:bsz AUSGABE 1027 14. JANUAR 2015 DEINE BOCHUMER STADT- & STUDIERENDENZEITUNG TIEFER EINBLICK 2 Wie sah studentische Kultur früher aus? Eine Zeitreise in die Stadt- & Campusgeschichte. 4 Was geschieht, wenn wir träumen? ForscherInnen zeigen, dass wir Schlafund Traumzustände lenken können. 6 Wie auf die Preiserhöhung des VRR-Tickets reagieren? Eine Diskussion über die „Rote-PunktAktion“. 6 Demographische Daten beweisen: Von „Überfremdung“ ist im Abendland keine Spur. STEILE VORLAGE RUNDE SACHE SCHRÄGE NUMMER(N) Studis solidarisieren sich mit den Opfern von Paris: Auch an der RUB haben die Terroranschläge Wellen geschlagen. Fotos/Collage: mb /kac EUROPA Solidarität mit Paris: Anteilnahme und Bekenntnis zur Meinungsfreiheit DIE :bsz-GLOSSE Wir sind Charlie Auf den Punkt K onstitution: Dieses mit „Verfassung“ zu übersetzende Wort begegnet uns in vielen Bereichen. Ob sich nun der Bundestag nach einer Wahl erstmals konstituiert oder das Parlament der Verfassten Studierendenschaft – meist verstehen wir Konstitution als etwas Po- Der 7. Januar 2015 wird nicht nur als Tag des Anschlags auf das SatireMagazin Charlie Hebdo oder als französisches 9/11 in Erinnerung bleiben, sondern auch als Schulterschluss der Regierungen und BürgerInnen Eu- ropas. RUB-Studierende bekunden ebenso wie der Rest NRWs ihre Anteilnahme und sagen „Je suis Charlie“ (Seite 3). Wie aber wurden die Pariser Ereignisse von den Anwesenden wahrgenommen? Denise, eine gebür- tige Bochumerin, befand sich in der Nähe und schildert Euch das Erlebte auf Seite 4: „Auf einmal kamen Spezialkräfte der Polizei“. :Die Redaktion litisches. Dazu gehört auch die niedergeschriebene Verfassung, die das Zusammenleben einer Gesellschaft mit all ihren Grundrechten regelt. HOCHSCHULPOLITIK Aber das ist nur die Papierform. Wie es um die Studierendenparlament: Jurist Arne Michels mit großer Mehrheit zum Sprecher gewählt Konstitution einer Gesellschaft wirklich steht, zeigt sich erst in der Praxis. Zum Beispiel wenn Leute, an deren geistiger Verfassung gezweifelt werden kann, durch Attacken das soziale Klima zu vergiften drohen. Ein einzelner Mensch, dessen körperliche Konstitution durch Gift bedroht wird, bildet Antikörper oder nimmt irgendein Gegengift. Doch Immunsystem und Arznei können andere Teile des Körpers mitschädigen. Solche Nebenwirkungen gilt es zu vermeiden, wenn eine Gesellschaft Gefahren bekämpft, damit sie nicht gleich ihre Grundrechte mit zerstört. Doch dazu bedarf es einer robusten Konstitution. :joop BESUCH UNS IM NETZ Alle Artikel und mehr unter: www.bszonline.de www.facebook.de/bszbochum Gespanntes Schweigen im StuPa Wahlleiter Kolja Schmidt, der die konstituierende Sitzung des 48. Studierendenparlaments (StuPa) mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags auf die Redaktion des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo eröffnet, räumt zu Beginn ein, „dass es zu einigen Störungen während der Wahl gekommen ist“ – weshalb nun eine Wahlprüfung ansteht. Gleich ein ganzes Bündel von Beschwerden über Wahlstörungen wie die Versendung einer den Wahlausgang möglicherweise beeinflussenden Massenmail an über 52.000 EmpfängerInnen (siehe :bsz 1025) wird von VertreterInnen verschiedener Listen eingereicht. Auch wird moniert, dass „nicht öffentlich zu dieser Sitzung eingeladen“ worden sei und selbst die SprecherInnen der FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) sowie einzelne gewählte ParlamentarierInnen keine Einladung bekommen hätten. Dennoch ist das StuPa mit 35 Abgeordneten vollzählig vertreten. Als neuer Sprecher des Studierendenparlaments wird nach einer im Vergleich zu den Vorjahren relativ kurzen Kandidatenbefragung der 27-jährige Jura-Absolvent Arne Michels gewählt, der für die mit einem Sitz vertretene Liste ReWi – Studierende der Rechtswissenschaft ins StuPa nachgerückt ist und zwei Jahre Gremienerfahrung im Fakultätsrat Jura aufzuweisen hat. Obwohl Michels im April beginnen wird, im Bezirk des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm sein Referendariat zu ab- solvieren, könne er sein Amt als StuPaSprecher problemlos ausüben, da der hierfür zuständige Präsident des OLG der Ausübung einer solchen Nebentätigkeit bereits zugestimmt habe. Die Frage, ob er als examinierter Jurist nicht „überqualifiziert“ für die Leitung von StuPa-Sitzungen sei, verneint Michels, der „DIE PARTEI“-Mitglied ist, gegenüber der :bsz. „Ich glaube, dass jede Qualifizierung dem StuPa guttut“, so der mit 22 Ja- bei zehn Nein-Stimmen und drei Enthaltungen gewählte Studierendenparlamentssprecher, der damit sogar mindestens eine Ja-Stimme aus den Reihen der Opposition erhielt. FORTSETZUNG AUF SEITE 2 2 UNI:VERSUM FORTSETZUNG VON SEITE 1 Ein weiteres Plus des frischgewählten StuPaSprechers Arne Michels, der im vorigen AStA als Referent für Infrastruktur und Ökologie tätig war, mag darin liegen, dass das Parlament angesichts unruhiger Zeiten eine Integrationsfigur braucht, die eine geregelte Austragung schwelender Konflikte ermöglicht und kritischen Stimmen den nötigen Raum zumisst: „Ich möchte die Sitzungen eher moderierend leiten, ohne zu viel einzugreifen“, betont Michels im :bsz-Gespräch. „Ich möchte auch zulassen, dass kontroverse Positionen vorgetragen werden können – auch wenn diese meiner persönlichen Meinung widersprechen“, so Michels weiter. Zudem räumt er den anhängigen Beschwerden bezüglich des Wahlablaufs und insbesondere der manipulativen Massenmail in Sachen Wahlprüfung eine realistische Chance ein: „Sollte es sich herausstellen, dass die Beweislage belastbar ist, wäre das schon ein Problem“, konstatiert der 14. JANUAR 2015 :bsz 1027 Lehrbuchtexte, die keiner versteht? Sprüche Eurer DozentInnen, die im Hörsaal für Lacher gesorgt haben? Wir veröffentlichen ab sofort an dieser Stelle Die Fröhliche Eure Fundstücke aus Wissenschaft Seminaren, Aufsätzen oder Lehrbüchern! Schickt Eure Funde an [email protected]! Jurist. Bei der StuPa-Befragung wird es dennoch etwas heikel, als Karsten Finke (Grüne Hochschulgruppe, GHG) die Frage stellt, ob Michels „ein Problem damit“ habe, „von Leuten gewählt zu werden, die Verbindungen zu rechten Parteien haben“. „Das liegt nicht in meiner Hand“, so die diplomatische Antwort des Kandidaten. Stellvertretender StuPa-Sprecher strauchelt Wesentlich knapper fällt die StellvertreterWahl von Felix Schmidt (NAWI) aus, der bei einer Enthaltung und 15 ablehnenden Voten lediglich 19 Ja-Stimmen verbuchen kann. Zwar verspricht Schmidt, die Sitzungen als Protokollant wie seine Vorgängerin künftig „eher wörtlich“ zu dokumentieren und hierbei auch möglichst durchgängig zu „gendern“. Doch angesprochen auf die politische Verortung seiner Liste der Naturwissenschaftler und Ingenieure (NAWI), die er „mittig“ und „pragmatisch“ – jedoch „auf keinen Fall rechts“ – einordnet, gerät er spürbar ins Straucheln: Zu Optimistisch trotz anhängiger Wahlprüfung: Arne Michels (l.) und Felix Schmitz. Foto: USch neurechten Gruppierungen wie Pegida und HoGeSa sowie einer rechtspopulistischen Partei wie der Alternative für Deutschland (AfD) könne sich Schmidt „keine abschließende Meinung bilden“. Die Linke Liste kritisiert daraufhin eine solche „Nicht-Positionierung“ zu rechten Bewegungen wie HoGeSa und Karsten Finke (GHG) ordnet eine solche unpolitische Attitüde als „rechts“ ein. Erst nach einer Fraktionspause distanziert sich der Kandidat immerhin IN EIGENER SACHE Älteste Studierendenzeitung Deutschlands öffnet ihr Archiv Avantgarde und Alltag Einblicke in einen Studienalltag, der ganz anders war Bei der „Bochumer Stadt- & Studierenden- — Kurt Tucholsky (deutscher Satiriker und Journalist, 1890–1935), in: „Was darf die Satire?