Ausgabe 09 03. März 2017 powered by Gesundheitswirtschaft Depressionen verursachen Schaden von einer Billion Dollar Depressionen kosten die Wirtschaft rund eine Billion Dollar. Ein Problem ist die Stigmatisierung von mentalen Krankheiten S chätzungsweise 322 Millionen Menschen oder rund vier Prozent der Weltbevölkerung litten an Depressionen, zitiert Reuters Dan Chisholm von der WHO-Abteilung für mentale Gesundheit und Drogenmissbrauch. „Depressionen sind heute der größte einzelne Grund für Behinderungen.“ Betroffen seien wesentlich mehr Frauen als Männer. Depressionen verursachen weltweit laut der Weltgesundheitsbehörde WHO einen wirtschaftlichen Schaden von einer Billion Dollar. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten ergeben sich nach den Berechnungen der WHO aus den Folgen eines Verlusts an Produktivität, Apathie und der Unfähigkeit der Betroffenen, mit dem Alltagsleben zurechtzukommen. Besonders betroffen seien drei Gruppen: Jugendliche, Schwangere und junge Mütter sowie ältere Menschen. Rund 800.000 Menschen würden sich jährlich wegen Depressionen selbst töten. Ein Problem sei die Stigmatisierung von mentalen Krankheiten. Die WHO star- Ein Problem ist die Stigmatisierung von mentalen Krankheiten. tete deshalb eine Kampagne „Depressionen: Lass uns darüber reden“. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei einem Treffen mit internationalen Gesundheitsexperten angekündigt, dass in Foto: Flickr/Victor/CC BY 2.0 Deutschland ein nationaler Aktionsplan für Depressionen und mentale Krankheiten geprüft werden solle. Gesundheitsprobleme sind ein Schwerpunkt der derzeitigen deutschen G20-Präsidentschaft. Analyse Pflege ist wichtiges Thema für die Bundestagswahl 2017 Das Thema Pflege kann bei der Bundestagswahl eine erhebliche Rolle spielen. 43 Prozent der Deutschen sehen die Versorgung älterer hilfebedürftiger Menschen als sehr wichtig dafür an, wie sie am 24. September ihren Stimmzettel ausfüllen wollen. In der für den Wahlausgang besonders maßgeblichen Altersgruppe 50+ sind es sogar 53 Prozent an. Dies ergab eine repräsentative Bevölkerungsbefragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Viele zweifeln offenbar an der Pflegequalität in Deutschland. Zwar glaubt fast die Hälfte der Befragten (42 Prozent), die Pflege in der Bundesrepublik sei gut oder sehr gut. Die Mehrheit allerdings (55 Prozent) hält die Pflegequalität für weniger gut oder sogar schlecht. Personen mit persönlicher Pflegeerfahrung sind hier mindestens genauso kritisch (59 Prozent). Entsprechend wird Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen in der Pflege gesehen. In erster Linie betrifft das die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege (71 Prozent). 42 Prozent der Befragten glauben, dass pflegende Angehörige dringend besser unterstützt werden müssen. „Trotz aktueller Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung darf niemand glauben, die Herausforderungen in der Pflege seien nun bewältigt. Die Befragung zeigt, dass die Bürger Pflege als politisch hochrelevantes Thema sehen. Die Wähler werden auch nach der Bundestagswahl genau verfolgen, welche Wege die Parteien hier zukünftig gehen wollen. Zum Beispiel bei den noch nicht ausgestalteten, aber zentralen Aspekten der Pflegereformen ‚Personalausstattung‘ und ‚Transparenz von Qualität‘ gilt es, überzeugende Lösungen zu präsentieren“, sagt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP. Aber auch auf anderen Feldern der Pflegequalität besteht aus Expertensicht dringender Handlungsbedarf: „Bei der Durchsetzung der Rechte von pflegebedürftigen Menschen - insbesondere beim Schutz vor Gewalt, aber auch in den Bereichen Prävention und Rehabilitation - gibt es sehr viel zu tun.