Jahrestagung zur Rinderhaltung in Rendsburg: Milcherzeugung

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Tier
BAUERNBLATT | 25. Februar 2017 ■
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Erfolgreich füttern: Jahrestagung zur Rinderhaltung in Rendsburg
Milcherzeugung – Wirtschaftlichkeit und Verbraucherwunsch
Für die Milchviehbetriebe war
das abgelaufene Auswertungsjahr wirtschaftlich gesehen noch
einmal schlechter als das Ergebnis 2014/2015. Die knapp zwei Jahre andauernde Milchpreiskrise hat
viele Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Hinzu kommen weitere politische Auflagen,
hitzig geführte Diskussionen der
Gesellschaft rund um die Tierhaltung sowie Maßnahmenkataloge
von Marktteilnehmern, die es den
Landwirten erschweren, einen zuversichtlichen Blick in die Zukunft
zu werfen. Wie zukünftige Anforderungen in Bezug auf die Milchviehhaltung aussehen könnten
und wie ihnen begegnet werden
kann, wurde auf der gemeinsamen
Jahrestagung der Landwirtschaftskammer und Arbeitsgemeinschaft
Rinderspezialberatungsringe am 7.
Februar vorgestellt und diskutiert.
Auf dem Betrieb von Alfred Stender leisten 70 Holstein-Schwarzbunte durchschnittlich 11.300 kg bei aktuell 4,86 %
Fett und 3,66 % Eiweiß. Im Sommer erhalten alle Kühe täglichen Weidegang.
Foto: privat
staltungsthema „Anpassungsstra- diesem Auswertungsjahr um über
tegien an zukünftige Marktanfor- 300 kg ECM gestiegen. Der Kraftderungen“ wurden Ansatzpunkte futtereinsatz je Kilogramm Milch
In seinem Grußwort bezeich- und Entscheidungshilfen gegeben, ist leicht gesunken, womit die genete Claus Heller, Präsident der um die Landwirte bei betrieblichen stiegene Milchleistung hauptsächlich durch eine ebenfalls gestiegeLandwirtschaftskammer, das Jahr Maßnahmen zu unterstützen.
2015/2016 als eines der wirtschaftne Grundfutterleistung zu erklären ist. Insgesamt betrachtet wird
lich schwierigsten überhaupt in der
Ergebnisse der
so mehr Milch je Hektar HauptGeschichte. „Nicht selten kam es zu
existenzbedrohenden Situationen Vollkostenrechnung 2015/16 futterfläche produziert als noch
Als erste Rednerin sprach Dr. Lui- im Vorjahr. Deutliche Unterschiefür die Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein. Die Beratungsorga- se Prokop von der Landwirtschafts- de sind zwischen den Betrieben zu
nisationen hatten alle Hände voll kammer, Nachfolgerin von Johan- finden. Die guten Betriebe halten
zu tun, um Liquiditätspläne zu er- nes Thomsen. Sie präsentierte die im Durchschnitt mehr Tiere, prostellen. Auch wenn aktuell die Mil- Ergebnisse der Betriebszweigaus- duzieren mehr Milch und benötichauszahlungspreise wieder ge- wertung 2015/16 anhand der er- gen weniger Futterfläche“, betonstiegen sind und nun auf einem hobenen Daten der Rinderspezi- te Dr. Prokop und meinte weiter:
guten Niveau liegen, sind die hef- alberatung. „Die Anzahl der aus- „Die Ergebnisse der betriebswirttigen Auswirkungen der Milchkri- gewerteten Betriebe sank in die- schaftlichen Auswertungen bese auf den meisten Betrieben noch sem Jahr knapp unter
stätigen den starken
deutlich zu spüren“, betonte Heller. die Marke von 1.000.