“ von Organisationen wie HoGeSa und wird – wenn auch nicht mit allen 21 Stimmen der AStA-tragenden Listen – zum stellvertretenden StuPa-Sprecher gewählt. :Ulrich Schröder Frauenvollversammlung des Autonomen FrauenLesbenreferats der RUB Frauen*, organisiert Euch! Auch der 50. Geburtstag der RUB wird von uns kritisch begleitet – diesmal mit einer besonderen Aktion. Mit Zeugnissen aus unserem Archiv zeigen wir vom 25. Februar bis zum 18. März 2015 in der Ausstellung „Avantgarde und Alltag – Die frühen Jahre der RUB“ im Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, was im ersten Jahrzehnt der Ruhr-Uni aus der Sicht der studentsichen Campuspresse wichtig gewesen ist. Wie studierte es sich auf der größten Baustelle Europas? Ging man damals schon ins Bermuda3eck? Was war vor der U35? RAF, Springer-Presse, Hausbesetzungen, Ost-West-Konflikt – Themen, die auch BochumerInnen nicht kalt ließen. Parallel zum Programm des 50. Geburtstags der RuhrUni beleuchten wir Lebenswelt, Horizont und Weltanschauung der ersten Bochumer Studierenden von 1967 bis 1977. Die :bsz hatte letztes Jahr selbst ein Jubiläum zu feiern (die PionierInnen der Zeitung hatten nie damit gerechnet, dass es einmal über 1.000 Ausgaben werden sollten!). Die tausendste :bsz war für uns der Anlass, unsere Sammlung alter Ausgaben zu einem richtigen Archiv zu machen. Ein breites Spektrum an Originalartikeln und zeitgenössischem Bildmaterial aus diesem Archiv beantwortet diese und weitere Fragen zu einer für Bochum und die Welt bedeutenden Zeit. Ergänzend erläutern Infotexte den zeitgeschichtlichen Kontext und schlagen die Brücke zur Gegenwart. „Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.“ Ein ganzer Batzen Zeitungen – :bsz-Archivar Jan Freytag sucht nach Material für die Ausstellung. Foto: mar/Initiative :bsz-Geschichte zeitung“, kurz :bsz, handelt es sich um die älteste kontinuierlich erscheinende Studierendenzeitung Deutschlands. Seit 1967 begleiten wir kritisch die Entwicklung auf dem Campus, in der Stadt und in der Welt. Unser Materialfundus ermöglicht uns einen Einblick in die studentische Lebenswelt von den 60er Jahren bis heute. Kein Medium außer uns berichtet so intensiv über studentische Kultur, Alltag und Hochschulpolitik von heute mehr als 40.000 Studierenden. Themen, die sonst kaum mediale Resonanz erfahren. Persönlich, im Stadtarchiv und online Konzipiert wurde die Ausstellung von Teilen der Redaktion und dem Archivar der Zeitung. Dabei unterstützen uns der AStA der Ruhr-Universität und die Fachschaften. Als Initiative :bsz-Geschichte sind wir für An- regungen und Fragen von Euch offen. Die Ausstellung ist Motor für die Digitalisierung unserer alten Bestände. Schon bald könnt Ihr die :bsz-Ausgaben, die das erste RUB-Jahrzehnt begleitet haben, auf unserer Homepage einsehen. :Die Redaktion AKRONYMICON FÄLLT AUS In der Reihe „Das Akronymicon“ deckt die :bsz gnadenlos auf, welche Gremien sich hinter obskuren Abkürzungen verbergen, wie viel Macht sie besitzen und was sie vorhaben. In dieser Woche muss das Akronymicon leider entfallen. Nächste Woche geht es dann in der :bsz 1028 mit dem Senat weiter. Am Mittwoch, den 21. Januar, findet wieder die Frauenvollversammlung des Autonomen FrauenLesbenreferats der RUB statt – ab 18 Uhr im Frauenraum (GA 04/61). Die Arbeit des Referats wird vorgestellt und Studentinnen erhalten Gelegenheit zum Äußern von Fragen, Kritik und Wünschen. Zudem werden die Referentinnen gewählt. Jene, die sich zur Wahl aufstellen lassen möchten, schrei ben vorher an [email protected]. Auch die Situation des Frauenraums sowie die geplante Umbenennung des Referats werden Themen sein. Weitere Termine für Frauen*, Trans* und Inter*: Freitag, 16. Januar [„Sexy-Time“-Aktionstag mit dicker_ fetter Pussy*Party]. Soziales Zentrum Bochum (Josephstraße 2), ab 16 Uhr. Dienstag, 20. Januar grrrls*brunch – umsonst vegan schlemmen und sich mit feministischen Frauen und Lesben austauschen. Frauenraum (GA 04/61), 11 bis 13 Uhr. Mehr Informationen unter www.autonomes-frauenlesbenreferat-bochum.de :Gastautor Patrick Henkelmann :bsz 1027 14. JANUAR 2014 METRO:POLIS 3 ICH BIN CHARLIE Deutsch-französische Freundschaft: Solidarität von NRW bis nach Berlin Le U c’est Charlie Nach dem Anschlag vom 7. Januar auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo rücken nicht nur die PariserInnen und Staatsleute Europas näher aneinander, um ihre Solidarität zu bekunden, sondern auch BürgerInnen Europas und sogar Gebäude. Essen, Köln, Düsseldorf, Aachen und Dortmund setzten ein Zeichen, welches das Mitgefühl greifbar macht und offenbart, dass die französisch-deutsche Freundschaft gelebt wird. Infolge des Anschlags auf die Redaktion von Charlie Hebdo und die Verfolgungsjagd, die weitere Tote forderte, solidarisiert sich neben anderen Staaten auch Deutschland mit den Betroffenen. Das „Dortmunder U“ verkündet bereits seit Donnerstag mit seinen Projektoren „Je suis Charlie“ („Ich bin Charlie“) und offenbart so das Mitgefühl der Menschen im Ruhrpott sowie in ganz NRW. Für das U ist es nicht ungewöhnlich, dass es seine Meinung kundtut – so schreibt es zum Beispiel während NaziDemos „Ich, der Turm, fand Nazis schon damals voll uncool.“ Ergänzt wird die solidarische Projektion von der in Dortmund ansässigen Auslandsgesellschaft, die bis Sonntag, den 1. Februar, eine Kondolenztafel aufgestellt hat, auf der sich jedeR mit seinen Worten solidarisieren kann. In Bochum lud die Initiative „Bochum gegen Fanatismus und Gewalt“ neben der Glocke am Rathaus zu einer stillen Mahnwache ein und in Remscheid tat dies der Oberbürgermeister mit einem Schweigegedenken auf der Rathaustreppe. Der Kölner Dom wurde während einer spontanen Demo im Gegensatz zu den Pegida-Protesten hell beleuchtet und die Aachener Statue von Karl dem Großen mit einem Schild (Je suis Charlie) behangen, das die Betroffenheit im Westen NRWs symbolisiert. Neben diesen Städten sendeten auch Washington, London, Berlin sowie Amsterdam ein freundschaftliches Signal nach Paris und dadurch auch ein Bekenntnis für die Freiheit der Presse. Reaktion von Muslimen in Deutschland Der in NRW ansässige Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) startete am 10. Januar einen Aufruf an die MuslimInnen Dortmund: Das U bekundet Presse- und Meinungsfreiheit. Grafik:alx aus Verbänden, Zivilgesellschaft und Politik, sich am Dienstag (13. Januar, Brandenburger Tor) dieser Woche zu einer Mahnwache zusammenzufinden. Diese werde unter dem Titel „Zusammen Stehen – Gesicht Zeigen“ verdeutlichen, dass die Muslime in Deutschland „die niederträchtigen Terroranschläge in Frankreich auf das Schärfste verurteilen“ und dass sie für ein weltoffenes, tolerantes Deutschland mit Meinungsund Religionsfreiheit einstehen. Darüber hinaus bezieht der ZMD weiter Stellung und führt seine Haltung zu den Geschehnissen in Paris aus: „Wir trauern mit Euch und den Familien der Opfer! Es gibt im Islam keine Rechtfertigung für solche Taten. Dies ist ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft. Durch diese Tat wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern unser Glaube wurde verraten und unsere muslimischen Prinzipien in den Schmutz gezogen. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft von Extremisten, die nur das Ziel haben, Hass und Zwietracht zu stiften, auseinandergerissen wird.“ :Alexander Schneider MULTI-KULTI Von den Anfängen der „Zuwanderungswellen“ an der Ruhr – Ein Exkurs Ein Gebiet mit vielen Kulturen Ob der türkische Gemüseladen an der Ecke oder das polnische Bier im handelsüblichen Supermarkt, egal aus welchen Kulturkreisen auch immer die beispielhaften Genussmittel stammen, so verschönern sie uns den Alltag im Ruhrgebiet. Doch wie kam es zur Multi-KultiGesellschaft in der Ruhr-Metropole? Grund für die „Migrationswellen“ war unter anderem die Kohle: Der Steinkohlebergbau weist hier eine lange Tradition auf. 1296 wurde dieser erstmals in einer Urkunde erwähnt. Die erste Zeche befand sich in Dortmund. Dabei wurde die Kohle anfänglich von Kleinbauern abgebaut, die sich noch etwas dazuverdienen wollten. Als dann die Dampfmaschine im 18. Jahrhundert erfunden wurde, breitete sich der Kohleabbau in den Norden aus. Zudem wurde dann Kohle zu Koks verarbeitet, mit dem man die Eisenund Stahlgewinnung optimieren konnte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu erheblichen Zuwanderungen, sodass innerhalb von gut 150 Jahren die EinwohnerInnenzahl um das Zwanzigfache zunahm. Arbeiter aus ganz Westfalen zogen ins Ruhrgebiet, aber auch Holländer und die sogenannten Ruhrpolen (siehe :bsz 1020). Trotz der Folgen des Ersten Weltkrieges sowie der Weltwirt- schaftskrise von 1929 kam es in dieser Zeit zu Produktionshöchstständen. In den 1960er Jahren folgte eine weitere „Zuwanderungswelle“, nur dieses Mal aus dem Mittelmeerraum. Die Zukunftsperspektiven der Arbeit im Bergbau waren unsicher und es fehlte an Arbeitskräften. Doch Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, Italien, Griechenland und vor allem der Türkei nahmen die Arbeit an. Die zweite Generation der EinwanderInnen hat es heute schon deutlich einfacher: Adem beispielsweise studiert Physik, sein Vater kam aus der Nähe von Ankara 1979 nach Dortmund, um im Bergbau zu arbeiten, er verliebte sich in Erika und sie bekamen acht Jahre später Adem. Integration und Segregation Die Toten Hosen sangen einst: „Der Sascha, der ist arbeitslos, was macht er ohne Arbeit bloß? (…) Er isst so gern Cevapcici, Kroaten mochte er noch nie.“ Obwohl zwei Kulturen das gleiche mögen, wird die Person mit Migrationshintergrund beleidigt und angepöbelt. Wie zum Beispiel vor kurzem im Rewirpowerstadion: Ein griechischer VfL-Fan wurde von einem rassistischen Fan als „Kanacke“ beschimpft. Rassistische Fan-Äußerungen gegenüber ausländischen VfL-Bochum-Fans sind wohl Ausdruck großer Borniertheit; es Tür an Tür: Zahlen im Ruhrgebiet. ist ja nicht so, dass beide den gleichen Spielern – wie etwa Stefano Celozzi, Mimoun Azaouagh oder Faton Toski – zujubeln. In den 1990er Jahren kam es zu verstärkter Zuwanderung aus dem Balkan: Kriegsflüchtlinge suchen zum Teil bis heute Schutz in Deutschland. So etwa beantragte etwa 1996 eine Familie aus Albanien Asyl in Dortmund. Sie hatte quasi nichts. Zu zehnt schliefen sie in einem 16 Quadratmeter Grafik: kac großen Zimmer. Heute leben die Eltern in einer schönen Wohnung, ihre Kinder haben eine Ausbildung absolviert und fühlen sich zu Hause. Und bei jedem Deutschland-Spiel freuen sie sich, wenn ihr (neues) Heimatland gewinnt. :Katharina Cygan 4 GLOBAL:ISMUS 14. JANUAR 2015 2014 :bsz 1027 :bsz 1027 Von Euch, für Euch: Das Stück „gefangen“ von der Theatergruppe „Bühnendynamik“ Aus der Sicht einer Augenzeugin: Anschlag auf Charlie Hebdo Schein oder Wirklichkeit? „Auf einmal kamen Spezialkräfte der Polizei“ Die Anschläge auf Charlie Hebdo waren ein Angriff auf Frankreich, die westliche Welt und vor allem die Werte, für die sie unter anderem steht: Presse- und Meinungsfreiheit. Eine junge Pariserin erlebte ungewollt die Ereignisse aus nächster Nähe und hatte Glück im Unglück: Sie kam noch mit dem Schrecken davon. wie Frankreich zu leben, und deshalb kann sie solchen Forderungen wenig abgewinnen; gleichzeitig ist sie froh, dass erst in zwei Jahren wieder gewählt wird. „Natürlich profitiert der Front National von solchen Anschlägen und leider schafft dieser es auch, eine undifferenzierte Meinung in der breiten Bevölkerungsschicht zu festigen.“ Der französische Präsident François Hollande hatte davor gewarnt, Islamisten und Muslime gleichzusetzen – nichtsdestoweniger hat Denise Angst davor, dass das Land wieder nach rechts abdriftet. Auf dass sie nicht umsonst gestorben sind: Der Künstler mr.R & papa.giBs verewigte die Opfer an einer Mauer in Poitiers. Quelle: ID-Number-THX-1139 (CC BY 2) findet, der sie immer noch beschäftigt: „Es ist einfach schrecklich, was dort passiert ist!“ Solidarische Kundgebung am selben Tag Zwar habe sie das Satire-Magazin nicht wirklich gelesen, gleichwohl entspreche es schon eher ihrer politischen Richtung. Am Abend des Attentats fand an der Place de la République eine große Kundgebung statt, die weniger mit französischen Fahnen und Patriotismus, sondern mit echter Anteilnahme aus allen Bevölkerungsschichten eine klare Message demons- 5 STUDIOBÜHNE TERRORISMUS Denise wollte eigentlich nur etwas einkaufen gehen in der „Rue de Meaux“ – einem Ort, an dem sich der Fluchtwagen der Attentäter von Paris befand. „Ich sah das Auto und auf einmal kamen Spezialkräfte der Polizei, gefolgt von Bombenentschärfungsteams. Natürlich wusste ich noch nicht, dass es sich um ein Attentat handelte. Deswegen bin ich sofort nach Hause gegangen und dann kamen schon die Eilmeldungen im Internet und im Fernsehen.