Stand: 05 - Unternehmerverband

Fremdpersonal im Betrieb
Rechtliche und praktische Hinweise
für M+E-Unternehmen
Februar 2017
Impressum
©
Februar 2017
Arbeitgeberverband Gesamtmetall
(Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V.)
Voßstraße 16, 10117 Berlin
Telefon 030/55150-0
Telefax 030/55150-400
[email protected]
www.gesamtmetall.de
Ansprechpartner: Sibylle Talkenberg
Bearbeitet: Sibylle Talkenberg, Kai Schattenberg
Dieser Leitfaden ist mit großer Sorgfalt erstellt worden, er ersetzt jedoch nicht die Beratung im Einzelfall.
Mit der Bitte um Verständnis wird darauf hingewiesen, dass keinerlei Haftung übernommen wird.
I
Vorbemerkung
Fremdpersonaleinsatz ist als
 Zeitarbeit (Leiharbeit) oder im Rahmen
 von Werkverträgen / Dienstverträgen möglich.
Für die Praxis ist es von entscheidender Bedeutung, diese beiden Formen voneinander zu
unterscheiden, da sie völlig unterschiedlichen rechtlichen Regeln unterliegen. Diese Unterscheidung wird umso wichtiger, wenn der Einsatz des Fremdpersonals im Rahmen von
Werk- oder Dienstverträgen auf dem auf dem eigenen Betriebsgelände erfolgt. Werden die
Gestaltung des Werk- oder Dienstvertrages und dessen Durchführung nicht klar von der Arbeitnehmerüberlassung abgegrenzt, drohen erhebliche Sanktionen und fühlbare wirtschaftliche Nachteile.
Dieser M+E-Leitfaden bedurfte einer grundlegenden Überarbeitung wegen der Reform des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), des Betriebsverfassungsgesetzes und anderer
Gesetze. Diese neuen gesetzlichen1 Restriktionen und verschärften Sanktionen ab dem 1.
April 2017 machen eine anfängliche und fortlaufende Kontrolle der Vertragsverhältnisse in
der Praxis unabdingbar und verlangen größte Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung. Es kommen die folgenden Sanktionen in Betracht:
 Eine Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher unter gleichzeitiger
Fiktion eines grundsätzlich unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Entleiher
 Bußgeld von bis zu 500.000 EUR sowie ein Eintrag in das Gewerbezentralregister
2
 Haftung für Sozialversicherungsbeiträge sowie Ausfallhaftung für die Lohnsteuer
 Mögliche Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB
Entscheidend für die Bewertung des Fremdpersonaleinsatzes im Betrieb entweder als
Arbeitnehmerüberlassung oder als Werk-/Dienstvertrag ist neben der Vertragsgestaltung die praktische Durchführung im Betriebsalltag! Eine fehlerfreie Vertragsgestaltung ist notwendig, aber allein nicht ausreichend.
Die nachfolgenden Hinweise richten sich einerseits an Verbandsmitarbeiter in der Beratung
und andererseits an alle Personen im Unternehmen oder Betrieb, die für den Einsatz fremder
Arbeitnehmer Verantwortung tragen. In allen Zweifelsfällen sollte die Beratung des Verbandes rechtzeitig in Anspruch genommen werden.
Praxishinweis: Die Handlungsmöglichkeiten bei der Arbeitnehmerüberlassung sind völlig
andere als bei Beschäftigten von Werkvertragsunternehmen. Daher ist eine Schulung der
Führungskräfte (bzw. weiterer Betriebsebenen) über die Unterschiede und die daraus resultierenden praktischen Folgen unbedingt zu empfehlen.
Neben neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen sind gegebenenfalls auch tarifliche Regelungen zur Überlassungshöchstdauer der Tarifvertragsparteien der M+E-Industrie und zum
Equal Pay der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche zu beachten.
1
Für die folgenden Ausführungen basieren die Paragrafenangaben auf der Textfassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ab dem 1. April 2017.
2
§ 42d Abs. 6 EStG spricht nur von Arbeitnehmerüberlassung „im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995
(BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S.
2854) geändert worden ist“. Eine Anpassung des § 42d Abs. 6 EStG erfolgte im Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nicht.
II
INHALTSVERZEICHNIS .......................................................................................................... Seite
Vorbemerkung ............................................................................................................................... I
Kapitel A: Abgrenzung - Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag? .................................. 1
I. Grundsätze für die Abgrenzung ................................................................................................ 1
II. Vertragstypen für Fremdpersonaleinsatz ................................................................................ 2
1. Arbeitnehmerüberlassung ....................................................................................................... 2
2. Werkvertrag / Werklieferungsvertrag ...................................................................................... 3
3. Selbstständiger Dienstvertrag ................................................................................................. 3
III. Abgrenzung .............................................................................................................................. 4
1. Vorgehen bei Abschluss eines Werk-/Dienstvertrages ......................................................... 4
2. Abgrenzungskriterien .............................................................................................................. 5
a) Weisungsbefugnis des Werk-/Dienstleistungsunternehmers .................................................. 5
b) Genaue Beschreibung des herzustellenden Werks oder der Tätigkeit im Vertrag .................. 6
c) Werk-/Dienstvertragsfähige Leistung ..................................................................................... 6
d) Fachliche Kompetenz der Fremdfirma ................................................................................... 7
e) Keine Gestellung von Arbeitsmitteln und -materialien an die Fremdfirma............................... 7
f) Selbstständige Organisation des Arbeitsablaufs durch die Fremdfirma .................................. 7
g) Unternehmerrisiko ................................................................................................................. 8
h) Personalgestellung durch Fremdfirma als Nebenleistung ...................................................... 8
i) Personalgestellung durch Fremdfirma als Folgeleistung ........................................................ 8
j) Gewährleistung ...................................................................................................................... 9
k) Erfolgsorientierte Abrechnung ................................................................................................ 9
Kapitel B: Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG .............................................................. 10
I. Voraussetzungen rechtmäßiger Arbeitnehmerüberlassung ................................................. 11
1. Erlaubnis des Verleihers ........................................................................................................ 11
a) Erlaubnispflicht .................................................................................................................... 11
b) Ausnahme: Anzeigepflicht anstatt Erlaubnispflicht bei der sog. „Kollegenhilfe“ .................... 11
c) Rechtsfolgen bei fehlender Erlaubnis ................................................................................... 11
aa) Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags und Fiktion des
Beschäftigungsverhältnisses zum Entleihbetrieb........................................................... 12
bb) Ausnahme von der Unwirksamkeit: Festhaltenserklärung des
Leiharbeitnehmers ........................................................................................................ 12
cc) Grundsatz des unbefristeten Arbeitsverhältnisses ......................................................... 14
dd) Arbeitsverhältnis in Teilzeit?.......................................................................................... 15
ee) Arbeitsbedingungen ...................................................................................................... 15
III
ff)
Ausschlussfristen und Verjährung ................................................................................. 16
gg) Geldbuße gemäß AÜG / Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), Strafbarkeit ................. 17
hh) Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer ............................................. 17
2. Anforderungen an die Überlassung und den Überlassungsvertrag ................................... 18
a) Schriftform ........................................................................................................................... 18
b) Inhalt des Vertrags ............................................................................................................... 18
c) Offenlegungspflichten im Rahmen der Überlassung für Entleiher ........................................ 19
aa) Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassung .................................................................. 19
bb) Konkretisierung des Leiharbeitnehmers vor der Überlassung ....................................... 20
cc) Rechtsfolgen bei Verletzung der Offenlegungspflichten ................................................. 21
d) Informationspflichten gegenüber dem Leiharbeitnehmer ...................................................... 24
3. Überlassungshöchstdauer (vorübergehende Überlassung) ............................................... 24
a) Gesetzliche Vorgaben.......................................................................................................... 24
aa) Gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ............................................... 24
bb) Begriff des Einsatzes .................................................................................................... 25
cc) Berechnung der Überlassungshöchstdauer .................................................................. 25
dd) Karenzzeit von drei Monaten......................................................................................... 29
ee) Bestandsschutz............................................................................................................. 30
b) Tarifliche Vorgaben .............................................................................................................. 30
aa) Öffnungsklausel für tarifliche und betriebliche Regelungen ........................................... 30
bb) Handlungsoptionen für T-Betriebe................................................................................. 31
cc) Handlungsoptionen für OT-Betriebe .............................................................................. 31
c) Rechtsfolgen bei Überschreiten der Überlassungshöchstdauer ........................................... 31
aa) Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher ............................... 32
bb) Ausnahme: Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers ............................................. 32
cc) Sonstige Sanktionen ..................................................................................................... 33
4. Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer
(Verbot des Kettenverleihs) ................................................................................................... 34
5. Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay und Equal Treatment) ............................................. 34
a) Gesetzliche Vorgaben.......................................................................................................... 34
aa) Vorgaben des Equal Treatment Grundsatzes ............................................................... 34
bb) Das Arbeitsentgelt: Der Equal Pay Grundsatz ............................................................... 36
b) Ausnahmen vom Gleichstellungsgrundsatz ......................................................................... 37
aa) Tariföffnungsklausel ...................................................................................................... 37
bb) Drehtür-Klausel ............................................................................................................. 40
cc) Fristberechnung ............................................................................................................ 40
dd) Frist unternehmens- oder betriebsbezogen ................................................................... 41
ee) Karenzzeit ..................................................................................................................... 42
IV
ff)
Bestandsschutz............................................................................................................. 42
c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen den Gleichstellungsgrundsatz ................................... 42
II. Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AÜG.................................................................. 43
1. § 1 Abs. 1a AÜG - Abordnung zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) ................................ 43
2. Ausnahmen nach § 1 Abs. 3 AÜG ......................................................................................... 44
a) § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG – Überlassung zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassung ...... 45
b) § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG – Konzernprivileg ............................................................................... 45
c) § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG – Gelegentliche Überlassung zwischen Arbeitgebern ...................... 46
d) § 1 Abs. 3 Nr. 3 AÜG – Auslandsverleih aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen ..... 47
III. Fragen der Sozialversicherung und Lohnsteuer ................................................................. 47
1. Sozialversicherungsbeiträge ................................................................................................. 47
a) Rechtmäßige Arbeitnehmerüberlassung .............................................................................. 47
b) Rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung ............................................................................. 48
2. Lohnsteuer.............................................................................................................................. 49
IV. Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung .............................................................. 49
1. EU-Mitgliedsstaat oder EWR-Staat........................................................................................ 50
2. Beitrittsländer ......................................................................................................................... 50
3. Drittstaat ................................................................................................................................. 50
4. Ausländerbeschäftigung ....................................................................................................... 50
V. Rechtsbeziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ......................................... 51
1. Arbeitgeberfunktion und Direktionsrecht ............................................................................. 52
2. Arbeitnehmererfindungen...................................................................................................... 52
3. Informationspflichten ............................................................................................................. 52
a) Auskunftspflicht über Arbeitsbedingungen ........................................................................... 52
b) Informationspflicht über freie Arbeitsplätze .......................................................................... 52
4. Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen.............................................................................. 52
5. Arbeitssicherheit .................................................................................................................... 53
6. Streikeinsatzverbot, § 11 Abs. 5 AÜG ................................................................................... 53
7. Betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Leiharbeitnehmer ......................................... 54
a) Betriebsratswahlen beim Entleiher ....................................................................................... 54
b) Betriebsverfassungsrechtliche Schwellenwerte im Entleiherbetrieb ..................................... 54
c) Sprechstunden und Versammlungen, Beschwerderecht ...................................................... 55
8. Fragen der Unternehmensmitbestimmung ........................................................................... 55
a) Beteiligung an den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ................................. 55
b) Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung.............................................................. 55
9. Beteiligung des Betriebsrats des Entleiherbetriebes .......................................................... 56
V
a) Allgemeiner Unterrichtungsanspruch, § 80 Abs. 2 BetrVG ................................................... 56
b) Personalplanung – § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG ........................................................................ 57
c) Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen – § 99 BetrVG ...................................... 57
aa) Informationsumfang ...................................................................................................... 57
bb) Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat ........................................................ 59
d) Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ....................................................................... 60
10. Vermittlungsprovisionen ..................................................................................................... 60
Kapitel C: Hinweise zum Einsatz fremder Arbeitnehmer im Rahmen von Werk- und
Dienstverträgen........................................................................................................................... 62
I. Vorgehen bei Abschluss eines Werk-/Dienstvertrages ......................................................... 62
1. Vertragsprüfung ..................................................................................................................... 63
2. Interne Prozesse..................................................................................................................... 63
3. Schulungskonzept ................................................................................................................. 63
4. Praktische Fehlerquellen vermeiden .................................................................................... 63
II. Sanktionen .............................................................................................................................. 64
III. Mitwirkungsrecht des Betriebsrats ....................................................................................... 65
1. § 80 Abs. 2 BetrVG ................................................................................................................. 65
2. § 99 BetrVG ............................................................................................................................. 68
3. § 92 BetrVG ............................................................................................................................. 68
IV. Arbeitssicherheit ................................................................................................................... 68
1. Verantwortlicher ..................................................................................................................... 68
2. Verkehrssicherungspflichten ................................................................................................ 69
3. Zusammenarbeit..................................................................................................................... 69
4. Verpflichtungserklärung ........................................................................................................ 69
Kapitel D: Hinweise für den Fall von Ermittlungen wegen unerlaubter
Beschäftigung von Leiharbeitnehmern ..................................................................................... 70
1
Kapitel A: Abgrenzung – Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag?
I. Grundsätze für die Abgrenzung
Sind Arbeiten im Betrieb zu leisten, für die eigene Beschäftigte nicht zur Verfügung stehen
oder nicht eingesetzt werden sollen, ist zunächst sorgfältig zu prüfen, auf welchem Weg der
Einsatz von Fremdpersonal möglich und zweckmäßig ist. In Betracht kommt
 das Entleihen von fremden Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung nach Weisung des Entleihers (Anwendungsfall des AÜG) oder
 die Beauftragung eines fremden Unternehmers im Rahmen eines Werk- bzw.
Werklieferungsvertrages oder selbstständigen Dienstvertrages mit von diesem gestellten Personal (Rechte und Pflichten richten sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB).
Für die Abgrenzung zwischen dem Einsatz eines Soloselbstständigen (Freier Mitarbeiter,
Freelancer) und dem Arbeitnehmerbegriff wird auf den M+E-Leitfaden „Übertragung von
Tätigkeiten auf Selbstständige“ verwiesen.
2
II. Vertragstypen für Fremdpersonaleinsatz
1. Arbeitnehmerüberlassung
In der Gesetzesneufassung ab dem 1. April 2017 wird in § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AÜG
die Arbeitnehmerüberlassung nun legal definiert:
„Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im
Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis. Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung
überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und
seinen Weisungen unterliegen.“
Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte hierdurch an der bestehenden Rechtslage
nichts geändert werden:3
„In § 1 Absatz 1 wird im bisherigen Satz 1 durch den Klammerzusatz die Legaldefinition
der Arbeitnehmerüberlassung hervorgehoben. Der bisherige Anwendungsbereich des
AÜG und die Reichweite der Erlaubnispflicht werden hierdurch nicht verändert. Die
Regelung des Satzes 2 bestimmt entsprechend der Rechtsprechung, unter welchen
Voraussetzungen ein Arbeitnehmer überlassen wird und dient damit der Abgrenzung
zwischen dem Einsatz eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung und als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Werk- beziehungsweise Dienstvertrages.“
Das Bundesarbeitsgericht (BAG)4 hat bislang Arbeitnehmerüberlassung wie folgt definiert:
„Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG aF liegt
vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen
Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in
dessen Interesse ausführen.“
Das heißt weiterhin: Werden die fremden Arbeitskräfte wie eigene Arbeitnehmer in den
Betrieb eingegliedert, um sie vor allem nach Weisungen der betrieblichen Vorgesetzten arbeiten zu lassen, handelt es sich bei dem beabsichtigten Einsatz von Fremdpersonal um
Arbeitnehmerüberlassung5 (Leiharbeit/Zeitarbeit), vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG.
Soweit sich der Vertrag und die Vertragsdurchführung widersprechen, kommt es wie bisher6 auf die tatsächliche Durchführung an (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG).
Zu beachten ist auch, dass die fremden Arbeitnehmer weiterhin nur von einem Unternehmen entliehen werden dürfen, das die für Arbeitnehmerüberlassung erforderliche behördliche Erlaubnis (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG) besitzt.
3
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 19.
BAG v. 13.08.2008 – 7 AZR 269/07.
5
Für die bessere Lesbarkeit des Textes werden entsprechend der EU-Leiharbeitsrichtlinie
(2008/104/EG) im Text die Begriffe Leiharbeitnehmer, Verleiher und Entleiher verwandt.
6
BAG v. 15.04.2014 – 3 AZR 395/11.
4
3
2. Werkvertrag / Werklieferungsvertrag
Soll ein anderer Unternehmer mit Hilfe seiner Arbeitnehmer selbstständig für den Auftraggeber ein Arbeitsergebnis herbeiführen (im juristischen Sprachgebrauch „ein Werkteil bzw.
ein ganzes Werk herstellen“), ist ein Werkvertrag / Werklieferungsvertrag7 gewollt. Gegenstand eines solchen Vertrages muss entweder die teilweise oder komplette Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein anderer herbeizuführender Erfolg, also ein konkretes Arbeitsergebnis, sein (§§ 631, 651 BGB). Die fremden Arbeitnehmer (zum Beispiel auf
dem Betriebsgelände) sind dann im juristischen Sinne „nur“ Erfüllungsgehilfen des Auftragnehmers gemäß § 278 BGB.
