Schaut auf die neutrale, gutachterliche Stellungnahme zu den

GutachterlicheStellungnahmezudenAbschussrichtlinienimKanton
Wallis
Erstelltvon:
Dr.ChristineMiller
BürofürWildbiologieBayern,Rottach-Egern
Dr.LucaCorlatti
LehrstuhlfürWildtierökologieundManagement,UniversitätFreiburg
InstitutfürWildbiologieundJagdwirtschaft.UniversitätfürBodenkultur,Wien
Oktober2016
Gutachterliche Stellungnahme zu den Abschussrichtlinien im Kanton Wallis
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Gliederung
1. ZielsetzungdergutachterlichenStellungnahme
2. GrundlagennachhaltigerjagdlicherNutzungbeiGamswild 3
4
2.1. ZuwachsundAbgang
4
2.2. Populationsstruktur 6
2.3. Geschlechterverhältnis
9
3. PrognoseüberAuswirkungenverschiedenerAbschussvorgaben
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4. EmpfehlungfürdasGamswild-Management 14
5. VerwendeteLiteratur
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Gutachterliche Stellungnahme zu den Abschussrichtlinien im Kanton Wallis
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1. ZielsetzungdergutachterlichenStellungnahme
DievorliegendeStellungnahmebewertetdieAuswirkungenverschiedenerjagdlicher
EingriffeindieGamsbeständeimKantonWallisaufderGrundlagedesaktuellen
wildbiologischen,wissenschaftlichenKenntnisstands,vorallemimHinblickauf
langfristigeAuswirkungenindensichveränderndenLebensräumendesGamswildes.
DieStellungnahmeerfolgtimAuftragdesPräsidentenderWalliserJägervereinigung.
SiesollnachAuskunftderAuftragsgeberzurOrientierungbeiderEntscheidungneu
zufassenderBestimmungenbeiderGamsjagdimKantondienen.
DieStellungnahmeerfolgtaufderGrundlagevonGesprächenmitVertreternder
JägerschaftundmitExpertenanlässlichverschiedenerinternationalerFachtagungen
sowiederAuswertungeinschlägigerAktenundLiteratur.
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2. GrundlagennachhaltigerjagdlicherNutzung
SowohlnationalewiekantonaleGesetzgebungalsauchinternationale
Rahmenrichtlinienfordern,dassdiejagdlicheNutzungvonWildtierennachhaltig
erfolgt,dassdabeinatürliche,artgerechtelebendeBeständeerzieltodererhalten
bleibenunddassdasNachstellenundTötenvonWildtierensotierschutzgerechtwie
möglichdurchgeführtwird.DieFormulierungenundBestimmungensindzwar
regionalunterschiedlichausgeführt,imKernbildensiejedochdieLeitlinienfürdie
JagdinderSchweizundihrenNachbarländern.DasjeweiligeJagdsysteminden
Revier-wieindenPatentjagdkantonenerfülltdiesegrundsätzlichenAnforderungen
mittelsentsprechenderRegelungenhinsichtlichJagdzeit,JagdgebieteundFreigaben
(BAFU,2010).
2.1 ZuwachsundAbgang
ImZugederjährlichenJagdimKantonWallissollderGamsbestandnicht
großflächigabgesenktwerden,jedochdieweitereAbnahmederBestände,wie
siedurchZählungendokumentiertwurden,verhindertwerden.DieJagdstrecke
unddieAusfälledurchnatürlicheSterblichkeitdürfendeshalbnichthöherund
auchnichtwesentlichniedrigeralsderjährlichgesetzteundinsersteLebensjahr
wechselndeZuwachsdesBestandessein.DieZahlderjährlichgesetztenKitze
kannnichtnurvonJahrzuJahrschwanken.Sieistauchregionalunterschiedlich.
AusschlaggebendfürdieseUnterschiedesindinersterLiniedie
ErnährungsbedingungenderjungenGamsindenerstenJahren.Sieermöglichen
einerjungenGeißeinfürdie„Pubertät“notwendigesMindestgewichtzu
erreichen.EbensobedeutendistsicherauchdersozialeDruckinderstreng
hierarchischaufgebautenGamsgesellschaft.
DasÜberlebenderKitzeimerstenSommerihresLebenswiederumhängtvon
denklimatischenBedingungenwährendderSetzzeitab,vomSetzzeitpunkt,der
aufdieZeitdesErblühensderSommervegetationabgestimmtistundvonder
FähigkeitderGeißqualitativhochwertigeMilchzuerzeugen.Auchdafürsind
eineReihevonFaktorenverantwortlich:dieKonditionderGeiß,der
Setzzeitpunkt,derZustandunddieEntwicklungderVegetationimLaufedes
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SommersunddadurchauchKlima,PopulationsdichteundKonkurrentenumdie
attraktivenWeidenimSommer.