“ Die gebürtige Bochumerin zog 2007 nach Paris, nachdem sie in Mainz und später in Dijon studiert hatte und jetzt für einen OnlineVersandhandel arbeitet. „Als ich dann den Fernseher anmachte, war ich fast den Tränen nahe, ich hatte wohl einfach Glück gehabt“, erzählt sie. Zusammen mit ihrem Freund ist sie erst kürzlich in eine neue Wohnung gezogen, die sich in unmittelbarer Nähe des Tatortes be- KULTUR:SCHOCK 14. JANUAR 2015 trierte: Das Attentat trifft nicht nur westliche Werte, Demokratie und Pressefreiheit, sondern auch alle friedlichen MuslimInnen im Land, die mit den Folgen in Zukunft leben müssen. Das weiß auch der rechtsextreme „Front National“, der noch am selben Tag in gewohnt populistischer Form die Wiedereinführung der Todesstrafe forderte und gegen MuslimInnen hetzte. Front National profitiert – leider! Demonstration an der Place de la République am Sonntag Um das zu verhindern, beteiligte sie sich wie rund eine Millionen andere Demonstrant– Innen – unter ihnen auch Bundeskanzlerin Merkel – am Sonntag an dem Gedenkmarsch für die Opfer der Anschlagsserie und hofft, dass alles friedlich bleibt. Denn in Frankreich leben über fünf Millionen Menschen mit muslimischem Glauben. Hoffentlich kommt das auch in der breiten Bevölkerung an und nicht nur bei Denise selbst. Für Denise ist es selbstverständlich, in einem multikulturellen und weltoffenen Land :Tim Schwermer Nachdem die erste Uni-Woche des neuen Jahres rum ist, kommt die Zeit für etwas Kultur: Im Musischen Zentrum der RUB wird in den kommenden Tagen das Stück „gefangen“ aufgeführt. Die :bsz hat bei der studentischen Theatergruppe „Bühnendynamik“ nachgefragt, worauf Ihr Euch freuen dürft. Ein Haus am Meer und eine Anstalt im Nirgendwo: Der Psychiater Christian Klingmann, gespielt vom Informatik-Studenten René Lehmann, hilft dem verheirateten Rafael Lindner (Sebastian Bös, Student der Szenischen Forschung) bei einer nächtlichen Autopanne. Durch Zufall übernachtet der Psychiater bei Rafael. Am nächsten Morgen trifft Rafaels Ehefrau, Sophie, die in ihrer Jugend unter einer Diktatur wohl missbraucht wurde, auf Christian im Wohnzimmer, in dem sie den Doktor erkennt, der sie grausam untersuchte und vergewaltigte. Deswegen fesselt ihn Sophie, gespielt von Camilla Szymanski, RUB Studentin der Geschichtswissenschaft, und nimmt ihn gefangen, um ihm ein Geständnis zu entlocken. „Während des Stücks muss sie sich immer wieder an den Missbrauch erinnern, da sie entweder mit ihrer Psychiaterin (gespielt von Theaterwissenschafts- Verbrecher der Diktatur davonkamen oder nicht. Selbstjustiz als Ansatz wird vorgestellt und kritisch hinterfragt. Andererseits gehe es um die Frage, wie weit man Menschen glauben könne. „Sophie Lindner erzählt einer Psychiaterin ihre Geschichte aus ihrer Sicht. Es wird die Frage gestellt, inwieweit man ihr vertrauen kann. Aufgerissene Augen: Ist Sophie in Gefahr oder ist sie verrückt? Foto: mar Lügt sie oder nicht? Etwas stimmt nicht Studentin Caroline Königs) spricht oder auch an ihrer Geschichte, aber wer sagt wirklich die ihr Ehemann endlich ganz genau wissen will, Wahrheit?“, so Caroline über ihre Rolle. Mediwas passiert ist“, erklärt Camilla die Rolle der enwissenschafts-Studentin Britta Reichhardt Sophie Lindner. spielt eine Assistentin des Direktors einer psychiatrischen Klinik. „Unklar ist allerdings, Was wird hier gespielt? ob ich wirklich nur seine Assistentin bin, oder Das Stück habe zwei thematische Ebenen: ob ich mich nicht auch in einem Bereich beEinmal gehe es um die Diktatur und ihre wege, in dem ich eigentlich aufgrund meiner Verarbeitung durch die Opfer, die Frage, inPosition überhaupt nichts zu suchen habe“, wieweit die Justiz geholfen habe und ob die spannt Britta den Spannungsbogen. Paranoia, Wahrheit, Schmerz Die Idee kam dem Informatik-Studenten und Regisseur dieses Stücks Robert Külpmann, als er den Stummfilm „Das Kabinett des Dr. Caligari“ gesehen hat. Gleichzeitig habe er Stücke von Sarah Kane und „Das Mädchen“ von Ariel Dorfman gelesen und wollte das klassische „Sprech- und Stehtheater“ mit der Ästhetik eines alten Filmes verbinden, sie aber auch immer wieder brechen. „Deshalb habe ich verschiedene Stücke zu einem zusammengesetzt, welches sich um Wirklichkeit und Wahn, die Glaubwürdigkeit eines Menschen und Gewalt, wie sie heutzutage leider noch anzutreffen ist, dreht“, so Robert über sein Werk. Findet raus, ob Sophie verrückt ist oder das Opfer schrecklicher Gewalt. :Katharina Cygan TERMINTIPP Am 17. und 18. Januar um 19.30 Uhr auf der Studiobühne im Musischen Zentrum. Eintritt 4 Euro (ermäßigt 2 Euro). Reservierungen sind unter folgender E-Mail-Adresse möglich: [email protected] PSYCHOLOGIE Hirnaktivität im Schlaf: Partieller Shutdown statt komplettem Standby Rückzug der Sinne Ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir mit Schlafen. Egal, ob komatös tiefer Schlummer oder unruhige Stunden – jedes Mal begleiten uns Träume durch das Reich der Nacht. Dabei sind sie weit mehr als Zufallsbilder oder Spinnereien des Unterbewussten. Manche Menschen können sie sogar willentlich steuern und so für sich nutzen. Die alten Griechen bezeichneten den Schlaf als den kleinen Bruder des Todes; sie glaubten, die Götter Hypnos und Thanatos seien Geschwister. Tatsächlich hielt sich die Vorstellung, dass unser Gehirn nachts in eine Art Standby-Zustand verfalle, bis ins 20. Jahrhundert. Doch das frisch entwickelte Elektroenzephalogramm (EEG) zeigte vor knapp hundert Jahren, dass unsere Nervenzellen auch während wir schlummern mehr als aktiv sind. Zwar feuern sie in anderer Zusammensetzung als im Wachzustand, doch ihre nächtliche Arbeit ist gleichermaßen lebensnotwendig und faszinierend – bringt sie schließlich auch das Phänomen der Träume zustande. Wenn der Organisator schlafen geht Diese fiktiven Erfahrungen entstehen durch die einzigartige Konstellation aktiver und abgeschalteter Hirnregionen. Obwohl nicht das gesamte System herunterfährt, verabschieden ment), wie lange vermutet wurde. In allen vier Schlafstadien bereisen wir phantastische Welten oder erleben bestimmte Situationen des Alltags wieder. Lediglich der Charakter des Erträumten unterscheidet sich je nach Schlafphase und damit auch -tiefe. Dennoch ist der REM-Schlaf etwas Besonderes – nicht nur, weil sich die Augen hinHeimliches Feuerwerk der Neuronen: Während wir seeter geschlossenen Lidern lenruhig schlummern, arbeitet das Gehirn unermüdlich weiter und sorgt so mitunter für abgefahrene Traumerleb- rapide hin- und herbewegen, während der Körper nisse. Quelle: Wikimedia Commons, Lipedia (CC BY 3.0). gleichzeitig gelähmt ist, sich dennoch einige Areale, die tagsüber für sondern auch wegen der ausgesprochen intenbewusste Wahrnehmung und besonnenes Versiven und verzwickten Träume. Da die REMhalten essenziell sind. Dazu gehört etwa der Phasen zum Morgen hin länger werden, sind es präfrontale Kortex im Stirnlappen, eine Art zumeist genau diese skurrilen Erlebnisse, an die Organisator unseres Denkorgans. Ist er inakwir uns nach dem Aufwachen erinnern. tiv, können wir unsere Wahrnehmungsinhalte Die Kunst des Klartraums nicht mehr mit der Realität abgleichen. Unmögliches erscheint uns wirklich, Unlogisches Manchen gelingt das beinahe jeden Tag, andeplausibel und wir zeigen ungewöhnlich sprungren erscheint ihr Schlaf als ein Zustand absoluhaftes Handeln – wir träumen. ter Bewusstlosigkeit, wenige wiederum können Dies passiert übrigens nicht nur in der das Erlebte sogar steuern. In luziden Träumen sogenannten REM-Phase (von rapid eye movenehmen friedlich Schlummernde nicht nur alles viel klarer und lebendiger wahr; sie sind sich auch darüber bewusst, dass sie träumen. Intuitiv beeinflussen sie das Geschehen und nutzen die fiktive Bühne