Einbruch der Milch­
auszahlungspreise. Mit
Heute könne noch nicht abgese- Gründe dafür sind im
hen werden, wie lange die Betrie- erhöhten
–7,8 ct/kg ECM lag das
Strukturbe benötigen würden, um sich öko- wandel und bei möglikalkulatorische
Benomisch wieder komplett zu erho- chen Sparmaßnahmen
triebszweigergebnis
noch einmal unterhalb
len. Für Milchviehhalter müsse es auf den Betrieben indem des Wirtschaftsnun heißen, mit den gewonnenen folge der Milchpreisjahres 2014/15. BetrachErfahrungen der vergangenen ein- krise zu finden. Neben
tet man die Unterschieeinhalb Jahre umzugehen und die der durchschnittlichen
de im Milchauszahrichtigen Entscheidungen für die Herdengröße ist auch
Zukunft zu treffen. Mit dem Veran- die Milchleistung in Dr. Luise Prokop
lungspreis, so ist die-
ser im Wirtschaftsjahr 2015/2016
noch einmal um über 6 ct/kg Milch
gesunken. Die Produktionskosten
konnten um knapp 5 ct/kg ECM reduziert werden und haben wesentlich dazu beigetragen, dass das Ergebnis entgegen vielen Erwartungen nur 1,7 ct unter dem des Vorjahres lag. Die Differenz zwischen
den erfolgreichen und weniger
erfolgreichen Betrieben ist wie
in der Vergangenheit vorhanden
und beträgt im Ergebnis gut 12 ct/
kg Milch. Dieser Unterschied resultiert hauptsächlich aus den Produktionskosten, die bei den weniger erfolgreichen Betrieben deutlich höher sind.“
„Kuschelstall“ oder
Kostenführerschaft?
In seinem Vortrag gab Prof.
Folkhard Isermeyer, Präsident des
Johann-Heinrich-von-Thünen-Institutes, einen Ausblick auf wirtschaftliche Trends und mögliche Optionen der Agrarpolitik: In
Deutschland liege die Erzeugung
von Milch und Milchprodukten fast
überall oberhalb des Verbrauches.
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„Um den Überschuss vermarkten nicht mehr abgenommen würden,
zu können, sind wir demnach auf da diese Art der Produktion überExporte angewiesen.“ Nicht nur haupt nicht mehr erwünscht sei.
in Deutschland, sondern in den Die entscheidende Frage sei nun:
meisten Nationen weltweit sei die „Welchen Weg soll ich als Landwirt
Milchproduktion in den vergange- gehen – wo sehe ich mich in der Zunen Jahren deutlich angestiegen. kunft?“ So oder so müsse sich jeAuch wenn die Preise und Einkom- der Landwirt entscheiden, und das
men in Deutschland zum Teil stark nicht erst, wenn er sich im Rahmen
schwankten, so seien sie in den eines Stallneubaus festgelegt habe.
„langen Linien“ stabil. In den asi- Problem bei allen Überlegungen
atischen Ländern werde die pro- sei, dass aktuell keiner ein Ziel deduzierte Milch hauptsächlich im finieren oder ein Bild malen könInland konsumiert, in Neuseeland ne, wie die Zukunft aussehen werstiegen die Milchproduktion und de beziehungsweise solle. Auch
damit auch die Exporte hingegen die Politik habe darauf (noch) keian. Die Rolle der USA bleibe ab- ne Antwort. Den Landwirten fehzuwarten, ihre Produktionsbedin- le es also an verlässlichen Planungsgungen und -kosten seien denen grundlagen für die Zukunft.
der Großbetriebe in der EU sehr
ähnlich. Durch diesen wachsen- Die Politik muss Führung
den Wettbewerbsdruck auf natiübernehmen
onaler und internationaler Ebene
stiegen die Kuhbestände je Betrieb
Doch was kann die Politik tun?
und die Milchleistungen an, sagte Laut Isermeyer stehen zwei WerkProf. Isermeyer und meinte weiter: zeuge zur Verfügung. Zum einen
Der Strukturwandel führe eben- die staatliche Mengenbegrenzung,
falls zur Rationalisiezum anderen könnten
rung, Automatisierung
Steuergelder genutzt
und Stallhaltung in den
werden, um Zuschüsse
Betrieben. Allgemein
an Landwirte zu zahlen, die sich in die gegesagt: „Der ökonomische Druck führt zu
wünschte
Richtung
Großbetrieben.“ Dieentwickeln. Zur Mense Entwicklung stehe
genbegrenzung sei zu
im starken Kontrast zu
sagen, dass diese nicht
Verbraucherwünschen,
zu einem Milchpreis
die die Tierhaltung in
führe, der für eine länGroßbetrieben katego- Prof. Folkhard
gere Zeit unabhänrisch ablehnten. Auch ­Isermeyer
gig vom Weltmarkt sei,
denn Deutschland sei
werde immer wieder
die Weidehaltung gefordert, die ein Nettoexporteur und damit auf
in wachsenden Betrieben immer dem Weltmarkt tätig. Wäre der
weniger möglich sei.