Beispiel:
Verträge mit Handwerkern, beispielsweise die Reinigung eines verstopften Abflussrohres.
Die Herstellung von Armaturenbrettern, die in ein Auto eingebaut werden sollen.
3. Selbstständiger Dienstvertrag
Soll ein anderer Unternehmer selbstständig mit Hilfe seiner Arbeitnehmer eine Dienstleistung unter eigener Verantwortung und nach eigenem Plan erbringen, ohne dass seine Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation integriert werden müssen, ist ein selbstständiger
Dienstvertrag gewollt.8
Beispiel:
Ein selbstständiger Dienstvertrag (und damit keine Arbeitnehmerüberlassung) ist in der Regel
9
der Einsatz von Wachmännern eines Bewachungsunternehmens.
Praxishinweis: Die Überlassung eines Leiharbeitnehmers als „freier Mitarbeiter“ ist nicht
möglich. Die Eingliederung in den Betrieb des Entleihers als Leiharbeitnehmer, insbesondere die dortige Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort sowie Art und Weise der Arbeitsleistung ist mit dem Status eines freien Mitarbeiters unvereinbar, vgl. nun auch § 611 a
BGB.
Anders als die Überlassung kann die bloße Vermittlung von „freien Mitarbeiter“ dann in
Betracht gezogen werden, wenn eine Eingliederung und die Weisungsgebundenheit dieser
Person sicher ausgeschlossen werden können. Es ist jedoch eine genaue Prüfung in der
Praxis notwendig, da besonders hohe sozialversicherungsrechtliche Risiken entstehen
können. Der „Vermittler“ führt für den freien Mitarbeiter weder den Arbeitgeber- noch den
Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ab. Wird der freie Mitarbeiter
aufgrund der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit als Arbeitnehmer des Einsatzbetriebes angesehen, können unter anderem auf diesen hohe Nachforderungen der Sozialversicherungsträger zukommen.
7
Der Werklieferungsvertrag ist als Sonderform des Werkvertrages dadurch gekennzeichnet, dass
der Unternehmer sich verpflichtet, das Werk aus eigenen oder von ihm zu beschaffenden Stoffen
herzustellen.
8
BAG v. 14.08.1985 – 5 AZR 225/84.
9
BAG v. 31.03.1993 – 7 AZR 338/92; BAG v. 05.05.1992 – 1 ABR 78/91; BAG v. 28.11.1989 –
1 ABR 90/88.
4
III. Abgrenzung
Die Abgrenzungsfrage zwischen Arbeitnehmerüberlassung einerseits und Werk-/ Dienstvertrag andererseits kann sich insbesondere stellen, wenn beabsichtigt ist,
 einen Dienst-/Werkvertrag abzuschließen und
 die Arbeitsleistung der fremden Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände erbracht werden muss.
1. Vorgehen bei Abschluss eines Werk-/Dienstvertrages
Dem Unternehmer steht die Entscheidung frei, welche Arbeiten er mit eigenen Arbeitnehmern erledigen möchte und für welche Tätigkeit er sich der Angebote anderer Firmen bedient. Dabei kann sowohl die aufgrund eines Dienstleistungsvertrages geschuldete Dienstleistung erbracht als auch das aufgrund eines Werkvertrages zu erbringende Werk auch im
Betrieb des Arbeitgebers erstellt werden.10
Soll ein Auftrag vergeben werden, der zum Einsatz fremder Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände zur Verrichtung von Montage-, Reparatur-, Wartungs- oder sonstigen Arbeiten führt, ist die Abgrenzung insbesondere zur Arbeitnehmerüberlassung arbeitsrechtlich
dringend geboten.
Es empfiehlt sich, eine erste Überprüfung anhand der nachfolgend dargestellten Abgrenzungskriterien und des beigefügten Rasters (Prüfbogen für Werkvertrag, Anlage 2) vorzunehmen.
Der Gesetzgeber hat aufgrund heftiger Debatten auf gesetzliche Kriterien zur Abgrenzung
verzichtet.11 Der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales12 hat ferner festgestellt,
„dass mit der Definition der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG die derzeitige Rechtslage nicht geändert werden solle, etwa bei der Beauftragung von Beratungsunternehmen. Das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit
beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken. Die Neuregelung solle dem
sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des
kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel
in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und
IT-Einführungsprojekten anzutreffen sind.“
Folglich kommt es auch weiterhin auf die durch die Rechtsprechung entwickelten, zahlreichen und unterschiedlich gewichteten Abgrenzungskriterien an.13
Praxishinweis: Allein eine „saubere“ vertragliche Gestaltung des Einsatzes von Fremdpersonal ist nicht ausreichend, die tatsächliche Durchführung ist von erheblichem Gewicht. §
12 Abs. 1 Satz 2 AÜG stellt klar, dass für die rechtliche Einordnung des Vertrages die tatsächliche Durchführung maßgebend ist. Damit wird laut der Gesetzesbegründung14 die bisherige Rechtsprechung des BAG15 übernommen.
10
BAG v. 09.07.1991 – 1 ABR 45/90.
vgl. ursprünglicher Referentenentwurf des BMAS v. 16.11.2015.
12
Beschlussempfehlung v. 19.10.2016 des Bundestagausschusses Arbeit und Soziales
(BT-Drs. 18/10064, Seite 13/14).
13
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 31 f.
14
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 28.
15
BAG v. 15.4.2014 – 3 AZR 395/11.
11
5
Aus dieser gesetzlichen Klarstellung folgt, dass beispielsweise in der betrieblichen Praxis
die Durchführung der Vertragsverhältnisse fortlaufend geprüft werden sollte und Führungskräfte regelmäßig geschult werden sollten (siehe C. I. 3.).
2. Abgrenzungskriterien
Über die für die Unterscheidung in der Praxis wesentlichen Gesichtspunkte unterrichtet zusätzlich das beigefügte Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit zur „Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von
Werk- und selbstständigen Dienstverträgen sowie anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes“ (Anlage 1).
In der betrieblichen Praxis empfiehlt es sich, neben den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, von den im Merkblatt der Bundesagentur dargelegten Grundsätzen auszugehen, weil die Bundesagentur nach § 17 AÜG dafür zuständig ist, die Einhaltung der bei der
Arbeitnehmerüberlassung zu beachtenden Regeln durchzusetzen. Das Merkblatt ist für die
Praxis eine gute Hilfe und entspricht in wesentlichen Teilen 1:1 der Rechtsprechung.
Wird ein Werk(-lieferungs)- oder Dienstvertrag abgeschlossen, obwohl es sich tatsächlich
um Arbeitnehmerüberlassung handelt, hat dieser Fremdpersonaleinsatz nach neuer
Rechtslage weitreichende Konsequenzen.
Bei der Abgrenzung von Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung sind – entsprechend der Praxis der Bundesagentur für Arbeit – vor allem die nachfolgenden Kriterien
maßgebend, wobei jedoch nicht einzelne Gesichtspunkte, sondern das Gesamtbild den
Ausschlag gibt.
Zu beachten ist, dass einige der folgenden Kriterien nur auf Werkverträge, nicht jedoch auf
Dienstverträge anwendbar sind (siehe A. III. 2. j) und k)).
a) Weisungsbefugnis des Werk-/Dienstleistungsunternehmers
Bei einem Werk-/Dienstvertrag dürfen die Fremdarbeitnehmer Weisungen in Bezug auf die
Art und Weise, also wie und wo sie arbeiten, grundsätzlich nur von ihrem Arbeitgeber (dem
Werk-/Dienstleistungsunternehmer) erhalten.16
Der Auftraggeber darf arbeitsrechtliche Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse gegenüber den
Fremdarbeitnehmern nicht ausüben. Soweit dem Auftraggeber geeignete Arbeitskräfte
überlassen werden, die er nach eigenen betrieblichen Erfordernissen in seinem Betrieb
nach seinen Weisungen einsetzt, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor (§ 1 Abs. 1 Satz 2
AÜG).17
Unschädlich sind betriebsspezifische Hinweise (z. B. wegen besonderer Gefahrenquellen
im Betrieb) und Anweisungen, die sich ausschließlich auf die Ausführung des Werkes beziehen, z. B. Umfang der vorzunehmenden Reparatur, und nicht auf die Art und Weise der
Arbeit (sog. werkbezogene Weisungen gemäß § 645 Abs. 1 BGB).
Praxishinweis: Die Arbeitnehmer des Dienst- oder Werkunternehmers bleiben auch bei ihrer Tätigkeit auf einem fremden Betriebsgelände in die Organisation ihres VertragsArbeitgebers eingegliedert und nur dessen Weisungen unterstellt.
16
17
BAG v. 09.11.1994 – 7 AZR 217/94.
BAG v. 06.08.2003 – 7 AZR 180/03.
6
Da die Unterscheidung zwischen arbeitsvertraglichen Weisungen und werkbezogenen Anweisungen schwierig sein kann, sollten Wünsche oder Anforderungen, die die vereinbarte
Leistung konkretisieren, nur direkt an die Leitung der Fremdfirma oder deren im Betrieb
anwesenden Bevollmächtigten, nicht aber unmittelbar an einen Fremdarbeitnehmer gerichtet werden. Ein solches Repräsentantenprinzip sollte bereits im Vertrag vereinbart und im
Betrieb etabliert werden.
Gleiches gilt für die Erteilung von Einzelaufträgen bei der Durchführung einer Rahmenvereinbarung. Bereits bei Vertragsabschluss sollte der Ansprechpartner benannt werden. Im
Rahmen von IT-Dienstleistungen beispielsweise ist ein sog. Ticket-System zu empfehlen,
um Einzelanweisungen durch Mitarbeiter des Auftraggebers zu vermeiden.
Ebenfalls sollte bei der Durchführung von Werk-/Dienstverträgen die namentliche Anforderung bestimmter Personen, z. B. bei Ingenieuren oder IT-Leistungen, vermieden werden.
b) Genaue Beschreibung des herzustellenden Werks oder der Tätigkeit im Vertrag
Unbestimmte Vertragsinhalte (z. B. „Kabelarbeiten“, „Montage“, „Schweißen“) sprechen für
Arbeitnehmerüberlassung. Denn sie erschweren es, festzustellen, welches Werkergebnis
bzw. welche Dienstleistung dem Auftragnehmer zuzuordnen ist und wer dessen Arbeitnehmer tatsächlich einsetzt. Deshalb muss dann, wenn der Auftrag bei Vertragsabschluss
im Einzelnen nicht genau beschrieben wird, weil für die einzelnen Realisierungsschritte
Leistungszeitpunkt, -inhalt oder -umfang noch nicht bestimmbar sind (z. B. bei Erstellung
eines Personalabrechnungssystems, Reparaturarbeiten an einer Anlage), wenigstens das
Ergebnis als Ziel klar definiert sein (z. B. „Reparatur der Anlage ... im Werk ...“ / „Schulung
der Meister zum Thema Arbeitssicherheit“; nicht „Überlassung von zwei Monteuren für Reparaturarbeiten“ / „Schulung allgemein“).
Eine bis ins Detail gehende Aufgabenbeschreibung, die kaum eigenen Gestaltungsspielraum für den Auftragnehmer lässt, spricht nicht gegen einen Werk-/ Dienstvertrag.18
c) Werk-/Dienstvertragsfähige Leistung
Ein Werk-/Dienstvertrag ist nur möglich, wenn die zu erbringende Leistung für die Vergabe
im Rahmen eines solchen Vertrages überhaupt geeignet ist.19 Daran kann es z. B. fehlen,
wenn eine Fülle von Kleinstaufträgen (z. B. Schweißnähte, Verputzarbeit geringen Umfangs
im Leistungslohn) oder einfache nicht erfolgsbezogene Arbeiten (z. B. Schreibarbeiten, einfache Zeichenarbeiten, Maschinenbedienung, Dateneingabe) vergeben werden; in vielen
dieser Fälle wird der Vertrag auf die bloße Überlassung von Arbeitskräften gerichtet sein.
Andererseits muss ein Werk-/Dienstvertrag nicht umfangreiche und komplizierte Arbeiten
zum Gegenstand haben. So können werk-/dienstvertragsfähige Leistungen z. B. auch sein:
Reinigen von Maschinen, Montieren kleiner Baugruppen, Putzen von Gussteilen, Lackieren
von auszuliefernden Maschinen oder Anfertigen von Verpackungskisten.
Ob die fremden Arbeitnehmer diese Arbeiten aufgrund eines Werk-/Dienstvertrages oder im
Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung verrichten sollen, ist unter Berücksichtigung der
sonstigen Abgrenzungskriterien im Hinblick auf die vorgesehene Gestaltung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses zu beurteilen.
18
19
BAG v. 18.01.2012 – 7 AZR 723/10.
LAG Berlin-Brandenburg v. 12.12.2012 – 15 Sa 1217/12.
7
d) Fachliche Kompetenz der Fremdfirma
Ein Werk-/Dienstvertrag setzt in der Regel voraus, dass die Fremdfirma über die fachliche
bzw. personelle Ausstattung verfügt, um die vereinbarte Leistung selbstständig planen, organisieren, durchführen und überwachen zu können.
e) Keine Gestellung von Arbeitsmitteln und -materialien an die Fremdfirma
Beim Werkvertrag ist es üblich, dass die Arbeitskräfte des fremden Unternehmens das benötigte Werkzeug und die Arbeitsmaterialien selbst mitbringen. Auf der anderen Seite ist es
aber kein Indiz für Arbeitnehmerüberlassung, wenn der Auftraggeber nur für den Auftrag
benötigtes Spezialwerkzeug oder Spezialmaterialien zur Verfügung stellt.
Auf Arbeitnehmerüberlassung kann es dagegen hindeuten, wenn die Arbeitskleidung vom
Auftraggeber gestellt wird.20
Praxishinweis: Ist es für die Vertragsdurchführung aus verschiedenen Gründen sinnvoller,
dass der Auftragnehmer auch Arbeitsmaterialien des Einsatzbetriebes nutzt, so ist bei der
Vertragsgestaltung zu empfehlen, Regelung zur Nutzungsgebühr und insbesondere zu Haftungsfragen nach den zivilrechtlichen Grundsätzen zu regeln.
f) Selbstständige Organisation des Arbeitsablaufs durch die Fremdfirma
Notwendiges Merkmal des Werk-/Dienstvertrages ist, dass der fremde Unternehmer Art,
Ablauf und Einteilung der Arbeiten selbst bestimmt und überwacht. Typischerweise umfasst
dies die Auswahl der eingesetzten Arbeitnehmer (Zahl, Qualifikation und Person), die Ausbildung und Einarbeitung, die Bestimmung der Arbeitszeit und die Anordnung von Überstunden, die Gewährung von Urlaub und Freizeit, die Durchführung der Anwesenheitskontrolle und die Überwachung des Arbeitsablaufs.
Praxishinweis: Das Abrufen einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern sollte vermieden
werden. Im Einzelfall kann ein solches aber auch zulässig sein, beispielsweise für das Sicherheitsgewerbe.21
Hingegen spricht die organisatorische Eingliederung der Fremdarbeitnehmer in die Arbeitsabläufe oder in den Produktionsprozess des Auftraggeberbetriebs grundsätzlich für Arbeitnehmerüberlassung.
Eine solche organisatorische Eingliederung ist aber nicht schon allein deshalb gegeben,
weil die Fremdarbeitnehmer besondere, nur für den Betrieb des Auftraggebers geltende Sicherheitsvorschriften beachten müssen oder weil die Arbeiten auf den Betriebsablauf abgestimmt werden, um Störungen soweit wie möglich zu vermeiden (z. B. bei Instandhaltungsarbeiten, Anlageanbauten oder -erweiterungen).
Gegen einen Werk-/Dienstvertrag spricht auch nicht, dass die eigenen und die fremden Arbeitnehmer vergleichbare Arbeiten durchführen, sofern die Ergebnisse voneinander abgrenzbar sind (z. B. Softwareerstellung durch eigene und fremde Arbeitnehmer für verschiedene Projekte). Dagegen sollte der Auftrag keine Aufgaben enthalten, die früher von
eigenen Beschäftigten des Einsatzbetriebes ausgeführt wurden. 22
20
LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 30.09.2014 – 2 Sa 76/14.
BAG v. 18.01.2012 – 7 AZR 723/10.
22
ErfK/Wank, § 1 AÜG, Rn. 14.
21
8
Praxishinweis: Die Bildung gemeinsamer Arbeitsgruppen oder die gemeinsame Benutzung derselben Räume bei vergleichbaren Tätigkeiten (z. B. eigene und fremde Konstrukteure im selben Büro; nicht aber Montagearbeit eines fremden Elektrikers im Konstruktionsbüro) kann für Arbeitnehmerüberlassung sprechen und sollte vermieden werden:
Des Weiteren sprechen die Ausstattung der fremden Arbeitnehmer mit Telefonnummern
und E-Mail-Adressen des Auftraggebers sowie die Aufnahme in die jeweiligen Telefon-/
Mailverzeichnisse für Arbeitnehmerüberlassung. Von einer solchen betrieblichen Handhabung ist dringend abzuraten.
g) Unternehmerrisiko
Typisch für einen (Werk-/Dienstleistungs-)Unternehmer ist auch, dass er sich in der Regel
gegen Haftungs- und Gewährleistungsrisiken absichert (Versicherung, Rückstellungen).