dazu, Dinge zu tun, die sie schon immer ausprobieren wollten – zum Beispiel das Fliegen, wie berichtet wird. Klar träumende SportlerInnen können auf diese Weise sogar Bewegungsabläufe trainieren und ProbandInnen im Schlaflabor aus ihrem luziden Zustand heraus mittels Atmung oder Augenbewegungen kommunizieren – dank des dorsolateralen Präfrontalkortex. Der ist eigentlich nur tagsüber aktiv und nachts heruntergefahren. Im Klartraum jedoch erwacht er, sodass Schlafende plötzlich kritisch denken, ihre Aufmerksamkeit lenken und ihren inneren Zustand analysieren können. Während manche das schon seit Kindheitstagen praktizieren, eignen sich zunehmend mehr Menschen diese Fähigkeit gezielt an – denn luzid träumen ist tatsächlich erlernbar. Mit etwas weniger Aufwand könnt Ihr auch das Erinnern von Träumen trainieren. Jeden Morgen ein paar Fragmente in ein Traumtagebuch zu notieren genügt – und Woche für Woche werden die nächtlichen Szenen immer besser und klarer in Eurem Gedächtnis haften bleiben. :Melinda Baranyai MUSIK & UNTERHALTUNG SERIE Liedermacher: Widmann & Co. mit neuen Alben im Bahnhof Langendreer Marco Polo am Hof des Kublai Khan Götz mit Gitarren und Geige Mit seinem vielseitigen Auftritt überraschte Götz Widmann am 8. Januar das Publikum im Bahnhof Langendreer, aber auch seine musikalische Begleitung sorgte für gute Laune und einige Lacher. Am vergangenen Donnerstag war Götz Widmann wie jedes Jahr zu Gast im Bahnhof Langendreer, diesmal mit seinem neuen Album „Krieg & Frieden“ und den Klassikern, die bei dem breiten Publikum beste Atmosphäre garantierten. Bevor es jedoch mit dem Urgestein der LiedermacherInnenszene losging, sorgte der Newcomer Falk für einen humorvollen Einstieg in den Abend. Mit „Kinderlied“ gab er einen Vorgeschmack auf den 18. März, an dem er wieder in den Bahnhof kommen wird. Pointenlastig und mit einem ‚gesunden‘ Sarkasmus besingt er die verhätschelten und belogenen Kinder: „Hast du vielleicht schon ne Kernkompetenz und jetzt komm mir nicht mit Basteln, du kaputte Existenz.“ Im Anschluss startete Widmann sein Programm mit einem seiner bekanntesten Lieder. „Die Zaubersteuer“, ein Stück über die positiven Effekte der Legalisierung von Marihuana, sorgte sofort für beste Stimmung, war aber nicht der Auftakt für eine statische Playlist des Abends. Er war sich nicht zu schade, auch auf die enthusiastisch hineingerufen Liederwünsche des Publikums einzugehen: „Wir wollen Jesus und Stoiber!“ Vietnam und Rente Neben dem Altbekannten wurde auch ein Teil von „Krieg & Frieden“ gut in den Abend integriert – beides war für Widmann, dank der Unterstützung von Billy Rückwärts, ungewohnt vielseitig. Die Begleitband sorgte mit Geigen, zusätzlichen Gitarren und Klavierelementen für diese gelungene Abwechslung. Auch die neuen Lieder wie „Politik“ brachten das Publikum zum Schmunzeln und Lachen: „Wofür gibt es Parlamente, für meine Rente! Schluss jetzt mit der Musik, ich muss jetzt in die Politik!“ Ernster und ironisch-kritisch besingt der Liedermacher in „Vietnam“ den damaligen Krieg der Amerikaner gegen den Vietcong: „Die unschlagbaren USA. Hipp hipp hooraaaay! […] Mein Lieblingskrieg ist Vietnam!“ :Alexander Schneider Game of Thrones süßsauer? Die neue Netflix-Serie „Marco Polo“ begibt sich auf die Spuren des gleichnamigen venezianischen Händlersohnes, der im 13. Jahrhundert Asien und insbesondere die Mongolei bereiste. Einen Großteil seiner Zeit soll der ambitionierte Entdecker am Hofe des Mongolenherrschers Kublai Khan verbracht haben. Ob dies stimmt, darüber streiten sich HistorikerInnen noch immer. Egal, denn bei Netflix will man schließlich keine schnöden Dokumentationen drehen, sondern die ZuschauerInnen nun auch mit einer gehörigen Portion Sex, Gewalt und Intrigen unterhalten – ganz so, wie es „Game of Thrones“ (HBO) und „Vikings“ (HistoryChannel) bereits seit Jahren tun. Dies gelingt dem kalifornischen StreamingDienst jedoch nicht. Bereits nach einigen Episoden fragt man sich, wohin Polos (Lorenzo Richelmy) Reise eigentlich führt – schließlich kehrt das historische Vorbild wohlbehalten nach Italien zurück. Die recht interessanten Dialoge zwischen Polo und Kublai Khan (Benedict Wong), in denen es hauptsächlich um kulturelle und gesellschaftliche Fragen geht, sind ein kurzer Lichtblick, der jedoch von den zahlreichen Intrigen, nackten Körpern und politischen Di- alogen überschattet wird, die sich schwerfällig aneinanderreihen. Bei so viel Kladderadatsch bleibt nur wenig Platz für historische Bezüge und Fakten. Polos Reisebericht „Il Milione“ lässt sich nur vermuten – ab und wann kritzelt der Protagonist etwas in ein ledernes Buch. Dann springen wieder nackte Kung-Fu-Konkubinen durchs Bild. Recht schnell wird deutlich, dass es bei „Marco Polo“ weniger um historische Akkuratesse geht, sondern mehr um opulente Szenen, die den mehr oder weniger historischen Stoff massentauglich machen sollen. Insgesamt 90 Millionen US-Dollar haben Netflix und Weinstein für den imposanten Pomp (zehn Folgen) ausgegeben, der nebst der bildgewaltigen Inszenierung leider nur mit einer konventionellen Geschichte lockt. Obwohl „Marco Polo“ recht unterhaltsam ist, mangelt es der Serie an Tiefe. Gerade die namensgebende Hauptfigur schwächelt und scheint mehr assoziative Beigabe als tatsächlicher Dreh- und Angelpunkt des Formats zu sein. Wer auf tolle Kulissen, schöne Panoramen und fernöstlichen Tamtam steht, der sollte sich „Marco Polo“ ansehen. Aktuell ist dies jedoch nur bei Netflix zum Preis von 7,99 Euro pro Monat möglich – eine zweite Staffel wird es auch geben. :Christian Kriegel 6 BLICK:WINKEL 14. JANUAR 2015 :bsz 1027 :bsz 1027 14. JANUAR 2015 DISKUSSION zeit:punkte Fachschaftsrat Slavistik/Russische Kultur diskutiert über „Rote-Punkt-Aktion“ VRR-Debatte im FSR Seit Monaten beschäftigen sich Fachschaftsräte (FSR) mit der Preiserhöhung des VRR-Tickets. In der FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) der Ruhr-Uni werden diverse Ideen gesammelt. Der FSR Slavistik/ Russische Kultur (RuKu) startete in einer Sitzung die Debatte über die einst erfolgreiche „Rote-Punkt-Aktion“. Das Pro und Contra wurde ausgiebig diskutiert. Bei der „Rote-Punkt-Aktion“ zwischen 1968 und 1971 zogen Gewerkschaften und Studierende seinerzeit an einem Strang: Sie blockierten angesichts geplanter ÖPNV-Preiserhöhungen Busse sowie Bahnen und organisierten Fahrgemeinschaften, damit möglichst alle Betroffenen pünktlich zur ihren Verpflichtungen kamen. Ein roter Punkt, der als Aufkleber auf die Windschutzscheiben von Privat- fahrzeugen geklebt wurde, war das Symbol für den alternativen Verkehr. Mit Plakaten und Bannern wurde für die Proteste geworben. Heute sind solche Protestaktionen nicht mehr so beliebt: Die Studierenden sind vorsichtig geworden. Immer wieder wurde während der FSR-Sitzung von einer Studentin in den Raum geworfen, dass man den VRR-Verkehr lahmlegen müsse. Doch die Reaktionen waren gespalten: Die Befürchtung lautete, dass man den VRR so noch mehr verärgere und dieser schließlich gar nicht mehr verhandeln