Inlands­preis für Milch höher, würNeben den Verbrauchern stelle de weniger exportiert und mehr
auch der Lebensmitteleinzelhandel im Inland abgesetzt, infolgedeszunehmend Forderungen im Rah- sen sänke der Preis. Da in Deutschmen von Maßnahmenkatalogen. land Milch im Überschuss produUnd auch die Politik auf Bundese- ziert werde, habe eine kleine Menbene stürze sich auf die Milchvieh- genbegrenzung (zum Beispiel 3 bis
halter als Klimasünder. Im Klima- 5 %) eine absolut minimale Wirschutzplan würden weniger Kühe kung. Ein weiterer Punkt gegen
und dadurch zwangsläufig höhe- eine Mengenbegrenzung sei, dass
re Milchleistungen gefordert. Dies dieses Werkzeug nicht zu einer gestehe ebenfalls im Widerspruch zu sellschaftlich akzeptierten MilcherVerbraucherwünschen. Zwei Al- zeugung führe. Gemäß Isermeyer
ternativen ließen sich aus den Ver- führe der leichtere Weg über Steubraucherwünschen und dem Welt- ergelder. Landwirte, die sich in die
markt ableiten: der „Kuschelstall“ gewünschte Richtung entwickeln,
oder die Kostenführerschaft. Bei- könnten Zuschüsse aus Steuergelde Varianten bergen Vorteile und dern erhalten. Doch was die richauch Risiken. „Kann ich Milch und tige Richtung sei und wer diese
Tiere aus dem ‚Kuschelstall‘ auch Richtung bestimmen sollte, sei offür einen Mehrerlös vermarkten, fen. Hier sei der Bund in der Pflicht,
oder bekomme ich doch nur den eine nationale Nutztierstrategie zu
Weltmarktpreis, weil möglicher- entwickeln und durchzusetzen.
weise nicht alle Kriterien eingeAuf Länderebene mache es wehalten werden können?“ Als Kos- nig Sinn, da es dann zu untertenführer bestehe die Gefahr, dass schiedlichen Entwicklungen inMilch und Tiere irgendwann gar nerhalb Deutschlands komme. Ein
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Beispiel für diesen Lösungsweg ter, Aufstriche und Milchpulver sosei der Ausstieg aus der Käfighal- wie Molkenproteine. Schwerpunkt
tung beim Geflügel unter Renate der Produkte von Arla ist das FriKünast. Die Eier seien speziell ge- schesegment. Bei dem von Arla
kennzeichnet, und der Lebensmit- produzierten Käse handelt es sich
teleinzelhandel kaufe aufgrund um qualitativ hochwertige Käseder Nachfrage ausschließlich diese spezialitäten.
gelabelten Eier. Dadurch habe sich
ein nationales Sondersegment geVertrauen ist
bildet, welches zu höheren PreiUnternehmensphilosophie
sen (als auf dem Weltmarkt) angeboten werde. „Doch woher beDer demokratische Aufbau der
kommen wir das nötige Geld, um Genossenschaft beinhaltet unter
dies an die Landwirte auszuzahlen“ anderem ein einmal jährlich stattEine Idee wäre, die Prämienzahlun- findendes Gespräch zwischen gegen, die bisher alle Landwirte er- wählten Mitgliedern und den
hielten, nur an Landwirte auszu- Hauptverantwortlichen der Arla.
zahlen, die sich in die gewünschte Dies solle das Vertrauen fördern
Richtung entwickelten. Dies wer- – eine der Grundphilosophien des
de der Aussage Isermeyers zufolge Unternehmens. Das Vertrauen in
politisch jedoch nicht durchsetzbar die Marken der Arla solle von allen
sein. Seine Idee war es bereits vor Seiten vorhanden sein. Damit der
zehn Jahren, die Mehrwertsteuer- Verbraucher Vertrauen in die Marerleichterungen von tierischen Le- ke bekomme, müsse zunächst der
bensmitteln wie auch von Milch Arla-Landwirt das Versprechen der
und Milchprodukten abzuschaf- Marke einhalten. Aber auch der Lefen. Dann wäre erst einmal mehr bensmitteleinzelhandel solle Vertrauen zur Molkerei geGeld in der Kasse, um
eine nationale Nutztierwinnen, dies werde zum
strategie zu entwickeln
Beispiel durch gemeinund daraus resultierensam durchgeführte Bede Sonderzahlungen an
triebsbesuche bei Arla
Landwirte zu gewährLandwirten angestrebt.
