Deutsche Mittelstands Nachrichten

Ausgabe 09
03. März 2017
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Mittelstand
Die Zukunft der globalen Auto-Industrie entscheidet sich in China
Chinas Automarkt ist heute der größte der Welt – mit der besten Wachstumsdynamik
D
och dieser Erfolg ist mit
Diese Luftverschmutzung
einem hohen Preis erkauft.
hat die Kommunistische ParIn den chinesischen Städten ist
tei Chinas in Schwierigkeiten
die Umweltverschmutzung kagebracht – trotz starker Zunahtastrophal. Vor allem im Winter
men der Realeinkommen für
ergeben sich Konzentrationen
die Bevölkerung. Gerade die neu
von Feinstaub-Partikeln, die
entstandene Mittelklasse in den
hochgiftig sind und denen man
Megastädten, eigentlich die Gekaum ausweichen kann. China
winner im Wachstumsprozess,
hat die Urbanisierung in riesigen
ist sehr kritisch und besorgt. Die
Megastädten mit Wolkenkratzern
anhaltende ökologische Krise errealisiert, und damit eine sehr
fordert scharfe Korrekturen. Es ist
hohe Bevölkerungskonzentration
sogar unsicher, ob diese Form der
Was durch die Regulation in Wirklichkeit erreicht wird, ist etwas
ganz anderes.
Foto: Flickr/Let Ideas Compete/CC by nc nd 2.0
geschaffen. Um diese Megastädte
Urbanisierung mit Korrekturen
herum wurden Kohlekraftwerke
noch zu bewältigen ist. Die Partei
Auswirkungen sind schwer abschätzbar,
und Industrieanlagen gruppiert, zu dehat mehrere große Initiativen an den Tag
aber eine ganze Generation von Chinenen sich in den Städten der motorisierte
gelegt. Für die Autoindustrie ist eine umsen dürfte im weiteren Verlauf des Lebens
Verkehr gesellt. Die Konzentration von
fassende Elektrifizierung des Autoverkehrs
mit Gesundheitsproblemen konfrontiert
Emissionen sorgt für einen giftigen Cocktail
geplant. China fördert neue energetische
sein. Im einfachsten Fall noch mit Atemin und rund um diese Megastädte. Es sind
Fahrzeuge (engl. New Energy Vehicles,
beschwerden – im schlimmsten Fall mit
in den Spitzen hohe Feinstaub-Konzentkurz NEVs). Das sind rein elektrische oder
Lungen- und Herz/Kreislaufproblemen,
rationen, denen Hunderte von Millionen
Hybrid-Fahrzeuge, die sich folgendermaKrebs und verfrühtem Tod.
Chinesen alljährlich ausgesetzt sind. Die
ßen erklären:
Analyse
Schlechte digitale Weiterbildung in den Unternehmen
Industrie 4.0 und die Digitalisierung
weiterer Branchen macht eine digitale Weiterbildung der Mitarbeiter unentbehrlich.
Diese sogenannten Digital Skills, über die
Mitarbeiter verfügen müssen, werden aber
nicht in ausreichendem Maße und mit angemessener Qualität als Weiterbildung bei
den Unternehmen selbst angeboten. Der sichere Umgang mit dem Internet wird von 91
Prozent der Befragten als wichtig bis äußerst
wichtig eingeschätzt – dicht gefolgt von berufsrelevanten Software-Programmen (90
Prozent) sowie Sicherheitsrichtlinien für
IT (88 Prozent). Zudem sollten Mitarbeiter
im Alltag diverse IT-Tools nutzen können,
um den Arbeitsfluss effizient zu gestalten.
Diese Erwartungshaltung trifft sowohl auf
Mitarbeiter der Führungsebene als auch
auf Fachkräfte zu.
„Arbeit 4.0 bringt neue Anforderungen
mit sich, denn die Menschen arbeiten immer vernetzter, Abläufe werden automatisierter und neue Technologien gehören
zur täglichen Arbeitspraxis. Dies wirkt sich
auch auf die betriebliche Weiterbildung aus“,
so Brigitta Vochazer, Geschäftsführerin der
Studiengemeinschaft Darmstadt SGD. Im
Auftrag der SGD wurde die aktuelle TNS
Infratest-Studie „Weiterbildungstrends in
Deutschland 2017“ durchgeführt.
Demnach geben 74 Prozent der befragten Personaler an, dass durch die Digitalisierung der Weiterbildungsbedarf
stark bis äußerst stark steigt. In mittleren
Unternehmen mit zehn bis 499 Mitarbeitern gehen 84 Prozent der Zuständigen von
einem stark bis äußerst stark wachsenden
Fortbildungsbedarf aus. In kleinen Unter-
nehmen (ein bis neun Mitarbeiter) sind es
60 Prozent, in größeren Unternehmen ab
500 Mitarbeitern sogar 92 Prozent.
Die aktuelle Studie zeigt, dass die Unternehmen ihre Fortbildungsmaßnahmen
derzeit vor allem auf den Bereich SoftwareProgramme fokussieren. 70 Prozent der
Unternehmen bieten hierfür Schulungen
an. Sicherheitslinien für IT werden in 59
Prozent, der sichere Umgang mit Kommunikations-Tools in 58 Prozent und der sichere
Umgang mit dem Internet in 55 Prozent der
Unternehmen geschult. Mehr als die Hälfte
der Unternehmen fördern zudem durch
Schulungen den Umgang mit Tools zur
Selbstorganisation (54 Prozent). Bei einigen
Ergebnissen zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den geforderten Digital
Skills und dem aktuellen Schulungsangebot.
1
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
• Konventionelle Fahrzeuge gewinnen die
Energie durch die Verbrennung von Benzin
oder Diesel-Treibstoff. Personenwagen sind
in China praktisch nur benzinbetrieben. Diesel wird vor allem für Lastwagen verwendet.
• Hybride sind Fahrzeuge mit mindestens zwei verschiedenen Motoren, einem
konventionellen Motor, in China einem
Benziner, und mit einem oder mehreren
batteriebetriebenen Elektromotor(en).
• Bei einem Vollhybrid kann die Batterie
durch den Benzinmotor und durch die
Rekuperation von Bremsenergie und vom
Schubbetrieb (etwa beim Bergabfahren)
gespeist werden.
• Bei einem Mildhybrid wird die Batterie nur
durch die Rekuperation von Bremsenergie
und vom Schubbetrieb gespeist. Eine Voraussetzung für den breiten Einsatz ist ein
48-Volt-Bordnetz. Dies ist eine Technologie,
die bald generell verfügbar sein wird.
• Bei einem Plug-in-Hybrid wird die Batterie
zusätzlich durch Strom an der Säule oder
an der heimischen Steckdose aufgeladen.
Man spricht auch vom Steckdosen-Hybrid.
Die Förderpolitik ist ein Schulbeispiel
dafür, wie China seine Industrien aufbaut
und zur Weltmarkt-Führerschaft bringen
will. Ökologische und industriepolitische Ziele werden untrennbar vermengt.
Der Aufbau einer weltweit dominanten
Elektro-Fahrzeugindustrie in China stellt
aber die oberste Priorität dar – und nicht
der Umweltschutz oder die Entlastung der
Bevölkerung in China selbst. Oberstes Ziel
ist explizit, die Weltmarktführerschaft bei
NEVs zu erlangen und eine Exportstärke und
sogar Weltmarkt-Dominanz der Industrie
daraus zu entwickeln.
Um den Mechanismus zu verstehen,
sei dies kurz für den Automarkt erklärt.
