HAZ - Medizinische Hochschule Hannover

HANNOVER
NR. 12 | DONNERSTAG, 15. JANUAR 2015
HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG |
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Ein Mammutprojekt für 157 765 000 Euro
Der Hauptbahnhof ist ein Sanierungsfall: Von 2019 an wird er für etwa zehn Jahre zur Baustelle / Geschäfte sollen vorübergehend in Container umziehen
Von Bernd Haase
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on 2019 an soll der Hauptbahnhof
Hannover für zehn Jahre zur Baustelle werden. Die Bahntochter
DB International hat ein entsprechendes
Umsetzungskonzept verfasst. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
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■ Welche Bedeutung hat der Hauptbahn-
hof? Er ist einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte im Norden, weil sich
an ihm große Nord-Süd- und Ost-WestMagistralen kreuzen. Unter den Bahnhöfen im Bundesgebiet liegt er nach Reisendenzahlen und Zugverkehr an
sechster Stelle. Außerdem zählt das Umsetzungskonzept ihn wegen seiner Vermarktungskapazität zu den Top-Einkaufsbahnhöfen in Deutschland.
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Bahnhof in die Jahre gekommen ist und
die Tragfähigkeit der Bauwerke gelitten
hat. „Damit der Bahnhof weiterhin den
Anforderungen gerecht wird, sind die
dem Eisenbahnverkehr dienenden Gleisanlagen, technische Ausrüstungsgewerke, Bahnsteige (...) und Brückenbauwerke zu erneuern“, schreiben die
Ingenieure. Nicht betroffen sind Fassade, Halle und Bahnsteigtreppen.
Fotos: Google Earth, Landsat/Wallmüller
■ Warum muss gebaut werden? Weil der
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■ Was sind die Folgen? Der Bahnhof ver-
fügt über sechs Mittelbahnsteige, die auf
Brücken über der Bahnhofspromenade
liegen. Diese Bauwerke werden nacheinander ausgetauscht, für jedes einzelne
dauert das bis zu zwei Jahre.
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Wenn der Hauptbahnhof während der Sanierung zur Entlastung und für künftig weiter steigendes Verkehrsaufkommen
erweitert wird, würde das auf
der nordöstlichen Seite geschehen. Der Platz dafür ist frei gehalten worden.
■ Was bedeutet das für den Zugverkehr?
Wo gearbeitet wird, können keine Züge
fahren. Es gibt unterschiedliche Planspiele. Nach einem könnten betroffene
Fernverkehrszüge an anderen Stationen
wie etwa dem Messebahnhof in Laatzen
halten; Reisende müssten dann in die
Stadtbahn umsteigen. Gleiches gilt für
die S-Bahnen, die nicht mehr durchfahren könnten, wenn Gleis 1 und 2 an der
Reihe sind. Zweifelhaft ist allerdings, ob
das die Reisenden auf Dauer mitmachen
und ob die Stadtbahn überhaupt die notwendigen Kapazitäten hat.
■ Gibt es Alternativen? Ja, die Planer
bringen sie selbst ins Spiel. Würde man
auf der Raschplatzseite noch vor Beginn
der Sanierung zwei zusätzliche Gleise
mit den Nummern 15 und 16 bauen,
bliebe die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs während der Bauphase erhalten.
Die Stadtplaner haben den Bereich immer frei gehalten und beispielsweise das
Parkhaus Rundestraße nicht direkt an
den Bahnhof gesetzt. Die Idee zur Erweiterung besteht seit Längerem, weil
der Bahnhof unabhängig von der Sanierung verkehrlich komplett ausgelastet
ist. Wenn künftig mehr Züge fahren sollen, was erklärter Wunsch von Bahn,
Land und Region Hannover ist, müssen
auf Dauer zusätzliche Gleise her.
■ Was passiert im Inneren? Wo gebaut
wird, müssen Teile der Einkaufspassage
gesperrt werden. Die Geschäfte will die
Bahn übergangsweise in sogenannten
modularen Bausystemen unterbringen,
also modernen Containern. Die sollen
auf dem Ernst-August-Platz und möglicherweise auch auf dem Raschplatz stehen.
■ Was kostet die Sanierung? Weil es noch
keine Detailplanung gibt, liegt bisher
nur eine Grobkostenschätzung vor. Sie
beläuft sich auf exakt 157 765 000 Euro.