leisten. Da die TierhalDie Wachstumsstrategie
tung im internationalen
2020 der Arla sieht vor,
Wettbewerb stehe, reiden Markenumsatz weiche es nicht aus, unerter zu fördern.
wünschte ProduktionsAuf dem deutschen
systeme zu verbieten, Markus Hübers
Markt wird im internada die Gefahr einer Ab- Fotos (5): tionalen Vergleich die
wanderung ins Ausland Isa-Maria Kuhn geringste Wertschöpbestehe. Laut Isermeyer
fung erzielt – ein mögbrauchen wir eine nationale Nutz- licher Grund dafür, dass es deutsche
tierstrategie über politische Grup- Molkereien noch schwerer haben,
pen hinweg, die langfristig von der ihre Milch gewinnerzielend zu verGesellschaft gewünscht und garan- kaufen und so hohe Milchauszahtiert ist. Der Markt alleine werde lungspreise zu realisieren. Die gedie aktuellen Probleme nicht lösen. samte Milch von allen Arla-LandIm nächsten Vortrag sprach Mar- wirten gelangt in einen zentralen
kus Hübers, Aufsichtsratsmitglied Milchpool und wird als Arla-Milch,
der Arla Foods, über erfolgreiche und nicht als deutsche Milch verVermarktungsstrategien in Zeiten kauft. Dadurch kann die verhältvolatiler Milchmärkte. Hübers ist nismäßig geringe Wertschöpfung
selbst Milchviehhalter aus der Nähe in Deutschland von den anderen
von Kleve und zählt 700 Köpfe Vieh Ländern aufgefangen werden. Insauf seinem Betrieb, der nach dem gesamt kann davon ausgegangen
amerikanischen System bewirt- werden, dass zukünftig in Euroschaftet wird. Mit über 12.600 Mit- pa weniger Milch konsumiert wergliedern in sieben Ländern ist Arla de und dafür in anderen Regionen
das viertgrößte Molkereiunterneh- der Milchkonsum steige. Arla bemen weltweit und das drittgrößte reitet sich auf diese neuen Anforin Deutschland. Eigentümer der derungen vor und versucht gezielt
internationalen Meierei sind die Verbraucherwünsche zu erkennen.
Landwirte selber. Jährlich werden Denn klar ist, dass der Kunde entüber 14 Mrd. kg Milch erfasst (da- scheidet, was er wo und für wie viel
von 2,7 Mrd. kg in Mitteleuropa), Geld kauft – damit muss eine Molverarbeitet und in über 100 Län- kerei umgehen. Eine Schlüsselfunkdern auf der Welt verkauft. Das tion kommt dabei der KommunikaSortiment umfasst zu einem gro- tion zu. Arla versucht, speziell mit
ßen Teil Milchprodukte, Käse, But- Bildern Geschichten zu erzählen.
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Bei den Auszahlungspreisen wird wenn die Rohproteingehalte entArla weiterhin verstärkt die Quali- gegen veralteten Empfehlungen
tät im Fokus haben.