wollen würde – was derzeit ohnehin der Fall ist. Ja oder Nein zur „Rote-Punkt-Aktion“? Die Teilnehmenden würden, ähnlich dem historischen Vorbild, wieder Fahrgemeinschaften am Hauptbahnhof bilden und mit roten Punkten bestückt Reisende an den Ticketautomaten abfangen. Dem VRR würde somit einiges an Einnahmen entge- hen und dieser somit unter Druck gesetzt. Das Problem dabei ist jedoch, dass der VRR somit erst recht eine Legitimation für seine Preiserhöhung finden könnte, wenn wir Studierenden die Dienste des Tickets maximal nutzen, indem wir von der Option zur Personenmitnahme auf diese Weise Gebrauch machen würden. Die Befürchtung war, dass diese vom VRR in Folge dessen auch noch gestrichen würde. Doch de facto hat der Verkehrsverbund die Aufrechterhaltung dieser Option erst kürzlich durch öffentliche Bekenntnisse bekräftigt, sodass er in diesem Punkt wohl kaum zurückrudern würde. Auch sieht der FSR Slavistik/RuKu das Problem, dass – sollte der rote Punkt wieder als Aktion eingeführt werden – falsche Assoziationen erzeugt würden. Denn jetzt sind nur wir Studierenden betroffen – vor knapp 40 Jahren waren es sämtliche ÖPNV-NutzerInnen. Andererseits war es schon immer die gegebene Leistung des VRR-Tickets, Personen mitnehmen zu dürfen, und diesen Dienst hat sich kein Studi ausgedacht. Zum Jahreswechsel wurden zudem die Preise fürs Schwarzfahren bundesweit von 40 auf 60 Euro erhöht. Jetzt könnten wir Studierenden einen weiteren Grund vorweisen, Personen auf unserem Ticket mitzunehmen – insbesondere Betroffene, die nicht genug Einkommen haben. Solidarität wäre Programm! Obwohl sich der FSR Slavistik / RuKu ausgiebig Gedanken gemacht hat, ging die Idee in der FSVK leider vollkommen unter. Zurzeit kümmert sich der Arbeitskreis VRR, der aus der FSVK heraus von Fachschaftsräten ins Leben gerufen wurde, um Protestaktionen gegen die Preiserhöhung. Unterstützung von Freiwilligen wird dort gern gesehen. :Katharina Cygan Literaturkritik live und in Farbe „Diese eine Lesebühne“ feiert eine Premiere: Die erste Veranstaltung diesen Jahres findet erstmalig in Wattenscheid statt. Der ehemalige :bsz-Redakteur Christoph Koitka lädt diesmal drei im Poetry Slam verwurzelte AutorInnen ein. Freut Euch auf kreative Texte und jede Menge Eloquenz! • Donnerstag, 15. Januar, 19 Uhr. Buchhandlung van Kempen, Saarlandstraße 7, Bochum-Wattenscheid. Eintritt frei. Style Wars Das Projekt „endstation.goldkante“ lädt wieder zum pop- und filmkulturellen Austausch ein. Die preisgekrönte Hiphop-Doku „Style Wars“ portraitiert die harten wie inspirierenden Konflikte zwischen der Straßenszene und den Behörden im New York der 80er. Danach legt der hauseigene DJ Ansgar auf. • Donnerstag, 15. Januar, 20 Uhr. Goldkante, Alte Hattinger Str. 22, Bochum. Eintritt frei. Da steppt der Bär! Mit einem bunten Mix aus R’n’B, HipHop, aktuellen Charts und Evergreens will Euch Es gibt keine Islamisierung Europas In Deutschland leben etwa vier Millionen MuslimInnen – wenn man die mehr als 500.000 AlevitInnen dazu zählt. Das entspricht fünf Prozent der Bevölkerung. Aber wie viele werden es in den nächsten Jahrzehnten sein? 2011 erfolgte durch das in Washington D.C. ansässige Pew Research Center die bis dato größte und umfangreichste Studie zur weltweiten Entwicklung der muslimischen Bevölkerung (zu finden unter tinyurl.com/nz6tdal). Ein Ergebnis: Im Jahr 2030 werden hierzulande rund fünfeinhalb Millionen MuslimInnen leben, die dann sieben Prozent der Bevölkerung stellen. Die höchsten muslimischen Bevölkerungsanteile in der EU werden mit Geburtenraten und Einwanderung Dass die muslimische Bevölkerung in Europa nicht stärker zunehmen wird, liegt an ihrer drastisch gesunkenen Geburtenrate – die weiterhin abnimmt. Beispielsweise hatten dern der ersten hierhin Eingewanderten, liegt die Zahl sogar nur noch knapp über dem Wert von 1,3 Kindern – der Geburtenrate der nicht-muslimischen Bevölkerung. Übrigens betrifft diese Abnahme der Kinderzahl auch die meisten islamischen Länder selbst. In der Türkei haben die Frauen lediglich noch 2,0 Kinder. Die Hauptursache für die sinkenden Geburtenraten ist weltweit die urbanisierte Lebensweise. Grafik:ck; Quelle: MDII-graphics-webready-83 türkische EinwandererInnen in Deutschland 1970 noch 4,4 Kinder pro Frau. Heute liegt ihre Geburtenrate bei 2,2 Kindern. Und bei Angehörigen der 2. Generation, den Kin- Was die Einwanderung von MuslimInnen angeht: Deutschland ist inzwischen zwar das zweitwichtigste Einwanderungsland nach den USA, doch sind die hierhin 18. Januar DIËS UND DAS Anti-Heimat-Roman Bildungsrevolution? Im Ruhrgebiet? Und dann auch noch sieben Jahrzehnte? Willi Bredemeiers sogenannter „Anti-Heimat-Roman“ hört sich, findet Benni, spannend an. Da ist nicht nur der Lokalbezug , etwa auf die Ruhr-Uni, sondern anhand einer Familiensaga auch die Schilderung des Wandels im Ruhrgebiet: Die vielen Industriestätten weichen einer Hochschullandschaft, doch zufriedenstellend ist diese Umstrukturierung nicht. „Sieben Jahrzehnte Bildungsrevolution im Revier – und was noch? Warum das Ruhrgebiet hinter seinen Chancen auf Erneuerung zurückgeblieben ist.“ Vor diesem Hintergrund veranstaltet die Universitätsbibliothek die Lesung „Von Kohle, Stahl und weiteren Monokulturen zu Wissensfabriken und HighTech-Gründungen im Ruhrgebiet“, wo Bredemeiers Buch mit anschließender Diskussion über Bildungsperspektiven und Versäumnissen in der Region präsentiert wird: „Bildungsreisen durch ein unbekanntes Land 1943 – 2014“. • Donnerstag, 22. Januar, 18 Uhr, Universitätsbibliothek, Etage 1, Raum 09, Eintritt frei. • Freitag, 16. Januar, 22 Uhr. KulturCafé, RUB. Eintritt frei. Sinnliche Klangbilder Sonntagabend erklingt etwas andere Musik in der Christuskirche: Statt gewichtigen Orgelwerken verzückt der 23-jährige Pianist und Komponist Carlos Cipa mit traumartigen Klanglandschaften. Sein vielseitiger musikalischer Hintergrund – der sich von Jazz über Klassik bis hin zu Hardcore ersteckt – spiegelt sich in seinen einzigartigen, verspielten Stücken wider. • Sonntag, 18. Januar, 19 Uhr. Christuskirche, An der Christuskirche 1, Bochum. Eintritt 10 Euro. Auf den Slam … fertig … los! Der vom AStA veranstaltete Campus-Slam geht in die achte Runde: Wer sich auf die Bühne traut, kann sich bis zum 18. Januar unter [email protected] per Mail anmelden und bald hoffentlich neben Sebastian23 slammen. • Dienstag, 20. Januar, 19 Uhr. KulturCafé, RUB. VVK 2 Euro, AK 3 Euro. Der Schneemann (und die Schneefrau, die in Zeiten der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht fehlen darf) hat es nicht leicht in diesen Tagen: Die globale Erderwärmung sorgt dafür, dass die Spezies der aus Schnee gebauten Wesen hierzulande immer seltener wird – womöglich wird Olaf aus dem DisneyFilm „Die Eiskönigin“ bald der einzige Schneemann sein, mit dem zukünftige Generationen es zu tun haben werden! Wie gut, dass es Cornelius Grätz gibt: Der Schneemenschenrechts-Aktivist erinnert seit 2010 jährlich am 18. Januar daran, dass der Schneemann oder die Schneefrau als Symbol auch