Ein Gefühl der Bereicherung oder der Bedrohung Studierende der

URL:
http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170221_StudienprojektFl%C3%BCchtlinge.pdf
Ein Gefühl der Bereicherung oder der Bedrohung
Studierende der Öffentlichen Kommunikation erstellen Studie zum
Meinungsklima über Flüchtlinge
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
Die Masterstudentinnen Stephanie Wohlt (l.) und Kirsten Richter haben am Institut für
Kommunikationswissenschaft der Uni Jena zu Einstellungen gegenüber Flüchtlingen geforscht.
"Dass wir erfolgreich forschen und Studenten sich bei uns wirklich ausprobieren können, ist eines
der Markenzeichen der Universität Jena", ist Prof. Dr. Wolfgang Frindte überzeugt. Davon nimmt
der Kommunikationspsychologe, der zu Rechtsextremismus und Migration forscht, sein Fach nicht
aus. "Auch in der Kommunikationswissenschaft gehören die forschungsorientierte Lehre und ein
vielseitiges Angebot von Studienprojekten zu den Aushängeschildern."
Ein Gefühl der Bereicherung oder der Bedrohung
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So steht im Masterstudiengang "Öffentliche Kommunikation" an der Friedrich-Schiller-Universität
Jena u. a. das Modul "Kommunikationspsychologische Analyse" auf dem Stundenplan - für gleich
zwei Semester. Denn: Die selbstständige Konzeption, Durchführung und Auswertung eines
Forschungsprojekts erfordern viel Zeit. Vier Gruppen haben sich seit dem Sommersemester 2016
verschiedenen Themen gewidmet und ihre Projekte nun abgeschlossen. Da wurden nicht nur zum
Böhmermann-Schmähkritik-Skandal in deutschen und türkischen Medien Untersuchungen
angestellt, sondern auch zu Geschlechterrollen in Fernsehwerbung oder zu Menschen, die
Zivilcourage beweisen.
"Ich bin ja nicht rechts, aber …"
Stephanie Wohlt, Tarek Barkouni, Anika Czichy, Kirsten Richter, Kristin Silge und Anna Welzel
haben in ihrem Projekt Einstellungen zu Flüchtlingen untersucht. Ihre Studie lief unter dem Titel
"Ich bin ja nicht rechts, aber …" - ein Satz, der der Gruppe, beliebig fortgeführt, in den
vergangenen Monaten in Gesprächen häufiger begegnet ist. "Diese Aussage suggeriert, dass man
- entgegen dem Bild, das man von sich selbst hat und das andere von einem haben sollen - doch
innerlich mit der ein oder anderen Ansicht sympathisiert. Das wollten wir näher betrachten", sagt
Kirsten Richter. So erstellten sie einen Online-Fragebogen, den sie an Bekannte und Verwandte
verteilt sowie in sozialen Netzwerken deutschlandweit verbreitet haben. "Unser Ziel war einerseits,
das gegenwärtige Meinungsklima zu Flüchtlingen einzufangen. Zusätzlich wollten wir herausfinden,
ob sich implizite und explizite Einstellungen unterscheiden", erzählt Richter. Implizite Einstellungen
sind tief in der Persönlichkeit verankert, oft unbewusst. Bewusste, geäußerte Einstellungen werden
als explizit bezeichnet.
"Bezogen auf die 144 Teilnehmer, von denen die meisten Studenten und zwischen 20 und 35
Jahren alt waren, können wir ein eher positives Klima Flüchtlingen gegenüber feststellen. Dennoch
ist aufschlussreich, dass der implizite Test, bei dem positive und negative Assoziationen der
Versuchspersonen sowohl zu Flüchtlingen als auch zu Deutschen erhoben wurden, tatsächlich
negativer ausgefallen ist als der explizite, für den es konkrete Fragestellungen gab", berichtet
Stephanie Wohlt. "Daraus ließe sich z. B. ableiten, dass im expliziten Fragenteil positiver
geantwortet wurde, um sich selbst als offener darzustellen oder um mehr soziale Zustimmung zu
erhalten. Ob das bewusst oder unbewusst geschehen ist, lässt sich allerdings nicht sagen", erklärt
Richter eine Möglichkeit der Diskrepanz.
Die nicht-repräsentative Studie der Gruppe zeigt überdies, dass durch Flüchtlinge ausgelöste
Bedrohungsgefühle mit negativen Einstellungen diesen gegenüber zusammenhängen. Wer
Flüchtlinge als Risiko betrachtet, hat entsprechend kritischere Einstellungen; wer Flüchtlinge
dagegen eher als Chance und Bereicherung wahrnimmt, verfügt ihnen gegenüber auch über eine
positivere Haltung. Zusätzlich rücken die Studierenden die soziale Identifikation in den Fokus: Wer
sich stärker als Deutscher oder als Teil von Deutschland identifiziert, empfindet Fremde eher als
Bedrohung - und hat ablehnendere Anschauungen ihnen gegenüber.
Wertschätzung durch Publikation
Dass es die sechsköpfige Gruppe mit ihrer Studie gar in Prof. Frindtes neue, für Sommer 2017
angekündigte Buchpublikation zu Einstellungen gegenüber Flüchtlingen und dem Islam schafft,
begeistert Wohlt sehr: "Einen Artikel zu veröffentlichen, ist ein tolles Ergebnis des Projekts. Es ist
ein sehr gutes Gefühl, dass unsere wissenschaftliche Arbeit schon jetzt wertgeschätzt wird und wir
uns hinter erfahrenen Wissenschaftlern nicht verstecken müssen."
Studierende der Öffentlichen Kommunikation erstellen Studie zumMeinungsklima über Flüchtlinge
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Richter empfindet die Studienprojekte am Institut für Kommunikationswissenschaft generell als
eine gute Gelegenheit, Einblick in den Prozess wissenschaftlichen Arbeitens zu erlangen. "Wir
merken schon, dass die Uni Jena nicht nur Wert auf einen Praxisbezug legt, sondern auch Wege in
die Forschung öffnet. Mein Respekt für Wissenschaftler ist auf jeden Fall noch mal gewachsen",
zieht die 28-Jährige ihr Fazit. Frindte selbst sieht das ganz nüchtern: "Wer inhaltlich etwas beiträgt,
sollte natürlich die Chance haben, seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Auch für Forscher und
Lehrkräfte ist es etwas Besonderes, Hand in Hand mit Studierenden zu publizieren."
Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Frindte
Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Jena
Semmelweisstraße 12, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945280
E-Mail: [email protected]
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