SWR Tagesgespräch

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Oliver Malchow, Vorsitzender der DGB-Gewerkschaft
der Polizei (GdP), gab heute, 21.02.17, dem
Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„Europäischer Polizeikongress in Berlin“
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler.
Mit freundlichen Grüßen
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Datum:
21.02.2017
GdP-Chef Malchow: Grenzüberschreitende Terrorbekämpfung "schwierig"
Baden-Baden: Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im DGB (GdP), Oliver Malchow,
hält es für wichtig. dass der Europäische Polizeikongress heute in Berlin über
grenzüberschreitende Terrorbekämpfung redet. Malchow sagte im SWR-Tagesgespräch, bis zu
einem tragfähigen Datenaustausch zwischen den Ländern sei es aber noch weit. Zwar seien
alle Staaten in der Lage, terroristische Straftaten aufzuklären. Die Ermittler zögerten aber, ihre
Erkenntnisse weiterzugeben, weil sie befürchteten, dass die eigenen Ansätze "durch
unkoordinierte Vorgehensweise dann möglicher Weise auch kaputt gemacht" würden. Zur
geplanten Reform der Sicherheitsarchitektur in Deutschland sagte Malchow, seine
Gewerkschaft bestehe auf föderalen Strukturen und lehne alles ab, was für den Bund
"Machtzuwachs bedeuten würde". Grundsätzlich positiv aber sei der Beschluss der
Innenminister von Bund und Ländern, eine für alle verbindliche Software einzuführen. Damit
könnten Verwaltungsvorgänge erleichtert werden.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Geissler: Dieses Mal soll es vor allem darum gehen, wie die Zusammenarbeit über die
Grenzen hinweg verbessert werden kann. Nun gilt ja aber schon der Datenaustausch
allein zwischen deutschen Behörden als Problem. Wird da heute so etwas wie der zweite
Schritt vor dem ersten gemacht, oder kann die Polizei jetzt schon profitieren von einer
Debatte über grenzüberschreitende Zusammenarbeit?
Malchow: Die Debatte ist notwendig. Sie wird ja auch schon längere Zeit geführt. Die
Ereignisse, insbesondere im zusammen mit der Terrorbekämpfung, wo man ja sagen muss,
dass Terroristen nicht vor europäischen Grenzen, aber auch nicht den nationalen Grenzen Halt
machen, zwingen einfach dazu, auch im Bereich von Kriminalitätsbekämpfung Daten
auszutauschen, um dann präventiv letztendlich auch wirken zu können. Das ist notwendig, aber
auch noch ein weiter Schritt.
Geissler: Was ist denn besonders dringlich bei der grenzüberschreitenden
Terrorbekämpfung, ist dieser Datenaustausch oder ist es mehr?
Malchow: Ich denke mal, dass alle Staaten in der Lage sind, Terrorbekämpfung zu begehen
und Straftaten aufzuklären in diesem Zusammenhang, aber es geht ja darum, möglichst früh
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Tendenzen bei Menschen zu erkennen und sie möglicherweise dann aus dem Verkehr zu
ziehen, also dingfest zu machen und ihnen letztendlich Vorwürfe zu machen, die vielleicht
strafrechtlich relevant sind. Dafür braucht man die Erkenntnisse aus anderen Staaten, und
deswegen muss auch innerhalb Europas dieser Informationsaustausch stattfinden. Aber er ist
natürlich nicht so einfach, wie ich es hier formuliere. Denn jeder, der zum Beispiel hier in
Deutschland Informationen gesammelt hat, fragt sich ja letztendlich, in welchem Umfang diese
Daten auch schon weitergegeben werden können, weil er natürlich selber befürchtet, dass die
eigenen Ermittlungsansätze durch unkoordinierte Vorgehensweise dann möglicherweise auch
kaputt gemacht werden. Insofern ist das ein schwieriger Schritt.
Geissler: Es gibt doch seit letztem Jahr schon eine spezielle Anti-Terror-Behörde bei
Europol, bei der europäischen Polizeiinstitution. Funktioniert die nicht hinreichend?
Malchow: Die funktioniert erst dann, wenn natürlich auch alle Mitgliedsstaaten dort ihre
Informationen umfänglich zur Verfügung stellen und die Recherchemöglichkeiten haben. Wir
sagen ja: das System, das wir in Deutschland haben und das gemeinsame
Terrorabwehrzentrum ist auch ein Modell – auch wenn es jetzt in die Kritik gekommen ist im
Zusammenhang mit dem Fall Amri –, das auf Europa angewandt werden würde. Also der
Austausch aus den Ländern zu den anderen Ländern, alle sitzen an einem Tisch und
informieren sich über die Erkenntnisse, die jeder über einzelne Personen hat, um dann daraus
die Schlüsse für den eigenen Bereich zu ziehen, das ist sicherlich der richtige Weg.