Nehmen wir an, in- und ausländische
Produktionskosten für ein Fahrzeug seien
identisch. Für das inländische Fahrzeug
100, für das ausländische ebenso 100. Nach
Importsteuern von 25 Prozent kostet das
ausländische Fahrzeug aber 125. Nun wird
die Mehrwertsteuer von 17 Prozent darauf geschlagen. Das inländische Fahrzeug
geht dann für 117 über den Ladentisch, das
ausländische aber für 146.25 (=1.17*125).
Bei Kleinwagen kommt dann noch eine
geringe Konsumsteuer hin, bei Mittel- und
Oberklasse-Fahrzeugen dagegen eine erhebliche bzw. eine sehr hohe Konsumsteuer. Für
ein Oberklasse-Fahrzeug (Typus Mercedes
S-Klasse, BMW X6) muss der Käufer summa
summarum rund das 2.5-fache des Preises
in den USA bezahlen.
Nun sind die Kosten für die Herstellung eines bestimmten Fahrzeug-Typs
am Anfang im Ausland wesentlich tiefer.
Die Kapazität existiert ja dort. Sie ist auf
das betreffende Modell ausgerichtet. Die
chinesische Führung macht deshalb eine
Form von Anschubfinanzierung, um die inländischen Produzenten wettbewerbsfähig
zu machen. Dadurch sollen die Verkäufe
angekurbelt und damit die Stückzahlen
erhöht werden, bis die inländischen Wettbewerber konkurrenzfähige Stückkosten
haben und die Importzölle allein greifen.
Die Regierung hat dies nicht nur im Auto-,
sondern auch in anderen Bereichen wieder
und wieder vorexerziert.
Bezogen auf NEVs hat die chinesische
Regierung schon sehr früh, seit 2011, Subventionen für inländische Hersteller, zusätzliche hohe Verkaufssubventionen für
jedes verkaufte Auto und drittens Käufe
von Elektrofahrzeugen durch öffentliche
Arbeitgeber implementiert. Autoverkäufe
an private Endkäufer wurden mit rund
9.000 US-Dollar für Elektrofahrzeuge und
7.000 US-Dollar für Plug-in Hybride subventioniert, wobei die Beträge direkt den
Herstellern überwiesen wurden – mit der
Erwartung, dass diese an Kunden weitergegeben werden. Diese Verkaufshilfen gelten
aber nur für in China produzierte NEVs.
Importierte Plug-in Hybride haben also
einen Preisnachteil beim Verkauf, der ohne
Weiteres 50 Prozent und mehr erreichen
kann. Der Verkauf von elektrischen Bussen
für städtische Verkehrsmittel wurde mit
noch wesentlich höheren Subventionen
von rund 80.000 Dollars pro Stück subventioniert.
Damit wurde die chinesische NEVFahrzeugindustrie mit riesigen Subventionen und Marktabschottung lanciert.
So etablierte sich BYD Auto (‚Build Your
Dream‘) als weltweit größter Hersteller
von Elektrofahrzeugen und Plug-in Hybriden. Auch andere chinesische Hersteller
erreichen oder übertreffen die Produktionszahlen ausländischer Hersteller wie
Tesla. Chinesische Elektrofahrzeuge sind
vor allem Kleinfahrzeuge, Plug-in Hybride
finden sich vor allem in der Kompakt-Klasse.
03. März 2017
Der chinesische Markt für Elektrofahrzeuge
und für Plug-in Hybride ist heute schon der
größte der Welt. Damit dies funktionierte,
wurde eine städtische Infrastruktur mit
Schnell-Lade-Stationen in ausgewählten
Großstädten aufgebaut. Dafür wurden die
Elektrizitäts-Versorger angewiesen und
subventioniert.
Die zweite Maßnahme bestand darin,
Quoten für die Anzahl verkaufter Fahrzeuge
festzulegen. In China tätige Autohersteller
müssen ab 2018 acht Prozent aller produzierten Autos als NEVs verkaufen, ab 2019
zehn Prozent und ab 2020 zwölf Prozent.
Bei ausländischen Herstellern werden importierte NEVs nicht angerechnet, sondern
nur die in China produzierten. Toyota kann
also keine Plug-in Hybride wie den neuen
Prius Plug-in oder Auris Plug-in anrechnen
lassen, die aus Japan importiert werden.
Analog kann VW seine GTE Golf oder
Passat-Modelle, die sich in Europa kaum
verkaufen, nicht nach China exportieren,
um die Verkäufe konventioneller Fahrzeuge
zu unterstützen. Vollhybrid-Modelle, die
nicht an der Steckdose aufgeladen werden
können wie Toyota Prius oder Mildhybride
werden nicht angerechnet, obschon sie tiefe
Verbräuche und deutlich reduzierte Emissionswerte aufweisen und eine lange Historie
und Erfahrungswerte haben. Diese Regulierung zwingt die ausländischen Hersteller,
möglichst rasch elektrische und Plug-in
Fahrzeuge in China herzustellen. Sonst sind
die Verkäufe ihrer konventionellen Modelle
bedroht. Wie üblich in Chinas Autoindustrie
müssen diese NEVs in Joint-Ventures mit
staatlichen Herstellern produziert werden.
Damit ist der Technologie-Transfer garantiert. Die Herstellung von NEVs soll gemäß
Planung von rund 500.000 Fahrzeugen im
Jahr 2016 auf 5 Millionen 2020 heraufgefahren werden. Damit wäre China einsam
an der Spitze in der Welt.
Der Absatz ist nicht das Problem. Die
Verkaufssubventionen sind genügend hoch
angesetzt und garantieren für den Absatz.
Zudem entfallen beim Kauf von NEVs die
Kosten für die Fahrzeug-Lizenz, denn eine
solche ist garantiert. Dieser Wegfall subventioniert den Verkauf von Elektro mit
zusätzlich fast 1000 Dollar. Andere Vorteile
kommen hinzu: Bei konventionellen Fahrzeugen kann ein potentieller Käufer schon
daran scheitern, dass er gar keine Lizenz
2
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
in Großstädten mit Verkehrsüberlastung
erhält.
Das Problem für die großen ausländischen Hersteller ist vielmehr, die Produktion so schnell hochfahren zu können.
Volkswagen zum Beispiel hat 2016 erst eine
dritte Lizenz mit einem neuen Partner für
die Produktion von NEVs erhalten, muss die
Fabrik aber noch bauen und die Fertigung
bis 2018 drastisch nach oben fahren können.
Gleiches gilt für andere große Hersteller wie
Toyota oder GM. Sie müssen sich auf die
Produktion von Elektrofahrzeugen stürzen.
Allein die Verfügbarkeit von Batterien lässt
Zweifel an den Zielen wachsen. Die Regulation hing schon lange in der Luft, wurde
aber erst im September 2016 als Entwurf
veröffentlicht. In der Substanz bevorzugt
sie die inländischen Hersteller mit kleineren
Produktionszahlen.
Neben dem Zwang für etablierte Hersteller, steigende Quoten von Elektrofahrzeugen und Plug-in Hybriden in China
herzustellen, hat die chinesische Regierung
als dritte Maßnahme noch 10 spezielle
Lizenzen für spezialisierte Hersteller von
Elektrofahrzeugen vergeben. Das sind häufig Start-ups, die aber mit hohen Beträgen
subventioniert werden dürfen. Die Vergabe
von solchen Extra-Lizenzen soll einerseits
den Wettbewerb für die etablierten Hersteller konventioneller Fahrzeuge erhöhen.
Zudem soll die übervölkerte NEV-Industrie
– sie umfasst gegenwärtig rund 200 Hersteller – radikal ausgemistet werden. Viele
NEV-Hersteller leben nur von staatlichen
Subventionen und sind im Wettbewerb
dauerhaft gar nicht überlebensfähig. Nach
welchen Kriterien die Lizenzen vergeben
werden, soll an einem Beispiel gezeigt
werden:
Der chinesische Start-up NEVS (nicht:
NEVs) hat eine der 10-Lizenzen erhalten.