abgesenkt und keine Sicherheitszuschläge mehr vorgenommen
Neue Anforderungen an würden. Die Rohproteingehalte
in den Grassilagen seien von entdie Milchviehfütterung
scheidender Bedeutung, ob und
Dr. Detlef Kampf vom Lehr- und in welchem Umfang sich ein EiVersuchszentrum Futterkamp der weißergänzer einsetzen lasse oder
Landwirtschaftskammer sprach eingespart werden könne. Eine
über die zukünftigen Anforde- weitere Überlegung sei der gerungen an die Milchkuhfütterung zielte Anbau von regional heimidurch sich ändernde Rahmenbe- schen Proteinfuttermitteln. Füttedingungen. Noch in
rungsversuche hätten
den 1950er Jahren war
eindeutig gezeigt, dass
es Hauptaufgabe der
Rohproteingehalte
Landwirtschaft, ausohne Leistungsverluste
reichend Lebensmittel
abgesenkt werden können, wenn gleichzeitig
herzustellen, um die
das dünndarmverfügBevölkerung zu ernähren. Inzwischen stehe
bare Rohprotein (nXP)
nicht mehr die Lebenseine
Mindestversormittelsicherung im Fogung nicht unterschreikus, sondern vielmehr
te. Um die zukünftidie Lebensmittelsicher- Dr. Detlef Kampf
gen Herausforderunheit. Die Verbraucher
gen in der Milchkuh­
hätten wechselnde Anforderun- ernährung zu meistern, sei eine
gen an die tierische Lebensmittel- verstärkte Interaktion zwischen
produktion wie zum Beispiel aktu- Tierernährern, Pflanzenzüchtern
elle Forderungen nach mehr Tier- und Tierzüchtern erstrebenswert,
wohl oder gentechnikfrei erzeug- um die Nährstoffverwertung unseter Milch. Zu gentechnikfreier rer Kühe zu optimieren, sagte Dr.
Milch sei der Hinweis erlaubt, dass Kampf abschließend.
auch Milch von Kühen, die mit gentechnisch veränderten FuttermitRisiko minimieren durch
teln gefüttert werden, gentechnikmehrere
Betriebszweige
frei sei. Gentechnisch veränderte
Zu guter Letzt stellte Alfred StenOrganismen in Futtermitteln können nicht in die Milch gelangen, da der, Landwirt aus Börnsdorf, seinen
diese im Verdauungstrakt der Tie- Betrieb vor und erläuterte die Entre vollständig abgebaut werden. wicklung hin zu einem Betrieb mit
Neue Anforderungen seitens der mehreren Betriebszweigen. Selber
Verbrauchen und/oder Politik stel- nennt er sein Unternehmen „Follen wiederum neue Ansprüche un- klorebetrieb“. Neben dem Milchter anderem an die Milchkuhfütte- vieh werden auch Schweine im gerung. Diese folge zunächst jedoch schlossenen System sowie Marktden Gesetzmäßigkeiten der Phy- und Hackfrüchte produziert und
siologie von Wiederkäuern. Dem- zum Teil selber vermarktet.
nach müsse eine Ration in allerersAuf dem breit aufgestellten Beter Linie wiederkäuergerecht und trieb ist dem Betriebsleiter besonleistungsgerecht gestaltet werden, ders wichtig, dass Tiere nur den
um die Tiere gesund zu erhalten. Hof verlassen und nicht auf den
Dies sei wiederum die Grundlage Hof kommen. Ein möglicher Grund,
für eine lange Lebens- und Nut- dass der Betrieb bisher frei von
zungsdauer, so Dr. Kampf.
IBR, MD und Mortellaro sei, sei die
Eine maximale Grundfutterqua- gute Gesundheitslage der Herde.
lität und -aufnahme sei zudem Tierarztkosten von durchschnittentscheidend, um Kosten einzu- lich 0,7 ct/kg ECM spiegeln dies wisparen und eine hohe Futtereffizi- der. Im Mittel aller ausgewerteten
enz zu erreichen. Viele der aktuel- Betriebe lägen die Tierarztkosten
len Anforderungen ließen sich un- mehr als doppelt so hoch.
ter dem Oberbegriff der Nachhaltigkeit vereinen. Dazu gehöre auch
Grundfutterqualität wird
der Blick auf die Stickstoffausscheigroßgeschrieben
dungen von Rindern. Seit Längerem werde daran gearbeitet, die
Die Grundfutterqualität nimmt
Stickstoffausscheidungen von Rin- bei Alfred Stender einen besondedern zu reduzieren. Über eine Ver- ren hohen Stellenwert ein. Wähbesserung der Stickstoffeffizienz rend die Grassilage mit eigenen
könne dies zum Beispiel gelingen, Maschinen geborgen wird, wird
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bei der Maissilage ein befreundeter Lohnunternehmer beauftragt. Zusätzlich fahren zwei eigene Schlepper auf dem Maissilo
und geben so das Tempo der Erntekette vor. Bei selbst angelegten
und ausgewerteten Grünlandversuchen mit und ohne Rotklee zeigte sich, dass die teuersten zumeist
auch die wirtschaftlichsten Gräsermischungen seien. Die laktierenden Kühe erhalten eine TeilTMR und können sich zusätzliches
Kraftfutter leistungsabhängig
in der Schrotstation abholen.