AufdasÜberlebenderKitze–undderJährlinge–hatinersterLiniedie
SchneemengeimWintereinenEinfluss.DieChanceneinesjedenKitzesden
erstenWinterzuüberstehen,hängenjedochauchvondemGewichtab,mitdem
esindenWintergeht.NebendenUnwägbarkeitendesklimatischenVerlaufs
einesWintersgibtesauch„Sicherheitssysteme“imGamsrudel.Erfahrene
GeißenkönnensichereEinständewählenundsodasRisikofürIhreKitzeund
Jährlingeminimieren.
Series1
160,0
Fallwild
120,0
80,0
40,0
0,0
0
275
550
Schneefall (cm)
825
1100
Abb.1:JehöherdieSchneehöheineinemWinter,destohöhersindauchdie
Fallwildzahlen(AuswertungvonDatenausGraubündennachJenny,zitiertinMiller
undCorlatti,2014)
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2.2 Populationsstruktur
HateinejungeGamsdieerstenJahreüberlebt,hatsiegroßeChancenauchdie
nächstenJahre,SommerwieWinterzuüberstehen.InunbejagtenPopulationen
zeigtsichdasnatürlichePotentialvonGamsböckenundGamsgeißeneinAlter
vonweitüber15Jahrenzuerreichen.ErstabdiesemAltersinktdie
WahrscheinlichkeitdasnächsteLebensjahrzuerreichen.Abdem14.Lebensjahr
sinktdieWahrscheinlichkeitanderFortpflanzungteilzunehmen.Dochvitale
GeißenkönnenauchnochinhohemAltererfolgreicheinKitzführen.
AndererseitssetzenmittelalteGeißen,abeinemAltervon8Jahren,auchimmer
malwiedermitderReproduktionaus.Dochkönnensiedanachwiederstarke
KitzeführenundauchbisineinhohesAlterKitzeführen.DasAussetzen,„Gelt
Gehen“isteineStrategie,nurbeibestenBedingungeneinKitzzuführen(Morin
etal.,2016).
Mitetwa6JahrenbeteiligensichBöckeineinernatürlichstrukturierten
PopulationerstmalsanderBrunft.ErfolgreicheBrunftböckesindzwischen9und
13JahrenaltundbefindensichaufdemHöhepunktihrerkörperlichen
Leistungsfähigkeit.DiefolgendenAbbildungenstammenausUntersuchungen,
dieanverschiedenenGamspopulationeninverschiedenenAlpenregionen
durchgeführtwurden.
DieStruktureinesWildbestandesspiegeltdasLebensrisikoderverschiedenen
Altersstufenwieder.DasgesamteSozialverhaltenderArtistaufdiese
natürlichenStrukturenabgestimmtundstellteineArtnatürliches
„Sicherheitssystem“dar.DieUnwägbarkeiteneinesalpinenLebensraums
werdendamitabgepuffert.VorallemalteTierenehmenhiereinewichtigeRolle
inderPopulationein:sieverhindern,wiebeiGamswildimmerwiederbestätigt,
dasssichjüngereTierezufrühanderFortpflanzungbetätigen,undihreKräfte
nochvorBeginndesHochwintersverausgaben;sieminimierendieZeit
energiezehrenderKämpfebeiderBrunftfüralleteilnehmendenBöcke;sie
verfügenübereineguteräumlicheOrtskenntnisundkennenStrategienzur
VermeidungvonriskantenEinständenundVerhaltensweisen.
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DamitjagdlicheEingriffeeinenWildbestandnichtdestabilisieren,dürfensiedie
natürlichePopulationsstrukturnichtwesentlichverändern.Umeine
DestabilisierungdesBestandeszuverhindern,solltediejagdlicheEntnahmeim
WesentlichendernatürlichenSterblichkeitderverschiedenenAltersklassen
entsprechen.