NEVS hat eine Kernkompetenz in der
Batterietechnik und hat den bankrotten
schwedischen Autohersteller SAAB 2012
für wenig Geld übernehmen können. NEVS
hatte aber keine genügende Kapitalbasis.
Die Produktion des Saab 9-3 musste nach
einigen Monaten eingestellt werden, die
Zulieferer wurden in einem Entschuldungsverfahren teilentschädigt. NEVS wird hoch
subventioniert, baut in Tianjjn bis 2017 ein
neues Werk für 200.000 Elektrofahrzeuge und will 2018 mit der Produktion auf
der Basis des alten Saab 9-3 beginnen. Der
Absatz scheint garantiert, denn die ersten
150.000 Fahrzeuge werden an eine LeasingGesellschaft für Elektrofahrzeuge verkauft.
Als vierte Maßnahme hat China auf den
01.12.2016 eine weitere Steuererhöhung
auf den Verkauf von Luxusfahrzeugen
verfügt. Begründung in der Regierungsmitteilung ist explizit die Bekämpfung
der Umweltverschmutzung. Es ist also
eine Lenkungsabgabe. Nur fallen dabei
einige Unstimmigkeiten auf: Die Abgabe
wird ausschließlich auf Importfahrzeuge
erhoben. Das einzige in China produzierte
Luxusgefährt des chinesischen Herstellers
Hongqi, der 3.2 Tonnen schwere L5 mit
12-Zylinder Vollaluminium-Motor, ist davon
nicht betroffen. Er ist in China ein Konkurrent für Rolls-Royce oder Bentley und kostet
rund 580.000 Dollar – und wird auch als
Staatskarosse verwendet. Dafür wird die
Zusatzabgabe auch für den Tesla S und X
erhoben, welche reine Elektrofahrzeuge
sind und somit lokal keine Emissionen
verursachen. Auch der Mercedes S-Klasse
Plug-in-Hybrid, der gemäß unabhängigen
Tests niedrige reale Verbräuche ermöglicht,
ist dieser Zusatzabgabe unterworfen. Dieser
Mercedes hat geringe Feinstaub-Emissionen, denn seit 2014 verfügt er über eine
Art Partikelfilter für Feinstaub. Mit dieser
Maßnahme sollen also teure ausländische
Modelle, vor allem reine Elektrofahrzeuge
wie die Teslas oder Plug-ins mit niedrigen
Verbräuchen, nochmals massiv verteuert
werden. So wird der Anreiz geschaffen, alle
Fahrzeugtypen, gerade auch die explizit
von der Regierung besonders geförderten,
in China herzustellen.
Als fünfte Maßnahme werden Fahrzeuge unter Staatshilfe vernetzt, es wird ein
chinesisch dominiertes Internet des Autos
aufgebaut. China baut eine sehr ambitiöse
digitale Architektur auf, welche auch für
die Autohersteller nutzbar sein wird – vor
allem für die einheimischen. Ausländische
Institute und Hersteller argwöhnen, dass
diese Vernetzung und Digitalisierung dazu
benutzt werden, einheimischen Herstellern
einen zusätzlichen Vorteil zu verschaffen.
Summa summarum erscheint dies auf
den ersten Blick alles nicht unvernünftig.
Der Verkehr soll auf umweltfreundliche
Technologie umgestellt und die Emissionen
reduziert werden. Eine Vernetzung macht
03. März 2017
Sinn, weil sie die Sicherheit und Effizienz des
Verkehrssystems erhöht. Nur ist das Ganze
in Wirklichkeit primär Industriepolitik und
sicher nicht auf die dringende Reduktion
der Emissionen ausgerichtet. Dabei mag
allerdings auch Unwissen seitens der chinesischen Behörden relevant sein – vor
allem bezüglich der Emissionswirkungen
von konventionellen Fahrzeugen.
Die ganze Besteuerung des chinesischen Automarktes läuft nämlich auf die
Produktion von konventionellen BenzinModellen mit kleinen Motoren unter 2
Liter Hubraum hinaus – ähnlich, aber
viel strikter als in Europa. Damit werden
6- und 8-Zylinder-Motoren unattraktiv
gemacht, dafür kleine hochaufgeladene
Motoren (3- oder 4-Zylinder-Motoren) mit
Benzindirekteinspritzung favorisiert. Diese
Motoren, und zwar vor allem die kleinen
aufgeladenen Direkteinspritzer, haben
eine unangenehme Eigenschaft: Ohne
Partikelfilter sind das nicht selten richtige
Feinstaub-Schleudern. Sie emittieren hohe
Mengen ultrafeiner Partikel (kleiner als 2.5
PM), welche in die Lungen und von dort
direkt in das Blut gelangen. Solche ultrafeinen Partikel gelten im Allgemeinen als
speziell gefährlich, da sie karzinogen sind.
Wohlgemerkt gilt das nicht für alle, aber für
viele Benzin-Direkteinspritzer. Vor allem bei
kleinen Modellen lohnen sich aufwändige
innermotorische Maßnahmen gar nicht,
um die Verbrennung zu optimieren.
Benzin-Direkteinspritzer-Modelle
mit Partikelfilter gibt es noch gar nicht in
genügend großer Zahl. Mercedes wird in
Deutschland 2017 erst bei der S-Klasse damit
beginnen, andere große Hersteller wie VW
ebenfalls nur bei einzelnen Modellen wie
beim Touran. PSA soll ebenfalls 2017 damit
beginnen. Konventionelle Saugmotoren,
naturgemäß eher mit größeren Volumen,
emittieren im Unterschied zu Direkteinspritzern praktisch keine Feinstaub-Partikel
und wären viel besser geeignet, solange
effiziente Partikelfilter noch nicht in genügender Zahl im Markt verfügbar sind.
Technisch sind Partikelfilter für Benziner
oder alternativ 4-Wege-Katalysatoren heute
kein Problem. Sie sind auch nicht teuer,
aber eben noch nicht verfügbar.
Die rasche Förderung der Elektrofahrzeuge ist ebenfalls sehr problematisch. Zwar
erzeugt dann ein Fahrzeug lokal keine Emis3
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
sionen, doch wenn die Stromerzeugung fast
ausschließlich auf Kohleverbrennung wie in
den Megastädten Chinas beruht, dann ist der
Gesamt-Effekt sogar stark negativ. Diese Form
der Elektrizitätsproduktion hat im Gesamteffekt indirekt das Zwei- bis Fünffache an
Feinstaub-Emissionen der Elektrofahrzeuge
gegenüber Benzinern zur Folge. Chinesische
Wissenschaftler haben darauf hingewiesen,
dass zuerst die Elektrizitätsproduktion umgestellt werden sollte, bevor auf breiter Basis
auf Elektrofahrzeuge gesetzt wird.
Effektiv ist in einer solchen Situation die
Verwendung von Mild- oder von Vollhybriden
wie bei einem Toyota Prius, ebenso geeignet,
weil dann kein Strom aufgetankt werden
muss. Bei solchen Hybriden wird Strom durch
Sprit-Verbrennung, durch den Fahrbetrieb
und durch Bremskraft-Rekuperation gewonnen. Doch genau diese Modelle sind von der
Anrechnung und Förderung ausgeschlossen.
Schließlich weist die Tatsache, dass im
Ausland produzierte und importierte Modelle per se ausgeschlossen sind, auf primär
industriepolitische Ziele hin. Denn der größte
Teil des Energieverbrauchs beim Auto fällt
immer noch in der Produktion und Fertigung
des Autos an und nicht beim laufenden
Betrieb. Importfahrzeuge würden also den
Energieverbrauch vor allem von Kohlestrom
zur Industrieproduktion reduzieren.