Praxishinweis: Daher sollte ein wesentliches Merkmal auf der Vertragsgestaltung liegen –
etwa durch die Verpflichtung zum Nachweis einer verkehrsüblichen Haftpflichtversicherung.
h) Personalgestellung durch Fremdfirma als Nebenleistung
Wird als Nebenleistung eines Kauf- oder Mietvertrages über Anlagen, Geräte, Systeme oder Programme Bedienungs-, Wartungs-, Montage- oder Einweisungspersonal überlassen
(z. B. Computer und Programme mit Einweisungspersonal, Spezialbaumaschine mit Fahrer, Flugzeug mit Pilot), ist in der Regel nicht von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.23
Maßgebend ist, ob nach Sinn und Zweck des Vertrages die Gebrauchsüberlassung des
Gerätes im Vordergrund steht und die Zurverfügungstellung des Personals nur die Funktion
hat, den Einsatz des Gerätes erst zu ermöglichen, oder ob der Vertrag schwerpunktmäßig
auf die Verschaffung der Arbeitsleistung des Personals gerichtet ist und die Überlassung
des Gerätes nur untergeordnete Bedeutung hat. Die Bundesagentur für Arbeit misst für die
Frage, ob die Personalgestellung bloße Nebenleistung ist, dem wirtschaftlichen Wert erhebliche Bedeutung zu. Der wirtschaftliche Wert der Anlagen, Geräte, Systeme oder Programme muss hiernach erheblich höher sein als der der Arbeitsleistung. Die Personalgestellung muss eindeutig als Nebenleistung anzusehen sein. Bei der Vermietung eines
Computers mit Schreibkraft wird daher in der Regel Arbeitnehmerüberlassung vorliegen.
i)
Personalgestellung durch Fremdfirma als Folgeleistung
Soweit eine Fremdfirma eigenes Personal als Folgeleistung stellt, ist in der Regel nicht von
Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.
Beispiele:
Eine Fremdfirma, die technische Produktionsanlagen, Einrichtungen oder Systeme herstellt
und errichtet, entsendet eigenes Stammpersonal zu einem Betreiber derartiger Anlagen, Einrichtungen oder Systeme, um typische Revisions-, Beratungs-, Reparatur-, Änderungs-, Erweiterungsarbeiten oder Ingenieurleistungen daran durchzuführen. Voraussetzung ist, dass
die Fremdfirma das Unternehmerrisiko trägt und ihre unternehmerische Dispositionsfreiheit
gewährleistet ist.
23
BAG v. 16.06.1982 – 4 AZR 862/79; BAG v. 17.02.1993 – 7 AZR 167/92.
9
Ein Zulieferer stellt eigenes Personal zum Einbau der gelieferten Teile oder Komponenten,
weil dies zur vertraglich vereinbarten Gesamtleistung gehört. Voraussetzung ist, dass der wirtschaftliche Wert der einzubauenden Teile denjenigen der Arbeitsleistung erheblich übersteigt.
Ein Unternehmen, das Software-Programme herstellt, stellt einem Anwender eigene Mitarbeiter zur Verfügung, um ein solches Programm auf dessen Anlagen ablauffähig zu machen oder
zu entwickeln. Auch hier ist Voraussetzung, dass das Software-Unternehmen das Unternehmerrisiko trägt und seine unternehmerische Dispositionsfreiheit gewährleistet ist.
Die folgenden Kriterien sind nur auf Werkverträge anwendbar:
j)
Gewährleistung
Zu einem Werkvertrag gehört auch, dass die gesetzlichen Gewährleistungspflichten des
Werkunternehmers nicht vertraglich abbedungen und dass sie, wenn die Voraussetzungen
erfüllt sind, auch tatsächlich durchgesetzt werden. Modifikationen der gesetzlichen Gewährleistung durch „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ oder durch die „Verdingungsordnungen
für Bauleistungen - VOB“ oder ähnliche Regelungswerke („Leistungs- und Honorarordnung
der Ingenieure - LHO“, „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI“) sind unschädlich.
k) Erfolgsorientierte Abrechnung
Bei Werkverträgen wird in der Regel ein Pauschalpreis oder die Berechnung der Vergütung
nach Einheitspreisen für Material- und Zeitaufwand, Aufmaß, Regiekosten oder ähnlichem
vereinbart. Die Abrechnung nach Stundensätzen kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn objektiv feststellbare Tatsachen vorliegen, die einer Kalkulierbarkeit entgegenstehen oder wenn im Rahmen bestimmter Regelungswerke (z. B. HOAI) die Abrechnung
nach Stundensätzen zugelassen wird. Auch in diesen Fällen deutet es aber auf Arbeitnehmerüberlassung hin, wenn nicht projektbezogen, sondern personenbezogen und periodisch
(z. B. monatlich) abgerechnet wird.
10
Kapitel B: Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG
Neben den zahlreichen bereits im AÜG vorhandenen Regelungen muss ab dem
1. April 2017 unter anderem besonders beachtet werden,
 dass Verleiher und Entleiher die Arbeitnehmerüberlassung zukünftig ausdrücklich als
solche im schriftlichen Überlassungsvertrag zu bezeichnen haben, bevor sie den
Leiharbeitnehmer24 tätig werden lassen (Bezeichnungspflicht in § 1 Abs. 1
Satz 5 AÜG).
 dass vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf
den Vertrag konkretisiert werden muss (Konkretisierungspflicht in § 1 Abs. 1 Satz 6
AÜG).
Praxishinweis: Ist zwar ein Werkvertrag vereinbart, werden die fremden Arbeitnehmer aber im Laufe des Einsatzes in die Betriebsorganisation eingegliedert und vom
Auftraggeber bzw. den betrieblichen Führungskräften wie eigene Arbeitnehmer behandelt – ihnen insbesondere Weisungen erteilt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit
von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Die neu eingeführte Bezeichnungs- und
Konkretisierungspflicht führt in diesen Fällen zu einem erheblichen Risiko für Entleiher- und Verleiher, da die Verletzung der formalen Pflichten nun auch zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher führt und Bußgelder drohen. Die „auf
Vorrat“ vorgehaltene Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (sog. Vorratserlaubnis) bietet keinen Schutz mehr vor dieser Rechtsfolge.25
 dass direkt zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis
bestehen muss, ein sog. Kettenverleih nun gesetzlich untersagt ist.
 dass für die Überlassung zudem zukünftig eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer
von 18 Monaten nach § 1 Abs. 1b AÜG gilt und von dieser nur unter den gesetzlichen
Voraussetzungen durch Tarifvertrag oder darauf basierend in einer Betriebsvereinbarung abgewichen werden kann.
 dass trotz Anwendung eines Entgelttarifvertrages der Zeitarbeitsbranche grundsätz-
lich gemäß § 8 AÜG nach neun Monaten der sog. Equal Pay Grundsatz gilt und davon nur durch Branchenzuschlagstarifverträge unter bestimmten Voraussetzungen
zeitlich unbegrenzt abgewichen werden kann.
24
Für die bessere Lesbarkeit des Textes werden entsprechend der EU-Leiharbeitsrichtlinie
(2008/104/EG) die Begriffe Leiharbeitnehmer, Verleiher und Entleiher verwandt.
25
Kock in BeckOK (Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching
42. Edition), AÜG § 1 Rn. 24.
11
I. Voraussetzungen rechtmäßiger Arbeitnehmerüberlassung
Mit § 1 AÜG in der neuen Fassung ergänzt der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die
Arbeitnehmerüberlassung, die ab dem 1. April 2017 wegen weitreichender Sanktionen unbedingt zu beachten sind.
1. Erlaubnis des Verleihers
a) Erlaubnispflicht
Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, grundsätzlich einer Erlaubnis.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verleiher Erwerbszwecke verfolgt. Die Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung ist keine Voraussetzung (mehr), sondern allein das
Kriterium der „wirtschaftlichen Tätigkeit“. Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt nach der
ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vor, wenn Dienstleistungen auf
einem bestimmten Markt angeboten werden.26 Davon ist bei der Zurverfügungstellung von
Personal regelmäßig auszugehen.
Dies hat zur Folge, dass auch Verleiher, die keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen (z. B.
karitative Unternehmen) sowie konzerninterne Verleihunternehmen die Arbeitnehmer zum
„Selbstkostenpreis“ ohne Gewinnerzielungsabsicht überlassen und ausschließlich ihre Kosten konzernintern in Rechnung stellen, vom AÜG erfasst werden.27
Die Erlaubnis muss vor dem ersten Verleih vorliegen. Sie kann bei den Regionaldirektionen
der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden, wobei überregional tätige Teams der
Agenturen für Arbeit in Düsseldorf, Kiel oder Nürnberg zuständig sind.28
b) Ausnahme: Anzeigepflicht anstatt Erlaubnispflicht bei der sog. „Kollegenhilfe“
Anders als die Privilegien des § 1 Abs. 1a und Abs. 3 AÜG (siehe B. II.) befreit § 1a Abs. 1
AÜG Arbeitgeber nur von der Einholung einer Erlaubnis im Falle der sog. „Kollegenhilfe“
(Kleinunternehmerprivileg).
Gemäß der Norm bedarf es keiner Erlaubnis, wenn
 ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten
 zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen
 für höchstens 12 Monate Arbeitnehmer überlässt und
 die Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt werden.
Erforderlich ist jedoch eine vorherige Anzeige an die zuständige Regionaldirektion. Bei der
„Kollegenhilfe“ finden darüber hinaus alle übrigen Vorgaben des AÜG Anwendung.29
c) Rechtsfolgen bei fehlender Erlaubnis
Für den Fall einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis drohen sowohl dem Verleiher
als auch dem Entleiher wie schon zur alten Rechtslage zahlreiche Konsequenzen.
26
EuGH v. 10.01.2006 – C-222/04.
Küttner, Personalbuch 2016, Nr. 34, Rn. 12.
28
Broschüre „Informationen zur Arbeitnehmerüberlassung“ der Bundesagentur für Arbeit, 12/2015.
29
Kock in BeckOK, AÜG § 1a, Rn. 5.
27
12
aa) Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags und Fiktion des Beschäftigungsverhältnisses
zum Entleihbetrieb
Bei Arbeitnehmerüberlassung ohne erforderliche Erlaubnis wird der Leiharbeitnehmer
kraft Gesetzes mit allen rechtlichen Konsequenzen Arbeitnehmer des Entleihers ab der
Aufnahme der Tätigkeit (§ 10 AÜG). Der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers mit dem
Verleiher ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG unwirksam.
Diese Folge tritt auch dann ein, wenn der Verleiher seine Arbeitgeberpflichten gegenüber
dem Leiharbeitnehmer korrekt erfüllt. Wie das BAG bestätigte, knüpfen die Rechtsfolgen
des § 10 AÜG – und damit auch des § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG – an die tatsächliche Überlassung des Arbeitnehmers beim Einsatzbetrieb und damit an die Erbringung von Arbeitsleistungen für den Einsatzbetrieb an.30
Der Eintritt der Rechtsfolgen der §§ 9, 10 AÜG hängt damit nicht vom Vertragsabschluss,
sondern von dem (i. d. R. nachgelagerten) Zeitpunkt ab, ab dem der Leiharbeitnehmer in
den Betrieb des Entleihers eingegliedert ist und für diesen Arbeitsleistungen erbringt.
Eine nachträgliche Erteilung der Erlaubnis hat hierbei keinen Einfluss auf die Unwirksamkeit und das kraft Gesetzes begründete Arbeitsverhältnis zum Entleiher.31 Ebenso unwirksam ist neben dem Arbeitsvertrag zum Verleiher der Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher.
Praxishinweis: Diese Regelung ist nicht vertraglich abdingbar.32 Die Fiktion tritt auch
unabhängig vom Willen oder von der Kenntnis des Verleihers und des Entleihers ein, d.h.
auch dann, wenn beide der Auffassung sind, es handele sich um einen Werk- oder Dienstvertrag und nicht um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung.
bb) Ausnahme von der Unwirksamkeit: Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers
Der Leiharbeitnehmer kann sich von dem kraft Gesetzes entstandenen Arbeitsverhältnis
durch eine sog. Festhaltenserklärung wieder lösen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG). Dafür muss er
innerhalb eines Monats nach Beginn der Überlassung gegenüber dem Verleiher oder
dem Entleiher schriftlich erklären, dass er an dem Vertrag mit dem Verleiher festhalten will
(Festhaltenserklärung). Ein im Vorfeld abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam (§ 9
Abs. 3 Satz 1 AÜG).
(1) Weitere Formale Voraussetzungen
Hierfür müssen nach § 9 Abs. 2 AÜG folgende Voraussetzungen gewahrt sein:
 der Leiharbeitnehmer muss die Erklärung persönlich einer Agentur für Arbeit vorlegen (Nr. 1),
 die Agentur für Arbeit muss die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages
der Vorlage und dem Hinweis versehen, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers
festgestellt hat (Nr. 2) und
 die Erklärung muss spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für
Arbeit dem Verleiher oder dem Entleiher zugehen (Nr. 3).
30
BAG v. 20.01.2016 – 7 AZR 535/13.
LAG Schleswig-Holstein v. 19.07.2012 – 5 Sa 474/11.
32
BAG v. 19.03.2003 – 7 AZR 267/02.
31
13
Praxishinweis: Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Vorlage der Festhaltenserklärung bei der Agentur für Arbeit automatisch zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens führt, da die Arbeitsagenturen gemäß § 17 Abs. 1 AÜG die zuständige Verfolgungsbehörde für die Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 16 AÜG ist (hier konkret § 16
Abs. 1 Nr. 1a AÜG). Im jeweiligen Einzelfall kann deshalb erwogen werden, einen Aufhebungsvertrag mit dem betroffenen Arbeitnehmer abzuschließen (siehe B. I. 1. c) cc)).
(2) Fristablauf
Für den Zugang der Festhaltenserklärung an den Verleiher oder den Entleiher ist der Leiharbeitnehmer verantwortlich, „dem es damit obliegt, die einzuhaltende Monatsfrist zu wahren“.33 Unklar ist derzeit, ob die Monatsfrist unabhängig von der Kenntnis des Leiharbeitnehmers abläuft. Der Gesetzeswortlaut spricht für einen solchen rein objektiven Fristenlauf.34 Der Sinn und Zweck dieser Festhaltenserklärung spricht hingegen eindeutig gegen
einen rein objektiven Fristenlauf. Ausweislich der Gesetzesbegründung35 soll damit die Berufsfreiheit des Leiharbeitnehmers nach Art. 12 des Grundgesetzes geschützt werden.
Auch dem Verjährungsrecht ist beispielsweise eine subjektive Kenntnis für den Fristenlauf
gemäß § 199 BGB bekannt. Ein Freiheitsrecht in diesem Sinne kann nur gewahrt sein,
wenn es von der Kenntnis des zu Schützenden ausgeht. Rechtssicher lässt sich diese Frage jedoch derzeit nicht beantworten.
Praxishinweis: Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 AÜG ist eine vor Beginn der Frist abgegebene
Festhaltenserklärung unwirksam. Eine solche Erklärung des Leiharbeitnehmers kann also
nicht vorab und hilfsweise erklärt werden und ist nur über die Beteiligung der Arbeitsagentur wirksam.
(3) Auswirkung auf die Arbeitsverhältnisse
Während der Monatsfrist bzw. bis zum Zugang der wirksamen Festhaltenserklärung entsteht mit dem Entleiher kraft Gesetzes ein Arbeitsvertrag; der Arbeitsvertrag zum Verleiher
ist unwirksam.
Praxishinweis: Der Einsatz im Entleiherbetrieb muss mit dem Tag des Eingangs der Festhaltenserklärung sofort beendet werden. Sofern auch weiterhin keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorliegt, stehen eine Weiterbeschäftigung oder ein erneuter Einsatz aufgrund der § 9 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AÜG unter der Sanktion der §§ 9, 10 AÜG. Für den Fall
der Fortführung des Einsatzes im Entleiherbetrieb wird das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher erneut unwirksam und ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher erneut fingiert. Für
diesen Fall steht dem Leiharbeitnehmer aber das sog. Festhaltensrecht nicht mehr zu.36
Zwischen dem Verleiher und dem Entleiher müssen Informationswege sichergestellt werden, die eine sofortige gegenseitige Information über den Zugang einer solchen Festhaltenserklärung sicherstellen.
33
Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/10064 v. 19.10.2016, S. 15.
Motz in BeckOK, AÜG § 10, Rn. 1.4.
35
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 25.
36
Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/10064 v. 19.10.2016, S. 15.
34
14
Es stellt sich die Frage, ob durch die wirksame Erklärung des Festhaltenswillens die Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher rückwirkend wieder aufgehoben wird.37
Ebenso stellt sich die Frage, ob gleichzeitig die Fiktionswirkung zum Entleiher rückwirkend
– also ex-tunc entfällt, so dass ein temporäres Arbeitsverhältnis zum Entleiher nicht rückabgewickelt werden muss.
