosten für eine Tages- oder
Nachtpflege bislang vom Pflegegeld oder
Nr. 2 Herbst 2008
gepflegt
der Sachleistung abgezogen wurden,
erhöht sich jetzt der Gesamtanspruch
auf das 1,5-fache des bisherigen Betrages. Zum Beispiel: Ein pflegebedürftiger Mensch in Stufe II, der ab Sommer
Anspruch auf Pflegesachleistungen bis
zu 980 Euro monatlich oder Anspruch
auf Tagespflege (ebenfalls bis zu 980
Euro monatlich) hat, kann danach mit
einem Gesamtleistungsanspruch von bis
zu 1.470 Euro rechnen.
Pflegestützpunkte: Ab 1. Januar 2009
hat jeder Pflegebedürftige Anspruch
auf individuelle Pflegeberatung. Damit
sich Pflegebedürftige und pflegende
Angehörigen zur häuslichen Pflege gut
beraten lassen können, sollen sie einen
so genannten Pflegestützpunkt in ihrer
Nähe aufsuchen können. Die Bundesländer entscheiden darüber, ob und
wo sie Pflegestützpunkte einrichten.
Die Umsetzung übernehmen dann die
Pflegekassen – die Kommunen sollen
sich daran beteiligen.
In Baden-Württemberg ist eine Ent-
Foto: © Alexander Raths, fotolia.com
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Ab 2009 hat jeder
pflegebedürftige Mensch
Anspruch auf individuelle
Pflegeberatung.
Foto: © veer.com
Quelle BMG, Stand 13.3.08
Veränderte Pflegesätze (in Euro)
scheidung darüber bisher nicht gefallen.
Mit den Angeboten der Pflegekassen,
der kommunalen Beratung im Rahmen
der Daseinsvorsorge sowie der Pflegeberatung nach § 45 SGB XI durch die
Pflegedienste steht nach Auffassung der
Ministerin für Arbeit und Soziales, Monika Stolz (CDU), in Baden-Württemberg
bereits ein vielfältiges Beratungsangebot
zur Verfügung. „Doppelt gemoppelt“ –
das soll, so die Ministerin, so weit wie
möglich vermieden werden.
Pflegezeit: Wer einen Angehörigen
selbst pflegt, kann sich dafür künftig
sechs Monate lang von seiner Berufstätigkeit freistellen lassen. Mit dem neuen
Gesetz erhalten Arbeitnehmer damit
erstmals einen Anspruch auf eine unbezahlte, aber sozialversicherte Pflegezeit
und ein garantiertes Rückkehrrecht in
ihren Betrieb. Unternehmen mit weniger als 15 Beschäftigten sind von dieser
Regelung allerdings ausgenommen.
Auch das ist neu: Wenn man die Pflege eines Angehörigen kurzfristig organisieren oder selbst leisten muss –
zum Beispiel nach der Entlassung aus
dem Krankenhaus – dafür gibt es jetzt
einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung für bis zu zehn Arbeitstage.
Zeit, die man ad hoc braucht, um Auskünfte einzuholen, Anträge zu stellen oder Hilfen zu arrangieren. Der
Plan von Bundesgesundheitsministerin
Ulla Schmidt (SPD), Arbeitgeber oder
Krankenkasse für den Lohnausfall in
den ersten zehn Tagen aufkommen zu
lassen, ist allerdings gescheitert.
Verhinderungspflege: Wer einen
Angehörigen pflegt, hat auch bis jetzt
schon Anspruch auf eine vierwöchige Vertretung im Jahr (die so genannte
Verhinderungspflege). Seit 1. Juli wird
der Zugang zu dieser Leistung jedoch
erleichtert. Musste man bislang eine
zwölfmonatige Vorpflegezeit nachweisen, wenn man die Verhinderungspflege erstmalig in Anspruch nehmen wollte, reichen jetzt schon sechs Monate. ■
Redaktion: FORUM SOZIALSTATION, Bonn
Mehr Sicherheit und Lebensqualität
Die Diakonie- und Sozialstationen bieten Ihnen:
n
A
nsprechpartner: Was Sie auch immer zur Pflegeversicherung und den aktuellen Änderungen durch die
Pflegereform wissen wollen – sprechen Sie uns an! Wir
können Ihre Fragen sachlich und kompetent beantworten.
n
Informationsmaterial: Vieles von dem, was wir Ihnen
rund um die Pflege zu Hause bieten, gibt es schriftlich,
damit Sie es in Ruhe zu Hause nachlesen können.