Die ganze Form der Regulierung ist von
normalen Standards des Umweltschutzes so
weit verschieden, dass sie interpretationsbedürftig ist. Hersteller eines bestimmten
umweltverschmutzenden Produkts müssen
ein ziemlich verschiedenes anderes Produkt
in einer rasch steigenden minimalen Größenordnung oder Quote produzieren. Dieses ist
unter den gegebenen Voraussetzungen aber
auch extrem umweltverschmutzend, einfach
indirekt über die Elektrizitätsproduktion.
Normal wäre stattdessen ein maximaler
Emissionswert der einzelnen Fahrzeuge und/
oder in Kombination der ganzen Fahrzeugflotte. Dies würde den Herstellern erlauben,
je nach Stand ihrer Technik diese Ziele zu
erreichen. Sie könnten nur noch emissionsarme Modelle anbieten, oder wären gezwungen, in ihre Modelle die technisch mögliche
emissionsmindernde Abgas-Technologie
einzubauen.
Was durch die Regulation in Wirklichkeit
erreicht wird, ist etwas ganz Anderes. Die
großen Massenhersteller müssen ihre bisher
nicht in die JVs eingebrachte Technologie
herausrücken. Toyota etwa ist bisher der
Pionier und weltweit erfolgreichste Produzent von Hybrid-Fahrzeugen. Das japanische
Unternehmen hat weltweit schon über 9
Millionen Hybrid-Fahrzeuge verkauft. Doch
in China hat Toyota bisher praktisch keine
Prius oder anderen Hybrid-Fahrzeuge produziert – wohl wegen Bedenken wegen der
Intellectual Property (IP). Für die wenigen
produzierten Prius und Camrys dürften
die Kernkomponenten als Autobestandteile
importiert und in China nur montiert worden
sein. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich
sein. Toyota hat auch angekündigt, jetzt im
großen Maßstab Plug-in Hybrid-Fahrzeuge
in China zu produzieren.
Für die chinesische Umwelt wird der
Effekt der gesamten Regulation in der kurzen
bis mittleren Frist eine weitere, wahrscheinlich deutliche Verschlechterung sein. Die in
den Megastädten hoffnungslos überhöhte
Automobildichte wird weiter ansteigen. Es
werden bei den konventionellen Benzinern
vor allem kleinmotorige aufgeladene Direkteinspritzer ohne Partikelfilter produziert.
Viele werden sehr hohe Feinstaubwerte
aufweisen. Diese werden nachher für 10
und mehr Jahre hinaus im Wagenpark sein.
Elektrofahrzeuge und Plug-in Hybride werden zunächst die Kohleverstromung rund um
die Großstädte und damit die Rußbildung
noch stärker anheizen. Denn die Energieversorgung kann nur langsam und schrittweise
umgestellt werden – wenn dies überhaupt
angegangen wird. Was auch immer Wissensstand und Absicht der chinesischen Behörden
sind, welche all diese Regulationen erlassen
haben, sie zeigen eines in aller Deutlichkeit
auf:
China ist im Automarkt zum globalen
Standard-Setzer geworden. Bisher waren
dies die Europäische Union mit ihren EuroGrenzwerten einerseits, die USA andererseits.
Die großen ausländischen Autohersteller
müssen jetzt in substantiellem Ausmaß und
innerhalb sehr kurzer Frist Elektro-Fahrzeuge
und Plug-in Hybride produzieren, wenn sie
im größten Markt der Welt noch konventionelle Autos verkaufen wollen. Für die
deutschen und generell die europäischen
Hersteller wie Volkswagen, die lange – bis
vor kurzem – auf den Diesel als Standard
gesetzt und diesen global propagiert haben,
ist dies ein Schock. Sie müssen jetzt unter
03. März 2017
hohem Zeitdruck massiv neue Motoren
und Modelle entwickeln. Das verteuert die
Entwicklungs-Aufwendungen ungemein.
Denn Elektrofahrzeuge werden vom Design
her völlig anders gebaut als konventionelle
Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren. Bei Tesla ist die Batterie im Fahrzeugboden, nicht unter der Fronthaube. Und
der Elektromotor macht viele bisherigen
Kernkompetenzen konventioneller Autohersteller obsolet: etwa im Motorenbau, bei
Turbos, Einspritzsystemen, in der GetriebeEntwicklung und anderem mehr.
Umgekehrt sind Start-ups mit Kernkompetenzen in der Batterie-Entwicklung
wie Tesla oder BYD und andere Hersteller in
China mit erheblichen Vorteilen ausgestattet. Elektrofahrzeuge unterscheiden sich vor
allem in der Batterie-Entwicklung. Es gibt
ungefähr vier verschiedene Grund-Typen
von Batterien. Chinesische Hersteller haben
bei der Batterie-Entwicklung zwei Vorteile:
Sie haben die Batterie-Technologie von der
Smartphone- und generellen ICT-Technik
bereits im Griff und haben dort Kernkompetenzen aufgebaut. BYD beispielsweise
startete als Batterie-Lieferant für die chinesische ICT-Industrie. Und China verfügt
praktisch monopolartig über seltene Erden,
welche für einzelne Batterietypen von Elektrofahrzeugen unentbehrlich sind.
Welche Batterie-Technik sich schließlich durchsetzt, ist im Vornherein nicht
identifizierbar. Die europäischen Hersteller
müssen also parallel Diesel-, Benzin- und
Elektrofahrzeuge sowie alle möglichen
Hybrid-Formen entwickeln. In der europäischen und vermutlich sogar in der
globalen Autoindustrie dürfte es deshalb
zu einer Fusions- und Konzentrationswelle kommen. Denn nur Hersteller mit viel
größeren Stückzahlen können sich diese
auf verschiedene Antriebstechnologien
verzettelten Forschungs- und Entwicklungsausgaben leisten. Von daher ist auch der
Ausstieg von GM bei Opel verständlich.
GM kann sich dann auf Benzin- und Elektrofahrzeuge konzentrieren und Dieselmotoren aufgeben, welche in Europa von
der Regulation (Priorität der CO2-Ziele) her
noch längere Zeit möglich und notwendig
sind. Damit würde sich GM einzelnen asiatischen Herstellern annähern, welche wie
Toyota aus der Dieselmotoren-Entwicklung
aussteigen.
4
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
Den hohen Kosten der Entwicklung von
NEVs und emissionsärmeren konventionellen Fahrzeugen in den nächsten Jahren
steht für die Autohersteller ein möglicher
Zusammenbruch der Preise von Autos gegenüber. Elektrofahrzeuge können viel einfacher als konventionelle Benziner und Diesel
konstruiert werden. Ob sie preislich und
vom Gebrauchsnutzen wettbewerbsfähig
sind, hängt von zwei Faktoren ab: Die Batteriekosten und die Reichweite elektrischer
Fahrzeuge sind die kritischen Größen. Die
Batterieherstellung wird durch die hohen
Stückzahlen bedingt zu Skaleneffekten
führen und sowohl die Batteriepreise
drastisch sinken lassen wie die Reichweite
deutlich erhöhen. Dann können die Preise
von Elektrofahrzeugen wie auch von Plugins ins Rutschen kommen. Damit könnten
auch die Preise konventioneller Fahrzeuge,
wo keine vergleichbaren Produktivitätseffekte möglich sein dürften, unter Druck
kommen. Es ist also nicht ausgeschlossen,
dass jetzt durch das Marktwachstum und
durch die Regulation in China bedingt eine
Überinvestition im globalen Automarkt
stattfindet, die nachher genauso wie in
vielen anderen Branchen von Überkapazität, technischer Obsoleszenz und dramatischen Preisfällen mit weit verbreiteten
Konkursen und Restrukturierungen begleitet
sein wird.