Für eine solche Rückwirkung der Festhaltenserklärung spricht der Gesetzeswortlaut und
der Sinn und Zweck. Dem Leiharbeitnehmer soll die Möglichkeit eingeräumt werden, an
dem Arbeitsverhältnis zum Verleiher ohne jede Veränderung festzuhalten. Das ist rein
sprachlich nicht mit einer Unterbrechung dieses Vertragsverhältnisses verbunden. Zudem
ist der Leiharbeitnehmer durch eine solche ex-tunc-Wirkung aufgrund des Weiterbestehens
seines Arbeitsvertrags mit dem Verleiher nicht schutzlos gestellt. Außerdem spricht für eine
Rückwirkung der Festhaltenserklärung der Vergleich zum ebenfalls rückwirkenden Widerspruch des § 613a BGB.38 In beiden Fällen entspricht die Rückwirkung am besten der Interessenslage des Betroffenen, dessen Wille es gerade ist, keinerlei Rechtsbeziehungen zu
einem anderen Arbeitgeber einzugehen, sondern bei seinem „alten Arbeitgeber“ zu verbleiben. Damit wird dem durch Art. 12 GG geschützten Wahlrecht des Arbeitnehmers entsprochen.
Mangels eindeutiger Gesetzesfassung oder einschlägiger Rechtsprechung, lässt sich auch
diese Frage nicht abschließend rechtssicher beantworten.
Praxishinweis: Der Fortfall der Fiktionswirkung zum Entleiher lässt jedoch nicht die gesamtschuldnerische Haftung des Entleihers für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nach § 28e Abs. 2 Satz 4 SGB IV entfallen (siehe B. III), § 9 Abs. 3 Satz 4 AÜG.
cc) Grundsatz des unbefristeten Arbeitsverhältnisses
War die Tätigkeit des Arbeitnehmers bei dem Entleiher nicht befristet vorgesehen oder fehlt
ein für die Befristung sachlich rechtfertigender Grund, läuft das Arbeitsverhältnis beim Entleiher unbefristet und kann nur durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet werden
(§ 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG).
Ausnahmsweise kann nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG auch ein nur befristetes Arbeitsverhältnis fingiert sein, wenn der Einsatz befristet vorgesehen war und ein die Befristung sachlich rechtfertigender Grund vorlag. Da die Einsätze der Leiharbeitnehmer wegen der Überlassungshöchstdauer immer befristet vorgesehen sein werden, ist insbesondere maßgeblich, ob daneben ein Sachgrund vorlag. Die Prüfung des Sachgrundes knüpft an die Tatbestände des § 14 Abs. 1 TzBfG an. 39
Praxishinweis: Da ab dem ersten Einsatztag ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert wird, kann die sechsmonatige Wartezeit des § 1 KSchG abgelaufen sein. In diesem
Fall greift der Schutz des KSchG, so dass die Kündigung sozial gerechtfertigt sein muss
(Gründe in der Person, im Verhalten oder dringende betriebliche Gründe).
Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit kommt ein Aufhebungsvertrag in Betracht, wenn
auch der Leiharbeitnehmer kein Interesse an einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher hat.
37
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 25.
Hierzu BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05.
39
Henssler/Willemsen/Kalb, § 10 AÜG, Rn. 9.
38
15
Um wegen des formalen Verfahrens zur Festhaltenserklärung den Verdacht eines nach
§ 134 BGB unwirksamen Umgehungsgeschäftes zu vermeiden, sollte kein dreiseitiger Vertrag mit Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer geschlossen werden.40
dd) Arbeitsverhältnis in Teilzeit?
Bisher rechtlich ungeklärt ist der Fall, dass der Leiharbeitnehmer regelmäßig nur tageweise
beim Entleiher tätig wird, z. B. wegen abwechselnder Einsätze in mehr als einem Unternehmen. Es stellt sich die Frage, ob auch ein Teilzeitarbeitsverhältnis zu einem Entleiher
entstehen kann.
Beispiel
Ein Zulieferer schickt seinen Mitarbeiter zur Lagerhaltung seiner Kleinteile, montags und
dienstags zu Kundenbetrieb A sowie mittwochs und donnerstags in Kundenbetrieb B. Freitags
ist die Kontrolle und Dokumentation der einzelnen Lagerbestände beim Arbeitgeber vorgesehen. Im Kundenbetrieb A wird entgegen der vertraglichen Absprachen der Mitarbeiter wie ein
eigener Mitarbeiter behandelt und erhält Weisungen von den dortigen Führungskräften. Der
Einsatz beim Kundenbetrieb A wird als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Erlaubnis eingestuft.
Eine rechtliche Klärung dieser Frage ist bislang nicht erfolgt. Grundsätzlich muss davon
ausgegangen werden, dass zumindest zu demjenigen Unternehmen ein Arbeitsverhältnis
entsteht, in dem die Vorschriften der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne der §§ 9, 10 AÜG
verletzt wurden.
Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der „fingierten“ vertraglichen Arbeitszeit sprechen gute
Argumente dafür, dass die Dauer der Arbeitszeit sich dabei nach den Regelungen der
Überlassungsverträge/des Überlassungsvertrags richtet; also ein Teilzeitarbeitsverhältnis
fingiert wird. Aus der Einschränkung zur Befristung in § 10 Abs. 1 S. 2 AÜG kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber das fingierte Arbeitsverhältnis auch von den tatsächlichen Verhältnissen abhängig machen wollte. Aus Sicht des (vermeintlichen) Verleihers
kann eine Sanktion ihn nur insoweit treffen, wie rechtswidriges Verhalten vorwerfbar ist. Der
Verleiher verliert sonst einen Mitarbeiter vollständig, obwohl das Vertragsverhältnis zu ihm
nur teilweise rechtswidrig durchgeführt wurde.
Praxishinweis: Gegebenenfalls ist es zweckmäßig, mit dem „ehemaligen Leiharbeitnehmer“ eine schriftliche Vereinbarung über die Begründung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses
zu treffen, in dem die von dem Arbeitnehmer geschuldete Arbeitszeit fixiert ist.
ee) Arbeitsbedingungen
Folge der Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis ist zudem, dass sich der Inhalt des fingierten Arbeitsverhältnisses, insbesondere die Höhe des Arbeitsentgelts, nach den für den
Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen (§ 10 Abs. 1 Satz
4 AÜG) richten. Der Arbeitnehmer hat hierbei mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG).
Dabei ist der Begriff des Arbeitsentgelts weit zu verstehen. Darunter fallen Entgelt, Urlaubsgeld, Provision und Auslösung sowie Sachleistungen.41
40
41
BAG v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 zu § 613a BGB.
ErfK/Wank, AÜG, § 10, Rn. 13.
16
Die für den Entleiherbetrieb geltenden tariflichen Entgeltregelungen sind anzuwenden,
wenn Leiharbeitnehmer und Entleiher tarifgebunden sind, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG.
Ohne tarifvertragliche Regelung bemisst sich das Gehalt nach dem, was ein Stammarbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit im Betrieb erhält, ansonsten nach dem Arbeitsentgelt
von Stammarbeitnehmern in vergleichbaren Betrieben. Ist in dem Entleiherbetrieb die Anwendung der tariflichen Arbeitsbedingungen über eine sog. Bezugnahmeklausel üblich, so
ist die tarifliche Vergütung auch ohne beiderseitige Tarifbindung maßgeblich.
Ebenso kommen alle jeweils einschlägigen Betriebsvereinbarungen zur Anwendung und
etwaige Ansprüche aufgrund betrieblicher Übung im Entleihbetrieb bestehen ebenfalls.
Praxishinweis: Es empfiehlt sich, für die Rechtsklarheit in dem unvermeidbaren Fall eines
fingierten Arbeitsverhältnisses mit dem „neuen“ Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag mit den
vergleichbaren Konditionen eines (Stamm-)Beschäftigten im Entleiherbetrieb abzuschließen; zumal der „neue“ Mitarbeiter nach § 2 Abs. 1 NachwG einen entsprechenden Anspruch auf Nachweis seiner Arbeitsbedingungen hat.42
Zu beachten ist, dass es für die Vergangenheit in der Regel um Entgeltdifferenzansprüche geht, da der Verleiher dem Leiharbeitnehmer ein Entgelt ausgezahlt43 hat. Rückwirkend muss die Differenz zwischen dem bereits durch den Verleiher gezahlten Entgelt und
dem tatsächlichen einem Stammarbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit zustehenden
Entgelt gezahlt werden.
ff) Ausschlussfristen und Verjährung
(1) Ausschlussfrist
Soweit der Leiharbeitnehmer Entgeltdifferenzansprüche für die Vergangenheit geltend
macht, können ggf. beim Entleiher anzuwendende tarifliche Ausschlussfristen greifen. Allerdings setzt die Anwendung der tariflichen Ausschlussfristen beidseitige Tarifbindung voraus. Zudem wird vertreten, dass die Ausschlussfristen erst dann beginnen, sobald die Arbeitgeberstellung des Entleihers gegenüber dem Arbeitnehmer klargestellt worden ist.44
Vertragliche Ausschlussfristen kommen mangels vertraglicher Grundlage nicht in Betracht.
Solche Fristen finden auch nicht über den Grundsatz der gleichen Arbeitsbedingungen
nach § 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG Anwendung.45
(2) Verjährung
Unabhängig vom Bestehen einer Ausschlussfrist kann sich der Entleiher auf die Verjährung
berufen. Diese richtet sich nach den §§ 194 ff. BGB. Es gilt nach § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist ergibt
sich wiederum aus § 199 BGB. Der Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist beginnt mit
dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von dem
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
42
Boemke/Lembke, § 10 AÜG, Rn. 47.
BGH v. 08.11.1979 – VII ZR 337/78.
44
BAG v. 27.07.1983 – 5 AZR 194/81.
45
BAG v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10.
43
17
gg) Geldbuße gemäß AÜG / Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), Strafbarkeit
Im Entleiherbetrieb kann sowohl dem unmittelbar Verantwortlichen als auch dem Betriebsinhaber, den Mitgliedern des Vorstandes oder der Geschäftsführung, den vertretungsberechtigten Gesellschaftern (einer Personengesellschaft) oder sonstigen für den Personaleinsatz verantwortlichen Führungskräften, wenn ihnen eine Verletzung der Aufsichtspflicht
vorgeworfen werden kann, eine Geldbuße gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2 und Abs. 2
AÜG, §§ 9, 130 OWiG auferlegt werden (Einsatz ohne Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
bis zu 30.000 Euro, Einsatz ausländischer Leiharbeitnehmer ohne entsprechende Erlaubnis
bis zu 500.000 Euro).
Zudem wird der von dem Unternehmen durch die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung erlangte Vermögensvorteil durch eine Geldbuße abgeschöpft (vgl. §§ 30, 17 Abs. 4
OWiG), was teilweise aufgrund überhöhter Schätzungen geschieht und daher zu empfindlichen wirtschaftlichen Einbußen führen kann.
Außerdem erfolgt eine Eintragung in das Gewerbezentralregister (§ 149 Abs. 2 Nr. 3
Gewerbeordnung). Eine solche Eintragung kann auch zur Folge haben, dass die Firma keine öffentlichen Aufträge mehr erhält.
Zu denken ist unter Umständen auch an § 266a StGB, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Nach Abs. 1 wird bestraft, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorsätzlich vorenthält.
Nach Abs. 2 wird der Arbeitgeber ebenso bestraft, wenn er der für den Einzug der Beiträge
zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Abgaben macht (Nr.1) oder die zuständige Stelle pflichtwidrig
über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (Nr. 2).
Praxishinweis: Zur Vermeidung einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung empfiehlt es
sich, vom Verleiher den Nachweis der Erlaubnis durch Vorlage der Originalurkunde oder
Aushändigung einer beglaubigten Kopie zu verlangen. In Zweifelsfällen – etwa bei Vorlage nur einer unbeglaubigten Kopie – sollte bei der zuständigen Regionaldirektion der
Bundesagentur für Arbeit nachgefragt werden. In jedem Fall muss der Verleiher im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ausdrücklich bestätigen, dass er die Erlaubnis besitzt (§ 12
Abs. 1 Satz 3 AÜG). Er hat den Entleiher unverzüglich über den Zeitpunkt des Wegfalls der
Erlaubnis zu unterrichten (§ 12 Abs. 2 AÜG).
Verfügt der Verleiher nur über eine befristete Erlaubnis und sollen nach Ablauf der Frist
erneut Arbeitnehmer von ihm entliehen werden, muss darauf geachtet werden, dass er zuvor die Verlängerung der Erlaubnis nachweist. Für im Zeitpunkt des Erlöschens der Erlaubnis bereits abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsverträge gilt die Erlaubnis während
einer Dauer von 12 Monaten als fortbestehend, wenn der Antrag auf Verlängerung abgelehnt wude (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 4 AÜG). Kein oder ein verspäteter Verlängerungsantrag ist
wie ein Neuantrag zu behandeln46, sodass im Falle der Verspätung die zwölfmonatige Abwicklungsfrist des Abs. 4 S. 4 keine Anwendung findet47.
hh) Haftung für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer
Der Entleiher haftet auf der Grundlage des fingierten Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10
AÜG für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV.
46
47
Thüsing/Kämmerer, § 2 AÜG, Rn. 21.
Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit AÜG vom 20.01.2016, S. 39, Ziff. 2.4, Abs. 9.
18
Es entsteht jedoch ein Gesamtschuldverhältnis mit dem Verleiher bezüglich des auf das
Arbeitsentgelt zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e Abs. 2
Satz 4 SGB IV, soweit der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt gezahlt hat. Zahlt der
Verleiher kein Arbeitsentgelt, so obliegt die Zahlungspflicht ausschließlich dem Entleiher.48
Praxishinweis: Der Entleiher haftet im Gesamtschuldverhältnis nur (noch) für den „offenen“ Sozialversicherungsbeitrag. Dieser wird sich im Regelfall aus der das ursprüngliche
Entgelt übersteigenden Entgeltdifferenz errechnen. Die gesamtschuldnerische Haftung ist
auch dann vom Gesetzgeber angeordnet, wenn der Leiharbeitnehmer der Fiktion des Arbeitsverhältnisses nach § 9 AÜG wirksam durch eine sog. Festhaltenserklärung widersprochen hat (§ 9 Abs. 3 Satz 4 AÜG).49
Bei der Lohnsteuer trifft den Entleiher eine nachrangige Ausfallhaftung für die Zahlungen
des Verleihers als ursprünglicher Arbeitgeber, vgl. § 42d Abs. 6 EStG.50 Weiterführende
Ausführungen siehe B. III.
2. Anforderungen an die Überlassung und den Überlassungsvertrag
a) Schriftform
Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bedarf der Schriftform (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AÜG).
Schriftform verlangt nach § 126 Abs. 2 BGB, dass der Vertrag durch die Parteien auf derselben Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. Werden über
den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden erstellt, so genügt es, wenn jede Partei die
für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die
Schriftform kann gemäß § 126 Abs. 3 BGB entweder durch die elektronische oder gem.
§ 126 Abs. 4 BGB durch die notarielle Beurkundung ersetzt werden.
Praxishinweis: Bei elektronischen Systemen ist darauf zu achten, dass die Form des
§ 126a BGB gewahrt wird; entsprechende Systeme bedürfen daher der elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz.
b) Inhalt des Vertrags
Der Entleiher muss in der Vertragsurkunde erklären,
 welche besonderen Merkmale die für den Leiharbeitnehmer vorgesehene Tätigkeit hat
 welche berufliche Qualifikation dafür erforderlich ist und
 welche wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts für einen
vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers gelten (§ 12 Abs. 1 Satz 4 AÜG);
diese Pflichtangabe entfällt, wenn ein Entgelttarifvertrag der Zeitarbeitsbranche zur Anwendung kommt (§ 12 Abs. 1 Satz 4 a. E. AÜG).
48
KassKomm/Wehrhahn, SGB IV § 28e Rn. 22.
Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/10064 v. 19.10.2016, S. 15.
50
§ 42d Abs. 6 EStG spricht nur von Arbeitnehmerüberlassung „im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar
1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I
S. 2854) geändert worden ist“. Eine Anpassung des § 42d Abs. 6 EStG erfolgte im Gesetz zur
Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nicht.
49
19
Praxishinweis: Für den Einzelfall, dass durch den Verleiher kein anwendbarer Entgelttarifvertrag der Zeitarbeitsbranche im Sinne von § 8 Abs. 4 AÜG zur Anwendung gebracht wird
(siehe B. I. 5.), ist der Verleiher zur Feststellung seiner konkreten Equal Pay Entgeltverpflichtungen auf Information durch den Entleiher angewiesen.
Es bestehen für den Entleiher insofern Haftungsrisiken, dass er vom Verleiher für Schäden
in Regress genommen werden kann, die letzterem aufgrund der unzureichenden Information entstehen Bei der Gestaltung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages sollten deshalb
Haftungsrisiken für den Entleiher genau geprüft werden. Dies ist insbesondere geboten,
weil die Rechtsbegriffe des vergleichbaren Arbeitnehmers, aber insbesondere des vergleichbaren Arbeitsentgelts nicht abschließend geklärt sind und eine erhebliche Rechtsunsicherheit hervorrufen. Der Vertragsschluss mit einem tarifgebundenen und tarifanwendenden Verleiher minimiert dieses Risiko erheblich.
c) Offenlegungspflichten im Rahmen der Überlassung für Entleiher
Durch § 1 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 AÜG hat der Gesetzgeber Offenlegungspflichten für
den Entleiher und den Verleiher eingeführt. Ziel ist es, eine missbräuchliche Gestaltung des
Fremdpersonaleinsatzes in Form der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern.