503
508
Quelle Bocci et al. 2010
451
398
359
380
351
352
318
307
297
275
249
244
209
177
180
133
135
101
100
74
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
67
53
12
48
38
13
28
27
14
18
16
15
8
9
16
2
2
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a) GamspopulationinRegionalparkAlpeMaritime,Italien.Hellgrün:Geißen,
dunkelgrün:Böcke(Quelle:Boccietal.2010)
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b) AltersstrukturdesGamsbestandesimSchweizerischenNationalpark.Links:
Böcke,rechts:Geißen(Quelle:Corlatti,2016)
c) DarstellungeinesBestandesaufbausmitausgewogenen
Sozialklassenanteilen(Quelle:StringhamundBubenik,1975)
Abb.2:DieStrukturvonunbejagtenBeständenzeigt,dasseinhoherAnteilanGams
derMittelklassevorkommenundGeißenwieBöckeeinhohesAltererreichen
können.
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2.3Geschlechterverhältnis
BeigleichenÜberlebenswahrscheinlichkeiten,wiesieinnatürlichen
Gamspopulationenauftreten,stelltsichautomatischeinnatürliches
Geschlechterverhältnisvonnahezu1:1ein.DiesistvorallemfürdieBrunftvon
entscheidenderBedeutung.IneinernatürlichenRudelstruktur,koordinieren
alte,ranghoheGeißendasVerhaltendesRudels.DerEisprungderweiblichen
TiereineinerGruppeistdurchsiehochsynchronisiert.InnerhalbkurzerZeit
müssenalleGeißenbefruchtetwerden.DabeiachtendieranghohenGeißen
darauf,dasssiezuerstanderReihesind.ErfahreneBöckekönnendieseAufgabe
schnellundzuverlässigübernehmen.Dochsindihnendabeinumerische
Grenzengesetzt:EineinzelnerBockkannsichwährenddieserkurzenZeitnicht
mit6bis10Geißenpaaren.
InBeständen,indenendieRangordnunglangenichtgeklärtist,oderwennzu
wenigeBöckeinderPopulationleben,könnennichtalleGeißenwährendder
Hochbrunftbefruchtetwerden.DienichtbeschlagenenGeißen,meistjüngere,
tretenineinezyklischePhaseein.EinerneuterEisprungindreibisvierWochen
gibtihneneinezweiteChance.Kanndiesewiedernichtgenutztwerden,können
brunftigeGeißenbisindenJanuarhineinbeobachtetwerden.Fürdie
PopulationhatdasdramatischeFolgen.DerhormonelleZyklusstimuliertimmer
wiederBöckeundverhindert,dasssieihrenTestosteronspiegelnachderBrunft
senken.SiebleibenaktivundineinerphysiologischenBrunftstimmungmit
fatalenFolgenfürihreKonstitution(Miller&Corlatti2014).HoheVerlustevon
BöckenimLaufedesWinterssinddieFolge.
DesynchronisierteBrunften–unddiezugrundeliegendegestörteSozialstruktur
–erkenntmanimFrühjahranweitgestreutenSetzterminenderKitze.Das
exakteTiming,beidemderNachwuchsgenauzuderZeitzurWeltkommtund
ernährtwerdenmuss,wenndiepflanzlicheSituationamgünstigstenist,kommt
aufdieseWeisegehörigausdemTritt.SpätgesetzteKitzeundihreMütter
könneninderRegelnurschwerdasnotwendigeMindest(Sicherheits)gewichtfür
einÜberlebenimWintererreichen.
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DieBrunftistfürdieBöckeeinSpielaufRisiko.DurchdieartspezifischeTragzeit
derGeißendazugezwungen,müssensieunmittelbarvorEinbruchdesWinters
ihreKräfteverausgaben.NichtnurdieNutzungderkörpereigenen
EnergiereservenschwächtdieBöcke–jelängerundunkoordinierterdieBrunft
insozialzerstörten,jungenGamsbeständen,destostärker.DieBrunftverlangt
vomBockaucheinehormonelleUmstellung.AbEndeOktoberspringendie
KonzentrationenvonAndrogenen(Testosteron)undStresshormonenimBlut
nachoben.FürdieBöcke,dieaktivanderBrunftteilnehmen,bedeutetdas
automatisch,dassihreImmunabwehrdeutlichreduziertist–erkennbarander
erhöhtenAusscheidungvonParasiteneierimKotwährenddieserZeit(Hobyet
al.2006,Corlattietal.2012b,Corlattietal.2014).NachderBrunftsinktder
Hormonspiegel(AndrogeneundStresshormone),dasImmunsystemarbeitet
wiederaufHochtourenunddieParasitenbelastungsinktinnerhalbvonwenigen
Wochen.EineStrategie,diesichnurerfahrene,gutkonditionierteBöcke
gefahrlosleistenkönnen.Unddienurfunktioniert,wennderBrunftbetrieb
rechtzeitigvordemWintereinbruchbeendetist.Andernfallsunterliegendie
währendderBrunftaktivenBöckeeinerdeutlicherhöhtenSterblichkeit.Fürden
GesamtbestandkanndiesweitreichendeFolgenhaben:DiegeschwächtenBöcke
könnenselbstweitgehendharmlosenundunspezifischenParasitenund
KrankheitserregernnurwenigWiderstandleisten.VermehrensichdieErregerim
KörperdieserBöcke,dannkönnendiesewieein„Brutkasten“wirken,indem
sichParasitenundKeimenungebremstvoneinemstarkenImmunsystem
vermehrenkönnen–bishinzueinerDichte,diedannauchvitaleTiereim
Bestandattackierenkönnen,dassauchderenImmunabwehrzusammenbricht.
