„Aktivieren, was entwickelt werden kann“ - Lebenshilfe Nordhorn

„Aktivieren, was entwickelt werden kann“
Lebenshilfe Nordhorn gGmbH richtet marte-meo-Fachtag mit Maria Aarts aus
Die Entwicklungsbotschaft hinter auffälligem Verhalten zu lesen ist eine zentrale Technik, die Betreuer mit der
marte-meo-Methode lernen können. Wie gut und einfach dies in die alltägliche Arbeit eingebunden werden kann
verdeutlichte Maria Aarts, Leiterin von marte meo International, Eindhoven (NL) auf dem sehr gut besuchten und
ebenso gut organisierten Fachtag im NINO Kompetenzzentrum, Nordhorn.
vlnr: Anita Meyerink-Pucknat, Jutta Lux, Maria Aarts, Thomas Kolde
Nordhorn. Der Geschäftsführer der Lebenshilfe Nordhorn gGmbH, Thomas Kolde, griff in seiner Begrüßung vor
200 Fachkräften aus unterschiedlichsten Berufszweigen eine Zeile der Band ‚Tabuwta’ auf, die mit einigen
Stücken auf den Fachtag einstimmte. „Nicht normal zu sein ist ganz normal“, dies passe natürlich zur Arbeit der
Lebenshilfe, aber auch hervorragend zur marte-meo-Methode. Er hieß damit Maria Aarts aus Eindhoven, die
Begründerin dieser videogestützen Methode, in Nordhorn herzlich willkommen. In der Lebenshilfe wird marte meo
bereits angewandt und so übergab Jutta Lux, Bereichsleiterin Kindheit und Therapie, Wort und Podium an die
Referentin.
Der Begriff marte meo, so Maria Aarts, spiegele die zentrale Herangehensweise der einzelnen Programme wider,
nämlich durch intensives Beobachten Botschaften zu erkennen, Möglichkeiten zu entwickeln um dann gezielte
Entwicklung ‚aus eigener Kraft’ zu ermöglichen. Die Ursprünge dieser inzwischen international anerkannten und
erfolgreichen Methode gehen in die 1970er Jahre zurück. Damals sei sie, Therapeutin in einem Heim für
autistische Kinder und Jugendliche in den Niederlanden, von einer verzweifelten Mutter gefragt worden, warum
diese keinen Zugang zu ihrem eigenen Kind bekäme, Maria aber sehr wohl. Sehr schnell erkannte sie, dass dies
nicht an der „24-Stunden rundum Aufbewahrung“ der Betreuten liege, sondern an dem professionellen Wissen
der Betreuer, die dies aber weder weitergeben wollten noch konnten. Denn diesen abstrakten, meist
problemorientierten Expertisen fehlte es an lösungsorientierten Ansätzen und Beschreibungen in alltagstauglicher
Sprache.
Die logische Konsequenz war dann, dieses Wissen erkennbar, erlernbar und anwendbar für Eltern, Angehörige
und Betreuer zu machen. Hieraus entwickelte sich im Laufe der Jahre die marte-meo-Methode, deren
Programme erstmals 1987 unter diesem Namen international angewendet wurden.
In jederzeit kurzweiligen Ausflügen in die jüngere und ältere Vergangenheit brachte Maria Aarts zahlreiche
videounterlegte Beispiele für die Wirkungsweise von marte meo. Ihre fröhliche Erzählweise kam bei den
Anwesenden sehr gut an und vermittelte so eindrucksvoll die Inhalte der marte-meo-Methode. In jeder
Betreuungssituation gibt es Signale, die es zu erkennen gilt. Fasse man dies „mit gutem Gesicht und mit guter
Stimme“ in Worte, dann wird dies zurückgegeben, die Betreuten fühlen sich wahrgenommen und mit ihren
Bedürfnissen akzeptiert. Das Lebensalter ist dabei zweitrangig. Ein 12 Wochen alter Säugling reagiert ähnlich wie
ein Demenzpatient, beispielsweise bei der Körperpflege.
Fachkräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen lernen in der Ausbildung zum marte-meo-Experten, den
Initiativen ihrer Gegenüber zu folgen. Tun sie dies, können sie umso leichter die Leitung in jeder Situation
übernehmen, können kooperieren und vorhersagbar bleiben. Dies sei inzwischen weltweit vielen Eltern abhanden
gekommen, berichtet die Referentin aus ihren internationalen Projekten. Diese Fähigkeiten zu beherrschen sei
jedoch ein wichtiger Baustein der marte-meo-Methode. Ebenso bedeutsam ist das Benennen der Handlungen,
und zwar in verständlicher Sprache, was sie eindrucksvoll während des gesamten Fachtags vorlebte.
Marte meo ist inzwischen weltweit vertreten und Maria Aarts ist mit marte meo International auch in vielen
staatlich geförderten Langzeitmaßnahmen intensiv eingebunden. Aus diesen Programmen, z.B. in Norwegen, der
Schweiz, Irland, Australien, zitierte sie durchgängig in einer herzerfrischenden, erheiternden, dabei sehr
verständlichen und überzeugenden Art und Weise, so dass das Publikum stets aufmerksam blieb und sofort
eigene Anwendungsmöglichkeiten erkannte. Die Referentin verdeutlichte anhand von Videobeispielen ihrer mit
dem australischen Gesundheitspreis ausgezeichneten Arbeit aus ‚Down Under’ einen weiteren Kern der martemeo-Methode: Der Initiative eines Mädchens folgend, bestätigte die Betreuerin deren Idee in einer Kleingruppe
und machte es damit zum zentralen Thema. Das Mädchen, wesentlich schüchterner als die anderen Kinder und
daher von ihnen bislang kaum wahrgenommen, fühlte sich anerkannt und konnte es geniessen, für einen
angemessenen Zeitraum im Mittelpunkt zu stehen. Wie wichtig dies für die Persönlichkeitsentwicklung ist war
jedem im Fachpublikum bewusst. Klar wurde auch, dass nur kleine Schritte helfen, auffälliges Verhalten zu
ändern. „Reparieren muss ein langsamer Prozess sein“ erläuterte Maria Aarts. Marte-meo-Experten lernen in
ihrer Ausbildung, Arbeitslisten zu erstellen und als Instrument einzusetzen, denn die Diagnosen gelten für
Betreute und Betreuer gleichermaßen. In so genannten Reviewings werden dann diese Listen anhand von
Videoaufnahmen mit allen Beteiligten nochmals besprochen, um sogleich weitere Punkte herauszuarbeiten und
die nächsten Schritte festzulegen. Eindeutiger Bestandteil ist dabei immer, „zu erkennen, was vorhanden ist und
dann zu aktivieren, was entwickelt werden kann. Aus eigener Kraft!“, wie Maria Aarts betonte. Fragen zur
Ausbildung werden auf martemeo.com oder zum Beispiel von Frau Anita Meyerink-Pucknat, von Maria Aarts
persönlich ausgebildete marte-meo-Supervisorin, bei der Lebenshilfe Nordhorn beantwortet.
Eine Langzeitstudie in Irland belegt die positiven Auswirkungen der Methode, auch auf die marte-meoTherapeuten. Diese sind nachweislich motivierter, empfinden mehr Freude in ihrem Beruf und sind zudem
gesünder, haben weniger Fehlzeiten. Die irische Gesundheitsbehörden zitieren in dieser Studie ein Elternpaar mit
den Worten: „ Wir leben nicht mehr mit einer Diagnose zu Hause, sondern wieder mit unserem Kind!“