“ 1 powered by Ausgabe |09/17 03. März 2017 Politik Merkel warnt vor Pandemie-Gefahr für die Welt Die Welt ist nicht ausreichend auf eine Pandemie vorbereitet. Die Bundeskanzlerin fordert einen globalen Katastrophenschutz D eutschland wolle das Thema von Infektionskrankheiten, die sich sehr schnell über Länder oder Kontinente ausbreiten könnten, deshalb zu einem Schwerpunkt der deutschen G20-Präsidentschaft machen, so Angela Merkel. Erstmals würden in diesem Jahr deshalb auch die G20-Gesundheits- reichend vorbereitet gewesen seien und schwerfällig reagiert hätten, sagte Merkel. Deutschland habe dies deshalb ebenso wie Antibiotika-Resistenzen und vernachlässigte Tropenkrankheiten zum Schwerpunktthema in seiner G7-Präsidentschaft vor zwei Jahren gemacht. Dies reiche aber nicht. „Unter Die internationale Gemeinschaft muss sich in Gesundheitsfragen stärker verständigen. Foto: Flickr/Jana Reifegerste/CC BY-SA 2.0 minister der wichtigsten Industriestaaten zusammenkommen. Zuvor hatte bereits Microsoft-Gründer Bill Gates in dramatischen Worten vor einer neuen Pandemie gewarnt, berichtet Reuters. Der Ebola-Ausbruch in Westafrika habe gezeigt, dass die internationalen Gesundheitsorganisationen damals nicht aus- heutigen Verhältnissen wären wir als Weltgemeinschaft nicht besonders gerüstet“, so Merkel mit Hinweis auf die Spanische Grippe, die Anfang des 20. Jahrhunderts Millionen Opfer gefordert hatte. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte auch Gates vor einer Pandemie gewarnt. „Jetzt besteht das unerhörte Risiko für uns, dass eine gewaltige Pandemie ausbrechen könnte“, hatte der Chef der Bill und Melissa Gates-Stiftung auch im Deutschlandfunk gesagt. „Ich halte dieses Thema für absolut wichtig“, so die Kanzlerin. Merkel mahnte eine Art globalen Katastrophenschutz an, der regeln müsse, wie man im Falle einer sich schnell ausbreitenden Infektion agiert. Sie plädierte zudem für ein Versicherungsmodell, um Regionen abzusichern, in denen eine Pandemie ausbricht. Die Ebola-Krise in Liberia habe zudem gezeigt, dass es auch eine enge Abstimmung zwischen zivilen und militärischen Kräften geben müsse. Merkel verwies darauf, dass sich die internationale Gemeinschaft insgesamt stärker über Gesundheitsfragen verständigen müsse. Deutschland habe sich deshalb auch den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen und vernachlässigte Tropenkrankheiten auf die Fahnen geschrieben, an denen 1,4 Milliarden Menschen litten. Das Antibiotika-Thema werde „massiv“ unterschätzt, kritisierte die Kanzlerin. Sie forderte auch globale Regeln für die Landwirtschaft, damit etwa in der Hühnerhaltung der Einsatz von Antibiotika für die Tiere eingedämmt werden könne. Merkel räumte mit Blick auf Forderungen von Experten nach einem stärkeren Fokus auch auf mentale Erkrankungen ein, dass es auch in Deutschland noch keinen nationalen Aktionsplan gegen Depressionen und andere mentale Erkrankungen gebe. Darüber müsse nun nachgedacht werden, betonte sie. Mentale Erkrankungen verursachen nach Expertenschätzungen volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. Gesundheitswirtschaft Unkundiges Personal gefährdet häusliche Pflege Eine europaweite Ausschreibung von Leistungen kann die Qualität der Pflege in Deutschland beeinträchtigen und gefährden S terbende haben seit 2007 einen Rechtsanspruch auf ambulante Palliativversorgung zuhause bei ihren Familien. Bisher gibt es aber keine flächendeckende Versorgung. Krankenkassen verzögern Verhandlungen mit SAPV-Teams. Durch ein Urteil des OLG Düsseldorf droht nun die europaweite Ausschreibung dieser Leistungen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft SAPV e.V. warnt vor einer „Industrialisierung“ der ambulanten Versorgung Sterbender. Die Düsseldorfer Richter stellten in ihrem Urteil am 15. Juni 2016 (Az: VIIVerg 56/15) fest, dass Verträge zwischen Leistungserbringern der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und