n
B
etreuungsangebote: Für Menschen, die an Demenz
erkrankt sind, bieten wir bislang bereits unterschiedliche Betreuungen (stundenweise zu Hause, in Gruppen,
Tagespflege etc). Fragen Sie Ihre Diakonie- und Sozialstationen nach aktuellen Terminen und Angeboten!
n
n
P
flegevertrag: Wenn Sie uns mit Ihrer Pflege zu Hause
beauftragen, halten wir in einem schriftlichen Pflegevertrag zum Beispiel fest, welche Leistungen Sie ganz
konkret von uns erwarten können und was Ihre Pflege- bzw. Krankenkasse bezahlt. Unsere Pflegedienstleitungen achten darauf, dass Sie – und wenn Sie das
möchten, auch Ihre Angehörigen – sich mit dem Vertrag vertraut machen können, bevor Sie ihn unterschreiben.
P
flegefachkräfte: Wir beschäftigen vorwiegend festangestellte und staatlich examinierte Pflegekräfte. Alle Mitarbeiter werden zudem von uns für ihre Arbeit geschult
und durch regelmäßige Fortbildungen weiterqualifiziert.
n
ertrauen: Bei uns wissen Sie, wer Sie pflegt. Sie kenV
nen Ihre Pflegekraft und Sie können sicher sein, dass
Sie sich nicht jeden Tag auf ein neues Gesicht einstellen müssen.
n
Ihre Wünsche: Danach fragen wir immer wieder, zum
Beispiel ob Sie lieber von einer Frau oder einem Mann
gepflegt werden möchten, welche Pflegezeiten Sie
bevorzugen, ob Sie mit unserer Arbeit zufrieden sind.
n
4-h-Sicherheit: Unsere Diakonie- und Sozialstationen
2
sind an sieben Tagen die Woche und rund um die Uhr
für Sie und Ihre Angehörigen erreichbar.
n
flegeplan: Wir bieten Ihnen professionelle Pflege
P
und arbeiten nach einem Pflegeplan, dem meist ein
erprobtes Konzept oder so genanntes Pflegemodell
zugrunde liegt. Was das ist und warum das für Ihre
Pflege wichtig ist, erläutern wir Ihnen gerne.
n
flegedokumentation: Jede Pflegeleistung halten wir
P
schriftlich in einer Dokumentation fest. Die Unterlagen sind für Sie, alle Mitarbeiter der Sozialstation und
die behandelnden Ärzte jederzeit einsehbar.
n
usammenarbeit: Wir arbeiten seit vielen Jahren in
Z
einem tragfähigen Netzwerk mit Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Hilfeeinrichtungen zusammen.
Nr. 2 Herbst 2008
gepflegt
Wenn Eltern pflegebedürftig werden
So oder so – die Sorge bleibt
Ob Sie einen Angehörigen zu Hause
pflegen oder sich für seine Pflege im
Heim entscheiden – Ihre Sicht der Dinge
nehmen wir ernst.
mer erkrankt. Die Tochter kann nur selten durchschlafen,
da ihre Mutter nachts oft durch die Wohnung irrt. Für Frau
Danzerath war es damals selbstverständlich, die Pflege ihrer
Mutter zu übernehmen. Wenn sie aber nur einmal wieder
Zeit für sich hätte! So wie die Nachbarin Angelika Grundmann*, die gerade unten auf der Straße mit einer Einkaufstasche in der Hand vorbeieilt. ,Bestimmt war die wieder in
einer Boutique einkaufen – die hat ja die Zeit und das Geld!
Dafür habe aber ich meine Mutter nicht einfach in ein Heim
abgeschoben wie diese Frau Grundmann’, denkt Alice Danzerath.
Foto: GzH Nord
... und draußen
Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
drängt die Welt nach innen,
ohne Not geht niemand aus,
alles fällt in Sinnen.
Leiser wird die Hand, der Mund,
stiller die Gebärden.
Heimlich wie auf Meeresgrund
träumen Mensch und Erde.
Christian Morgenstern (1871 - 1914)
W
ir kennen die Sorgen und Nöte von pflegenden
Angehörigen und wissen, dass jede ihrer Entscheidungen ihre eigene individuelle Geschichte hat.