■ Wie ist der Planungsstand? Es läuft die
Vorplanung. Entwurfs- und Genehmigungsplanung sollen Ende des Jahres
beginnen und im März 2017 abgeschlossen sein. Nach anschließender Ausschreibung und Vergabe datiert DB International den Baubeginn derzeit auf
den April 2019.
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Die sogenannten Bahnsteig- und
Gleisbrücken des Hauptbahnhofs, auf denen die Schienen und
die sechs Mittelbahnsteige mit
jeweils zwei Gleisen liegen, müssen komplett ausgetauscht werden. Das ist der Schwerpunkt der
Arbeiten.
Die Polizei hat am Dienstag in Bothfeld einen mutmaßlichen Einbrecher festgenommen. Obwohl der 32-Jährige bereits einschlägig bekannt ist, mussten die Beamten
ihn nach der Befragung wieder entlassen.
Ein 63-Jähriger hatte ihn gegen 15 Uhr bei
der Rückkehr zu seiner Wohnung im Laher
Kirchweg überrascht. Trotz Gegenwehr des
Wohnungsbesitzers gelang dem 32-Jährigen die Flucht. Aufgrund der Beschreibung konnte die Polizei den Verdächtigen
später an einer Haltestelle festnehmen. tm
Feuer bei Garbsener
Lasertechnikfirma
Ein Kurzschluss in einem Sicherungskasten
war am Mittwoch vermutlich die Ursache
eines Brandes beim Lasertechnikspezialisten LPKF in Garbsen. Über die Zwischendecke breitete sich das Feuer auf das Dach
des Gebäudes in der Straße Osteriede aus.
Die Rauchwolken waren bis nach Hannover zu sehen. 280 Mitarbeiter des Unternehmens mussten ihre Büros verlassen. Die
Feuerwehr hatte die Flammen nach kurzer
Zeit unter Kontrolle. Die Höhe des entstandenen Schadens steht noch nicht fest. tm
Die große Eingangshalle und die
Fassade sind von den Baumaßnahmen nicht unmittelbar betroffen. Während der Bauzeit sind
jedoch Beeinträchtigungen zu erwarten, erklären die Planer. Die
Fassade ist in den Jahren 2012
und 2013 saniert worden.
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Auch auf dem Ernst-August-Platz
machen sich die Arbeiten bemerkbar. Dort will die Bahn Container
aufstellen und in ihnen die Geschäfte unterbringen, die während
der einzelnen Bauabschnitte in
der Promenade geschlossen werden müssen.
Das ist der
Hauptbahnhof
In Hannover halten täglich bis zu
670 Züge. 45 Prozent entfallen auf
die S-Bahn, 33 Prozent auf Fern- und
22 Prozent auf Regionalzüge. 260 000
Reisende steigen täglich ein, aus oder
um. Rund 60 Städte sind von Hannover aus direkt zu erreichen. Die Promenade mit ihren mehr als 50 Geschäften durchqueren pro Tag rund
eine Viertelmillion Passanten. Am
Bahnhof hängen 2000 Arbeitsplätze.
Er hat mehrere Auszeichnungen erhalten und schneidet regelmäßig bei
Kundenbefragungen gut ab.
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Mittwochs halten ��� Züge im Hauptbahnhof
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Am Anfang stand ein Holzschuppen
Von Bernd Haase
G
ewandelt hat sich der Hauptbahnhof
in Hannover häufiger, die Chronik
verzeichnet ein halbes Dutzend Neubauten oder einschneidende Sanierungen. Das musste auch so sein: Stünde
man heute auf dem Ernst-August-Platz
mit dem Reiterdenkmal des Königs und
könnte sich die Szenerie von vor mehr
als 160 Jahren vor Augen führen, erblickte man nichts weiter als einen zugigen Holzschuppen.
Besagter Ernst August wollte von dem
neumodischen Ding namens Eisenbahn
anfänglich nicht viel wissen; mächtige
Interessengruppen wie etwa die Kaufmannschaft hielten es ebenso. Nachdem
Ernst August – ausgerechnet im Braunschweigischen – allerdings im Jahr 1838
eine Probefahrt mit der dortigen Staatsbahn unternommen hatte, wurde er vom
Gegner zum Gönner. Fünf Jahre später
wurde dann zwischen Hannover und
Lehrte die erste Bahnstrecke im Königreich eröffnet. „Obgleich diese kleine
Bahnstrecke für die Beförderung von
Reisen und Waren natürlich nicht von
Wichtigkeit sein kann, so erregt sie doch
öffentliches Interesse“, notierte der damalige Chronist der hannoverschen Zeitung.
