fe atu r e 4 – medianet Dienstag, 27. August 2013 [email protected] Kundenorientierung Servicekommunikation ist das Marketing der Zukunft Service = Kommunikation SaBine hü Bne r Service-Expertin und Autorin © Sabine Hübner Die Kunden von heute wollen Unternehmen menschlich erleben, auf allen Kanälen mit ihnen in Kontakt treten und Produkte aktiv mitgestalten. Doch den wenigsten Firmen gelingt es, ihr Angebot an innovativen Service-Leistungen wirksam zu kommunizieren. medianet-Gastautorin Sabine Hübner über das „Service-Kloster“, die Bedeutung des tertiären Sektors und die Integration mit Marketing. sabine hübner S ervice und Kommunikation – es gibt keine stärkere Kombination, um Kunden dauerhaft zu überzeugen. Mehr noch: Heute lassen sich Service und Kommunikation gar nicht mehr trennen. Denn jede Facette von Service wird von Kommunikation getragen. Und je mehr Service individualisiert und personalisiert wird, desto persönlicher muss Kommunikation sein. Das Marketing der Zukunft wird personalisierter Service sein. Marketing mit der Gießkanne funktioniert nicht mehr. Der Kunde möchte auf Augenhöhe mit einem Unternehmen sprechen und er besteht darauf, dass das Unternehmen ihm zuhört. Leider sind die wenigsten Unternehmen darauf eingerichtet, und die wenigsten nutzen das gewaltige Potenzial eines echten Dialogs mit dem Kunden. Stattdessen werden mit viel Aufwand große Service-Ideen zuerst auf den Markt gebracht und dann an die Wand gefahren: Zum Beispiel, weil Unternehmen ihren Kunden gar nicht verraten, welchen Service sie bieten. Weil sie sich für die wirklichen Bedürfnisse des Kunden nicht interessieren und auch nicht dafür, über welche Kanäle sie ihre Kunden erreichen könnten. Oder weil sie zu langweilig, zu kompliziert, zu arrogant, zu aufdringlich oder zu kalt kommunizieren. Kurz: Es geht schief, was nur schief gehen kann. Unternehmen verschenken so wertvolle Chancen und entwerten hohe Investitionen. Nur so können wir von dem profitieren, was als Geheimnis der leistungsfähigsten Organisationen gilt: eine produktive Kombination von Wertschöpfung und Wertschätzung.“ © Redline Verlag Vertrauen ist rasch weg Bu chtipp Sabine Hübner, Reiner App: Tue dem Kunden Gutes und rede darüber – mehr Erfolg durch die richtige Servicekommunikation. Redline Verlag, Juni 2013, Hardcover,256Seiten,24,99€, ISBN: 978-3-86881-336-4 Falsche Kommunikationsstrategien wirken im Service so verheerend wie nirgends sonst. Sie richten massive Vertrauensschäden an und ziehen existenzbedrohende Umsatzeinbrüche nach sich. „Vertrauen kommt so langsam wie ein Fußgänger und verschwindet so schnell wie ein Reiter“, formulierte der Niederländische Staatsmann Johann Thorbecke schon im 19. Jahrhundert. Heute verschwindet Vertrauen in Sekundenschnelle, denn jeder Kunde „teilt“ zu jeder Zeit seine Begeisterung oder seinen Unmut via Internet. Höchste Zeit also für die Unternehmen, Service- und Marketingstrategien nicht mehr als getrennte Aufgaben anzusehen, sondern als eine einzige Herausforderung. Es geht dabei nicht nur um eine perfekte Verzahnung von Service und Marketing, sondern um eine komplette Integration. Denn der Kunde der Zukunft interessiert sich nicht für das, was sich Marketingabteilungen für ihn vorstellen, und er will auch nicht von outgesourcten Serviceabteilungen getröstet werden. Er will, dass Unternehmen sich anhören, was er sich selbst vorgestellt hat, er will über alle Kanäle auf Augenhöhe mit den Unternehmen sprechen und er will, dass Unternehmen ihm genau das liefern, was er sich wirklich wünscht – oder besser noch: gewünscht hätte, wenn er selbst darauf gekommen wäre. Unternehmen