Bericht Gefaengnis_ 02_2017_Maede Soltani

Bericht über die aktuelle Situation von Ernährung, Hygiene und medizinischer
Behandlung von Gefangenen im Evin-Gefängnis in Teheran
27.02.2017 Maede Soltani
Dieser aktuelle Bericht betrifft alle Gefangenen in Haftanstalten im Iran, auch die politisch
Inhaftierten im Teheraner Evin-Gefängnis:
Essen: Für die tägliche Ernährung im Gefängnis ist nach Angaben Verantwortlichen der pro
Gefangenem ein Budget von 3000 Toomans pro Tag vorgesehen. 3000 Toomans sind umgerechnet
etwa 70 Cent, davon sollen Gefangene am Tag drei Mahlzeiten und gesundes (!) Essen bekommen,
währenddessen in Teheran ein einziges Ei etwa 40 Cent kostet.
Weil das Budget für Ernährung sehr gering geplant ist, bekommen die Gefangenen immer
Lebensmittel in schlechter Qualität, rotes Fleisch (Rind oder Lamm) ist aus dem täglichen
Ernährungsplan komplett weggestrichen. Alle anderen Lebensmittel gibt es nur in schlechter oder
billiger Qualität. Deswegen werden fast alle Gefangenen im Laufe der Zeit schwächer und
bekommen aus Vitaminmangel gesundheitliche Probleme.
Viele Gefangene im Evin sind krank und brauchen eine spezielle Diät mit bestimmten
Lebensmitteln, die im Gefängnisladen nicht vorhanden sind. Dies bedeutet, Gefangene können die
von ihnen benötigten Lebensmittel im Laden selbst mit ihrem eigenen Geld nicht kaufen. Wenn ihre
Familie ihnen diese Lebensmittel ins Gefängnis bringt, geben die Beamten trotz aller Kontrollen
keine Lebensmittel an die Gefangenen weiter.
Medizinische Versorgung und die Klinik im Evin-Gefängnis: Im Evin-Gefängnis
befindet sich eine dürftig ausgestattete Klinik, die auf keinen Fall für die Behandlung von
ernsthaften Erkrankungen geeignet ist. Fachärzte kommen alle paar Wochen zum Untersuchen der
Gefangenen. An diesen Tagen müssen die Gefangenen in einer langen Schlange warten, bis sie
drankommen. Selbstverständlich können viele den Facharzt nicht besuchen und müssen also auf
den nächsten Termin in ein paar Wochen warten. Darunter sind sicherlich viele, die eine zügige
Behandlung benötigen und schnell im Krankenhaus geschickt werden sollten, die aber nicht einmal
vom Facharzt untersucht werden.
In der Klinik können viele Erkrankungen und die Ursachen dafür nicht festgestellt werden. So hat
ein Gefangener nach seiner Freilassung festgestellt, dass er Krebs entwickelt hatte, was aber
zweieinhalb Jahre lang im Evin-Gefängnis nicht erkannt worden war, obwohl er dort viele Male
vom Facharzt untersucht worden war. Der andere bekannter Fall, Herr Hoda Saber. Die
Verantwortlichen haben ihn zu spät ins Krankenhaus gebracht, so dass er an einem Herzanfall
gestorben ist.
Eine Genehmigung für eine Einweisung ins Gefängnis-Krankenhaus ist ein langer und schwieriger
Prozess. Die Staatsanwaltschaft und das Gefängnispersonal sind zuständig, alle Formalitäten für
die Einweisung der Gefangenen zu erledigen. Dieser zu lange und fehlerhafte Prozess gefährdet
selbstverständlich die Gesundheit der Gefangenen.
Eine Einweisung für eine medizinischer Hafturlaub ist noch schwieriger zu bekommen. Für
politische Gefangene kommen die Entscheidungen aber nicht direkt von der zuständigen Behörde,
sondern der Geheimdienst oder sogenannten Vernehmungsbeamten entscheiden darüber. Oft
bekommen sie keine Genehmigung von Staadsanwaltschaft, so hat es für meinen Vater 2.5 Jahren
gedauert ihn zu einer Krankenhausbehandlung zu schicken. Weil die Geheimdiensagenten ihn
keinen Hafturlaub erlaubten, wurden 2.5 Jahren die Anträge meiner Mutter ständig nicht
genehmigt.Sie musste andauernd in die Staatanwaltschaft in Tehran, um eine Antwort zu
bekommen.