Der globale Schiffstransport ist ein gutes Beispiel, wo China zwischen 2007 und
2014 einen gewaltigen Kapazitätsaufbau
in allen Bereichen – Tanker, Schüttgut- und
Containerschiffe – machte, der jetzt die
Branche weltweit in die Bredouille bringt:
Siehe die Lage der Schiffskredite bei der
HSH Nordbank, Commerzbank oder bei den
griechischen Banken. Weitere Beispiele aus
der chinesischen Binnenwirtschaft sind die
Chinesische Stahl-, Aluminium-, Zement-,
Metallindustrie, die ihre überschüssige Ka-
pazität jetzt auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen zu verramschen suchen.
Der Plan der chinesischen Regierung,
über die skizzierten Zwangsmaßnahmen eine
dominante chinabasierte und wenn möglich chinesisch beherrschte NEV-Industrie
aufzubauen, ist gar nicht so unrealistisch.
Je nach Produktivitätsfortschritt in der
Batterie-Entwicklung kann die Regierung
die Quoten für NEVS sukzessive anheben
und damit der Technik zunächst auf dem
Binnenmarkt zum Durchbruch und daraufhin zur Dominanz verhelfen. Sie kann auch,
unter Verweis auf die Umweltbelastung, die
Emissionswerte für konventionelle Fahrzeuge
plötzlich drastisch verschärfen, sodass diese
ohne Hybrid-Technologie gar nicht mehr
zu erreichen sind. In einem zweiten Schritt,
wenn die Stückkosten von NEVs aufgrund
der immensen Stückzahlen drastisch gesunken sind, kann dann der Weltmarkt der
Fahrzeugherstellung erschlossen und später
erobert werden. Das ist zweifellos das Skript
der chinesischen Regierung.
Die chinesische Regierung reagiert so
auf eine Vielzahl von Faktoren und Erfahrungen. Bei konventionellen Fahrzeugen
werden sich die chinesisch beherrschten
Autohersteller auf absehbare Zeit gegen die
ausländischen Hersteller weder auf dem chinesischen Markt noch auf den Weltmärkten
durchsetzen können. Bei Elektro-Fahrzeugen
und Hybriden kann dies anders werden.
Bedingt durch technologische Fortschritte
in der Batterie- und Antriebstechnik sowie
durch die Digitalisierung wird die bisherige technologische Führerschaft etablierter
Autohersteller entwertet. Das Feld ist für
Newcomer offen – nicht nur in China. China hat dabei komparative Vorteile, die sich
aus seiner Rolle in der ICT-Industrie und
im Autobau abstützen. Langfristig können
diese beiden Antriebstypen Antworten auf
umweltpolitische Probleme in China wie auf
03. März 2017
den Weltmärkten darstellen. Der Automobilsektor wird von der chinesischen Führung
ganz klar als eine Kernindustrie angesehen,
in der sie die chinesischen Unternehmen
an der Weltspitze sehen will, und zwar bei
NEVs. Sie hat in reifen Märkten in den Industrieländern großes Potential, und noch
viel mehr in den Schwellenländern.
Die umweltpolitischen Ziele wird die
chinesische Regierung kurz- und mittelfristig kaum erreichen können. Diesbezüglich repräsentieren die Maßnahmen eher
eine Fahrt in eine zunächst noch dichtere
Smogglocke. Zu Beginn wird der Ausstoß
von Emissionen direkt und über erhöhte
Kohleverstromung indirekt noch verstärkt.
Empirische Untersuchungen haben zudem
ergeben, dass für die Feinstaub-Belastung
durch den Straßenverkehr die Abgase
und Emissionen der Motoren nur einen,
wenn auch wichtigen Teil darstellen. Der
Feinstaub von Pneus, von Bremsen sowie
durch das Aufwirbeln von Straßenstaub
wird ergänzt und multipliziert die AbgasEmissionen. Mit der Erhöhung der Anzahl
der Fahrzeuge steigen diese Emissionen weiter an – selbst wenn die Abgas-Emissionen
längerfristig reduziert werden könnten. Die
Wahrheit ist wohl, dass Autos kein geeignetes Verkehrsmittel für den Berufsverkehr
in solchen Mega-Großstädten mit einer
enormen, historisch präzedenzlosen Bevölkerungs-Konzentration auf engstem Raum
darstellen können. Wenn schon solche
Megastädte, sollte der öffentliche Verkehr
– U-Bahn, S-Bahn, Trams, Busse – drastisch ausgebaut, der private Berufsverkehr
unterbunden oder scharf reduziert und
traditionelle Verkehrsmittel wie Fahrräder
ermöglicht werden. Es ist eine verfehlte
Konzeption der ganzen Urbanisierung,
auf das Auto als wichtigen Verkehrsträger zu setzen, die letzten Endes dahinter
steckt.
Griechenland
Griechenlands Wirtschaft spart sich in den Ruin
Seit sieben Jahren empfehlen die EU, die EZB und der IWF Griechenland dieselben Rezepte: Sparen, sparen und sparen
S
eit sieben Jahren erzwingt die internationale Gemeinschaft in Griechenland
die Umsetzung einer falschen Politik. In
dieser Zeit hat sich die Wirtschaftsleistung
des Landes um 40 Prozent verringert,
jeder fünfte Grieche ist arbeitslos. Somit
sollte allen klar sein, dass der beschrittene
Weg bereits in eine Katastrophe geführt
hat. Davon ist nicht die Rede: Gerade jetzt
werden die fatalen Vorgaben erneuert und
deren Umsetzung als Bedingung für die
Bereitstellung von weiteren Milliarden
5
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
genannt. Milliarden, die, wie alle bisherigen
sogenannten „Hilfsprogramme“ nicht in
der griechischen Wirtschaft ankommen
können.
Allein mit Austerität kann man keinen Staat sanieren
Der fundamentale Fehler liegt in dem
Glauben, dass Austerität, also Sparsamkeit,
allein Probleme lösen kann. Das Wort
„Glaube“ ist bewusst gewählt: Die Vertreter
dieser Politik agieren wie die Anhänger einer Religion. Die Vorgaben sind immer die
gleichen: Man müsse die Steuern erhöhen
und wirksamer eintreiben, die Pensionen
kürzen und die Zahl der Beamten senken.
Dadurch würde man den Staat sanieren
und erst ein gesunder Staat sei die Basis
für eine gesunde Wirtschaft.
Der Denkfehler: Übersehen wird der
Zeitfaktor. Man kann die Zeit nicht anhalten, zuerst wie in einem Labor in aller
Ruhe den Staat sanieren und dann mit
dem Aufbau der Wirtschaft beginnen. Zeit
findet gleichzeitig in allen Bereichen statt.
Steuerzahler, Pensionisten, Beamte,
die weniger Geld zur Verfügung haben,
konsumieren und investieren weniger.
Rückgänge im Konsum und in der Investitionstätigkeit lassen die Wirtschaftsleistung und folglich auch die Steuern sinken
und verschärfen zusätzlich das Problem
des Staates, der nun noch schwerer zu
sanieren ist.
Fazit: Einsparungen und die Wirtschaft belebende Maßnahmen müssen
gleichzeitig erfolgen. Die Korrekturen
haben in erster Linie für Wachstum zu
sorgen, damit die Sparmaßnahmen besser
verkraftbar sind.
Nur das Schließen des Geldhahns
zwingt zur Sanierung
Zweiter Denkfehler: Man könne einen
Staat von außen sanieren. Seit 2010 spielen sich Experten der EU, der Europäischen
Zentralbank und des Internationalen
Währungsfonds als Oberlehrer auf und
erzwingen die geschilderten AusteritätsMaßnahmen. Die sogenannten Experten
sind vermeintlich mächtig, weil die internationale Gemeinschaft Griechenland nur
Milliarden zur Verfügung stellt, wenn die
fatalen Auflagen erfüllt werden.