sind schon lange keine Service-Wüsten mehr. Aber dafür muten sie oft wie ein ServiceKloster an: Über Dienstleistungen zu reden, scheint ein Schweigegelübde zu verbieten. Warum ist das so? Wir sind fixiert – fixiert auf die Leistung am greifbaren Produkt. Marketing und Kommunikation, das heißt deswegen für Firmen: Über Gegenstände reden. Paradoxerweise werden sie dabei umso emotionaler, je mehr es um kühle Technik geht. Ob es Autos, Staudämme, Windräder oder Maschinen sind, die ultramoderne Flachbildschirme herstellen: Die Hersteller geraten bei ihren Produkten regelrecht ins Schwärmen. Made in Germany oder Made in Austria, das ist der ganze Stolz. Großes Wachstumspotential Allein schon die Reihenfolge der Wirtschaftssektoren in Deutschland enthält als versteckte Botschaft eine Rangordnung: Primärer Sektor – das ist die Land- und Forstwirtschaft, die am Anfang unserer Zivilisation stand und bis heute die Garantie dafür ist, dass wir nicht verhungern. Sekundärer Sektor – das ist in unserer Vorstellung einfach so gut wie alles, was danach kommt. Wir sehen durch die Nickelbrille des 19. Jahrhunderts noch immer rauchende Schlote vor uns und geschäftig lärmende Fabriken mit Tausenden Arbeitsplätzen. Und der tertiäre Sektor? Ach ja, den hat unser Unterbewusstsein abgespeichert unter „ferner liefen“. Dumm nur, dass diese Perspektive die wahren Verhältnisse auf den Kopf stellt. In Deutschland spielt zwar die Industrieproduktion eine wichtigere Rolle als fast überall sonst in Europa. Aber das sollte den Dienstleistungssektor nicht unterschätzen lassen: Schon 1970 betrug der Anteil an Beschäftigung wie auch Wertschöpfung bereits 45 Prozent – heute sind es sogar über 70 Prozent. Allmählich erkennen deshalb auch Unternehmen mit Wurzeln in der Produktion, dass im Service ein nicht zu unterschätzendes Wachstumspotenzial liegt. Die deutschen Maschinenbauer etwa erwirtschaften laut Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) zurzeit bereits knapp 20 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit Dienstleistungen rund um ihre Produkte – Tendenz stark steigend. Früher ging es gerade mal um den Verkauf von Ersatzteilen. Heute werden im B2B-Bereich äußerst komplexe Leistungen geboten. Dazu zählen Check-up-Systeme genauso wie Angebote für Schulungen, die Übernahme des kompletten Betriebs oder der Wartung. Laut Analysten liegt auf diesen Feldern ein nicht zu unterschätzendes Ertragspotenzial. Service wird im Maschinenbau zum strategischen Erfolgsfaktor. Zugleich steigen jedoch auch die Herausforderungen: Die Nutzungsdauer zahlreicher Maschinen führt zu langen Servicezyklen. Durch den Aufstieg von immer mehr Schwellenländern besteht eine erhebliche Nachfrage. Dies bedingt jedoch eine immer größere kulturelle Vielfalt der Geschäftsbeziehungen. Verschiedene Sprachen und regionale Gewohnheiten können den Wartungstechnikern erheblich zu schaffen machen. Hinzu kommt, dass in Zeiten des Booms so viele Maschinen produziert und verkauft werden, dass der Aufbau von Service-Personal und -Konzepten oftmals weit hinterherhinkt. Langfristig werden die Unternehmen allerdings weltweit nur erfolgreich sein, wenn sie sich vom Produkt- zum Lösungsanbieter wandeln. Der Aufbau eines intelligenten Wissensmanagements und eines krisenfesten Dienstleistungsworkflows ist zwingend. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil Service-Angebote genau diejenigen Zusatzleistungen sind, die bei der Akquise von Großaufträgen den Ausschlag geben. Mehr Service, weniger Krise Die Wettbewerber differenzieren sich immer mehr mittels Dienstleistungen. Von ihnen hängen in hohem Maße Image, Bekanntheitsgrad und Kundenbindung ab – und damit auch die Absicherung in Krisenzeiten. Die Unternehmensberatung Bain & Company kam in ihrer Studie „Wachstumsmotor Service“ 2010 zum Ergebnis: Je stärker das Service-Angebot eines Investitionsgüterherstellers, desto erfolgreicher hatte er die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bewältigt. Die Ertragssituation von Maschinen- und Anlagenbauern, deren Dienstleistungen mehr als 30 Prozent zum Umsatz beitrugen, sei deutlich höher als die der Wettbewerber gewesen. Die Kommunikation der Zukunft ist Service. Der Service der Zukunft ist Kommunikation. Wir kommen nicht daran vorbei, mehr, besser, intensiver und intelligenter mit unseren Kunden zu reden, wenn wir auch morgen erfolgreich (besser noch: erfolgreicher) sein wollen. Wobei mit „wir“ die Spitze der Unternehmen genauso gemeint ist wie jeder einzelne Mitarbeiter in jeder Abteilung. Denn im Zeitalter der Vernetzung steht jeder im Fokus des Kunden. fe atu r e Dienstag, 27. August 2013 medianet – 5 © EPA/Bernd Wuestneck [email protected] Dabei geht es nicht um die letzten Finessen der klassischen Rhetorik, sondern um einfache und grundlegende Dinge wie Klartext sprechen, alle Sinne berühren, Emotionen schwingen lassen und ehrlich und authentisch kommunizieren. Auf gleicher Augenhöhe Das ganz Einfache entpuppt sich dabei einmal mehr als eine große Herausforderung. Denn wir stehen vor einem entscheidenden Paradigmenwechsel: Servicekommunikation wird in Zukunft nicht mehr für den Kunden gemacht, sondern entsteht in Kollaboration mit dem Kunden. Das funktioniert nur unter einer Voraussetzung: Wir müssen endlich und radikal bereit sein, mit dem Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wir sollten den Kunden nicht mehr als Kundenkönig überhöhen, sondern ihn als Partner wertschätzen. Denn nur so können wir seine Kompetenz wahrnehmen und nutzen. Und nur so können wir von dem profitieren, was als Geheimnis der leistungsfähigsten Organisationen gilt: eine produktive Kombination von Wertschöpfung und Wertschätzung. Gelingende Servicekommunikation ist eine Frage der Werte, eine Frage der inneren Haltung – ein großes Thema, das sich nicht in Halbtages-Seminaren zum Thema Kommunikation abhaken lässt und auch nicht in einer kurzen ServiceSchulung. Hier geht es um langfristige Organisationsentwicklung. Denn neue Denk- und Verhaltensmuster entwickeln sich nicht auf Knopfdruck, sondern brauchen Beharrlichkeit, Geduld, Übung, vor allem aber überzeugende Führungskräfte. Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter nicht zu besserem Service oder zu mehr Kommunikation antreiben, sondern aus einer starken, inneren Haltung heraus mitziehen. Der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl hat dies einmal sehr schön auf den Punkt gebracht: „Während ich von Trieben getrieben werde, werde ich von Werten gezogen.“ In Zukunft werden die Unternehmen die erfolgreichsten sein, denen es gelingt, ihre Kunden nicht mehr als anonyme Verbraucher wahrzunehmen, sondern als individuelle Wertschöpfer. Und sie werden mit solchen Kunden besonders erfolgreich sein, die zu ihrer eigenen Wertekultur beitragen können und wollen. Wie gesagt: Das klingt ganz leicht. Aber kennen Sie nur ein einziges Unternehmen, dem das konsequent gelingt? Ich nicht. Aber ich kenne doch einige, die auf einem sehr guten Weg sind. Service als strategischer Erfolgsfaktor: In Krisenzeiten ist die Ertragssituation von Maschinenund Anlagenbauern, deren Dienstleistungen mehr als 30 Prozent zum Umsatz beitragen, deutlich höher als die der Wettbewerber.
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