Wenn dem Gefangenen Zugang zu einem Krankenhaus gewährt wird, schließt sich ein weiterer
langer Prozess an. Die Entscheidung, in welches Krankenhaus der Gefangene überwiesen werden
soll – einerlei ob Zahnarztpraxis oder ein größeres Krankenhaus in Teheran -, wird zuerst von der
Staatsanwaltschaft geprüft. Hier liest der Geheimdienst mit, der die Entscheidung des Staatsanwalts
maßgeblich beeinflusst. Zu den Genehmigungen gehört auch eine Zustimmung der Familie des
Gefangenen, dass sie bereit ist, selbst alle Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Dazu
kommen noch die Kosten für den Aufenthalt der Bewacher, die den Gefangenen Tag und Nacht
beobachten sollen. Jeder Gefangene soll von zwei Wächtern begleitet werden. Krankenhäuser
bekommen pro Nacht auch für ihren Aufenthalt Geld.
Diese alles bedeutet, die meisten Gefangene diese hohen Kosten weder selbst noch durch ihre
Familien übernehmen können. Also müssen die Gefangenen auf einen Krankenhausaufenthalt
verzichten und mit ihren Beschwerden zurechtkommen. Die hohen Kosten sind für sie einfach
unmöglich zu zahlen.
Alle Genehmigungen werden von Geheimdienstschergen kontrolliert. Ein Unding!
Im Saal 12 von Trakt 7 im Evin-Gefängnis gibt es keinerlei Sonnenlicht. Einige Abteilungen sind in
sehr schlechtem hygienischem Zustand. Die Wände sind feucht, oder es gibt Insekten wie Läuse
oder Wanzen in diesen Trakten.
Selbst ein Gefangener, der jung und ganz gesund das Gefängnis betritt, leidet nach einiger Zeit an
vielen Erkrankungen. Ein eindeutiger Fall dafür ist der Physiker Omid Kokabi. Er wurde nach mehr
als 5 Jahren aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes freigelassen, eine Niere musste
entfernt werden. Er lebt jetzt mit nur einer Niere in Norden des Iran.
Zu dem physischen Leid erfahren Gefangene auch viele psychische Probleme. Ihnen wird verboten
zu telefonieren und Kontakt mit ihrer Familie zu halten. So kommt ein Mensch in einem
schwierigen mentalen Zustand. Dazu kommen noch alltägliche Misshandlungen im Gefängnis. Ob
man als Krimineller oder aus politischen Gründen im Gefängnis sitzt, man wird ständig gedemütigt
und misshandelt. Im Verordnungen für Gefängnis steht, dass die politische Gefangene getrennt von
allen anderen aufgehalten werden sollen, in der Praxis sind sie gemischt mit anderen. So passieren
oft Hetzen von Kriminellen gegen den anderen politischen Gefangenen. Diese Fakten neben vielen
anderen alltäglichen Mängeln erhöht auf den politischen Gefangenen den alltäglichen Stress im
Gefängnis.
Zusätzlich zu allen oben angeführte Punkte, soll man noch wissen, gefangen zu sein bedeutet Verbot
von vielen normalen Lebensgefühle und natürliche Bedürfnisse, die jeder von uns in Freiheit hat.
Ein Gefangener kann keine Natur, keine Pflanzen, keine normalen Straßenverkehr, keine Familie
und keine soziale Kontakte genießen
Er ist in wahrsten Sinne eine gefangener in 4 Wände.
Trotz allem, was hier angeführt wird, muss man sagen, dass das Evin-Gefängnis im Vergleich mit
anderen Haftanstalten noch das am wenigsten schlimme im Iran ist. Alle anderen Gefängnisse sind
noch viel schlimmer. Für ein Land, das von sich behauptet, ein Rechtsstaat zu sein, sind das
schändliche, unakzeptable und nicht zu rechtfertigende Zustände.