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Foto: DBT / Simone M. Neumann
Umfeldaufklärung zum NSU ohne
Engagement
Nachricht von Petra Pau, 10. März 2017
Gerd Wiegel berichtet aus dem NSU-Untersuchungsausschuss
Gut fünf Jahre nach der Einsetzung des ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages
endete am 9. März 2017 die Zeugenvernehmung des zweiten NSU-Ausschusses im Bundestag:
Zusammengenommen ca. drei Jahre Ausschussarbeit, Aktenstudium, Befragung von knapp unter 200
Zeugen und Sitzungen in dreistelliger Zahl. Was bleibt sind viele offene Fragen aber auch eine Reihe
von Erkenntnissen, die es ohne die Ausschüsse nicht gegeben hätte. Letztere werden sich, soweit es
im Rahmen aller Fraktionen möglich ist, im Abschlussbericht des PUA finden. DIE LINKE wird ihre
Folgerungen und Bewertungen, die vor allem die Rolle der Verfassungsschutzämter und der V-Leute
in der Nähe des Trios betreffen, ganz sicher in einem umfangreichen Sondervotum vorstellen.
Chefankläger als Zeuge
Mit dem Chefankläger der Bundesanwaltschaft beim NSU-Prozess in München, Dr. Herbert Diemer,
ging es in der letzten Sitzung noch einmal um nahezu alle Aspekte des NSU-Falls. Diemer
verteidigte die Anklage in München, die den NSU als enges Geflecht von drei Personen (Mundlos,
Böhnhardt, Zschäpe) plus einigen wenigen Helfern beschreibt, gegen die der Prozess in München
geführt wird. Die den Ausschuss seit 2012 beschäftigende Frage, ob es nicht mehr Unterstützer und
womöglich auch Mittäter gegeben habe, wurde von Diemer mit Verweis auf das Verfahren gegen
neun weitere Beschuldigte und dem Verfahren gegen unbekannt (so genanntes
„Strukturermittlungsverfahren“) beantwortet. Hier gehe man den noch offenen Fragen nach, die
jedoch bisher nicht für eine Anklage ausreichend beantwortet werden könnten. Jedoch drängt sich
seit langem der Eindruck auf, dass diese Ermittlungen über die enge Anklage hinaus nicht mit
Nachdruck geführt werden und dass sie vor allem dann gebremst, ja geradezu behindert werden,
wenn V-Leute der Verfassungsschutzämter und ihre Nähe zum Trio in den Blick kommt.
Beispiel Johann Helfer: Der V-Mann des Verfassungsschutzes NRW geriet in die Ermittlungen, weil
das Phantombild, das die Ladenbesitzer und Opfer des Sprengstoffanschlages in der Probsteigasse
in Köln anfertigten, eine frappierende Ähnlichkeit mit eben diesem V-Mann hat. Unabhängig davon,
wie man die Rolle Helfers für den Anschlag bewertet waren sich alle Fraktionen einig, dass die
Ermittlungen des GBA in dieser Sache oberflächlich waren. Der Abgleich mit Fotos des V-Mannes
aus dem Zeitraum des Anschlages war mehr als schlampig, eine Alibiüberprüfung fand nicht statt
und nicht einmal mit dem V-Mann Führer, den der PUA als Zeugen gehört hat, wurde von Seiten der
Ermittler gesprochen. Ein BKA-Ermittler wollte Helfer vernehmen, wurde aber vom GBA
zurückgepfiffen. Es reichte offenbar die Aussage des LfV NRW, dass man Helfer eine solche Tat
nicht zutraue und der Abgleich mit schlechten Fotos, auf denen die Opfer ihn nicht als Täter
identifizieren konnten.
Aktenmanipulation unter den Augen des GBA?
Ein weiterer Fall von Vertuschung und Manipulation in den Behörden und dem Desinteresse des
GBA an der Aufklärung dieser Vorgänge wurde erst in den letzten Tagen offenbar. Jan Werner,
Neonazi aus Sachsen, steht im Verdacht, einer der Waffenbeschaffer des Trios zu sein. Seine SMS
an den V-Mann des LfV Brandenburg „Piatto“, vom 25. August 1998, „Was ist mit dem Bums“, wäre
verbunden mit anderen Nachrichten ein wichtiger Hinweis auf die Bewaffnung des Trios und damit
ihren Weg zum Terrorismus gewesen. Gegen Jan Werner gab es damals eine
Telekommunikationsüberwachung und in den Akten des Thüringer LKA, dessen Zielfahndung die
Suche nach dem Trio organisierte, finden sich tausende von Daten der Kommunikation von Werner,
feinsäuberlich aufgeführt und nummeriert. Ausgerechnet am 26.8., einen Tag nach der Anfrage von
Werner bei „Piatto“, weisen die dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten eine Lücke von
mehrere hundert Einträge und von ca. 15 Stunden auf. Möglicherweise der Zeitraum, in dem die
Antwort von „Piatto“ bei Werner einging. Die Thüringer Behörden sagen, dass die Seiten auch im
Original fehlen und sie keine Erklärung dafür haben. Der GBA ermittelt, wie auch Dr. Diemer
ausführte, weiterhin gegen Jan Werner als möglichem Unterstützer. Im Januar 2013 gab es sogar
eigens eine Besprechung von GBA, BKA, LfV und BfV zur besagten Mail. Aber keiner beteiligten
Behörde will die Manipulation an den Akten aufgefallen sein. Wäre es so, dann würde das einiges
über die Ernsthaftigkeit aussagen, mit der das erweiterte Umfeld des NSU aufgeklärt wird.
Es bleibt den verbleibenden Untersuchungsausschüssen in den Bundesländern, der Nebenklage in
München, den engagierten Journalistinnen und Journalisten und vor allem der Antifa-Recherche
überlassen, die vielen losen Enden im NSU-Komplex immer wieder zu thematisieren und, wo es
möglich ist, aufzuklären.
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