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Abb.3:DieWahrscheinlichkeitvonJahrzuJahrzuüberlebenistfürGams,egalob
Bock(Kreis)oderGeiß(Punkt)gleichhoch.Erstab15Jahrensinktsiewieder.
(Quelle:Corlattietal.2012a)
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3. PrognoseüberAuswirkungenverschiedenerAbschussvorgaben
WeichtdieAltersstrukturunddasGeschlechterverhältniseinesGamsbestandesvon
DennatürlichenBedingungenab,hatdasfürdenZuwachsundfürdieNatürliche
SterblichkeitderPopulation–zusätzlichzurJagdstrecke–weitreichendeFolgenfür
dengesamtenBestand.
DasFehlenalterBöckeimBestandführtunteranderesdazu:
-
MehrBrunftkämpfeundenergiezehrendeVerfolgungsjagdensowielange
ungeklärteRangverhältnisseverbrauchendieEnergiereservendervorallem
jungenBöckevorBeginndesWinters
-
DasVerhaltenderjungenBöckeinderBrunftstörtdieGeißenbeimÄsen.
DiesestockenimNovembernocheinmalihreEnergiereservenvorEintritt
desWintersauf.JewenigerÄszeitihnenzurVerfügungsteht,desto
schwächergehensieindenWinter.DaskannzuerhöhterSterblichkeit
führenunddamitauchzumToddernochabhängigenKitzeebensowiezum
SetzenvonschwächerenKitzenimfolgendenFrühjahr.
IstdasGeschlechterverhältniszugunstenderGeißenverschoben(esgibtdeutlich
wenigerBöckealsGeißen)istmitfolgendenKonsequenzenzurechnen:
-
VerzögerteBrunftundvermehrtNachbrunftenvonnichtbeschlagenen
Geißen
-
DadurchmüssendieBöckelängerineinemfürsieriskantenhormonellen
Zustandbleiben,dersieanfälliggegenüberParasitenundKrankheitserregern
macht
-
EinhoherAnteilvongeschwächtenBöckeninderPopulationerhöhtdas
RisikofürdieAusbreitungvonInfektionenundKrankheitenim
Gesamtbestand
-
VerzögerterBeschlagineinerdestrukturierten,langenBrunft(mit
Nachbrunft)führtzuspätergesetztenKitzen
-
SpätgesetzteKitzehabenungünstigereWachstumsbedingungenim
Sommer,dadieGeißnichtdiebesteÄsungzuBeginndesSommersnutzen
kann
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-
SpätgesetzteKitzehabenwenigerZeitumeinMindestgewichtvorEintritt
desWinterszuerreichen
-
SpätgesetzteKitzehabeneinegeringereChancedenerstenWinterihres
Lebenszuüberstehen.
-
SpätbeschlagenenundspätsetzendeGeißenhabenebenfallsverminderte
ChancenihreFeistreservenfürdenkommendenWinteraufzubauen,waszu
erhöhterWintersterblichkeit(jenachWinterstrenge)undzugeringeren
SetzgewichtendernächstenKitzgenerationführt
EinausgewogenesGeschlechterverhältnisistderzentraleFaktorzurStabilisierung
undnachhaltigenNutzungeinesGamsbestandes.Danebensolltediejagdliche
PlanungdieMöglichkeitvorsehendieMittelklassebeiBöckenundGeißennichtzu
sehrzuübernutzenundMechanismenzufördern,dieeserlauben,dassvorallem
beidenbegehrtenBöckenausreichendTiereindiefortpflanzungsaktiveundsozial
reifeAltersgruppederüber11Jährigenhineinwachsenkönnen.