Ausdrücklich sollen hierdurch die Fälle der „Verleihlaubnis auf Vorrat“ sanktioniert werden.51
Für eine Arbeitnehmerüberlassung ohne das Fiktionsrisiko haben Verleiher und Entleiher
 den Vertrag vor der Überlassung als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen und
 die Person des Leiharbeitnehmers vor der Überlassung zu konkretisieren.
aa) Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassung
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 5 AÜG müssen Verleiher und Entleiher die Überlassung von Leiharbeitnehmern im Überlassungsvertrag vor der Überlassung oder dem TätigwerdenLassen ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnen. Da der Überlassungsvertrag schriftlich gemäß § 12 Abs. 1 AÜG abzuschließen ist, gilt das Schriftformerfordernis
auch für diese Bezeichnungspflicht. Hierdurch ist ein Wechsel vom Werk-/ Dienstvertrag
zur Arbeitnehmerüberlassung (mit einer „Vorratserlaubnis“) nicht mehr möglich.
Praxishinweis: Im schriftlichen Überlassungsvertrag muss daher ausdrücklich die Bezeichnung Arbeitnehmerüberlassung aufgenommen werden. Es empfiehlt sich, Prozesse
zu etablieren, die die formgerechte Verfassung des Überlassungsvertrags sicherstellen.
Eine besondere Prüfung ist für master-vendor-Systeme zu empfehlen. In einem solchen
System übernimmt ein Verleiher als Master die Steuerung mehrerer Verleiher für den Entleiher. Der Master koordiniert die individuellen Kundenwünsche und übernimmt die gesamte Kommunikation mit den verschiedenen Verleihern. Hier muss die Schriftform und die Bezeichnung des Überlassungsvertrages zwischen dem tatsächlichen Verleiher und dem Entleiher vor dem Einsatz beachtet werden und nicht zwischen dem sog. Master und dem
Entleiher.
Wegen des Gesetzeswortlauts und dem Inkrafttreten am 1. April 2017 ist davon auszugehen, dass diese Bezeichnungspflicht nur für Neuverträge ab dem 1. April 2017 gilt. Rechtssicher lässt sich eine Überprüfung aller Altverträge nicht auszuschließen.
51
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 19; Bissels, DB 2017, 246.
20
Praxishinweis: Wegen dieser ungeklärten Rechtslage ist aufgrund einer innerbetrieblichen
Risikoabwägung zu entscheiden, ob gleichwohl sämtliche laufenden Arbeitnehmerüberlassungsverträge auf diese Bezeichnungspflicht hin überprüft werden sollen und ggf. vor dem
1. April 2017 die Bezeichnung nachgeholt werden soll.
bb) Konkretisierung des Leiharbeitnehmers vor der Überlassung
Ferner haben Verleiher und Entleiher gemeinsam die Person des Leiharbeitnehmers vor
der Überlassung unter Bezugnahme auf den Überlassungsvertrag zu konkretisieren
(§ 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG). Hintergrund der Regelung ist, dass auch bei Rahmenverträgen
zwar der Vertrag als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet wird, aber die Person des Leiharbeitnehmers erst später konkretisiert wird. Diese Vertragsgestaltung soll einerseits weiterhin möglich sein und andererseits durch die Konkretisierungspflicht Klarheit auch im Hinblick auf die Person des Leiharbeitnehmers geschaffen werden. 52
Praxishinweis: Es sollte bei der Konkretisierung der Person des Leiharbeitnehmers auf einen ausdrücklichen Bezug zum Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geachtet werden („ …
unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vom … (AZ …..) wird Ihnen
Herr /Frau …. [vgl. Anlagen] überlassen.“) Das erscheint zwar als bloße Formalie, der Gesetzestext verlangt es aber.
Eingesetzte Leiharbeitnehmer müssen vor der Überlassung durch den Verleiher und Entleiher bestimmt werden. Sofern ein Leiharbeitnehmer im Einzelfall nicht überlassen werden
kann – beispielsweise aufgrund Krankheit – entfällt die Überlassungsschuld des Verleihers
gegenüber dem Entleiher nicht. Der ersatzweise überlassene Leiharbeitnehmer muss aufgrund § 1 Abs. 1 Satz 6 AÜG dann erneut – und zwar vor der Überlassung – konkretisiert werden.53
Sofern kein Rahmenvertrag vorliegt, sondern nur ein bestimmter Leiharbeitnehmer im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet ist, kann die Konkretisierungspflicht vor der
Überlassung als gewahrt angesehen werden, da eine erneute „klarstellende“ Konkretisierung eine „bloße Förmelei“ darstellen würde.54
Die Konkretisierung hat zwischen Verleiher und Entleiher „unter Bezugnahme auf den
Überlassungsvertrag“ zu geschehen.
Nicht klar ist, ob die Konkretisierung eine Nebenabrede zum Überlassungsvertrag darstellt
und damit der Schriftform nach § 12 AÜG i .V. m. § 126 BGB unterfällt. Allein eine Missachtung der formwahrenden Konkretisierung könnte den Bußgeldtatbestand des § 16 Abs.
1 Nr. 1c AÜG („nicht richtig konkretisiert“) auslösen.
Praxishinweis: Nur wenn die Bundesagentur für Arbeit als zuständige Aufsichtsbehörde
keine Schriftform für die Konkretisierung verlangt, entfällt das Bußgeldrisiko.
Eine Nichtigkeit des Überlassungsvertrages und ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher drohen nur, wenn sowohl die Bezeichnungspflicht als auch die Konkretisierungspflicht kumulativ verletzt werden (siehe B. I. 2. b) cc) (2)).
52
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 19/20.
Motz in BeckOK, AÜG, § 12, Rn. 3.3.
54
Motz in BeckOK, AÜG, § 12, Rn. 3.2.
53
21
Gegen die Schriftform spricht, dass die Konkretisierung eine bloße Leistungsbezeichnung
und keine Nebenabrede darstellt. Auch der Sinn und Zweck der Konkretisierung, nämlich
die Bekämpfung verdeckter Arbeitnehmerüberlassung,55 verlangt die Wahrung der Schriftform nach § 126 BGB nicht. Ein solcher Zweck kann auch durch bloße Textform i. S. d.
§ 126b BGB oder durch eine zumindest nachweisbare Konkretisierung (Dokumentation) erreicht werden.
Praxishinweis: Aufgrund der Rechtsunsicherheit lässt sich nicht ausschließen, dass die
Rechtspraxis die Konkretisierung zukünftig der Schriftform des § 126 BGB unterwirft. Ergibt
eine innerbetriebliche Risikoabwägung, dass in diesem Punkt Rechtssicherheit angestrebt
werden soll, empfiehlt es sich derzeit, die Konkretisierung schriftlich nach § 126 BGB vorzunehmen.
Entleiher und Verleiher sollten dann die Konkretisierung (durch vertretungsberechtigte Bevollmächtigte) auf einer gemeinsamen Urkunde unterzeichnen. In der Praxis kann ggf. der
Leiharbeitnehmer mit einer bereits vom Verleiher unterzeichneten Urkunde im Personalbüro des Entleihers vorstellig werden, wo die Urkunde gegengezeichnet wird. Erst dann wird
dem Leiharbeitnehmer sein konkreter Arbeitsplatz zugewiesen und er beginnt mit seiner
Tätigkeit im Entleiherbetrieb.
Bei master-vendor-Systemen muss in Zukunft sichergestellt werden, dass die Konkretisierung vor dem Einsatz zwischen dem tatsächlichen Verleiher und dem Entleiher erfolgt und
nicht zwischen dem sog. Master und dem Entleiher.
Ebenfalls unklar ist, ob diese Konkretisierungspflicht nur für Neuverträge ab dem 1. April
2017 gilt. Für laufende Überlassungsverträge und Überlassungen mit konkret eingesetzten
Leiharbeitnehmern spricht der Gesetzeswortlaut („vor der Überlassung“) und das Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2017 gegen eine nachzuholende Konkretisierung in laufenden
Altverträgen.
Praxishinweis: Wegen dieser ungeklärten Rechtslage sollte nach einer innerbetrieblichen
Risikoabwägung entschieden werden, ob ggf. sämtliche laufenden Arbeitnehmerüberlassungsverträge auf eine ordnungsgemäße Konkretisierung zu überprüfen sind und ggf. vor
dem 1. April 2017 die Konkretisierung nachzuholen ist.
Im Hinblick auf schon bestehende Rahmenverträge, aufgrund derer ab dem 1. April 2017
Leiharbeitnehmer überlassen werden, ist die Konkretisierungspflicht jedoch zu beachten.
Der Rahmenvertrag sollte ab dem 1. April 2017 vorsorglich auch den Begriff „Arbeitnehmerüberlassung“ enthalten.
cc) Rechtsfolgen bei Verletzung der Offenlegungspflichten
Durch die Offenlegungspflichten wird das Risiko des Abschlusses von Dienst- und Werkverträgen erhöht, da Abgrenzungsschwierigkeiten zukünftig dazu führen können, dass neben anderen Sanktionen ein Arbeitsverhältnis zum Einsatzbetrieb entsteht.
Bei den Rechtsfolgen ist wie folgt zu unterscheiden:
55
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 19 f.
22
(1) Alternative Verletzung der Bezeichnungs- (Satz 5) oder der
Konkretisierungspflicht (Satz 6)
Bei alternativer Verletzung der Bezeichnungs- oder Konkretisierungspflicht kann gegen den
Entleiher ein Bußgeld bis zu 30.000 EUR erhoben werden (§§ 16 Abs. 1 Nr. 1c und/oder d,
Abs. 2 AÜG i. V. m. §§ 9, 130 OWiG). Die Verhängung eines 200 Euro übersteigenden
Bußgelds ist nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO in das Gewerbezentralregister einzutragen.
Die Verletzung der Bezeichnungspflicht begründet einen Formmangel im Sinne der §§ 125,
139 BGB. Dieser hat im Zweifel die zivilrechtliche Nichtigkeit des Überlassungsvertrags zur
Folge.56 Diese Nichtigkeit betrifft dann allein das Rechtsverhältnis zwischen Verleiher und
Entleiher. Ob ein solcher Formmangel auch bei der Verletzung der Konkretisierungspflicht
angenommen werden kann, hängt davon ab, ob man die Pflicht aus Satz 6 dem Schriftformerfordernis nach § 12 AÜG i. V. m. § 126 BGB unterwirft oder nicht (siehe B. I. 2. c) bb)).
(2) Kumulative Verletzung der Bezeichnungs- (Satz 5) und der
Konkretisierungspflicht (Satz 6)
(a) Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher
Die kumulative Verletzung der Bezeichnungs- und Konkretisierungspflicht führt nach
§ 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG zur Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher unter
gleichzeitiger Fiktion eines grundsätzlich unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem
Entleiher (§ 10 Abs. 1 AÜG). Das Arbeitsverhältnis entsteht dabei rückwirkend zum Zeitpunkt der Überlassung.
Ausnahmsweise kann nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG auch ein nur befristetes Arbeitsverhältnis fingiert sein, wenn der Einsatz befristet vorgesehen war und ein die Befristung sachlich rechtfertigender Grund vorlag. Insbesondere maßgeblich ist, ob ein Sachgrund daneben vorlag. Die Prüfung des Sachgrundes knüpft an die Tatbestände des § 14 Abs. 1
TzBfG an. 57
Es richtet sich nach den geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen für den Betrieb
des Entleihers. Da der Verleiher den Leiharbeitnehmer bezahlt hat, werden Zahlungen für
die Vergangenheit i. d. R. Entgeltdifferenzansprüche betreffen. Rückwirkend muss damit
die Differenz zwischen dem bereits durch den Verleiher gezahlten Entgelt und dem tatsächlichen einem Stammarbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit zustehenden Entgelt gezahlt
werden (siehe B. I. 1. c).58
Praxishinweis: Da rückwirkend ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher fingiert wird, kann
es wie bei der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung vorkommen, dass bereits die sechsmonatige Wartezeit des § 1 KSchG abgelaufen ist. Eine Kündigung müsste dann aus betriebs-, verhaltens- oder personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein.
Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit kommt ein Aufhebungsvertrag in Betracht, wenn
auch der Leiharbeitnehmer kein Interesse an einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher hat.
Um wegen des formalen Verfahrens zur Festhaltenserklärung den Verdacht eines nach
§ 134 BGB unwirksamen Umgehungsgeschäftes zu vermeiden, sollte kein dreiseitiger Vertrag mit Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer geschlossen werden.59
56
Brors in Schüren, AÜG, § 12, Rn.12.
Henssler/Willemsen/Kalb, § 10 AÜG, Rn. 9.
58
BGH v. 08.11.1979 – VII ZR 337/78.
59
BAG v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 zu § 613a BGB.
57
23
(b) Ausnahme von der Unwirksamkeit: Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers
Der Leiharbeitnehmer kann sich von dem kraft Gesetzes entstandenen Arbeitsverhältnis
durch eine sog. Festhaltenserklärung wieder lösen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a AÜG). Dafür muss er
innerhalb eines Monats nach Beginn der Überlassung gegenüber dem Verleiher oder
dem Entleiher schriftlich erklären, dass er an dem Vertrag mit dem Verleiher festhalten will
(Festhaltenserklärung). Ein im Vorfeld abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam (§ 9
Abs. 3 Satz 1 AÜG).
Praxishinweis: Für den Fall, dass ein sorgfältig gestalteter Werk-/Dienstvertrag vereinbart
wurde und dieser im Laufe der Zeit in der betrieblichen Praxis jedoch nicht korrekt durchgeführt wurde, insbesondere das Fremdpersonal eingegliedert und ihnen arbeitsrechtliche
Weisungen erteilt wurden, kann auch erst zu einem späteren Zeitpunkt eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung angenommen werden. Erst zu diesem Zeitpunkt entsteht dann ein
Arbeitsverhältnis zum Einsatzbetrieb/Entleiher kraft Gesetzes (§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AÜG), da der Vertrag nicht als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet wurde
und der Beschäftigte nicht unter Bezugnahme auf einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
konkretisiert wurde. Zwar beginnt dann auch erst ab diesem Zeitpunkt die Monatsfrist, dieser Zeitpunkt wird sich jedoch in der Praxis nur sehr schwer ermitteln lassen. Ob im Einzelfall die Monatsfrist abgelaufen ist, kann dann nur schwer beurteilt werden. Deshalb empfiehlt sich eher der Weg über einen Aufhebungsvertrag, wenn der „neue Mitarbeiter“ kein
Interesse an einem Arbeitsvertrag zum Einsatzbetrieb/Entleiher hat (siehe B. I. 1. c)).
Für die Festhaltenserklärung müssen nach § 9 Abs. 2 AÜG zusätzlich folgende Voraussetzungen gewahrt sein:
 der Leiharbeitnehmer muss die Erklärung persönlich einer Agentur für Arbeit vorlegen (Nr. 1),
 die Agentur für Arbeit muss die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages
der Vorlage und dem Hinweis versehen, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers
festgestellt hat (Nr. 2) und
 die Erklärung muss spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für
Arbeit dem Verleiher oder dem Entleiher zugehen (Nr. 3).
Praxishinweis: Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Vorlage der Festhaltenserklärung bei der Agentur für Arbeit automatisch zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens führt, da die Arbeitsagenturen gemäß § 17 Abs. 1 AÜG die zuständige Verfolgungsbehörde für die Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 16 AÜG ist (hier konkret § 16
Abs. 1 Nr. 1c und 1d AÜG). Im jeweiligen Einzelfall kann deshalb erwogen werden, einen
Aufhebungsvertrag mit dem betroffenen Arbeitnehmer abzuschließen (vgl. Kapitel B I. 1. c)
cc)).
Für die Fragen zum Fristenlauf, dem weiteren Einsatz des Leiharbeitnehmers und zur Wirkung einer solchen Festhaltenserklärung wird auf die Ausführungen zur unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung verwiesen (siehe B. I. 1. c) bb)).
Praxishinweis: Der Einsatz im Entleiherbetrieb muss mit dem Tag des Eingangs der Festhaltenserklärung sofort beendet werden. Eine Weiterbeschäftigung oder ein erneuter Einsatz stehen aufgrund des § 9 Abs. 3 S. 2 AÜG unter der Sanktion der §§ 9, 10 AÜG.
24
Für den Fall der Fortführung der Beschäftigung wird das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher erneut unwirksam und ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher erneut fingiert. Für diesen
Fall steht dem Leiharbeitnehmer aber das sog. Festhaltensrecht nicht mehr zu.60
Zwischen dem Verleiher und dem Entleiher müssen Informationswege sichergestellt werden, die eine sofortige gegenseitige Information über den Zugang einer solchen Festhaltenserklärung sicherstellen.
(c) Sonstige Sanktionen
 Gemäß §§ 16 Abs. 1 Nr. 1c und 1d, Abs. 2 i .V. m. §§ 9, 130 OWiG kann gegen den
Entleiher ein Bußgeld bis zu 30.000 EUR verhängt werden.
 Gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO sind Bußgelder über 200 EUR in das Gewerbezentralregister einzutragen.
 Gemäß 28e Abs. 2 S. 3 und 4 SGB IV haftet der Entleiher neben dem Verleiher für
die Sozialversicherungsbeiträge als Gesamtschuldner.
 Bei der Lohnsteuer trifft den Entleiher eine nachrangige Ausfallhaftung gemäß § 42d
Abs. 6 EStG.61
 Abschließend kommt nach § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB i. V. m. § 28e Abs. 2 S.4
SGB IV auch eine Strafbarkeit für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Betracht.
d) Informationspflichten gegenüber dem Leiharbeitnehmer
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AÜG muss der Verleiher den Leiharbeitnehmer vor der Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb eingesetzt
wird. Diese Pflicht ist für den Verleiher bußgeldbewehrt und kann mit bis zu 1.000 EUR belegt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 AÜG).
3. Überlassungshöchstdauer (vorübergehende Überlassung)
a) Gesetzliche Vorgaben
§ 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG stellt klar, dass eine Arbeitnehmerüberlassung nur zulässig ist,
wenn sie vorübergehend unter Einhaltung der Überlassungshöchstdauer nach § 1
Abs. 1b AÜG erfolgt.
aa) Gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten
Gesetzlich darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer durch die Neueinführung des
§ 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen bzw. der Entleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen.
60
61
Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/10064 v. 19.10.2016, S. 15.
§ 42d Abs. 6 EStG spricht nur von Arbeitnehmerüberlassung „im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar
1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I
S. 2854) geändert worden ist“. Eine Anpassung des § 42d Abs. 6 EStG erfolgte im Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nicht.
25
bb) Begriff des Einsatzes
Für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer ist vorab zu klären, welche Zeiten als
Einsatzzeiten im Sinne des AÜG gelten. Hier lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze unterscheiden:
Zum einen kann es ausschließlich auf die echten Einsatztage des Leiharbeitnehmers im
Entleiherbetrieb ankommen; d. h., dass Krankheitstage oder Urlaubstage für die Ermittlung
der Überlassungshöchstdauer unberücksichtigt bleiben (materielle Sichtweise).
Zum anderen kann es auf den Inhalt des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ankommen
(formale Sichtweise).62 Die Zeiten, in denen der Einsatz des konkreten Leiharbeitnehmers
von einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorgesehen ist, gelten als Einsatzzeiten. Das
heißt, (erst) wenn ein Leiharbeitnehmer abgemeldet wird, endet der Zeitraum der Überlassung.
Zur Überlassungshöchstdauer von drei Monaten ging das BAG63 wohl von der formalen
Ansicht aus, auch wenn die damalige Rechtslage keinen gesetzlichen Unterbrechungszeitraum (Karenzzeit) vorsah. Allerdings stellt das BAG fest, dass die rein formale Ansicht dann
an ihre Grenzen stößt, wenn sie missbräuchlich verwendet wird.64 Es liegt nahe, dass das
BAG diesem Ansatz auch für die nun geltende 18monatige Überlassungshöchstdauer mit
Unterbrechungszeitraum (Karenzzeit) folgt. Derzeit lässt sich die Frage jedoch nicht abschließend beantworten.
Praxishinweis: Es sollte deshalb davon ausgegangen werden, dass es grundsätzlich auf
die im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorgesehenen Einsatzzeiten (bzw. das An- und
Abmelden) ankommt. Allerdings besteht das Risiko, dass bei zeitlich sehr kleinteiligen Anund Abmeldungen von Leiharbeitnehmern ein Sachzusammenhang gebildet wird, der zur
umfassenden Anrechnung des gesamten Zeitraums auf die Überlassungshöchstdauer
führt.
cc) Berechnung der Überlassungshöchstdauer
(1) Fristberechnung
Das allgemeine Zivilrecht kennt für die Frage der Fristenberechnung Ausgangslage verschiedene Normen zur Fristberechnung; §§ 187, 188 BGB auf der einen und § 191 BGB
auf der anderen Seite.
§ 188 Fristende
…
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden
Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem
Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des
§ 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher
dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
62
Ulber, AÜG, § 1, Rn. 230p.
BAG v. 23.11.1988 – 7 AZR 34/88, Rn. 23.
64
BAG v. 23.11.1998 – 7 AZR 34/88, Leitsatz.
63
26
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
§ 191 Berechnung von Zeiträumen
Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, so wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet.
Nach § 188 Abs. 2 BGB wird eine Monatsfrist bei einem ununterbrochenen Verlauf immer
monatsweise berechnet (kalendarische Berechnung). Nach § 191 BGB ist der Monat in der
Fristberechnung immer mit 30 Tagen zu berücksichtigen (kaufmännische Berechnung),
zumindest wenn es um einen unterbrochenen Fristenverlauf geht.
Die kalendarische Berechnung führt im Vergleich zur kaufmännischen Berechnung regelmäßig zu einer längeren Frist. Bei der kaufmännischen Berechnung entspricht der Monat
immer 30 Tagen, also 30 x 18 = 540 Tage. Bei der kalendarischen Berechnung endet die
Monatsfrist hingegen mit Ablauf des vorangehenden Tages, der in seiner Benennung oder
Zahl dem Tag vorhergeht, an dem der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb erstmalig eingesetzt wurde. Ein Monat kann hierbei mit 28, 29, 30 oder 31 Tagen zu berechnen sein.
Beispiel:
Einsatzzeit für 18 Monate ab 1. April 2017
Berechnung nach Kalendermonaten
(§ 188 BGB)
30. September 2018
(548 Kalendertage)
Berechnung mit 30 Tagen pro Kalendermonat
(§ 191 BGB)
22. September 2018
(540 Kalendertage)
Die Entscheidung für die richtige Fristberechnung ist für die Praxis wegen der Sanktion eines fingierten Arbeitsverhältnisses zum Entleiher bei Überschreiten der Überlassungshöchstdauer von erheblicher Relevanz.
Weder im Gesetzeswortlaut zur Überlassungshöchstdauer noch in der Gesetzesbegründung lassen sich Anhaltspunkte finden, die auf eine gesetzgeberische Intention zur Berechnung der Überlassungshöchstdauer hinweisen. Zudem ist für eine solche Fallkonstellation ungeklärt, in welchem Verhältnis die beiden Vorschriften aus dem BGB zu einander
stehen.65 Da der § 191 BGB von unterbrochenen Fristenverläufen spricht, liegt es nahe, im
Ausgangspunkt zwischen dem unterbrochenen Verlauf der Einsätze und einem ununterbrochenen Höchstdauereinsatz zu unterscheiden.
(a) Ununterbrochener Höchstdauereinsatz
Für den ununterbrochenen Höchstdauereinsatz stehen sich zwei Auffassungen gegenüber.
Zum einen wird der Wortlaut des § 191 BGB so verstanden, dass es allein darauf ankommt,
dass der Fristenlauf theoretisch unterbrochen werden kann.66 Das ist bei der 18monatigen
Überlassungshöchstdauer der Fall, da § 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG eine Regelung zum Umgang mit Unterbrechungszeiten enthält. Der 18monatige ununterbrochene Höchstdauereinsatz dürfte 540 Tage nicht überschreiten.
65
66
Ermann, BGB, § 191, Rn. 1 ff; Palandt, § 191 BGB, Rn. 1; Staudinger, § 191 BGB, Rn. 1 f.
OVG Saarlouis v. 12.01.2010 – 3 A 325/09, Rn. 41 f; VG Bremen v. 26.03.2009 – 2 K 1309/08,
Rn. 25 f; OLG München, Beschluss vom 30. Januar 2008 – 33 Wx 10/08, Rn. 19.
27
Zum anderen wird das Verhältnis zwischen § 188 BGB und § 191 BGB so verstanden, dass
die kaufmännische Berechnung nach § 191 BGB nur zur Anwendung kommt, wenn das
Fristende nicht anders ermittelbar ist67, d. h. § 191 BGB wird als bloße Hilfsnorm verstanden. Eine 18monatige ununterbrochene Höchstüberlassung ist ohne weiteres kalendarisch
berechenbar, so dass volle 18 Kalendermonate nicht überschritten werden dürften.
Das BAG68 hat in einer Entscheidung zu einer tarifvertraglichen Fristenregelung zwischen
einem ununterbrochenen Verlauf und einem unterbrochenen Verlauf im Hinblick auf die
Fristenberechnung unterschieden. Diese tarifliche Vorschrift war ähnlich aufgebaut wie § 1
Abs. 1b AÜG. Im Satz 1 der tariflichen Regelung war eine Mindestfrist für den Anspruch auf
eine Zulage geregelt. Im Satz 2 der tariflichen Regelung wurden Feststellungen für den Fall
eines unterbrochenen Verlaufs getroffen. In diesem Fall hat das BAG den Satz 1 isoliert für
die Frage der Fristenberechnung bewertet und für den ununterbrochenen Verlauf § 188
BGB angewandt.
Auch wenn gute Argumente für die Anwendung der kalendarischen Berechnungsweise
nach § 188 BGB sprechen, lässt sich die Frage derzeit nicht rechtssicher beantworten.
Praxishinweis: Die kalendarische Berechnung führt im Vergleich zur kaufmännischen Berechnung regelmäßig zu einer längeren Frist. Da die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer mit der Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher sanktioniert wird, bestehen bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Berechnungsfrage erhebliche Rechtsrisiken.
Mit einer Berechnung auf Grundlage von 540 Tagen können diese Risiken vermieden werden. Gegebenenfalls sprechen auch Praktikabilitätserwägungen für eine Berechnung aufgrund von 540 Tagen, da dann unterbrochene und ununterbrochene Einsatzverläufe betrieblich einheitlich abgewickelt werden können. Für Unternehmen, die die Berechnung einer Höchsteinsatzzeit mit 540 Tagen scheuen, könnte in diesen Fällen auch die betriebliche
Entscheidung für maximale Einsatzzeiten bis 17 Monaten praktikabel sein, da damit die Risiken der Rechenunterschiede vermieden werden.
(b) Unterbrochene Einsätze
Für unterbrochene Einsätze lässt sich aus dem Wortlaut des § 191 BGB der Schluss ziehen, dass für die Ermittlung der Überlassungshöchstdauer Einsatzzeiten bis 540 Tage (18 x
30 Tage) möglich sind. Wegen der in der Praxis zum Teil stark unterschiedlichen Einsatzrhythmen wäre die kalendarische Berechnung von Datum zu Datum kaum möglich.
Es steht auch in der Diskussion, volle Einsatzmonate als einen Monat für die Ermittlung der
Überlassungshöchstdauer zugrunde zu legen, angebrochene Monate dagegen mit „x“/30 in
die Berechnung einfließen zu lassen.
Beispiel:
Der Leiharbeitnehmer ist vom 1. Mai bis zum 30. September im Einsatzbetrieb, im Anschluss
nochmals vom 15. November bis 10. Dezember. Es ergeben sich Einsatzzeiten von fünf vollen
Kalendermonaten sowie 25/30 (15/30 + 10/30).
67
68
Bayreuther, NZA 2017, 18; Lembke, NZA 2017, 1.
BAG v. 19.01.1977 – 4 AZR 560/75, Rn. 13.
28
Praxishinweis: Mit einer Berechnung auf Grundlage von 540 Tagen können auch bei unterbrochenen Einsatzverläufen die Risiken vermieden werden. Gegebenenfalls sprechen
besonders in diesen Fällen Praktikabilitätserwägungen für eine Berechnung aufgrund von
540 Tagen, da dann der Wechsel in der Berechnung zwischen vollen Kalendermonaten des
Einsatzes und angebrochenen Monaten vermieden werden kann.
(2) Überlassungshöchstdauer arbeitnehmerbezogen
Laut Gesetzesbegründung69 konkretisiert die Überlassungshöchstdauer das Kriterium der
vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung und der bisherigen Rechtsprechung des BAG
hierzu.70 Die Überlassungsdauer ist mit der Neufassung des Gesetzes arbeitnehmerbezogen und nicht arbeitsplatzbezogen bestimmt.71
Praxishinweis: § 1 Abs. 1 Satz 4 erlaubt weiterhin den flexiblen Einsatz von Leiharbeitnehmern u. a. zur Deckung von Auftragsspitzen.72 Auch zukünftig ist es somit möglich, einen Arbeitsplatz länger als 18 Monate mit Leiharbeitnehmern zu besetzen, solange die
Person des Leiharbeitnehmers wechselt.73
Auch wenn die 18 Monate sich nicht auf einen Arbeitsplatz beziehen, ist ein rollierendes
System mit dem ständigen Austausch von Leiharbeitnehmern, jeweils nach 18 Monaten mit
einem bereits zuvor eingesetzten Leiharbeitnehmer, rechtlich nicht gänzlich risikofrei. Es ist
nicht auszuschließen, dass Arbeitsgerichte bei langfristigen Systemen eine Parallele zur
Befristung mit Sachgrund ziehen. Hier hat die Rechtsprechung74 entschieden, dass an sich
zulässige langjährige Befristungen mit Sachgrund einer Missbrauchskontrolle zu unterziehen sind, und an sich gesetzlich zulässige Befristungen gleichwohl als unzulässig eingestuft.
Ausdrücklich abzuraten ist von einem Einsatz der Arbeitnehmerüberlassung in einem Gemeinschaftsbetrieb in der Weise, dass erst GmbH A einen Leiharbeitnehmer für 18 Monate
ausleiht und anschließend GmbH B des Gemeinschaftsbetriebs 18 Monate diese Person
ausleiht usw., der Leiharbeitnehmer also ununterbrochen auf dem gleichen Arbeitsplatz
einsetzbar ist. Rein orientiert am Gesetzeswortlaut ist wohl diese betriebliche Gestaltung
nicht untersagt, insbesondere wegen des fehlenden Arbeitsplatzbezugs; die Grundsätze
des institutionellen Rechtsmissbrauchs sind für die Bewertung einer solchen betrieblichen
Vorgehensweise jedoch nicht fernliegend.
(3) Überlassungshöchstdauer betriebs- oder unternehmensbezogen
Für die Praxis ebenfalls von großer Bedeutung ist die Frage, ob die Überlassungshöchstdauer betriebsbezogen oder unternehmensbezogen zu verstehen ist.
Zum einen wird für einen Unternehmensbezug plädiert.75 Für eine solche Annahme spricht,
dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des AÜG die Arbeitnehmerüberlassung auf ihre
Kernfunktion hin orientieren wollte.76
69
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 20.
BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11.
71
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 20; Lembke, NZA 2017, 1.
72
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 20.
73
Kock in BeckOK, AÜG § 1 Rn. 53.
74
EuGH v. 26.01.2012 – C-586/10 [Kücük] und BAG v. 19.02.2014 – 7 AZR 260/12;
BAG v. 15.05.2013 – 7 AZR 525/11.
75
Lembke, NZA 2017, 1; Bayreuther, NZA 2017, 18.
76
Koalitionsvertrag v. 27.11.2013, S. 69.
70
29
Auch der Begriff „Entleiher“ in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG könnte eher auf einen Bezug zur juristischen Person, also zum Unternehmen, schließen lassen. Zum anderen kommt aber
auch ein Betriebsbezug in Frage. Für eine solche Auslegung des Gesetzes sprechen folgende Argumente:
 Der Wortlaut des § 1 Abs. 1b AÜG ist nicht eindeutig. Neben dem Begriff „Entleiher“,
werden auch die Begriffe „Entleiherbetrieb“ und „Entleiherunternehmen“ an unterschiedlichen Stellen im unterschiedlichen Kontext verwandt.
 Die zeitlichen Abläufe sprechen eher für einen Betriebsbezug. Das Gesetzgebungsverfahren hat mit den ersten Entwürfen aus dem BMAS im Herbst 2015 begonnen.
Noch im Januar 2016 hat die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesagentur für
Arbeit, ihre Geschäftsanweisung77 neu aufgelegt und den Begriff Entleiher als „Entleiherbetrieb“ definiert; also während der zum Teil sehr kontroversen politischen Diskussionen. Das dürfte dem BMAS als Rechtsaufsicht der Bundesagentur für Arbeit
bekannt gewesen sein. Gleichwohl hat das BMAS den Begriff in seinen Gesetzesentwürfen nicht anderslautend im Sinne des Entleiherunternehmens definiert, weder
im Text noch in der Gesetzesbegründung.
 In der Systematik des § 1 Abs. 1b AÜG wird die Regelungskompetenz zur Überlassungshöchstdauer bis zur Betriebsebene delegiert. Das könnte für einen Betriebsbezug sprechen. In der Praxis kann es aufgrund dessen nur eine Überlassungshöchstdauer im jeweiligen Betrieb geben. Eine einheitliche für den Entleiher geltende Überlassungshöchstdauer existiert bei unterschiedlichen betrieblichen Regelungen dann
nicht.
Rechtssicher lässt sich diese Frage derzeit ebenfalls nicht beantworten.