• Die Akzeptanz von Befehlen, die anonyme Personen einem Land erteilen, ist nie
gegeben. Sanierungsmaßnahmen können
nur erfolgreich sein, wenn sie im Land
selbst formuliert und entschieden werden.
• Das Ausland hat ein wirksames Druckmittel: Das Krisenland bekommt keine
Kredite und keine Zuschüsse mehr. Dann
lernt jede Regierung sehr rasch, welche
Sparmaßnahmen zu ergreifen sind und
wie Steuern wirksamer eingetrieben werden können. Jede Regierung wird aber
auch darauf achten, dass die Wirtschaft
nicht abgewürgt wird.
Der Sparkurs hat in Griechenland teilweise zu katastrophalen Zuständen geführt.
Foto: Flickr/Nikos Patsiouris/Cc by nc 2.0
03. März 2017
Der Kapitalfehler: Als im Jahr 2010
Griechenland sich nicht mehr wie in den
Vorjahren problemlos bei den Banken
und über den Kapitalmarkt Milliarden
ausborgen konnte, machte die EU-Politik
den entscheidenden Fehler. Man begann
aberwitzig hohe Milliardensummen zu
überweisen und tut dies bis heute, erzwang Schuldennachlässe von Banken
und Versicherungen und sorgte dafür,
dass auch die Europäische Zentralbank
kräftig Griechenland-Anleihen übernahm.
• Von den gigantischen Summen kamen in der griechischen Wirtschaft nur
Bruchteile an. Bedient wurden vor allem
die Gläubiger, in erster Linie die großen
europäischen Banken, denen auf diese
Weise enorme Verluste erspart wurden.
• Die Milliarden wirkten als Droge für die
rasch wechselnden griechischen Regierungen, die keinen effektiven Druck spürten,
wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
• Die sogenannten „Hilfsprogramme“, die
keine Hilfe darstellten, machten aber die
Experten der Troika EU, EZB und IWF zu
mächtigen Kommissaren, die der Regierung und dem Parlament Befehle gaben.
Ohne Geldregen von außen stünde
Griechenland heute besser da
Wie absurd das griechische Drama ist,
zeigt sich an den Daten. Bekanntlich
wurde Griechenland vorgeworfen, Daten
gefälscht zu haben. Die Statistikbehörde
der EU, Eurostat, hat daraufhin für 2009
die tatsächlichen Gegebenheiten ermittelt. 2009 war das Jahr, in dem sich die
im Herbst 2008 ausgebrochene Finanzkrise weltweit ausgewirkt hat. 2009 war
auch das Jahr bevor im Frühjahr 2010
die erfolglose Sanierung Griechenland
begonnen hat.
• Das von Eurostat ermittelte Defizit des
Jahres 2009 entsprach 12,5 Prozent der
Wirtschaftsleistung. Dieser Wert ergab
sich nach mehreren Korrekturen, einige
Zeit hatte man 10 Prozent ausgewiesen
• Die Steuerleistung erreichte nur 20
Prozent der Wirtschaftsleistung.
In dieser Phase betrug das BIP Griechenlands noch 330 Milliarden Euro. Ein
Prozent mehr Steuern hätte bereits 3,3
Milliarden Euro in die Staatskasse gespült
und die Liquiditätsprobleme des Landes entschärft. 3 Prozentpunkte hätten
6
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
knapp 10 Milliarden gebracht und bei den
Gläubigern Jubel ausgelöst. Griechenland
wäre immer noch ein Land mit im internationalen Vergleich extrem niedrigen
Steuern geblieben. Eine Radikalkur mit
einer prompten Anhebung der Steuern
von 20 auf 30 und mehr Prozent war also
nicht erforderlich, längerfristig wäre eine
Steuererhöhung in dieser Größenordnung
allerdings notwendig gewesen.
Zur Erinnerung: Monatelang hat die
damalige Regierung in Athen erklärt, man
möge sie das Problem allein lösen lassen.
Die Spitzen der EU wiederholten stereotyp, Griechenland solle endlich zugeben,
dass es pleite sei und sich „helfen“ lassen.
Letztlich war die Aussicht auf Milliarden
aus Brüssel, Berlin und Washington doch
zu verführerisch.
Die Lage wird immer dramatischer,
die Reaktionen bleiben die gleichen
Im Jahr 2010 wurden die griechischen
Schulden mit 370 Milliarden Euro beziffert und waren somit deutlich höher als
die Jahres-Wirtschaftsleistung von 330
Milliarden Euro. Dieser Zustand wurde
als unerträglich, als Gefahr für den Euro,
kurzum als Katastrophe bezeichnet. Diese
Daten waren der Auslöser für die spektakuläre und erfolglose Sanierung, die
Griechenland seit damals unter Kuratel
hält.
Treppenwitz der Statistik: Bei den derzeit verwendeten, gesamteuropäischen
Aufstellungen wird der Schuldenstand
Griechenlands für Ende 2009 mit 301
Milliarden und für Ende 2010 mit 330
Milliarden Euro angegeben.
Jetzt sieben Jahre später hat der Internationale Währungsfonds eine dramatische Erklärung abgegeben, dass die
Schulden Griechenlands inakzeptabel
seien und man darauf bestehen müsse,
dass das Land endlich die geforderten
Reformen umsetze. Sonst könne der IWF
keine Zahlungen leisten.
Die griechische Wirtschaftsleistung ist
von 330 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf
nunmehr 195 Milliarden Euro gesunken.
Die Schulden betragen derzeit etwa
320 Milliarden Euro – trotz aller „Hilfsaktionen“ der vergangenen Jahre.
Im Jahr 2010, als die große Aufregung
ausbrach, war die zur Debatte stehende
Schuldensumme um 40 Milliarden Euro
höher als die Jahreswirtschaftsleistung.
Jetzt beträgt die Differenz 125 Milliarden
Euro und die Alarmrufe des IWF klingen
nicht anders als vor sieben Jahren. Vermutlich, weil weltweit von den USA über
Frankreich bis Italien die Schuldenberge
gigantische Höhen erreicht haben.
Griechenland ist nicht in der Lage,
Kredite zu bedienen
Auch die Reaktionen sind nicht viel anders
als 2010: Die Rede ist von der Notwendigkeit, in etwa 90 Milliarden Euro für
Griechenland „aufzutreiben“, um „das
Land vor dem Bankrott“ zu retten. Die
90 Milliarden wären Kredite, die andere
Finanzierungen ersetzen. Also wieder
nur eine kosmetische Maßnahme, die
die Bilanzen einiger Geldgeber schönt.
Bei einem Sozialprodukt von 195 Milliarden Euro besteht keine Aussicht, dass das
Land eine ordnungsgemäße Bedienung
der Schulden von 320 Milliarden Euro vornehmen kann. Viele Finanzexperten plädieren daher für einen Schuldenschnitt.
Der Verzicht auf Forderungen würde aber
nur eine bessere Darstellung des Landes
in den internationalen Statistiken ergeben
und keine effektive Sanierung ermöglichen. Somit ergibt sich die erschreckende
Konsequenz, dass es ziemlich gleichgültig
ist, ob man die Forderungen bestehen
lässt, Umschuldungen vornimmt oder
Nachlässe gewährt.
Die Fähigkeit, Schulden zu bedienen, hängt von der Steuerleistung ab
und diese ist nicht gegeben. Durch die
von den Experten des IWF erzwungenen
Maßnahmen wurden zwar die Steuern
erhöht und entsprechen nun 25 Prozent
der Wirtschaftsleistung gegenüber nur
20 Prozent im Jahr 2009 – allerdings mit
grotesken Ergebnissen.