Krankenkassen nach § 132d SGB V 2 powered by Ausgabe |09/17 Das Urteil von Düsseldorf sorgt für Verunsicherung bei den Betroffenen. Foto: Flickr/Markus Daams/CC BY-SA 2.0 grundsätzlich dem Vergaberecht unterliegen. „Dieses wenig beachtete Urteil sorgt für große Verunsicherung bei den Leistungserbringern und den Krankenkassen“, sagt Michaela Hach, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) SAPV e.V. „Bei der SAPV handelt es sich nicht um eine abstrakte Idee, sondern vielmehr um Personen und Netzwerke in regionaler 03. März 2017 Repräsentanz und Verlässlichkeit. SAPVTeams sollen und müssen daher eng in den jeweiligen regionalen Kontext eingebunden sein“, so Michaela Hach über die besonderen Anforderungen an die SAPV. „Dies ist durch eine Industrialisierung, bei der der Anbieter irgendwo in Europa ansässig ist und unqualifiziertes Personal einsetzt, nicht zu gewährleisten. Eher wird die Kooperation und Koordination unnötig erschwert, wenn ortsunkundige Pflegekräfte und Ärzte ohne regionale Vernetzung zum Einsatz gebracht werden“, so Hach. Grundsätzlich befürwortet die BAG SAPV e.V. ein transparentes Vergabeverfahren für die SAPV-Leistungserbringung. Die im deutschen Vergabeverfahren vorgesehenen Regeln werden aber den besonderen Anforderungen nach Regionalität nicht gerecht. „Wir fordern von den Gesundheitsministern des Bundes und der Länder daher, ein eigenes Gesetz über die Vergabe und Beauftragung von SAPV-Teams zu erlassen. Das ist nach EU-Richtlinien möglich und auch im § 69 Abs. 4 SGB V vorgesehen.“ Umfrage Schizophrenie: Stärkere Einbindung von Bezugspersonen nötig Eine europaweite Befragung Erwachsener mit Schizophrenie zeigt die bedeutende Rolle von Betreuungspersonen in der Therapie D ie aktuelle Behandlung erwachsener Schizophreniepatienten in Europa weist einen deutlichen Optimierungsbedarf auf. Das ist das Fazit der von Janssen beauftragten paneuropäischen Umfrage „Talking About Treatment in Schizophrenia: A Patient and Carer Survey“ (*) unter Schizophreniepatienten und ihren Betreuungspersonen. Unzureichend ist demnach vor allem die Aufklärung der Patienten und ihrer Betreuungspersonen hinsichtlich der verfügbaren Therapieoptionen sowie ihre Einbindung in therapeutische Entscheidungen. So gaben 21 Prozent der Patienten an, vor ihrer derzeitigen Behandlung keine alternativen Therapieoptionen mit ihrem Arzt besprochen zu haben. 27 Prozent der Patienten und 25 Prozent der sie betreuenden Menschen meinten zudem, nicht über alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten informiert worden zu sein. 46 Prozent der Betreuer gaben darüber hinaus sogar an, mit ihrer Einbindung in Therapieentscheidungen unzufrieden zu sein. Dies ist vor allem deshalb bedeutsam, da die Umfrage auch zeigt, welch wichtige Rolle die betreuenden Personen hinsichtlich des Therapieerfolgs spielen. So gaben Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung mit vielgestaltigem Erscheinungsbild. Foto: Flickr/Ralph Buckley/CC BY-SA 2.0 3 powered by Ausgabe |09/17 94 Prozent von ihnen an, dass sie die Patienten an die Einnahme ihrer Medikamente erinnern müssten, was bei 49 Prozent sogar häufig der Fall war. Ihre Hauptsorgen galten dem Auftreten von Rückfällen und damit verbundenen Hospitalisierungen (49 %), der Einschränkung des Alltags durch eine Verschlimmerung der Erkrankung (61 %) sowie der fehlenden Unterstützung über die Medikation hinaus (41 %). „Bei der medikamentösen Behandlung der Schizophrenie haben wir in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht“≠, so Dr. Michael von Poncet, Medizinischer Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung Janssen Deutschland. „Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten darüber informiert sind, welche Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Heute gibt es neben kürzer wirksamen zum Beispiel auch langwirk- same Präparate. Sie können insbesondere jenen Schizophreniepatienten helfen, die mit einer täglichen Medikamenteneinnahme Schwierigkeiten haben. In jedem Fall sollte die Behandlung auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sein und ihnen ein möglichst erfülltes Leben ermöglichen.