Praxishinweis: Bei einem Betriebsbezug besteht das Risiko, dass die Überlassungshöchstdauer überschritten wird und kraft gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entsteht. Angesichts der Rechtsunsicherheit und der erheblichen Risiken empfiehlt es
sich eher, den Entleiherbegriff des § 1 Abs. 1b AÜG unternehmensbezogen zu verstehen
werden. Zur genauen und fehlerfreien Erfassung der Überlassungshöchstdauer sollten Arbeitgeber eine überbetriebliche Datenbank über alle beschäftigten Leiharbeitnehmer führen
und vor jedem Einsatz die persönliche Überlassungsdauer sowie die Karenzzeit nach § 1
Abs. 1b Satz 2 AÜG überprüfen. Gegebenenfalls ist für eine einheitliche Regelung im Unternehmen eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu erwägen (§ 50 Abs. 2 BetrVG).
Irrelevant ist, von welchem Verleiher der Leiharbeitnehmer überlassen wird.
dd) Karenzzeit von drei Monaten
Bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer wird ein Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig
angerechnet, wenn zwischen den Einsätzen nicht mehr als drei Monate liegen (Karenzzeit),
§ 1 Abs. 1b Satz 2 AÜG.
Hier stellt sich die Frage, wie die Formulierung „mehr als drei Monate“ zu interpretieren ist.
Unklar ist, ob der Gesetzgeber damit eine Karenzzeit von drei Monaten zum Ausdruck bringen wollte, oder ob drei Monate und ein Tag erst zu einer beachtlichen Unterbrechung führen.
77
Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit v. 20.01.2016, Punkt 1.1.2 (4).
30
Beispiel:
Ende des vorherigen Einsatzes am 31. Dezember
Unterbrechung von drei Monaten
Einsatz ab dem 1. April des Folgejahres möglich
Unterbrechung von mehr als
drei Monaten
Einsatz ab 2. April des Folgejahres
möglich
Das allgemeine Verständnis der Karenzzeit kann zwar eine Unterbrechung von drei Monaten sein. Wegen des Gesetzeswortlauts ist jedoch wohl eher von einer Karenzzeit von drei
Monaten und einem Tag auszugehen.
Praxishinweis: Da bei Fehlinterpretation ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher
droht, wird in der Praxis zu empfehlen sein, mit drei Monaten und einem Tag zu rechnen
(z. B. Ende 31. Dezember – Beginn erst wieder am 2. April).
Die Karenzzeit muss immer ein zusammenhängender Zeitraum sein und damit kalenderbezogen nach § 188 Abs. 2 BGB berechnet werden.
ee) Bestandsschutz
Gemäß der Übergangsregelung des § 19 Abs. 2 AÜG bleiben Einsatzzeiten vor dem
1. April 2017 unberücksichtigt. Die gesetzlich maßgebliche (ununterbrochene) Überlassungshöchstdauer endet daher erstmals im September 2018.
b) Tarifliche Vorgaben
aa) Öffnungsklausel für tarifliche und betriebliche Regelungen
Nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG können die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine
abweichende Überlassungshöchstdauer festlegen. Hierbei können sie die Verlängerung der
„zulässigen Einsatzzeiten“ näher ausgestalten.
Tarifvertragspartei in diesem Sinne kann neben den Arbeitgeberverbänden auch der Arbeitgeber im Rahmen eines Haustarifvertrages sein. Der Bezug zur Einsatzbranche sollte
gesetzeshistorisch (nur) klarstellen, dass die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche
keine Regelungsmacht zu dieser Materie haben sollen, die weitergehende Aussage, dass
Haustarifverträge ausgeschlossen sind, war damit nicht verbunden. Tarifvertragspartei im
Sinne von § 2 Abs. 1 TVG ist auch der Arbeitgeber. Zudem war es Sinn und Zweck dieser
Option, den Tarifvertragsparteien, die den Schutz der Stammbeschäftigten vor Augen haben, die Regelungshoheit zu übertragen, das gilt für die sachnächsten Tarifvertragsparteien
in Haustarifverhandlungen umso mehr.
Praxishinweis: Wird eine haustarifliche Lösung erwogen, sollte der Verband zur Unterstützung hinzugezogen werden.
Abweichende Regelungen nach § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG können auch durch Betriebsvereinbarung getroffen werden, allerdings nur wenn und soweit der Tarifvertrag dies vorsieht.
Hier ist im Ausgangspunkt zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Entleihern
zu unterscheiden.
31
bb) Handlungsoptionen für T-Betriebe
 Anwendung einer tarifliche Regelung zur Überlassungshöchstdauer
(z. B. des Tarifvertrages Leih-/Zeitarbeit)
 Abweichende Regelung gemäß der tariflichen Öffnungsklausel mit dem Betriebsrat
cc) Handlungsoptionen für OT-Betriebe
Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage wurden die Handlungsoptionen für OT-Betriebe
deutlich eingeschränkt. Es verbleiben die folgenden Optionen:
 die gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten zu nutzen,
 die vollständige Übernahme der tariflichen Festlegungen durch Betriebsvereinbarung
mit dem Betriebsrat (§ 1 Abs. 1b Satz 4 AÜG) oder
 Schaffung eines weitergehenden Spielraums im Rahmen der tariflichen Vorgaben
durch eine Betriebsvereinbarung
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer als „nicht tarifgebunden“ im Sinne von
§ 1 Abs. 1b Satz 4 und 6 AÜG anzusehen ist. Diese Frage ist insbesondere für Unternehmen relevant, die zwar verbandspolitisch als OT-Unternehmen gelten, die jedoch über
Haus-/ Anerkennungstarifverträge Tarifbindung nach § 2 Abs. 1 TVG besitzen.
Zugleich aber nicht pauschal alle Regelung der M+E-Fläche anerkannt haben, sondern nur
bestimmte tarifliche Regelungen der M+E-Branche. An einen gegebenenfalls abgeschlossenen neuen Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit wären sie deshalb nicht gebunden.
Im Sinne des reinen Wortlauts wären solche Unternehmen gegebenenfalls als tarifgebundene Unternehmen anzusehen, so dass ihnen ein Handlungsspielraum zur Überlassungshöchstdauer nur über einen weiteren Haus-/ Anerkennungstarifvertrag möglich wäre. Vom
Sinn und Zweck der Regelung ließe sich jedoch auch argumentieren, dass es nur um die
Tarifbindung an einen Tarifvertrag zur Überlassungshöchstdauer gehen kann; ein Tarifvertrag zur Überlassungshöchstdauer als Flächentarifvertrag würde mangels T-Mitgliedschaft
jedoch keine Tarifbindung vermitteln. Dann könnten diese OT-Unternehmen mit ihren Betriebsräten ebenfalls die Tariföffnungsklausel eines Tarifvertrags zu Überlassungshöchstdauer wie OT-Unternehmen ohne jegliche (haus-)tarifliche Regelung nutzen. Für diese Ansicht spricht auch, dass der Gesetzgeber grundsätzlich Tarifbindung fördern möchte. Wären diese OT-Unternehmen, obwohl sie mit der IG Metall Arbeitsbedingungen ausgehandelt
haben, nur auf die tarifliche Ebene verwiesen, wären sie schlechter gestellt, als OTUnternehmen gänzlich ohne tarifliche Regelung.
Praxishinweis: Da diese Frage derzeit nicht rechtssicher beantwortet werden kann und die
Folgen des Überschreitens der zulässigen Überlassungshöchstdauer erheblich sind, ist eine Risikoabwägung vorzunehmen. Gegebenenfalls können gemeinsam mit dem Verband
zur Risikominimierung Optionen für einen Haustarifvertrag zur Überlassungshöchstdauer
abgeklärt werden.
c) Rechtsfolgen bei Überschreiten der Überlassungshöchstdauer
Die Rechtsfolgen bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer laufen weitgehend
gleich mit den Rechtsfolgen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung (siehe B. I. 1. c)):
32
aa) Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher
Gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 1b, 10 AÜG führt das Überschreiten der Überlassungshöchstdauer
zur Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher unter gleichzeitiger Fiktion
eines grundsätzlich unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Das Arbeitsverhältnis entsteht dabei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AÜG ab dem Zeitpunkt
der Überschreitung und nicht rückwirkend („tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme
der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen“).
Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses richtet sich nach den geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen für den Betrieb des Entleihers (§ 10 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AÜG).
Ausnahmsweise kann nach § 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG auch ein nur befristetes Arbeitsverhältnis fingiert sein, wenn der Einsatz befristet vorgesehen war und ein die Befristung sachlich rechtfertigender Grund vorlag. Da die Einsätze der Leiharbeitnehmer wegen der Überlassungshöchstdauer immer befristet vorgesehen sein werden, ist insbesondere maßgeblich, ob daneben ein Sachgrund vorlag. Die Prüfung des Sachgrundes knüpft an die Tatbestände des § 14 Abs. 1 TzBfG an. 78
Praxishinweis: Da z. B. anders als bei der Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis bei
der Überschreitung der Überlassungshöchstdauer erst am Tag nach Ablauf der Überlassungshöchstdauer ein Arbeitsverhältnis entsteht, stellt sich ggf. die Frage nach dem Ablauf
der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG79 ist die Einsatzzeit als Leiharbeitnehmer regelmäßig irrelevant für die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG.80 Es kann jedoch nicht sicher
prognostiziert werden, ob die Rechtsprechung in diesem Kontext bei der grundsätzlichen
Aussage zur Wartezeit bleibt. Daneben könnte auch § 612a BGB – Maßregelungsverbot –
für die Unzulässigkeit der Kündigung einschlägig sein. Von einer Kündigung in unmittelbarer Nähe zur Aufforderung des Leiharbeitnehmers, das fingierte Arbeitsverhältnis zum Entleiher aufgrund der Fristüberschreitung anzuerkennen, ist eher abzuraten.
Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit kommt ein Aufhebungsvertrag in Betracht, wenn
auch der Leiharbeitnehmer kein Interesse an einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher hat.
Um wegen des formalen Verfahrens zur Festhaltenserklärung den Verdacht eines nach
§ 134 BGB unwirksamen Umgehungsgeschäftes zu vermeiden, sollte kein dreiseitiger Vertrag mit Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer geschlossen werden.81
bb) Ausnahme: Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers
Der Leiharbeitnehmer kann sich von dem kraft Gesetzes entstandenen Arbeitsverhältnis
durch eine sog. Festhaltenserklärung wieder lösen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG). Dafür muss er
innerhalb eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer
gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher schriftlich erklären, dass er an dem Vertrag
mit dem Verleiher festhalten will (Festhaltenserklärung). Ein im Vorfeld abgegebene Festhaltenserklärung ist unwirksam (§ 9 Abs. 3 Satz 1 AÜG).
78
Henssler/Willemsen/Kalb, § 10 AÜG, Rn. 9.
BAG v. 20.02.2014 – 2 AZR 859/11.
80
Thüsing, AÜG, 3. Aufl. 2012, § 10, Rn. 46.
81
BAG v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 zu § 613a BGB.
79
33
Praxishinweis: Eine Festhaltenserklärung des Leiharbeitnehmers führt nicht zur „Verlängerung der Überlassungshöchstdauer“. Der Einsatz im Entleiherbetrieb muss trotzdem
sofort beendet werden. Eine Weiterbeschäftigung oder ein erneuter Einsatz stehen aufgrund der § 9 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AÜG unter der Sanktion der §§ 9, 10 AÜG. Für den Fall
der Fortführung der Beschäftigung wird das Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher erneut unwirksam und ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher erneut fingiert. Für diesen Fall steht
dem Leiharbeitnehmer aber das sog. Festhaltensrecht nicht mehr zu.82
Für die Festhaltenserklärung müssen nach § 9 Abs. 2 AÜG folgende weitere Voraussetzungen gewahrt sein:
 der Leiharbeitnehmer muss die Erklärung persönlich einer Agentur für Arbeit vorlegen
(Nr. 1),
 die Agentur für Arbeit muss die abzugebende Erklärung mit dem Datum des Tages
der Vorlage und dem Hinweis versehen, dass sie die Identität des Leiharbeitnehmers
festgestellt hat (Nr. 2) und
 die Erklärung muss spätestens am dritten Tag nach der Vorlage in der Agentur für
Arbeit dem Verleiher oder dem Entleiher zugehen (Nr. 3).
Praxishinweis: Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Vorlage der Festhaltenserklärung bei der Agentur für Arbeit automatisch zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens führt, da die Arbeitsagenturen gemäß § 17 Abs. 1 AÜG die zuständige Verfolgungsbehörde für die Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 16 AÜG ist. Allerdings kann
nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 Nr. 1e AÜG) nur dem Verleiher ein Bußgeld auferlegt
werden. Im jeweiligen Einzelfall kann erwogen werden, einen Aufhebungsvertrag mit dem
betroffenen Arbeitnehmer abzuschließen (siehe B I. 1. c) cc).
Für die Fragen zum Fristenlauf, dem weiteren Einsatz des Leiharbeitnehmers und zur Wirkung einer solchen Festhaltenserklärung wird auf die Ausführungen zur unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung verwiesen (siehe B. I. 1. c) bb)).
cc) Sonstige Sanktionen
 Gemäß §§ 16 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 i .V. m. §§ 9, 130 OWiG kann gegen den Verleiher ein Bußgeld bis zu 30.000 EUR verhängt werden.
 Gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO sind Bußgelder über 200 EUR in das Gewerbezentralregister einzutragen.
 Gemäß § 28e Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB IV haftet der Entleiher neben dem Verleiher
für die Sozialversicherungsbeiträge als Gesamtschuldner.
 Bei der Lohnsteuer trifft den Entleiher eine nachrangige Ausfallhaftung gemäß § 42d
Abs. 6 EStG 83.
 Abschließend kommt nach § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB i. V. m. § 28e Abs. 2
Satz 4 SGB IV auch eine Strafbarkeit für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Betracht.
82
83
Beschlussempfehlung BT-Drs. 18/10064 v. 19.10.2016, S. 15.
§ 42d Abs. 6 EStG spricht nur von Arbeitnehmerüberlassung „im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar
1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I
S. 2854) geändert worden ist“. Eine Anpassung des § 42d Abs. 6 EStG erfolgte im Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nicht.
34
4. Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer
(Verbot des Kettenverleihs)
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG ist die Überlassung und das Tätigwerdenlassen von Leiharbeitnehmern nur zulässig, soweit direkt zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis besteht. Soweit beim (Weiter-)Verleih durch eine andere Person
keine Verleiherlaubnis vorliegt, die Überlassungshöchstdauer überschritten wird oder die
Arbeitnehmerüberlassung verdeckt erfolgt, greifen die Schutzbestimmungen des AÜG.84
Auch auf Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih finden gemäß § 10a AÜG damit die Vorschriften der §§ 9, 10 AÜG Anwendung.85 Ein Verstoß führt besonders wegen der Verletzung der Bezeichnungs- und Konkretisierungspflicht zwischen Vertragsarbeitgeber des
Leiharbeitnehmers und dem Entleiher ebenfalls zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses
zum Entleiher.
Gemäß der Gesetzesbegründung soll sichergestellt werden, dass Leiharbeitnehmer nur
vom vertraglichen Arbeitgeber verliehen werden und ein Ketten-, Zwischen- oder Weiterverleih untersagt bleibt.86
Für die weiteren Einzelheiten zu den Rechtsfolgen siehe B. I. 1. c).
Praxishinweis: Diese gesetzliche Neuregelung bedeutet in der Praxis, dass Master
Vendor Systeme im Detail geprüft und ggf. umgestellt werden müssen. Mit jedem einzelnen
Personaldienstleister, dessen Arbeitnehmer verliehen werden soll, muss in Zukunft vor
dem Einsatz ein Vertrag mit der Bezeichnung Arbeitnehmerüberlassung geschlossen sein
und der Leiharbeitnehmer muss mit diesem konkreten Personaldienstleister gemeinsam
vorher konkretisiert werden. Ferner sollte durch Vorlage der Originalurkunde oder Aushändigung einer beglaubigten Kopie sichergestellt sein, dass der Personaldienstleister über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt (siehe B. I. 1. c) gg)).
5. Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay und Equal Treatment)
Im neuen § 8 AÜG wird unter Streichung der bisherigen Meldevorschrift der Gleichstellungsgrundsatz (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG a. F.) in einer Norm zusammengeführt.
a) Gesetzliche Vorgaben
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die
Zeit der Überlassung die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer
des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz).87
Der Gleichstellungsgrundsatz ist gleichbedeutend mit Equal Treatment. Gleiche Arbeitsbedingungen umfassen dabei als Schnittmenge auch das Arbeitsentgelt (Equal Pay).
aa) Vorgaben des Equal Treatment Grundsatzes
(1) Vergleichbare Arbeitnehmer
Mit dem Leiharbeitnehmer vergleichbar im Sinne des Gleichstellungsgrundsatzes sind solche Arbeitnehmer des Entleihers, die die gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten ausführen.
84
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 27.
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 26.
86
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 19.
87
Nach alter Rechtslage über § 9 Nr. 2 AÜG.
85
35
Es kommt also insbesondere auf die Vergleichbarkeit der vom Arbeitnehmer auszuführenden Tätigkeiten an. Eine in der Person (oder einzelner Personen) liegende Unter- oder
Überqualifizierung kann kein Maßstab sein.