Der Bahnhof mit der, wie man heute
wahrscheinlich sagen würde, höchsten
Aufenthaltsqualität war nicht der Holzschuppen in Hannovers Zentrum, son-
dern derjenige am Tiergarten. Dort unterhielt die Frau des Bahnwärters einen
Kaffeegarten.
Am „Central-Bahnhof“, der auch der
erste Durchgangsbahnhof in einer größeren deutschen Stadt war, rüstete man
bald nach, schob den Schuppen zusammen und baute stattdessen von 1845 bis
1847 ein Gebäude im romantisch-klassizistischen Stil mit gelbem Putz. Hofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves –
von ihm sind auch der heutige Landtag,
das Opernhaus, das ursprüngliche
Schloss in Herrenhausen und das heutige Wilhelm-Busch-Museum – soll daran
mitgewirkt haben. Er plante in der Umgebung sogar ein komplett neues Stadtviertel, die Ernst-August-Stadt.
Schneller, weiter – und auch höher: Bis
1879 wurden die Gleise über die Straßenebene gelegt.
Im Oktober 1943 trafen Bomben auch den
Hauptbahnhof.
Alles unter Dach und Fach: Das Bild von 1930 zeigt die Kuppeln über den Bahnsteigen.
Das Frauenhaus wird barrierefrei
Kurz gemeldet
Polizei nimmt
Einbrecher fest
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Hannovers älteste Einrichtung für von Gewalt betroffene Frauen eröffnet behindertengerechten Neubau
Von Veronika THomas
Hannovers ältestes Frauenhaus kann
38 Jahre nach seiner Gründung jetzt
auch Frauen mit körperlichen Einschränkungen Schutz und Zuflucht bieten.
Heute eröffnet die Einrichtung im Nordosten Hannovers mit Vertretern von
Stadt und Region offiziell das neue barrierefreie Gebäude; vom kommenden
Montag an können die Räume bezogen
werden. „Wir sind froh, endlich auch
Frauen oder ihre Kinder mit Rollstühlen
aufnehmen zu können“, sagt Sozialpädagogin Silke Dietrich. „Wir hatten immer wieder Anfragen, mussten die Betroffenen aber abweisen.“ Barrierefrei
ausgestattete Frauenhäuser in Niedersachsen gab es bisher nur in Verden und
Braunschweig.
Der „Gartenhaus“ genannte Neubau
verfügt über drei Zimmer mit sechs Plätzen, die jeweils mit einem höhenverstellbaren Pflegebett und einem weiteren
Bett ausgestattet sind. „Diese Räume
sind so flexibel gestaltet, dass darin auch
zwei Kinder Platz finden“, sagt Dietrich.
Hinzu kommen ein großes barrierefreies
Bad für alle und eine behindertengerechte Küche. Sie ist so konzipiert, dass
Schränke, Herd, Kühlschrank und Geschirrspülmaschine auch vom Rollstuhl
aus erreichbar sind – wie sämtliche Fenstergriffe im Haus ebenfalls.
Zufrieden im Neubau: Afsaneh Zandi und
Silke Dietrich vom Frauenhaus. Foto: Thomas
Ein knappes Jahr lang dauerten die
Bauarbeiten, Bauherr und Vermieter ist
die Wohnungsbaugesellschaft Gundlach, die den barrierefreien Flachbau im
Garten des Frauenhauses errichtet hat.
Die Ausstattung der Räume einschließlich der Küche hat der Förderverein der
Institution übernommen. Durch den Anbau hat sich die Zahl der Plätze des Hauses insgesamt zwar nicht erhöht – sie
bleibt bei 36 –, dafür haben die Bewohnerinnen und ihre Kinder jetzt etwas
mehr Platz.