“ Mit der Krankheit Schizophrenie, ihren Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten befasst sich die interaktive Website www. schizophrenie24x7.de, deren Inhalte von Patienten, Therapeuten und Betreuungskräften erstellt wurden. Vielfältige Informationen und praktische Serviceangebote können helfen, das tägliche Leben mit der Krankheit besser zu meistern. Eine weitere Form der Informationsvermittlung bietet die innovative E-LearningPlattform www.psychose-wissen.de. Dort 03. März 2017 führt der Hamburger Psychiater Professor Dr. Martin Lambert Patienten und Angehörige auf strukturierte Weise durch sieben multimediale und interaktive Wissensmodule zu den Ursachen, der Diagnostik und der Therapie verschiedener Psychosen. (*) An der vom unabhängigen Marktforschungsinstitut Fieldwork International in zwölf europäischen Ländern durchgeführten Umfrage „Talking About Treatment in Schizophrenia: A Patient and Carer Survey“ nahmen 166 Erwachsene mit Schizophrenie und 468 sie betreuende Angehörige, Freunde oder Vormünder aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Russland, Schweden, der Schweiz, und Spanien teil. Gesundheitswirtschaft Milliardengeschäft: Kliniken werben um Auslandspatienten Deutsche Krankenhäuser buhlen um reiche Patienten aus aller Welt. Das beschert Einnahmen von mehr als 1,2 Milliarden Euro P rominenter geht es kaum: Ägyptens damaliger Präsident Husni Mubarak wählte die Uni-Klinik Heidelberg, als er sich 2010 die Gallenblase entfernen ließ. Kasachstans Machthaber Nursultan Nasarbajew folgte nur ein Jahr später mit einer Prostata-Operation in Hamburg. Und die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko unterzog sich in Berlin einem Eingriff am Rücken. Jens Juszczak wundert sich nicht über einen solchen Andrang. „Weil sie eine hervorragende Qualität, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und gut ausgebildete Ärzte haben, sind deutsche Kliniken weltweit so beliebt“, zitiert die dpa den Wissenschaftler der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem „Gesundheitstourismus“. Russen, die ihrer Gattin eine neue Brust bezahlen, oder Araber, die für eine Botox-Kur anreisen: Wenige Sparten der Branche scheinen so voller Klischees wie der Aufenthalt ausländischer Patienten. „Viele kommen zunächst zu einer anderen medizinischen Behandlung“, sagt Benjamin Waschow vom Universitätsklinikum Freiburg. Erst später stünde dann vielleicht eine Beratung mit dem Schönheitschirurgen an. Oft fragen Patienten mit ernsten Erkrankungen an, die kein Vertrauen in das Gesundheitssystem ihres eigenen Landes haben. Es geht etwa um Geburtsschäden, Unfallverletzungen oder Kriegswunden. Viele dieser Kunden kratzen ihr letztes Geld zusammen. Für sie präsentiert sich Deutschland als Paradies: top-ausgebildete Das Werben um ausländische Patienten ist für deutsche Kliniken lukrativ. Foto: Flickr/401(K) 2012/CC BY-SA 2.0 4 powered by Ausgabe |09/17 Ärzte, moderne Kliniken. Der Markt ist umkämpft - und lukrativ. Mehr als 250 000 Ausländer reisen jährlich an, um sich behandeln zu lassen. „Das beschert dem deutschen Gesundheitssystem Einnahmen von mehr als 1,2 Milliarden Euro“, sagt Juszczak. Viele Medizintouristen stammen aus früheren Sowjetrepubliken, vor allem aus Russland. Patienten aus den Golfstaaten ließen sich früher oft in den USA operieren, etliche zieht es inzwischen eher nach Deutschland. Experten vermuten dahinter Ressentiments gegen Muslime in den USA nach den Anschlägen von 2001. Mittlerweile werde aber die Türkei zunehmend interessant für arabischsprachige Länder, erklärt Martin Schmidt von der Freiburger Erich-Lexer-Klinik. „Die Ärzte dort wurden sehr oft in Deutschland oder den USA ausgebildet und arbeiten auf einem ähnlichen Niveau wie zumindest Deutsche - und gehören dem Islam an.