in heißen und trockenen Regionen bekannt ist. Grätz zufolge ist der Schneemann an und für sich eine sympathische Figur, die für Spaß und Kreativität steht. Deshalb ruft der Organisator des Welttags des Schneemanns dazu auf, die Figur als Symbol für soziale Projekte aller Art zu verwenden. Nur der echte Schneemann wird am diesjährigen Welttag zumindest hier in Bochum vermutlich wieder fehlen: Die aktuelle Wettervorhersage kündigt für den 18. Januar Temperaturen um die 4°C an – bei geringer Niederschlagswahrscheinlichkeit. :bk Dabei sein unter facebook.com/akafoe oder twitter.com/Akafoe Einwandernden größtenteils EU-BürgerInnen und Nicht-MuslimInnen. Zudem kommen deutlich mehr Männer als Frauen nach Deutschland (und in andere europäische Länder), was zu niedrigeren Kinderzahlen seitens der Eingewanderten führt. Eine Islamisierung – die Vorherrschaft des Islam! – findet also weder durch die Geburtenrate der muslimischen Bevölkerung statt, noch durch die Einwanderung. Wohl aber nimmt die Zahl der hiesigen MuslimInnen moderat zu – und damit die Bedeutung des Islam als heimische Religion. Montag Aktionen 4 € bis 5,20 € (Stud.) 5 € bis 6,20 € (Gäste) Komponentenessen 1, 80 € bis 2,00 € (Stud.) 2,80 € bis 3,00 € (Gäste) Sprinter 2,20 € (Stud.), 3,30 € (Gäste) Fakten statt Mythen Kein europäisches Land wird in die Nähe einer islamischen Mehrheit kommen. 7 DJ BeroX aufs KuCaf-Parkett locken. Speiseplan Mensa der Ruhr-Uni-Bochum vom 19. Januar bis 23. Januar 2015 Die MuslimInnen werden eine Minderheit bleiben etwa zehn Prozent Belgien, Frankreich und Schweden haben. Andere Studien aus den Jahren 2010 und 2011 kamen zu ähnlichen Ergebnissen. X — ANZEIGE — KOMMENTAR Momentan demon strieren in Deutschland wöchentlich tausende Menschen „gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Dem islamkritischen bis islamfeindlichen Spektrum der westlichen Welt gilt eine befürchtete Islamisierung – durch die höhere Geburtenrate der muslimischen Bevölkerung sowie durch Einwanderung – als große Bedrohung. Doch werden die MuslimInnen de facto in keinem Land Europas oder des Westens auch nur annähernd zur Mehrheit werden. UND:SONST SO Als weiterführende Lektüre zur islamischen Demographie in der westlichen Welt, zur Integration der MuslimInnen (welche besser ist als oft angenommen) sowie zu vorhandenen Problemen sei hier das Buch „Mythos Überfremdung“ von Doug Saunders sehr empfohlen. Insbesondere auch, da Saunders anschaulich aufzeigt, dass die heutigen Ängste vor einer Islamisierung im Westen nichts komplett Neuartiges sind, sondern vergangenen (und vergessenen) Befürchtungen angesichts jüdischer und katholischer Zuwanderung ähneln. Befürchtungen, die sich letztlich als unbegründet erwiesen haben. :Gastautor Patrick Henkelmann Beilagen 0,80 bis 0,90 € Bistro 2,20-4,90 € (Stud.) 3,30-6,10 € (Gäste) Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag • Pochierter Wildlachs mit Gemüsebandnudeln, Kräutersauce und Salat der Saison (F) • Hirschsteak mit Preiselbeerbirne und sautierten Austernpilzen, Reis und Rote-Bete-Salat (S) • Putensteak natur mit Zucchini-Tomatengemüse, Aioli-Dip und Rosmarin-Drillingen (G) • Rindfleisch in Balsamico mit Ananasreis, dazu Beilagensalat (R) • Feuerspieß mit Diabolosauce (S) • Kalbsfleischbällchen mit Champignonrahmsauce (R) • Putengeschnetzeltes „Stroganoff“ (G) • Rindercevapcici mit Tsatsiki (R) • Nudelpfanne „Italienisch“ mit Putenstreifen, dazu ein Beilagensalat (G) • Veganer Möhreneintopf, dazu Brötchen oder Mettwurst (S) • Kartoffel-Hackfleischpfanne, dazu Beilagensalat (R,S) • Gemüse-KartoffelAuflauf, dazu Beilagensalat (V) • Griechischer Auflauf mit Tofu, dazu Beilagensalat (V) • Kräuter-Kartoffeln (V) • Butterreis (1,V) • Mandel-Brokkoli (V) • Mediterranes Gemüse (V) • Penne-Nudeln (V) • Kartoffelecken (V) • Erbsengemüse (V) • Kaisergemüse (V) • Reis (V) • Spaghetti (V) • Paprika-Bohnengemüse (V) • Erbsen u. Karotten (V) • Tomatenreis (V) • Bunte Nudeln (V) • Fitnessgemüse (V) • Zucchinigemüse (V) • Petersilien-Kartoffeln (V) • Tomatenreis (V) • Blumenkohl (V) • Wok-Gemüse (V) • Feuerfleisch, Kroketten, Salat (S) • Nürnberger Rostbratwurst, Kartoffelpüree, Sauerkraut (S) • Polenta-Bratling mit Diabolosauce (V) • Wirsing-HackfleischAuflauf mit einem Salat (R) • Penne-Verdura-Pfanne mit Salat (V) • Hähnchensteak, Schmorzwiebelsauce, Reis, Mischgemüse (G,JF) • Penne Quattro Formaggio (V) • Sesam-Karotte-Stick mit Kräuter-Knoblauch-Dip (V) • Eierpfannkuchen mit Vanillecreme (V) • Spätzle-SpitzkohlAuflauf, Salatmix (JF,V) • Kartoffel-GemüseAuflauf (V) • Karotten-Röstling mit Kräuter-Quark-Dip (V) • Gemüseauflauf, dazu Beilagensalat (V) • Karottenä-Röstling mit Tomatensauce (V) • Fischfilet „Bordelaise“, Kräutersauce, Butterreis, Möhrengemüse (F) • Schweinegulasch, Bandnudeln, Balkangemüse (S) • Gemüsesoufflé (V) • Tortellini in Salbeibutter (V) • Rumpsteak, Kräterquark, Backkartoffel, Krautsalat (JF,R) • Frühlingsrolle mit Gemüse, Glasnudelsalat, Salatbeilage (JF,V) • Scharfe „American Pan Pizza“ mit Beilagensalat (S) • Backfisch mit Remouladensauce (F) • Polenta-Käsetasche mit Kräutersauce (V) • Griechischer Auflauf mit Pfannengyros, dazu Beilagensalat (S) • Paniertes Schweinekotelett, Bratkartoffeln, Lauchgemüse (S) • Lachsfilet, Senfsauce, kleine runde geschälte Kartoffeln, Salat (F,JF) • Griechischer Auflauf mit Tofu (V) Außerdem täglich im Angebot: Nudeltheke, Kartoffeltheke, Tagessuppe, Salat- und Nachspeisenbüffet. Wir wünschen guten Appetit. Bitte achten Sie auf unser Speiseleitsystem. Hier erhalten Sie aktuelle Änderungen und Preise. Vielen Dank. Erläuterungen: (S) mit Schwein, (R) mit Rind, (A) mit Alkohol, (V) vegetarisch, (JF) JOB&FIT, (Bio) aus kontrollierten-biologischem Anbau, kontrolliert durch DE-039-Öko-Kontrollstelle, Zertifizierungsstelle Gesellschaft für Ressourcenschutz mbH Göttingen, (G) mit Geflügel, (F) mit Fisch, (L) mit Lamm. Akademisches Förderungswerk www.akafoe.de :impressum :bsz Bochumer Stadt- & Studierendenzeitung Herausgeber: AStA der Ruhr-Universität Bochum – der Vorstand: Martin Wilken, Sven Heintze u. a. Redaktion dieser Ausgabe: Alexander Schneider (alx) Benjamin Trilling (bent) Birthe Kolb (bk) Christian kriegel (ck) Johannes Opfermann (joop) Katharina Cygan (kac) Marek Firlej (mar) Melinda Baranyai (mb) Ulrich Schröder (USch) Tim Schwermer (tims) V. i. S. d. P.: Christian Kriegel (Anschrift s. u.) Anschrift: :bsz c/o AStA der Ruhr-Universität Bochum SH Raum 081 Universitätsstr. 