• 25 Prozent heute berechnen sich von der
nunmehr geschrumpften Wirtschaftsleistung von 195 Milliarden Euro und
lassen knapp 49 Milliarden Euro in die
Staatskasse fließen.
• 2009 ergaben 20 Prozent von 330
Milliarden Euro noch 66 Milliarden
Euro.
• Hier zeigt sich überdeutlich, dass drastische Maßnahmen ohne Wirtschaftswachstum nicht wirken. Beispiele zur
03. März 2017
Illustration: Unter anderem wurde in
Griechenland der Mehrwertsteuersatz
auf 24 Prozent angehoben. Bei vielen
Produkten wurde der begünstigte Satz
gestrichen. Vorweg wurden 2014 schon
die Einkommenssteuersätze angehoben
und viele Ausnahmen gestrichen. Auch
die Sozialversicherungsbeiträge wurden
verdoppelt.
• Immer noch als mangelhaft bezeichnet
wird aber die Steuer-Eintreibung, sodass
man in einer Doppelmühle gelandet ist.
Die Steuern und Abgaben sind extrem
hoch, gleichzeitig sorgt die schrumpfende
Wirtschaftsleistung für geringere Umsätze
und geringere Gewinne. Die gestiegenen
Steuern wirken wie Keulenschläge, also
steigt die traditionell stark verbreitete
Neigung zur Steuer-Hinterziehung.
Die Erfolgsmeldungen von EU, EZB
und IWF sind blanker Zynismus
Die Lösung kann nur in einer kräftigen
Steigerung der Wirtschaftsleistung bestehen. In empörender Weise behaupten
die Experten der EU, der EZB und des
IWF in kurzen Abständen, sie würden
einen Aufschwung orten. Man könne sehen, dass die erzwungenen Maßnahmen
den gewünschten Erfolg bringen. Das
geschieht auch jetzt wieder. Angesichts
der tatsächlichen Entwicklung kann man
die Beschönigung der falschen Politik nur
als Zynismus bezeichnen.
Unverzichtbar sind folgende Maßnahmen:
• Investoren müssen attraktive Rahmenbedingungen geboten werden. Dies gilt
für inländische wie für ausländische Unternehmer, die derzeit über zahlreiche
Behinderungen klagen. Die Regierung
sollte sich auf diesen Bereich konzentrieren, statt ständig mit der Beruhigung
der Geldgeber beschäftigt zu sein. Auch
die Wettbewerbsregeln der EU, die jede
Förderung, die nicht aus Brüssel kommt,
behindern oder verbieten, dürften in der
katastrophalen Situation für Griechenland
nicht gelten.
• Die Ankündigung, dass Griechenland
seine Kampfflugzeuge aufrüsten und
neue kaufen will, ist eine Provokation. Die
Milliarden braucht die Wirtschaft. Griechenland soll offenbar aufrüsten, um die
NATO in der Region zu stärken, nachdem
die Türkei sich immer mehr als unsicherer
7
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
NATO-Partner erweist. Die Kosten hätten
die anderen NATO-Staaten zu tragen,
allen voran die USA, deren Vertreter bei
jeder Gelegenheit die Verbundenheit mit
Griechenland betonen.
• Die bestehenden Schulden sind zu
stunden. Die Gläubiger sollten über einen längeren Zeitraum die Forderungen
abschreiben können. Die Schonung der
Gläubiger war und ist notwendig, um in
den Heimatländern der Banken größere
Schäden zu vermeiden. Allerdings darf
man nicht übersehen, dass die bis 2010
gegebenen Kredite Griechenland erst
ermöglicht haben, seine lockere Politik zu
betreiben: Die Lücken, die das minimale
Steueraufkommen gelassen hat, wurden
mit den großzügig gewährten Krediten
aufgefüllt. Aus dieser Verantwortung
kann man die Gläubiger nicht entlassen.
• Zusätzliche Kredite, im Fachjargon
„fresh money“, wären grundsätzlich nur
für konkrete Investitionsprojekte zur Verfügung zu stellen. Die laufenden Ausgaben ohne Investitionen sollte der Staat aus
dem Steueraufkommen finanzieren. Bei
realistischer Betrachtung der Lage dürfte
dies erst bei einer größeren Wirtschaftsleistung machbar sein. Griechenland
wird zur Sicherung der Liquidität in einer
Übergangszeit noch weitere Kredite brauchen, die aber nicht für die Bedienung
alter Schulden herangezogen werden
dürften.
• Die Diskussion über einen Austritt aus
dem Euro und eine Rückkehr zur Drachme ist nur schädlich: Die Drachme wäre
nur eine Einladung, über Abwertungen
Scheinlösungen darzustellen, die letztlich
wie Drogen nur die Lage noch verschlimmern würden.
Griechenland müsste seine Wirtschaftspolitik selbst bestimmen, die internationale
Gemeinschaft sollte aufhören, das Land
03. März 2017
wie ein unmündiges Kind zu behandeln.
Die Beschränkung der Kreditprogramme auf die Finanzierung von Investitionen und einer unbedingt notwendigen
Liquiditätshilfe sollte genügen, um das
Land zu einer Sanierung aus eigener Kraft
zu zwingen. Man darf allerdings nicht
übersehen, dass diese Aufgabe heute
bei einer Wirtschaftsleistung von 195
Milliarden Euro weit schwieriger zu bewältigen ist als dies 2010 bei mehr als
300 Milliarden Euro der Fall gewesen
wäre.
***
Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er
ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“
sowie Moderator beim ORF.
Wirtschaft
Deutsche Unternehmen ziehen Rekordinvestitionen an
Deutschland hat 2016 so viele ausländische Investoren angezogen wie noch nie
A
llein 201 Ansiedlungen erfasste die für
das Standortmarketing der Bundesrepublik zuständige Gesellschaft Germany
Trade & Invest (GTAI) – ein Viertel mehr als
im Jahr zuvor. „Das ist ein neuer Rekordwert“,
sagte dessen Managing Director Achim Hartig der Nachrichtenagentur Reuters. „Damit
setzt sich der 2013 begonnene Aufwärtstrend fort.“ Fast 3700 Arbeitsplätze wurden
so geschaffen. Beliebteste Standorte sind
Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen.
Die meisten Investoren kamen erneut
aus China: Sie verwirklichten 26 Projekte
– von Neuansiedlungen auf der grünen
Wiese über Erweiterungen bis zu Standortwechseln. „Die Chinesen investieren
neben Vertriebsaktivitäten besonders in
den Bereichen Forschung & Entwicklung,
aber auch in Dienstleistungen“, sagte der
GTAI-Experte. Auf Platz zwei folgt Frankreich
(20) vor den USA (19), Japan (17) und der
Türkei (12). „Etwa 50 Prozent der Investoren
testen den deutschen Markt zunächst mit
Vertriebsbüros“, sagte Hartig. „Die andere
Hälfte baut Produktions- oder Dienstleistungsstandorte auf.“ Besonders in den Be-
reichen Digitalisierung, Energie und Umwelt
sei Deutschland als Standort gefragt.
In der Statistik noch nicht enthalten sind
die Ansiedlungen, die mit Hilfe der Fördergesellschaften der einzelnen Bundesländer
abgewickelt wurden. Diese Daten werden
erst später ausgewertet. „Es zeichnet sich
aber auch hier eine Bestmarke ab“, sagte
Hartig. „Besonders die hohe Rechtssicher-
heit gibt für viele Investoren in politischen
unruhigen Zeiten den Ausschlag, nach
Deutschland zu kommen.“
2015 wurden mehr als 1900 Ansiedlungsprojekte angestoßen, fast 60 Prozent
mehr als im alten Rekordjahr 2014. Die
Unternehmen investierten demnach 6,2
Milliarden Euro und schufen mindestens
30.000 Arbeitsplätze.
Etwa 50 Prozent der erfolgreich bearbeiteten Vorhaben und geplanten Arbeitsplätze stammen aus
den Themen Digitalisierung, Energie und Umwelt. Grafik: GTAI
8
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
Asien und Europa sind Hauptherkunftskontinente von Vorhaben, gefolgt von Amerikas.