“ Deutlich weniger Patienten kamen zuletzt aus Russland. „Die wirtschaftliche und die politische Krise führten zu einem Rückgang von etwa 30 Prozent“, sagt Jus- zczak. Die Zahlen von Kunden aus dem arabischen Raum seien ebenfalls rückläufig. Auslöser seien unter anderem geschrumpftes Kapital für Behandlungen im Ausland sowie ein Skandal in Stuttgart. Das dortige Klinikum blieb auf Forderungen von 9,4 Millionen Euro sitzen. Hintergrund sind Verträge mit Libyen und Kuwait. Doch wenn der Patient seltener zur Klinik kommt, kommt die Klinik eben zum Patienten: Baden-Württemberg wirbt etwa auf Fachmessen wie der „Arab Health“ in Dubai. Anfang Februar präsentierten sich dort die Region Freiburg, der Landkreis Konstanz, die Region Schwarzwald und die Metropolregion Rhein-Neckar. Sie werben nicht nur mit Medizin, sondern auch mit schöner Landschaft. Gesundheitstouristen sollen nach einem Eingriff noch Urlaub machen, lautet der Wunsch. Mancher Kunde aus den Golfstaaten bestehe darauf, von einem Mann oder - falls es eine Frau ist - von einer Ärztin untersucht zu werden, heißt es. Wichtig seien auch Dolmetscher. „Wir haben ein ‚International Office‘, das sich um die Organisation, 03. März 2017 Betreuung und Übersetzung kümmert“, sagt Paul-Georg Friedrich-Schmieder von den Kliniken Schmieder in Allensbach am Bodensee. Er setzt auf den direkten Kontakt, nicht auf Vermittler. Auch Doris Rübsam-Brodkorb vom Universitätsklinikum Heidelberg betont, dass das Krankenhaus nur Vermittler mit speziellen Prüfungen akzeptiere und Provisionszahlungen ablehne. Immer wieder ist zu hören, dass nicht jeder Vermittler nur das Wohl seines Klienten im Sinn habe. Dass die Behandlung von Kunden aus dem Ausland zu Nachteilen bei einheimischen Patienten führt, hält Juszczak für unwahrscheinlich. „Bei sehr speziellen Therapien kann es einmal zu Wartezeiten kommen, aber insgesamt ist die Zahl ausländischer Patienten vergleichsweise sehr gering“, sagt der Experte. Ein ähnliches Bild zeichnet zum Beispiel Heidelberg. 2015 hatte das Klinikum nach eigenen Angaben 1200 stationäre internationale Patienten - das waren 2,1 Prozent. Forschung Spenderorgane: Längere Aufbewahrung rückt etwas näher Noch kann man gespendete Organe nicht längerfristig aufheben. US-Forscher wollen das mittels schonender Tiefkühlung ändern U S-Forscher haben einen möglichen Ansatz zur längeren Aufbewahrung von Spenderorganen entwickelt, berichtet die dpa. Im Labor gelang es ihnen, tierische Gewebeteile mit einem besonderen Verfahren schonend tiefzukühlen und dann mittels magnetischer Nanopartikel in einem Induktionsfeld ebenso schonend und blitzschnell wieder zu erwärmen. Dies könnte die Möglichkeit eröffnen, Gewebe und Organe irgendwann langfristig zu lagern, schreibt das Team um Navid Manuchehrabadi von der University of Minnesota im Fachjournal „Science Tranlational Medicine“. Bislang müssen Spenderorgane oft binnen Stunden verpflanzt werden, weil sie sonst nicht mehr funktionsfähig sind. Bis das neue System einsatzfähig ist, dürfte es aber nach Ansicht eines deutschen Experten noch Jahrzehnte dauern. Die superschnelle Kühlung namens Vitrifizierung (Verglasung) ist schon seit einiger Zeit möglich. Den Zellen wird dabei Wasser entzogen und durch ein Kälteschutzmittel ersetzt. Das soll verhindern, dass sich beim Einfrieren Eiskristalle bilden, die das Gewebe schädigen. Das Verfahren kommt auch beim Einfrieren von Eizellen zum Einsatz. Das Problem bei Organen ist bislang vielmehr der Prozess des Auftauens. Es muss