150 44780 Bochum Fon: 0234 32-26900 E-Mail: [email protected] Im Netz: www.bszonline.de, facebook.com/bszbochum Auflage: 3.000 Druck: Druckwerk, Dortmund Die Artikel spiegeln nicht unbedingt die Meinung der gesamten Redaktion wider, sondern sind in erster Linie Werke ihrer VerfasserInnen. Bildnachweis: S. 5: Collage Netflix, ck 8 SCHWER:PUNKT :bsz 1027 ENERGIE A G LO B L ER 14. JANUAR 2015 Deutschland importiert Steinkohle aus den USA RA UBB AU Wenn Bergkuppen enthauptet werden Die schleppende Energiewende und der Ausstieg aus der Atomindustrie macht Deutschland immer mehr abhängig von einem doch scheinbar aus der Mode gekommenen Brennstoff, der Steinkohle. Und dieser stammt längst aus Übersee: Die USA (10,5 Mio Tonnen/Jahr), Russland (10) und Kolumbien (8) füttern die hungrige deutsche Wirtschaft mit dem fossilen Brennstoff, der unter sehr zweifelhaften Bedingungen gewonnen wird. Bis Ende der 1950er Jahre musste sich Deutschland noch keine Gedanken darüber machen, aus welchem anderen Land der Welt man Kohle importieren müsste und wie der Abbau in diesen Gebieten vonstatten geht. Der Bergbau fütterte Industrie und Haushalte mit Strom und war Teil des Wirtschaftswunders. Knapp 60 Jahre später hat sich die Situation komplett gewandelt. Die staatlichen Subventionen für Steinkohle laufen 2018 aus und mit ihnen wohl auch die letzten Zechen dieses Landes. Doch für die Stromerzeugung wird aktuell Steinkohle mehr denn je benötigt, paradoxerweise wirft uns die Energiewende zurück in alte Zeiten: Durch Überkapazitäten bei der Ökostromproduktion und den teuren und deshalb wenig rentablen Gaskraftwerken greift die Wirtschaft auf günstig importierte Steinkohle aus den USA zurück: mit Folgen für unsere Umwelt, aber auch für die Menschen in den USA selbst. Was ist an amerikanischer Steinkohle so verwerflich? Fährt man durch die Berglandschaften West Virginias, vermutet man auf den ersten Blick nicht, dass hier Steinkohleabbau im großen Stil betrieben wird, doch diese Region in den USA ist genau das, was das Ruhrgebiet für Deutschland war: Das Mekka des amerikanischen Bergbaus. Zwar ist auch hier die Blütezeit vorbei, doch um amerikanische Kohle im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu machen, wird seit den 1970er Jahren das „Mountaintop Removal-Verfahren“ angewendet, eine Prozedur, die wenige ArbeiterInnen benötigt und zugleich den maximalen Ertrag an Kohleabbau garantiert. Durch den massiven Einsatz von Dynamit werden komplette Bergkuppen des Keyford Mountains weggesprengt und der Berg wird maschinell von oben ausgehöhlt – ein sehr kostengünstiges, ertragreiches und zugleich höchst umweltschädigendes Verfahren. Die Berge werden enthauptet. Billigere Angerichtet durch das „Mountaintop Removal“-Verfahren: Der Kayford Mountain oder besser, was von ihm übrig geblieben ist nach insgesamt 500 Bergkuppensprengungen. Foto: Kate Wellington (CC BY 2.0) Kohle bekommt man nicht. Beschützer der Berge: Keeper of the Mountains Eine kleine Stadt rebelliert und lässt sich von den Minenbetreibern weder einschüchtern noch vertreiben: Die BewohnerInnen von Stanley Heirs, die sich selbst die „Keeper of the Mountains“ nennen, kämpfen. Elise Keaton unterstreicht die Wichtigkeit der Arbeit ihrer Organisation: „Die Minenbetreiber haben für das komplette Gebiet die Erlaubnis, Kohle zu fördern. Wenn sich nichts ändert, wird das gesamte Gebiet wie eine Mondlandschaft aussehen. Deswegen ist unsere Arbeit so wichtig!“ Die Appalachen sind eines der ältesten Gebirge der Welt und werden aufgrund der Artenvielfalt als die „Arche Noah“ Nordamerikas bezeichnet. Durch das „Mountaintop Removal“-Verfahren werden nicht nur Menschen bedroht, die keinen Zugang zu sauberem Wasser bekommen, sondern auch die komplette Flora und Fauna ist in Gefahr. Die großen deutschen Energieunternehmen lassen bisherige Berichte über die Bedingungen in West Virginia kalt. 500 Bergkuppen sind schon weg. Weitere werden folgen, mit verheerenden Auswirkungen für die BewohnerInnen. Nicht umsonst herrscht hier eine der geringsten Lebenserwartungen in den USA. Zeit, dass sich das ändert. :Tim Schwermer MITTELAMERIKA Umstrittener Nicaragua-Kanal: Intransparent, unsozial und eine Katastrophe für die Umwelt Oh wie klein ist dagegen Panama Ende Dezember haben die Arbeiten für eines der größten Bauprojekte der Menschheitsgeschichte begonnen: Mit dem Nicaragua-Kanal, der dem Panamakanal Konkurrenz machen soll, erhofft sich das zweitärmste Land Amerikas einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch ebenso groß (und vielfältig) wie die Visionen sind die Zweifel und Befürchtungen im Zusammenhang mit El Gran Canal: Einzigartige Ökosysteme sind der Zerstörung ausgeliefert, die Landbevölkerung und indigene Völker haben Angst, enteignet und umgesiedelt zu werden, der wirtschaftliche Nutzen wird angezweifelt und am Ende steckt die chinesische Regierung hinter der ganzen Sache. „Nichts Genaues weiß man nicht“, möchte man sagen. Denn fest steht nur: Mit dem Bau der Infrastruktur für die Baustelle wurde begonnen – für die schweren Baumaschinen geeignete Straßen sind dünn gesät in Nicaragua. Doch ob das Projekt jemals fertiggestellt wird, bezweifeln viele Experten. Denn wie die chinesische HKND Group die den Kanal baut und für hundert Jahre betreiben will, die geschätzte Summe von 50 Milliarden US-Dollar Wildwechsel unmöglich: Die Konkurrenz zum Panamakanal pflügt sich durch den Regenwald. Karte: mar; Quelle: nature.com auftreiben möchte, ist unklar. Wang Jing, CEO von HKND, der noch nie mit Infrastrukturprojekten zu tun hatte, sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass die chinesische Regierung mit dem Kanal nichts zu tun habe. Auf jeden Fall wird China von einer TransAmerika-Passage profitieren, die selbst die größten aller Schiffe passieren können. Verräterische Geheimniskrämerei In fünf Jahren ist der Megakanal fertig, sagen HKND und die nicaraguanische Regie- rung. Machbarkeitsstudien? Fehlanzeige. Dafür seien die ökologischen und sozialen Konsequenzen minimal, erklärt HKND und beruft sich auf Untersuchungen, die sie selbst durchgeführt hat. Und deren Ergebnisse der Öffentlichkeit nicht vorliegen. Ganz anderer Meinung sind Axel Meyer und Jorge Huete-Pérez. Die Biologen haben bereits im Februar in einem Kommentar im Magazin Nature auf die verheerenden Folgen für die Ökosysteme Mittelamerikas und der Karibik hingewiesen. Es geht, so die Forscher, um nicht weniger als „einige der empfindlichsten, kostbarsten und wissenschaftlich bedeutsamen Meeres-, Land- und Seeökosysteme Zentralamerikas.“ Meyer erforscht seit 30 Jahren die dortigen Buntbarsche, die eine einzigartige Artenvielfalt herausgebildet haben – sie sind so etwas wie die Darwinfinken unter den Fischen. Doch durch den Kanal wird der Nicaraguasee, das größte Süßwasserreservoir Mittelamerikas, zuschlammen oder versalzen – oder beides. Zudem sollen die Bagger durch ein Naturreservat pflügen und damit den Lebensraum von Tapiren, Jaguaren, Harpyien und unzähligen anderen Regenwaldbewohnern zerstören. Bevölkerung begehrt auf Wie die Bäume des Dschungels würden auch Menschen entwurzelt werden: Die geschätzt 90 Kilometer breite Schneise (neben dem Kanal sollen auch eine Bahnstrecke, Straßen, ein Flughafen, Erholungsgebiete und eine chinesische Sonderwirtschaftszone entstehen) würde zur Folge haben, dass Angehörige der Rama, Garifuna und Ulwa ihrer Heimat beraubt werden. Sammelklagen, Petitionen, Straßenproteste und Steinwürfe auf Autos chinesischer Delegationen blieben bislang folgenlos. :Marek Firlej
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