Aktuelle Predigt: So war das mal im Paradies

Predigt Gen 3
Der Gipfel war schon in Sichtweite.
Rechts neben mir der Abgrund.
Drei Mal in meinem Leben bin ich einer Schlange begegnet.
Und plötzlich, wie aus dem Nichts, links neben mir eine
Jedes Mal war das mit Angst verbunden.
tiefschwarze Schlange auf dem Felsen.
Das erste Mal war das am Stausee in Glauchau.
Auch da, war ich schnell weg.
Ich war als Kind Kanu fahren mit meiner Pfadfindergruppe.
Die Angst vor den ungewissen Bewegungen des Tieres.
Plötzlich neben dem Kanu eine Schlange im Wasser.
Die Angst, die mir vielleicht eingeredet wurde.
Sie streckte ihren unendlichen Hals weit über die
Schon als Kind.
Wasseroberfläche heraus.
Und durch Geschichten.
Ich wollte nur noch schnell ans Ufer.
Auch durch solche, wie sie in der Bibel stehen.
Das zweite Mal war das in den engen Gassen von Bethlehem.
Von diesem Tier.
Einer der Händler hatte eine riesige Würgeschlange um den
Der Schlange.
Hals.
Und er pries sie an.
Die Schlange.
Als wäre sie wunderschön.
Wir meinen, ihre Geschichte zu kennen.
Ich fand es furchtbar und lief schreiend weg.
Aber hören wir mal genau hin.
Das dritte Mal begegnete mir eine Schlange auf einem Berg in
In der Bibel steht nichts von „böse“.
Österreich.
Da steht:
Ich lief, trotz meiner Höhenangst, einen sehr engen Weg an
„Die Schlange...
einer Felswand entlang.
Die Gott der HERR gemacht hatte.“
Das steht am Anfang.
Eva.
Sie gehört dazu zu Gottes Schöpfung.
Von Gott gemacht.
Listig soll sie sein.
Gehören auch zu seiner Schöpfung.
Und Gott kennt ihre List.
Nackt.
Aber das Wesen, von dem in dieser Geschichte das Unheil
Zumindest am Anfang und am Ende.
ausgeht, ist ein Geschöpf Gottes.
Als Säugling und als Greis.
Da ist also nichts Böses in der Schöpfung, das sich Gottes
Mit Wünschen und Sehnsüchten.
Machtbereich entziehen kann.
Nach dem Ursprung und dem Ziel.
Und da ist nichts in der Schöpfung Gottes, das am Ende nicht
Und dem Paradies.
auch ein Urteil von ihm erhält:
Wie es vielleicht mal war.
„Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan
hast, seist du verflucht vor allem Vieh und allen Tieren auf dem
Der Mensch.
Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Staub fressen
Von Gott gemacht.
dein Leben lang.“
Ausgedacht.
Und doch darf er selber denken.
Und in der Geschichte ist auch Adam.
Darf sich überlegen, was er tut.
Der Mensch.
Das Gute.
Der Mann.
Das Böse.
Aber nicht nur der.
Darf entscheiden, ob er Angst hat.
Sondern auch die Frau.
Vor der Schlange oder eben auch nicht.
Er darf alles tun.
Und jeder kennt es.
Nur...
Draußen vor dem Haus hinter den Bäumen war meins.
„...von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott
Und da waren andere Evas und Adams.
gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr
Auch mit im Paradies.
nicht sterbet!“
Wir lachten und wir spielten Mutter-Vater-Kind.
Und keinen kümmerte es, dass der Nachbarsjunge die Mutter
Doch wie wäre es wenn...
war.
Einmal probieren und kosten.
Für alle ok. Normal.
Einmal nicht über die Folgen nachdenken müssen.
Wir schämten uns noch nicht.
Wieder Kind sein.
Konnten uns gegenseitig umarmen und raufen.
Und das waren wir alle mal.
Küsse ausprobieren und dabei die Zeit stoppen.
Klein.
So war das.
Und unwissend.
Aber nicht blind.
Aber irgendwann, da ging es uns Kindern so, wie allen Adams
Erkannten nur nicht alles.
und Evas in Gottes Paradies:
Die Welt erschien noch groß.
„Da wurden ihnen (beiden) die Augen aufgetan und sie wurden
Die Häuser und die Eltern auch.
gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter
Die Unwahrheit war noch keine Lüge.
zusammen und machten sich Schurze.“
Und die Spiele waren die Realität.
Nichts änderte sich an dem Paradies.
Damals im Paradies.
Wir konnten nur nicht mehr so darin leben, wie vorher.