schnell und gleichmäßig geschehen, damit dass Gewebe keinen Schaden nimmt und funktionsfähig bleibt. Bislang gelang das nur im sehr kleinem Maßstab. Nun konnten die Forscher einen Erfolg verbuchen, indem sie vor dem Einfrieren Nanopartikel aus Eisenoxid zusammen mit dem Kälteschutzmittel in das Gewebe einbrachten. Sie konnten die Partikel mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen gleichmäßig und schnell erwärmen. Das Gewebe konnte dadurch in einer Minute um 100 bis 200 Grad erwärmt werden. Das sei 10 bis 100 Mal schneller als bei früheren Methoden, schreiben die Forscher. In den 1 bis 50 Millimeter umfassenden biologischen Proben - darunter Haut-Bindegewebszellen, Stücke einer Arterie und einer Herzklappe vom Schwein - zeigten sich bei einer anschließenden Untersuchung keine Veränderungen der Gewebe. Die Nanopartikel ließen sich später ohne Rückstände auswaschen, berichten die Forscher. „Jetzt muss das Ganze aber auch auf einer höheren Ebene gelingen“, betonte Mitautor John Bischof in einer Telefonkonferenz. Größere, menschliche Organe erforderten auch angepasste Lösungen, um sie unversehrt tiefzukühlen und auch die Kälteschutzflüssigkeit mit den EisenoxidPartikeln ausreichend zu verteilen. Sieben bis zehn Jahre, so schätzt Koautor Kelvin Brockbanck, werde es dauern, bis 5 powered by Ausgabe |09/17 Bis zum Einsatz des neuen Verfahrens in der Praxis könnten noch Jahrzehnte vergehen. diese Probleme gelöst und Organbanken denkbar seien. Derzeit können Herzen und Lungen etwa vier Stunden, Leber und Bauchspeicheldrüse bis zu 12 Stunden und Nieren bis zu 36 Stunden gelagert werden. In den USA werden laut Studie 60 Prozent der Spenderherzen und -lungen weggeworfen, weil sie nicht rechtzeitig an einen Empfänger gelangen können. Für Deutschland sehe die Situation jedoch anders aus, betont Jan Gummert (Universitätsklinik Bochum), Herzchirurg und Vorstandsmitglied der Deutschen Transplantationsgesellschaft. „Wir haben gar nicht genug Spenderorgane für eine Organbank. Auf jedes Organ warten fünf bis zehn Empfänger.“ Der Anteil der Spenderorgane, die nicht verwendet würden, läge im Promillebereich. In der Tat meldete die Deutsche Stiftung Organspende im Januar einen Tiefststand bei Organspenden. Aktuell sei das Einfrieren von Organen noch keine Hilfe, sagt Gummert. „Wenn es Spenderorgane im Überfluss gäbe – beispielsweise durch Xenotransplantate - dann wäre ein solches Verfahren im klinischen Alltag sinnvoll.“ Xenotransplantate sind in Tieren gewachsene Organe, die dann Menschen eingesetzt werden. Noch ist das aber keine etablierte Technik. Gummert sieht noch viele offene Fragen zu der neuen Lagertechnik der US-Forscher. „Etwa ob die Lösung auch in komplexe Organe gespritzt werden kann.“ Bis ein solches Verfahren konkret werde, dürfte es noch Jahrzehnte an Forschung brauchen, schätzt 03. März 2017 Grafik: Flickr/Artur Bergman/CC BY-SA 2.0 der Transplantationsexperte. Dennoch sei das Nanopartikel-Projekt grundsätzlich spannend und habe großes Potenzial auch für andere Bereiche. So halten die US-Forscher es auch für möglich, die induktive Erhitzung in der Krebsmedizin anzuwenden. Voraussetzung: Die Nanopartikel müssten gezielt in Tumorzellen eingebracht werden. Die Krebszellen könnten so zerstört werden. Ähnliche Verfahren werden bereits erprobt vor Jahren machte Charité-Forscher Andreas Jordan einen solchen Ansatz im Kampf gegen Hirntumore bekannt. Besonders verbreitet ist die punktuelle Hyperthermie mit Nanopartikeln aber nach Einschätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums noch nicht. Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Redaktion: Anika Schwalbe, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz, Nicole Oppelt, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. 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