Gutachterliche Stellungnahme zu den Abschussrichtlinien im Kanton Wallis
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4. EmpfehlungfürdasGamswild-Management
DieGamswild-ZählungenundAuswertungenderStreckenimKantonWallislassen
aufeinenBestandschließen,dereinendeutlichenÜberhanganGeißengegenüber
Böckenaufweist.DieHauptparameterderBestandsstrukturisteinausgeglichenes
Geschlechterverhältnis.DeshalbsolltendieGämsmodelledaraufzielenden
AbschussvonweiblichenTierenimVergleichzumännlichenTierenzufördern.
EineMöglichkeitdafürwäreesdenGrundanspruchaufeinenBockabschussandie
ErlegungeinerGeiß–odereinesGeißjährlings–zuknüpfen.
FührendeGeißensindnatürlichgeschützt.InanderenLändernistesgrundsätzlich
möglichauchKitzezuerlegenumdanachauchdiedazugehörigeGeißerlegenzu
können.DerartigeFreigabensolltenabernurimZusammenhangdesgesamten
GämswildmanagementinsAugegefasstundnurvoneinemerfahrenen
Personenkreisdurchgeführtwerden.NichtführendeGeißensindnichtautomatisch
dauerhaftgeltgehend,sondernkönnenwieobenbeschriebenauchbisinshohe
AlterKitzeführen.
InnatürlichenPopulationenhabenJährlingeeinegrundsätzlichhohe
Überlebenswahrscheinlichkeit.TrotzdemistderAbschussindieserGruppe
notwendig,wenneinebestimmteBejagungsintensitäterwünscht,bzw.notwendig
istundderAbschussvonGeißenausGründendesMuttertierschutzeseingeschränkt
ist.TrotzdemsolltemansichvorAugenhalten,dassdieKruckenlängenicht
automatischeinHinweisaufdieKondition,dieÜberlebensfähigkeitundder
KruckenlängedeserwachsenenTieresist.Die„Auslese“inderGruppederJährlinge
istalsonurbeschränktmöglich.EinerseitsspiegeltdasKörpergewichtunddas
WachstumsderJährlingskruckendieWachstumsbedingungenimzweiten
LebensjahrdesTiereswieder(RughettiundFesta-Bianchet,2012).Andererseits
könnendieebenfallsgroßenWachstumsabschnittederzwei-bisdreijährigenGams
eingeringeresWachstumdesJährlingsabschnittskompensieren(Corlatti,2016).
JährlingemitimVergleichzuanderenJährlingenkürzerenKruckenkönnenzu
starkenBöckenheranwachsen–odernicht.DieAussagekraftdieses
AuslesekriteriumsistwenigerverlässlichwiedasKörpergewicht.SchwacheJährlinge
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solltenstetsvorstarkenJährlingenerlegtwerden.Daaberentsprechende
klimatischeBedingungenzujährlicheSchwankungenimdurchschnittlichenGewicht
vonJährlingenführenkann,solltedieserUmstandbeiderSanktionierungvon
eventuellenAbschüssenstarkerJährlingeberücksichtigtwerden.
GrundsätzlichsolltenatürlichauchderEinflussvonSeuchenzügen(Gämsblindheit,
Babesiose),hohenFallwildverlustenimWinteroderresidentenGroßprädatorenwie
derLuchsbeiderFreigabeberücksichtigtwerden.
Rottach-Egern,30.10.2016
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5. VerwendeteLiteratur
Bocci,A.,G.Canavese&S.Lovari,2010.Evenmortalitypatternsoftthetwosexesin
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Corlatti,L.,Lebl,K.,Filli,F.&Ruf,T.(2012a):Unbiasedsex-specificsurvivalinAlpine
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Corlatti,L.,Béthaz,S.,vonHardenberg,A.,Bassano,B.,Palme,R.&Lovari,S..
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themechanismsoflifehistorytrade-off.–AnimalBehaviour84:1061-1070.
Corlatti,L.,Palme,R.&Lovari,S.(2014):Physiologicalresponsetoetho-ecological
stressorsinmaleAlpinechamois:timescalematters!–Naturwissenschaften101:
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Corlatti,L.2016.WissenschaftlicheForschung–Beiträgezumnachhaltigen
Gamswildmanagement.In:HeimatwildAlpengamsnachhaltigerhalten,Symposium
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M.RughettiundM.Festa-Bianchet,2012.Effectsofspring–summertemperature
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Stringham,S.F.undA.B.Bubenik1975.ConditionPhysiqueettauxdesurviedu
chamois(RupicaprarupicapraL.)enfonctiondesclassesd´ageetdesexedela
population.Bulldel´OfficedelaChasseEtudesScientifiquesetTechniques.Special
No.3:199-224.
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