Die Ration besteht aus 55 %
Maissilage und
45 % Grassilage. Hinzu kommen 400 g Stroh,
2,5 kg Kraftfutter, 400 g Kar- Alfred Stender
toffeln sowie Mineralfutter und Viehsalz. Das Trockenstellen erfolgt 50 Tage vor der
Kalbung. Die Tiere werden selektiv trocken gestellt. Das heißt, Tiere mit weniger als 100.000 Zellen
bekommen einen Versiegler, und
Tiere mit über 100.000 Zellen erhalten vorher einen antibiotischen
Trockensteller. Die Ration der Trockensteher besteht aus 50 % Maissilage, 40 % Grassilage und 10 %
Stroh. Zusätzlich bekommt jedes
Tier jeweils 100 g Mineralfutter
und Viehsalz. Zur Eingewöhnung
gehen die hochtragenden Tiere
fünf Tage vor dem Kalbetermin in
die melkende Herde. Zur Kalbung
werden sie in Abkalbeboxen verbracht. Im Liegeboxenlaufstall hat
jedes Tier seine eigene Liegebox.
Dabei handelt es sich um Hochboxen mit verschiedenen eingebauten Varianten der Liegeflächengestaltung. Alle Matratzen werden
zusätzlich mit einem Strohbelag
ausgestattet, sodass ein Gleitlager für die Extremitäten der Kühe
entsteht. Nach Bedarf wird kurzes
Häckselstroh eingestreut und gekalkt. Die Schwerpunkte bei der
Bullenauswahl setzt der Betriebsleiter auf positive Zuchtwerte für
Inhaltsstoffe, getreu dem Spruch
„Wasser wird nicht bezahlt“. Dies
spiegele sich in außerordentlich
hohen Inhaltsstoffen wider, trotz
sehr hoher Milchleistungen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist
die Remontierungsrate. Diese solle kleiner als 20 % bleiben. Somit
könnten zusätzlich tragende Färsen verkauft werden. Die Grünlandfutterleistung solle kontinuierlich optimiert werden. So kön-
ne Futterfläche eingespart werden, was wiederum Kosten senke.
Die Klauenpflege wird komplett
in Eigenregie durchgeführt. Dabei
werden Kühe bereits sofort bei der
kleinsten Auffälligkeit geschnitten.
Im Sommer gehen die Laktierenden tagsüber auf die Weide. Aus
fütterungstechnischer Sicht sei es
jedoch eine Herausforderung, eine
so leistungshohe Herde trotzt Weide leistungsgerecht zu versorgen.
In einer Beispielrechnung konnte
Alfred Stender deutlich machen, dass die hohen Inhaltsstoffe und ein damit verbundener höherer Milchpreis, der
Verkauf von tragenden Färsen
und die Einsparung von Futterfläche maßgeblich am Erfolg des Betriebszweiges beteiligt sind.
Dierk Engelbrecht, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Rinderspezialberatungsringe, sprach das Schlusswort. In diesem dankte er noch
einmal allen Beteiligten dieser Veranstaltung und der Rinderspezialberatung für die Datenbereitstellung. Mit den besten Wünschen für
stabile Milchpreise, Erfolg im Stall,
Gesundheit und Zusammenhalt in
der Familie schloss er die Veranstaltung.
FAZIT
Nach wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben sich die
Milchpreise langsam erholt,
und die Betriebe kehren langsam zu normalen Produktionsbedingungen zurück. Viele Anforderungen seitens der
Verbraucher, der Politik und
des Lebensmitteleinzelhandels werden an die Produktion von tierischen Lebensmitteln gestellt. Mit diesen
müssen sich die Landwirte
über kurz oder lang auseinandersetzen und für sich
und ihre Betriebe die richtigen Entscheidungen für die
Zukunft treffen. Planungssicherheit diesbezüglich gibt
es noch nicht, da bisher keine
Zukunftsziele in der Nutztierhaltung formuliert sind. Hier
wäre die Politik in der Pflicht,
ein Konzept zu entwickeln,
das langfristig von der Gesellschaft gewünscht ist.
Dr. Luise Prokop
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 81-90 09-47
[email protected]