Nackt zu sein,
Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich
so wie Adam und so wie Eva.
dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht
so wie kleine Kinder.
sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von
heißt nicht, sich schämen zu müssen, solange die Einheit mit
ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir
Gott besteht.
tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im
Aber beginnen wir selbst über uns nachzudenken.
Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du
Über unser Herkommen.
wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub
Und unser Hingehen.
bist du und zum Staub kehrst du zurück.
Dann sind uns die Augen aufgetan.
Wir sehen auf einmal:
Das Leben des Menschen hat ein Ende.
Was ist gut.
Das macht Angst.
Was ist böse.
Dessen sind wir uns irgendwann bewusst.
Was trennt uns von Gott.
Und da ist es leicht, die Schuld auf Schlangen und Frauen zu
Wir erkennen, was nicht mehr so ist, wie im Paradies und was
schieben.
uns in den Jahren unseres Lebens
Wenn irgendetwas im Leben Konsequenzen hat, dann unser
erwartet:
eigenes Tun.
Gott spricht zu Eva: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du
Das hat man in der Auslegung dieser Geschichte leider oft
schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und
vergessen.
dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein
Herr sein. Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der
Der Mensch.
Aber bis dahin ist es ein langer Weg.
Adam.
Ein Lebensweg.
Und auch Eva.
Da haben wir offene Augen.
Von Gott gemacht.
Erkennen uns gegenseitig.
Und geliebt.
Und dürfen uns entscheiden, was wir tun.
Ins Paradies gesetzt.
Gutes oder Böses.
Mit allem was dazugehört.
Pflanzen und Tieren.
Über Adam und Eva, die schon längst nicht mehr im Paradies
Der Luft zum atmen und der Sonne, um sich zu wärmen.
leben und mittlerweile schon alt geworden sind, schrieb die
Und mit der listigen Schlange.
Autorin Marie-Luise Kaschnitz folgende Erzählung:
Aber nicht um Angst vor ihr zu haben.
Sondern um zu wissen, auch im Paradies lauert das Erkennen
„... In dieser Nacht beschloss Adam, Eva zu sagen, dass sie
schon auf.
sterben müsse.
Wir können nicht dort bleiben.
Vielleicht hätte er es nicht getan, wenn nicht der Mondschein
Nicht für immer.
so hell in ihrem Zimmer und gerade auf Evas Gesicht gelegen
Aber irgendwann wieder.
hätte und wenn dieses Gesicht nicht so voll von
Das ist unsere Hoffnung.
Lebensentzücken gelächelt hätte im Schlaf.
Das ist unsere Sehnsucht.
Aber dieser Anblick rief in Adam, der schon viele Stunden
Irgendwann wieder nur Kind sein.
schlaflos gewesen war, eine dunkle Rachsucht hervor.
Da bei Gott. Im Garten.
Er weckte Eva auf, und Eva rieb sich die Augen und fragte, ob
etwas mit den Kindern sei.
Ist er denn noch da? fragte Adam erstaunt.
Wir müssen sterben, sagte Adam, und es war ihm zumute, als
Gewiss, sagte Eva.
beginge er einen Mord.
Woher meinst du, fragte Eva, dass ich die Reben hatte, die ich
Große Neuigkeit, sagte Eva spöttisch.
dir gebracht habe, und woher meinst du, dass ich die Zwiebel
Das weiß ich schon lang.
der Feuerlilie hatte, und woher, meinst du, hatte ich den
Hast du dir keine Gedanken gemacht, fragte Adam, sobald er
schönen funkelnden Stein?
sich von seiner Überraschung erholt hatte.
Woher hattest du das alles, fragte Adam.
Was wir hier zurücklassen, ist unfertig und keinen Pfifferling
Die Engel, sagte Eva, haben es mir über die Mauer geworfen.
wert.
Wenn wir kommen, rufe ich die Engel, und dann öffnen sie mir
Jemand wird es schon fertig machen, sagte Eva.
das Tor.
Die Kinder, sagte Adam streng, sind träge und leichtsinnig.
Adam schüttelte langsam den Kopf, weil eine ferne und dunkle
Sie wissen nicht, was arbeiten heißt, und werden elend
Erinnerung ihn überkam.
zugrunde gehen.
Gerade dir, sagte er.
Es wird schon noch etwas aus ihnen werden, sagte Eva.
Aber dann fing er an zu lachen, laut und herzlich, zum ersten
Und was wird aus uns, fragte Adam und stützte seinen Kopf
Mal seit, ach wie langer Zeit.“
auf die Hand.
Wir bleiben zusammen, sagte Eva.
Wir gehen zurück in den Garten.
Und sie legte ihre Arme um Adams Hals und sah ihn liebevoll
an.
Amen.