Im bisherigen Altbau der Schutzeinrichtung gibt es drei Wohnungen mit jeweils zwölf Plätzen, zu jeder Wohnung
gehören ein gemeinsames Bad und eine
Küche. Rund 150 Frauen sowie 50 bis
60 Kinder finden im Frauenhaus Hannover jährlich Zuflucht vor häuslicher Gewalt; knapp die Hälfte hat einen Migrationshintergrund. Die Einrichtung wird
von Land, Stadt und Region Hannover
finanziert. „Wir sind stark ausgelastet,
was auch mit der Lage auf dem Wohnungsmarkt zusammenhängt“, berichtet
Afsaneh Zandi, eine von sechs Mitarbei-
Der Hauptbahnhof (links) ist einer
der wichtigsten norddeutschen
Verkehrsknotenpunkte – und merklich in
die Jahre gekommen, wie der Blick auf
die Bahnsteigkante zeigt.
terinnen. „Die Verweildauer der Frauen
nimmt zu, weil es immer schwieriger
wird, Wohnungen zu finden.“
In diesem Jahr sollen noch weitere
Anstrengungen unternommen werden,
um auch blinden, sehbehinderten und
gehörlosen Frauen besser helfen zu können. So steht bereits jetzt eine Gebärdendolmetscherin im Bedarfsfall zur Verfügung. Außerdem sollen Hilfsmittel wie
Spezialtelefone angeschafft werden.
Auch Leitstreifen sollen verlegt werden,
um Sehbehinderten die Orientierung im
Alt- wie im Neubau zu erleichtern. Ein
Flyer in Leichter Sprache ist ebenfalls
geplant. Bereits jetzt informieren Faltblätter in mehr als zehn Sprachen über
die Arbeit des Frauenhauses und die
Möglichkeit, dort ein neues Leben ohne
Gewalt zu beginnen – unabhängig von
der Nationalität und dem Aufenthaltsstatus. „Inklusion ist für uns ein großes
Thema“, sagt Silke Dietrich. Denn das
Problem vieler von Gewalt betroffener
behinderter Frauen, das belege eine aktuelle Studie, sei der schwierige Zugang
zu Beratungsstellen und Frauenhäusern.
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Dann wurde ein Planungsmanko
deutlich. Ein Durchgangsbahnhof war
zwar eine feine Sache, teilte aber mit
seinen zugehörigen Gleisanlagen auf
Straßenniveau die Stadt in zwei Hälften.
Also: Bahndamm und Brücken bauen,
Gleise höher legen – und zwangsläufig
auch den Bahnhof. 1879 wurde der neue
der Öffentlichkeit übergeben, entworfen
vom Architekten Hubert Stier. Damals
erhielt die Fassade am Ernst-AugustPlatz ihr heutiges Aussehen. Außerdem
erwies sie sich als robust. Als einziges
nennenswertes Element des Bahnhofs
überstand sie die Bomben der Luftangriffe im Juli und Oktober 1943.
Anschließend wurde wieder auf- und
später noch zweimal im größeren Stil
umgebaut. Mit dem U-Bahn-Bau Anfang
der Siebzigerjahre erweiterte die Bahn
die Anlage um die heutigen Gleise 13
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Reisenden und Waren im Laufe der Jahre nun doch zu einer Angelegenheit von
ziemlicher Wichtigkeit entwickelt hatte.
Im Vorfeld der Expo schließlich ließ sie
das Gebäude, vorher eine Art muffige
Höhle mit Funzelbeleuchtung zur Verteilung von Zugreisenden auf die Bahnsteige, komplett ausräumen. Bauarbeiter
verlegten helle Bodenbeläge, durchbrachen Decken für mehr Tageslicht und
richteten Geschäftszeilen und Gastronomiebetriebe ein.
Spötter sprechen seitdem vom Kaufhaus mit Gleisanschluss.
Stiftung vergibt
20 000 Euro für
neues OP-Verfahren
Die hannoversche Claudia-von-Schilling-Stiftung, die seit Jahren herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf
dem Gebiet der Brustkrebsforschung
fördert, hat Professor Thorsten Kühn gestern im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums der Medizinischen
Hochschule Hannover (MHH) ausgezeichnet. Der Chefarzt der Klinik für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe des
Klinikums Esslingen erhielt den mit
20 000 Euro dotierten Claudia-von Schilling-Preis. Kühn hat das Projekt Sentina
geleitet, eine der größten Studien zur
Verbesserung der Operationsverfahren
bei Brustkrebs. „Wir konnten zeigen,
dass es bei Brustkrebs selbst noch im
fortgeschrittenen Stadium möglich, sinnvoll und schonender sein kann, anstelle
der Lymphknoten den Wächterlymphknoten aus der Achselhöhle zu entfernen“, sagte Kühn. An der Studie nahmen mehr als 100 Kliniken und 1700
Patientinnen aus Deutschland und Österreich teil. Sie trugen dazu bei, die Radikalität der Operationen bei vielen Patientinnen zu reduzieren.
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