Auch in Sachen Private-Equity-Investments konnte Deutschland sich im
Gegensatz zu vielen anderen Regionen
als beliebtestes Ziel im vergangenen Jahr
hervortun. Die Private Equity Fonds besitzen Milliarden Dollar, die sie noch nicht
investiert haben. Im vergangenen Jahr sind
die neuen Beteiligungen weltweit um 23
Prozent gesunken. Zwar gingen auch in
Deutschland die Deals leicht zurück, doch
der Gesamtwert der Deals stieg um 82 Prozent auf etwa 26 Milliarden Dollar. Den
Grafik: GTAI
größten Deal tätigte Carlyle. Im vierten
Quartal des vergangenen Jahres übernahm
sie den Berliner Spezialchemieanbieter
Atotech für 3,2 Milliarden Euro.
Durch die zurückgegangenen Investitionen „verfügte die Branche Ende 2016 über
rund 1,5 Billionen US-Dollar nicht investiertes Kapital – so viel wie noch nie“, heißt es in
dem Bericht von Bain & Company. „Ein Drittel davon steht für Leveraged-Buyout-(LBO)
Transaktionen bereit. „Der Anlagedruck ist
enorm, zumal Unternehmen mit starken
03. März 2017
Bilanzen und tiefen Taschen zusätzlich
die Konkurrenz anfachen.“ Infolge dieses
Wettbewerbs mit strategischen Investoren lägen die Bewertungen in den USA
und in Europa auf Rekordhöhe. Dadurch
wiederum befinde sich die Branche in einem Dilemma. „Je höher die Bewertung
beim Einstieg, desto schwieriger wird es
für Private-Equity- Fonds, die Renditeerwartungen ihrer Investoren zu erfüllen“, so
Rolf-Magnus Weddigen, Leiter der PrivateEquity-Praxisgruppe von Bain & Company
im deutschsprachigen Raum.
Bei den Exits konnte sich der deutschsprachige Raum dem Bericht zufolge
nicht vom globalen Trend abkoppeln. Zahl
und Volumen sanken deutlich. „Weltweit
reduzierte sich das Volumen der Beteiligungsverkäufe von Buyout-Fonds um
23 Prozent auf 328 Milliarden US-Dollar.“
Dies sei nach Weddingens Auffassung
aber nicht verwunderlich. „2016 war das
viertbeste Jahr aller Zeiten für Exits. Die
Rekordgrößen in den Vorjahren sind
eine Folge des außergewöhnlich hohen Volumens an Beteiligungskäufen
kurz vor der Finanzkrise gewesen.“ Nun
habe die PE-Branche ihre hohen Investitionen aus den Jahren 2006 und 2007
realisiert.
Industrie
China wird zum größten Absatzmarkt für Industrieroboter
Chinas Industrie hat die Präsenz von Robotern in den vergangenen fünf Jahren massiv ausgebaut
D
ie Zahl der Industrie-Roboter weltweit steigt rasant. Vor allem China
sorgt für eine große Nachfrage. So wurden
2015 weltweit 248.000 Industrieroboter
verkauft – 12 Prozent mehr als im Jahr
zuvor, so die International Federation
of Robotics (IFR). Schätzungen zufolge
sollen insgesamt 2,3 Millionen Roboter
im Jahr 2018 in den Werkshallen der
Welt zum Einsatz kommen – doppelt so
viele wie 2009. Mit 56.200 eingesetzten
neuen Industrierobotern überholte die
Elektro- und Elektronikindustrie sogar
die Automobilbranche in Asien.
Asien und insbesondere China sind
dabei die größten Abnehmer. Zwischen
2010 und 2015 stieg die Zahl der eingesetzten Industrieroboter in Asien um 70
Geschätzter jährlicher Zukauf von Industrierobotern bis zum Jahresende in Asien 2013 bis 2015.
Grafik: IFR
9
Deutsche
MittelstandsNachrichten
powered by
Ausgabe |09/17
Joe Gemma, Präsident der International Federation of Robotics. Prozent auf über 887.000. Über 40 Prozent der Verkäufe nach Asien gehen nach
China, Südkorea folgt mit 24 Prozent,
Japan mit 22 Prozent. „Bis 2019 installiert
China rund 40 Prozent des weltweiten
Angebots“, so die IFR. Insgesamt verfügt
Südkorea aber weiterhin über eine größere Roboterdichte als China. In Südkorea
kommen demnach 531 Industrie-Roboter
auf 10.000 Arbeitnehmer, gefolgt von
Singapur und Japan. „China wird seinen Wachstumskurs als dynamischer
Foto: IFR
Zukunftsmarkt für die Roboterindustrie
fortsetzen“, sagt Joe Gemma, Präsident
der International Federation of Robotics.
„Die Technologiestrategie 2025 der chinesischen Regierung wird einen wichtigen
Beitrag zur Automatisierung leisten. Ziel
Chinas ist es, die weltweite Technologieführerschaft bei der Automatisierung
zu erobern.“
Das liegt aber auch an der vorherrschenden Situation in China: „Selbst
in Deutschland ist Industrie 4.0 eine
03. März 2017
Zukunftsvision. Chinas Industrie ist noch
deutlich weiter von der intelligenten
Vernetzung entfernt. Das Land ist erst auf
dem Weg von Industrie 2.0 zu 3.0“, heißt
es in dem China Monitor des Mercator
Institute for China Studies zum Thema
„Industrie 4.0: Deutsche Technologie für
Chinas industrielle Aufholjagd“. Demnach
kamen 2015 nur etwa 14 Industrieroboter
auf 10.000 Mitarbeiter. In Deutschland
waren es damals 282.
„Chinas Regierung hat die Flucht
nach vorn angetreten. Sie setzt derzeit
alle Hebel der Industriepolitik für eine
schnelle industrielle Modernisierung in
Bewegung. Die staatliche Förderung ist
ungleich umfangreicher als in Deutschland.“ Die umfassende staatliche Förderung decke sämtliche Industriezweige
ab. Sie konzentriert sich aber vor allem
auf die Luft- und Raumfahrt, die Schifffahrt, Metallverarbeitung, Automobilherstellung, den Maschinenbau und die
IT-Industrie.
Im Falle der chinesischen Industrie
braucht Deutschland dem China Monitor
zufolge eine Doppelstrategie: Einerseits
müssten deutsche Anbieter schnell handeln, um Absatzmöglichkeiten zu nutzen. Andererseits müssten insbesondere
Mittelständler mit Bedacht vorgehen,
um die Risiken zu minimieren.
In Europa erhöhten sich die Verkäufe
von Industrie-Robotern 2015 um zehn
Prozent auf 50.000 gegenüber dem Vorjahr. Hier stehen Deutschland (20.000),
Italien und Spanien an der Spitze. „Die
Welle der digitalen Transformation und
Automation wird den Roboter-Boom
bis 2018 weiter forcieren“, so Gemma. „Revolutionäre IT-Entwicklungen
rund um das Internet der Dinge und
neue vernetzte Dienste verändern das
produzierende Gewerbe grundlegend.
Maschinen, Logistik und Produktionsstätten verschmelzen zu integrierten Cyber-Physical Systems. Ziel
sei es, mit smarten Fabriken flexibler,
kostengünstiger und produktiver zu
arbeiten.“
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Redaktion: Anika
Schwalbe, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz, Nicole Oppelt, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz.
Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033.
Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected].
Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de
10