Zu Weihnachten was Kleines… Liebe Geschwister! An einem

Predigt am 1. Weihnachtsfeiertag, 25.12.2011/St. Augustin, Coburg/Pfr. Roland Huth
Zu Weihnachten was Kleines…
Lesung:
Jes 52,7-10 Hebr. 1,1-6
Evangelium: Joh 1,1-18
Liebe Geschwister!
An einem Freitagnachmittag vor vier Jahren im Blumengeschäft. Ich stehe im
Laden und rufe: Ich brauch noch schnell einen kleinen Tischstrauß. Darauf ruft
die Chefin ihrer Angestellten zu: Mach schnell, der Pfarrer braucht zu Weihnachten noch was Kleines! Schweigen im Laden – dann lautes Lachen. Und
nach dem Lachen dachte ich mir: Gar nicht schlecht – „zu Weihnachten was
Kleines“!
Diesen Ausspruch kennen wir, wenn ein Paar ihr Kind bekommen hat oder
wenn etwas noch wenig ist, noch nicht groß, nicht ausgewachsen, ausgereift.
Was Kleines – dahinter steckt auch ein in die Zukunft hinein orientierter
Prozess. Ein Werden.
Gestern haben wir die Heilige Nacht gefeiert. Ob bei Ihnen was Kleines oder
etwas Großes unter dem Weihnachtsbaum lag, ob es etwas zum Auspacken
gab oder nicht, liegt ja nicht nur an den Abmachungen zum Fest, die sicher
auch lauten können: Bei uns wird nichts geschenkt – höchstens was Kleines. In
nicht wenigen Familien, vielleicht auch bei vielen Senioren in unseren Gemeinden gab es vielleicht auch nur was Kleines – weil für Großes das notwendige
Kleingeld einfach nicht da ist.
Und so beginnt das heutige Weihnachtsevangelium auch nicht mit einem
Paukenschlag und ebenso wenig mit einer sentimentalen Ouvertüre aus
Betlehem. Es beginnt eigentlich sehr nüchtern mit etwas ganz Kleinem. Mit
einem Wort – mit einem Fleisch gewordenen Wort. „Und das Wort ist Fleisch
geworden und hat unter uns gewohnt.“ Johannes verpackt die Weihnachtsbotschaft in ausgefeilte Theologie. Keine Hirten, keine Engel, kein anmutiger Stall,
kein Gloria. Er schält die Weihnachtsgeschichte wie eine Zwiebel ab – und
kommt bei dem an, was uns tief zurück führt in das grundlegende Werden, in
die Schöpfung. Noch einmal wird aus Gottes Wort Fleisch. Nimmt sein Wort
Gestalt an! Aus der ganzen biblischen Geschichte wissen wir: Wenn Gott zu
Wort kommt, dann engagiert er sich in die Welt und in das Leben von uns
Menschen hinein. Dieses Geschehen verdichtet Johannes in seinem Evangelium.
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Das Fleisch gewordene Wort wird sichtbar, greifbar, erfahrbar. Es ist etwas
Kleines, ein Wort, ein Kind! Gott buchstabiert seine Liebe neu in unsere Welt
hinein.
Gott schenkt uns zur Weihnacht etwas Kleines, ein Fleisch gewordenes Wort,
das auch noch in die dunkelsten Ecken dieser Welt dringt. Es bleibt nicht bei
der Idylle der gestrigen heiligen Nacht und nicht bei den daraus entstandenen
Bildern und Geschichten. Weihnachten ist eine neue Art der liebenden, von
Gott in diese Welt gesprochenen, Provokation!
Carlo Maria Martini sagte dazu: „Weihnachten sagt das entscheidende Wort
über den Menschen, dass er geliebt ist, frei und fähig, den Weg zum Guten
einzuschlagen, dass er wie neugeboren sein Leben und seinen Dienst für den
Aufbau der Gesellschaft neu beginnen kann. Das Kind, das zu uns kommt, ist
das Zeichen dafür, dass Gott uns das Tor geöffnet hat, das auf diesen Lebensweg hinaus führt.“
Liebe Geschwister! Wenn Gott uns an Weihnachten das Tor geöffnet hat, das
auf diesen Lebensweg hinaus führt, dann darf das nicht ohne Folgen bleiben.
Für meinen und für Ihren weiteren Lebensweg. Für unsere von Mißbrauchsfällen und Stagnation betroffene Kirche, in der wichtigen Diskussion und die
anstehenden Entscheidungen den Klimaschutz und die wirtschaftliche Entwicklung der Völkergemeinschaft betreffend. Über all dort, wo Menschen in diesem
Licht von Betlehem einen Neubeginn wagen müssen und wagen können.
Zu Weihnachten was Kleines! So, wie damals, in dieser ersten Weihnacht, so
wird es auch heute keinen Paukenschlag geben und alle Dinge dieser Welt
haben sich zu Guten gewende. Diese Botschaft wächst – wie dieses Kind damals
– und muss werden. Und Weihnachten hört nicht auf, wenn die Ferien vorüber,
der Winterurlaub beendet, die Verwandtschaft abgeklappert ist.
Weihnachten beginnt leise, vielleicht mit einem einzigen Wort von Tür zu Tür;
mit dem Satz: Sind wir uns wieder gut! Mit der angesagten und der gezeigten
Solidarität den Menschen gegenüber, die uns am meisten als Christen ans Herz
gelegt sind: Mit den Armen in der Einen Welt. Mit allen, die durch die politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Systeme bedingt aus dem
normalen Leben katapultiert wurden. Gerade auch mit denen, die in unserer
Kirche keine Heimat mehr finden können, weil das Gesetz über der Barmherzigkeit steht.
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Weihnachten beginnt mit der Selbstverständlichkeit, den Alltag mit den
Menschen so zu leben, dass etwas spürbar wird von der Würde und der
Achtung, die wir jedem und jeder an unserer Seite schulden.
Weihnachten beginnt dort, wo wir uns dem verpflichtet wissen, was dem
Frieden, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung dient.
Weihnachten beginnt dort, wo die Menschen nicht in produktiv und
unproduktiv eingeteilt werden.
Wo Kinder so leben dürfen, dass sie sich zum Guten entfalten können und
ältere Menschen integriert sind in ein lebendiges soziales Miteinander.
Weihnachten beginnt hier wenn wir spüren, dass Gott in unser Leben hinein
sein Wort sagt.
Liebe Geschwister! Zu Weihnachten etwas Kleines! Ich wünsche Ihnen von
ganzem Herzen genau das: Viel Kleines, viel Alltägliches, bei dem spürbar wird,
dass Gott seiner Liebe und Zuneigung zu uns an Weihnachten endgültig Hand
und Fuß gegeben hat. Und dass Sie aus diesem Wort heraus selbst werden und
wachsen können - hinein in das eigene Leben und in eine Zukunft, wie sie uns
nur Gott schenken kann!
Amen.
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