Geissler: Bundesinnenminister de Maizière wird heute die Auftaktrede halten auf dem
Polizeikongress. Die Überschrift lautet: „Ein starker Staat für Europa“. Er wird also
sicher auch über innenpolitische, über Hausaufgaben sprechen, die Sie ja jetzt auch
erwähnt haben. Er plädiert seit einigen Wochen für mehr Zentralisierung bei der
Terrorbekämpfung und Prävention, für mehr Kompetenzen beim Bund, der
Bundespolizei. Wie sinnvoll wäre so eine Reform, aus Ihrer Sicht?
Malchow: Die Diskussion hat man ja immer mal wieder, gerade, wenn es um so große
Ereignisse und auch Kommunikationsfehler geht oder gegangen ist wie im Fall Amri.
Letztendlich muss man sagen, wir haben terroristische Anschläge auch in dem zentralistisch
geführten Frankreich gehabt. Also Zentralisierung bedeutet nicht automatisch bessere
Kommunikation untereinander, denn die Menschen bleiben ja möglicherweise die Gleichen. Sie
haben nur einen anderen Dienstherrn, aber der steuert das ja nicht alles einzeln, sondern das
läuft ja anders. Insofern sagen wir: Alles, was Machtzuwachs bedeuten würde, ist was, was wir
nicht mittragen, sondern da sprechen wir für Föderalisierung. Was aber wichtig ist: Das was die
Innenminister auch für sich jetzt vereinbart haben, dass es zum Beispiel eine Software geben
soll, mit der ermittelt wird und zwar in allen Bereichen, also Verwaltungsvorgänge vereinfacht
werden, das ist sicherlich wichtig und muss zentralisiert werden.
Geissler: Ihre gewerkschaftliche Konkurrenz, will ich mal sagen, die Polizeigewerkschaft
im Beamtenbund sagt, es gibt natürlich unterschiedliche Rechtsverhältnisse zwischen
den Ländern immer noch. In manchen Bundesländern dauert es, Stichwort Föderalismus,
zwei- oder dreimal länger als in anderen, bis eine rechtskräftige Abschiebung
durchgesetzt werden kann. Also das ist der Bereich Terrorprävention. Da, sagt die
Polizeigewerkschaft , sei es also durchaus sinnvoll, wenn etwa abgelehnte Asylbewerber
in sogenannte Bundesausreisezentren gebracht werden, damit sie nicht, was ja immer
mal passiert, untertauchen können. Wie gehen Sie mit diesem Einwand um?
Malchow: Also die schnellere Abschiebung ist sicherlich eine Sache, über die wir nachdenken
können, und wo wir auch sagen müssen, ja, wenn wir Belege dafür haben, dass es Straftäter
sind, die eine staatsgefährdende Straftat begangen haben oder es versucht haben, ist das
sicherlich richtig. Aber das ist natürlich eine kleine Gruppe, über die wir reden. Ob wir dadurch
das ganze System in Frage stellen müssen, das bezweifle ich.
Geissler: Eine andere Form der Arbeitsteilung wird möglicherweise auch eine Rolle
spielen auf dem Kongress. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Militär bei der
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Terrorbekämpfung - das ist in einigen europäischen Ländern ja schon Usus, bei uns
historisch bedingt umstritten. Nun wird es in zwei Wochen zu einer ersten Übung dieser
Art kommen, allerdings eine Stabsübung am Grünen Tisch. Wie aussagekräftig kann so
eine Trockenübung sein, aus Ihrer Sicht?
Malchow: Also die Frage wird ja sein, was man dort übt. In erster Linie soll es ja um
Kommunikation zwischen Polizei und Bundeswehr gehen. Das kann man auch erst einmal am
Tisch üben. Das sind Übungen, die auch klassisch sind. Für uns, wir haben uns sehr kritisch
dazu geäußert, ist der Anlass, der eigentlich dazu führt, einer, der uns schon nachdenklich
gemacht hat, denn es war der Amoklauf in München. In diesem Zusammenhang haben sich
fünf Minister, vier Innenminister und die Verteidigungsministerin vor die Presse gestellt und
haben mitgeteilt, dass es so eine Stabsrahmenübung gibt. Da frage ich mich natürlich, was
steckt tatsächlich dahinter? Es gibt für uns keinen Befund, dass Polizei nicht in der Lage ist
terroristische Anschläge erfolgreich zu bearbeiten. Die Trennung hat sich in Deutschland
bewährt. Ich komme nochmal auf Frankreich zurück, Sie haben Frankreich ja selber
angesprochen. Auch da haben wir natürlich die Situation, dass dort die Gendarmerie mit im
Einsatz ist, also eine militärische Einheit, und trotzdem konnten die Anschläge nicht verhindert
werden. Wir sind, bis auf den Fall Amri, hier in Deutschland sehr erfolgreich mit der
Ermittlungsarbeit gewesen und erkennen überhaupt nicht, warum es eine Notwendigkeit geben
sollte, die Bundeswehr in den Einsatz zu schicken.
- Ende Wortlaut -
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