Vater oder Mutter oder beide werden pflegbedürftig: Eine
Behinderung, eine chronische Erkrankung oder schwer auszugleichende Alterserscheinungen können Hilfe oder Pflege
nötig machen. Es gibt viele Gründe, dass eine Tochter oder
ein Sohn das zu Hause übernimmt. Es gibt aber auch Gründe,
warum sie das nicht tun. Die folgende Geschichte zeigt, dass
beide Entscheidungen möglich und respektabel sind.
Drinnen ...
IMPRESSUM
HERAUSGEBER
ViSdP: Ev. Sozialstation Wertheim e.V.
Bahnhofstraße 17, 97877 Wertheim
Durchatmend steht Alice Danzerath* am Fenster. Endlich
in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken, denn ihre Mutter schläft
gerade. Die Tochter pflegt die Mutter seit drei Jahren zu
Hause. Die Mutter ist körperlich noch gesund und mobil,
braucht aber ständige Betreuung, denn sie ist an Alzhei-
Ev. Diakoniestation Heidelberg
An der Tiefburg 4, 69121 Heidelberg
Das Pflegegespräch
Kirchliche Sozialstation Eppelheim
Scheffelstrasse 11, 69214 Eppelheim Kirchliche Sozialstation Schriesheim e.V.
Kirchstraße 3, 69198 Schriesheim
Enttäuschende Sieger
Kirchliche Sozialstation Schwetzingen e.V.
Hildastraße 4a, 68723 Schwetzingen
Wie jeden Morgen besucht Pfleger Karl Eder* die 94-jährige Frau Reinhardt*, um ihr die Stützstrümpfe zur Thrombose-Prophylaxe anzuziehen.
Der Pfleger nutzt die Gelegenheit immer zu einem kleinen Gespräch.
Er weiß, dass seine Patientin ein Fußball-Fan ist und weil am Vorabend
ein Spiel im Fernsehen übertragen worden war, spricht er sie darauf an:
„Frau Reinhardt, wie hat Ihnen denn das Spiel gestern Abend gefallen, Sie haben es doch sicherlich gesehen?“ „Ja, das habe ich gesehen,
das Spiel war ja ganz spannend“, sagt Frau Reinhardt, „aber die Italiener – enttäuschend!“. „Aber warum denn, Frau Reinhardt, die haben
doch gut gespielt und sogar gewonnen!“ Darauf die alte Dame: „Schon
– aber es waren gar keine hübschen Männer dabei!“
Selbständig Wohnen Heidelberg e.V.
Storchenweg 2, 69123 Heidelberg
Sozialstation Mannheim Süd
Freiburger Straße 14, 68239 Mannheim
Auflage 10.450 Exemplare
Produktion und Redaktion*:
FORUM SOZIALSTATION, Bonn mit
• Lück
Kommunikation, Bad Honnef (Text)
(Grafik)
• Courir Media, Bonn (Druck)
• ImageDesign, Köln
* ausgenommen die namentlich gekennzeichneten
Texte der Ev. Sozialstation Wertheim
*Namen geändert
Foto: © Alexander, fotolia.com
Novembertag
Angelika Grundmann überquert hastig die Straße und
schaut an der gegenüberliegenden Häuserfront hoch. So
gut wie diese Frau Danzerath möchte sie es auch einmal
haben – tagsüber mit einer Tasse Kaffee am Fenster stehen und Leute beobachten können! Die Mutter von Frau
Danzerath ist ja zwar etwas verwirrt, aber trotzdem immer
noch lustig und freundlich, wenn man ihr am Arm ihrer
Tochter auf der Straße begegnet. Und sie kann noch laufen – im Gegensatz zu ihrer eigenen Mutter, die nach einem
Schlaganfall gelähmt ist. Frau Grundmann hat gerade nach
ihrem Dienstschluss noch neue Unterwäsche für die Mutter
gekauft und eilt jetzt ins Pflegeheim. Eben hat sie von dort
ein Pfleger auf dem Handy angerufen: Der Mutter sei Geld
gestohlen worden. Das wird ein Abend! Frau Grundmann
hat ein schlechtes Gewissen, so wenig Zeit für ihre Mutter
zu haben – aber dieser ständige Spagat zwischen Büro, Pflegeheim und Haushalt. Gerne würde sie ihrer Mutter mehr
Zeit widmen, so wie diese Frau Danzerath. Aber ganz ohne
Beruf und eigenes Geld – so könnte sie sich ihr Leben auch
nicht vorstellen. ■
* Namen geändert