Für den Fall, dass es im Betrieb des Entleihers keinen vergleichbaren Arbeitnehmer gibt,
sind die Arbeitsbedingungen zu gewähren, die vergleichbaren Arbeitnehmern im Entleiherbetrieb gewährt werden würden (fiktive Eingruppierung).88 Demnach ist zu ermitteln, welche
Arbeitsbedingungen der Entleiher einem fiktiven eigenen Arbeitnehmer zahlen würde, wenn
er die Tätigkeit, die nun der Leiharbeitnehmer ausführen soll, mit eigenen Arbeitnehmern
ausführen würde.
(2) Wesentliche Arbeitsbedingungen
Was unter dem Begriff der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ zu verstehen ist, wird im
Gesetz nicht näher definiert.
Arbeitsbedingungen sind grundsätzlich alle nach dem allgemeinen Arbeitsrecht geltenden
Bedingungen, die sich aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag
ergeben und den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis gestalten.89
Ob eine Arbeitsbedingung wesentlich ist, bestimmt sich nach Art. 3 Abs. 1 lit. f und dessen
Erweiterung in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG.90 Wesentlich
sind danach die durch Gesetz, Verordnung, Verwaltungsvorschrift, TV und/oder sonstige
verbindliche Bestimmungen, die sich auf folgende Bedingungen beziehen:
 Arbeitsentgelt,
 Dauer der Arbeitszeit,
 Überstunden, Pausen und Ruhezeiten,
 Nachtarbeit,
 Urlaub und arbeitsfreie Tage,
 den Schutz Schwangerer, Kinder und Jugendlicher sowie
 den Schutz vor Diskriminierung im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Männern
und Frauen und sämtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung.
Als unwesentlich sind dagegen alle sonstigen Arbeitsbedingungen anzusehen. Dies betrifft
insbesondere Ausschlussfristen.91
Praxishinweis: Das AÜG ermöglicht beim Gleichbehandlungsgrundsatz auch weiterhin
nach § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG eine unbefristete Möglichkeit, durch Tarifvertrag abzuweichen
(siehe B. 5. b)). „Nur“ hinsichtlich des Arbeitsentgelts hat der Gesetzgeber grundsätzlich die
Grenze von neun Monaten – mit weiteren Ausnahmen – gezogen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG).
Das bedeutet, dass ein tarifanwendender Verleiher beispielsweise hinsichtlich der Arbeitszeit oder der Regelungen zum Urlaub weiterhin auf die manteltariflichen Regelungen der
Zeitarbeitsbranche zurückgreifen kann.
88
BAG v. 19.02.2014 - 5 AZR 1047/12; Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit, Stand: Januar 2016, 3. § 3 3.1.5 (6), S. 53.
89
Ulrici in NK-ArbR, AÜG, § 3 Rn. 31.
90
BAG 23.3.2011 – 5 AZR 7/10.
91
BAG v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10.
36
bb) Das Arbeitsentgelt: Der Equal Pay Grundsatz
(1) Equal Pay
Der Begriff des Arbeitsentgelts gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 wird grundsätzlich weit verstanden.92
In einer Antwort93 auf eine Kleine Anfrage94 zur Definition von „Equal Pay“ hat die Bundesregierung auf die Gesetzesbegründung95 verwiesen und klargestellt, dass:
 das Entgelt die Leistungen umfasst, die der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er
für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre,
 hierbei sämtliche auf den Lohnabrechnungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer des
Entleihers ausgewiesene Bruttovergütungsbestandteile maßgebend seien und
 zum Arbeitsentgelt damit jede Vergütung zähle, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird beziehungsweise aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände gewährt werden muss, insbesondere
o Urlaubsentgelt,
o Entgeltfortzahlung,
o Sonderzahlungen,
o Zulagen und Zuschläge
o sowie vermögenswirksame Leistungen.
Die Gesetzesbegründung lehnt sich an die Rechtsprechung des BAG an.96 Unter das Arbeitsentgelt fallen insoweit auch Sozialleistungen des Entleihers.97
Sofern Geld- oder Sachleistungen an bestimmte Voraussetzungen, z. B. an eine bestimmte
Betriebszugehörigkeitsdauer, geknüpft sind, muss der Leiharbeitnehmer diese genauso
wie die Stammbelegschaft des Entleihers erfüllen, damit ein Anspruch auf sie besteht.
Unklar ist, ob die betriebliche Altersversorgung ebenfalls vom Equal Pay Grundsatz erfasst wird.98 Leiharbeitnehmer hätten in diesem Fall jedoch nur gegenüber dem Verleiher
rechtlich einen Verschaffungsanspruch. Der Verleiher müsste die zum Erwerb einer Versorgungsanwartschaft notwendigen Beiträge im Betrieb des Entleihers entrichten.99 Faktisch muss der Verleiher aber in der Regel keine Beiträge entrichten.100 Denn Anwartschaften in der betrieblichen Altersversorgung werden erst nach einer gewissen Beschäftigungsdauer unverfallbar (§ 1b BetrAVG: bis 31. Dezember 2017: fünf Jahre, ab 01. Januar 2018:
drei Jahre). Aufgrund der regelmäßig kürzeren Einsatzzeit beim Entleiher erwerben die
Leiharbeitnehmer daher in der Regel keine Ansprüche.
Kommt der Equal Pay Grundsatz zur Anwendung, ist ein Gesamtvergleich der Geld- und
Sachleistungen im Überlassungszeitraum anzustellen101.
92
BAG v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10, vgl. auch Wank in ErfK, AÜG, § 10, Rn. 13.
Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 18/9723 v. 22.09.2016, S. 3.
94
Kleine Anfrage BT-Drs. 18/9559 v. 05.09.2016.
95
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 23.
96
BAG v. 19.02.2014 – 5 AZR 1046/12; BAG v. 24.09.2014 – 5 AZR 254/13, BAG v. 13.03.2013 –
5 AZR 294/12; BAG v. 19.02.2014 – 5 AZR 1046/12 sowie 5 AZR 1047/12.
97
BAG v. 13. März 2013 – 5 AZR 294/12; BAG v. 21.09.1989 – 1 AZR 454/88.
98
BAG v. 17.10.1995 – 3 AZR 882/94.
99
Bauer/Krets, NJW 2003, 537.
100
Bauer/Krets, NJW 2003, 537.
101
BAG v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10; BAG v. 13.03.2013 – 5 AZR 294/12; Geschäftsanweisung zum
AÜG der Bundesagentur für Arbeit, Stand: Januar 2016, 3. § 3 3.1.5 (3), S. 52.
93
37
Praxishinweis: Der Gleichstellungsgrundsatz gilt nur zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher. Der Leiharbeitnehmer hat grundsätzlich keinen Entgeltanspruch gegenüber dem
Entleiher. Der Überlassungsvertrag sollten im Hinblick auf das Equal Pay auf Haftungsrisiken für den Entleiher gegenüber dem Verleiher geprüft werden.
(2) Vermutungsregelung
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 AÜG wird (widerleglich) vermutet, dass der Leiharbeitnehmer
hinsichtlich des Arbeitsentgelts gleichgestellt ist, wenn er das tarifvertragliche Arbeitsentgelt
im Betrieb oder das tarifvertragliche Arbeitsentgelt in der Einsatzbranche eines vergleichbaren Arbeitnehmers erhält.
Unklar ist, wie sich die Zahlung von übertariflichen bzw. außertariflichen Leistungen auf die
Vermutungsregelung auswirkt. Fraglich ist, ob die Anwendung der Vermutungsregelung in
dieser Konstellation vollständig ausgeschlossen ist. Häufig honoriert der Arbeitgeber mit
übertariflicher Zahlungen eine individuelle Leistung. Diese Honorierung müsste deshalb bei
dem zu bildenden Vergleichsmaßstab außer Betracht bleiben. Der Wortlaut der Vermutungsregelung gibt zu dieser Frage jedoch keine Antwort.
Praxishinweis: Da es sich um eine widerlegliche Vermutung handelt und bezüglich der
Anwendung der Norm Rechtsunsicherheit besteht, kann die Vermutungsregelung bei der
Zahlung von außer- oder übertariflichen Leistungen für vergleichbare Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb nicht ohne weiteres „zuverlässig“ angewendet werden.
(3) Sachleistungen
Werden im Entleiherbetrieb Sachbezüge gewährt, so können Sie nach der ausdrücklichen
Formulierung in § 8 Abs. 1 Satz 3 durch einen Wertausgleich gewährt werden.
Beispiele:
102
Firmenwagen, Personalkauf- oder Aktienoptionen
Praxishinweis: Bei der Umrechnung der Sachleistungen besteht ebenfalls Rechtsunsicherheit. Es ist nicht ersichtlich, ob bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Werts der Leistungen der Einkaufswert, der Verkaufswert oder der steuerliche Wert der Sachleistung zugrunde zu legen ist. Den Verleiher trifft zudem bei der Feststellung und Umrechnung der
Sachleistungen im Entleiherbetrieb ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand.
b) Ausnahmen vom Gleichstellungsgrundsatz
aa) Tariföffnungsklausel
Vom Gleichstellungsgrundsatz (Equal Treatment) kann zeitlich unbegrenzt unter den Voraussetzungen des. § 8 Abs. 2 AÜG durch Tarifvertrag abgewichen werden (unkonditionierte Tariföffnungsklausel).
Eine Abweichung vom gleichen Arbeitsentgelt (Equal Pay) hat der Gesetzgeber in zwei
Stufen gestaltet:
 für die ersten neun Monate der Überlassung: Tariföffnungsklausel für einen Entgelttarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche ohne weitere Konditionen
(gilt für die bestehenden Entgelttarifverträge der Zeitarbeitsbranche),
102
Lembke, BB 2003, 89.
38
 zeitlich unbegrenzt: Tariföffnungsklausel für die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche mit zwei zusätzlichen Voraussetzungen:
o Festlegung eines gleichwertigen (Tarif-)Entgelts nach spätestens 15 Monaten
durch die Tarifvertragsparteien,
o Stufenweise Heranführung an das gleichwertige Tarifentgelt der Einsatzbranche
(sog. Branchenzuschläge) nach spätestens sechs Wochen Einsatzzeit.
Praxishinweis: Durch den Manteltarifvertrag Zeitarbeitsbranche (IGZ/BAP und der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB) vom 17.9.2013 wurden tarifliche Abweichungen vom gesetzlichen Equal Treatment vereinbart (insbesondere bei Urlaub und Arbeitszeit).
Vom Equal Pay Grundsatz kann zum einen durch die reinen Entgelttarifverträge der Zeitarbeitsbranche (Tarifverträge zwischen Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) mit der
Tarifgemeinschaft Leiharbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes), die derzeit bis zum
31.12.2019 vereinbart sind, in den ersten neun Monaten abgewichen werden.
Bestehen in der Einsatzbranche Branchenzuschlagstarifverträge und gibt es eine Festlegung des gleichwertigen Entgelts nach 15 Monaten, kann zeitlich unbegrenzt vom Equal
Pay Grundsatz abgewichen werden.
Sollen die Equal Pay Pflicht ausgeschlossen werden, so empfiehlt es sich, mit einem Verleiher zusammenzuarbeiten, der tarifgebunden ist und/oder der die Tarifanwendung in den
Arbeitsverträgen mit den Leiharbeitnehmern durch Bezugnahmeklauseln sicherstellt (§ 8
Abs. 2 Sätze 1 und 3 AÜG).
(1) Anforderungen an den Inhalt der Tarifverträge
Die Bundesagentur für Arbeit differenziert in ihren Durchführungsanweisungen hinsichtlich
der Art abweichender Tarifverträge prinzipiell wie folgt:
Trifft ein Tarifvertrag im Wesentlichen Regelungen zu allen Arbeitsbedingungen und bleiben nur kleine Teile (z. B. Reisekosten, Verpflegungsmehraufwand) unerwähnt, ist der
Gleichstellungsgrundsatz suspendiert. Hinsichtlich der ungeregelten Arbeitsbedingungen
gelten dann nicht diejenigen des Entleihers, sondern die allgemeinen vertraglich begründeten oder gesetzlichen Ansprüche gegen den Verleiher.
Lässt dagegen ein Tarifvertrag wichtige Teile der wesentlichen Arbeitsbedingungen unerwähnt (z. B. Entgelt, Urlaub), suspendiert er nur bezüglich der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen vom Gleichstellungsgrundsatz. Hinsichtlich der ungeregelten Arbeitsbedingungen ist dagegen der Gleichstellungsgrundsatz zu beachten. Nach dieser Auffassung
verdrängt z. B. ein reiner Entgelttarifvertrag den Gleichstellungsgrundsatz nur bezüglich
des Arbeitsentgelts nicht dagegen für die sonstigen wesentlichen Arbeitsbedingungen.
(2) DGB-Tarifgemeinschaft
Der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) unterhält neben dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) Tarifverträge mit der DGBTarifgemeinschaft (BAP-DGB und iGZ-DGB). Der BAP ist im Frühjahr 2011 aus einem Zusammenschluss des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister (AMP)
und des Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e.V. (BZA) hervorgegangen.
Innerhalb des BAP bestehen bzw. bestanden die Tarifverträge BZA-DGB und AMP-CGB.
39
Praxishinweis: Behauptet der Verleiher, einen Tarifvertrag mit der DGB-Tarifgemeinschaft
und dem BAP bzw. iGZ kraft Tarifbindung oder einzelvertraglicher Vereinbarungen anzuwenden, sollte bei Zweifeln von ihm ein geeigneter Nachweis – z. B. Kopie einer schriftlichen Bestätigung der Mitgliedschaft im Zeitarbeitsverband bzw. schriftliche Erklärung des
Verleihers bzgl. der verwendeten Bezugnahmeklausel – verlangt werden.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die DGB-Tarifgemeinschaft und der BAP bzw.
iGZ die Fähigkeit besitzen, Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche vereinbaren zu können.
Verbindlich klären können diese Frage aber letztlich nur die Arbeitsgerichte.103
Praxishinweis: Bei einem Einsatz in M+E-Unternehmen gilt der Equal Treatment Grundsatz unbefristet nicht, wenn der Verleiher die Manteltarifverträge des DGB anwendet. Bei
einem Einsatz in M+E-Unternehmen gilt der Equal Pay Grundsatz in den ersten neun Monaten des Einsatzes nicht, wenn der Verleiher den Entgelttarifvertrag des DGB anwendet.
Vom Equal Pay Grundsatz kann nur dann unbefristet abgewichen werden, wenn die Zeitarbeitsbranche von der Ausnahme des § 8 Abs. 4 Satz 2 AÜG Gebraucht macht und eine
weitere Entgeltstufe nach 15 Monaten vereinbart.
(3) Sonderfall: CGZP
Die obigen Ausführungen gelten nicht für die mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge.
Die CGZP war ein Zusammenschluss von ursprünglich sechs Gewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB), die mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) Flächentarifverträge abgeschlossen hat.
Das BAG hat festgestellt, dass die CGZP nie tariffähig war.104 Dies bedeutet, dass die
CGZP abweichende Tarifverträge i. S. d. §§ 3 und 9 AÜG nicht wirksam abschließen konnte, mit der Folge, dass der Grundsatz des „Equal Pay / Equal Treatment“ rückwirkend Anwendung findet.
(4) M+E-Industrie – Verleihbetriebe
Damit auch Betriebe der M+E-Industrie, die neben ihrem eigentlichen Betriebszweck (gelegentlich) Arbeitskräfte an andere branchenzugehörige oder –fremde Unternehmen überlassen (sog. Mischbetriebe), nicht an den Gleichstellungsgrundsatz gebunden sind, hat Gesamtmetall mit der IG Metall am 23. Dezember 2003 einen Zusatztarifvertrag zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geschlossen. Dieser Tarifvertrag ist seit 1. Januar 2004
in Kraft und enthält eine Ergänzungsklausel, nach der die M+E-Tarifverträge auch für solche Leiharbeitnehmer gelten.105 Verbandsangehörige Mischbetriebe sind damit vom gesetzlichen Gleichstellungsgrundsatz suspendiert. Der Tarifvertrag soll an die neue Gesetzeslage angepasst werden.
103
BAG v. 20.03.2012 – 1 AZB 72/12.
BAG v. 22.05.2012 – 1 AZB 58/11; v. 23.05.2012 – 1 AZB 58/11.
105
Auszug aus dem ErgTV: II. Ergänzungsklausel: „Werden Beschäftigte von tarifgebundenen Mitgliedsunternehmen der Metall- und Elektroindustrie auf der Grundlage des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) an andere Betriebe oder Unternehmen überlassen, sind die oben
bezeichneten Tarifverträge [Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in ihrer jeweiligen Fassung und ihrem Rechtszustand] abweichende Regelungen im Sinne der §§ 3 I Nr. 3 und 9 Nr. 2
AÜG.“
104
40
bb) Drehtür-Klausel
Trotz Tarifvertrag scheidet eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz gem. § 8 Abs. 3
AÜG aus, wenn der Leiharbeitnehmer zuvor beim Entleiher oder bei einem anderen Unternehmen desselben Konzerns im Sinne des § 18 AktG, dem der Entleiher angehört, vor weniger als sechs Monaten beschäftigt war (Verhinderung des „Drehtüreffekts“).
Bei einer früheren freien Mitarbeit, einem Praktikum oder einem Ausbildungsverhältnis
sind Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz möglich. Gegen die Einbeziehung von
ehemaligen Auszubildenden spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Umstand,
dass im Gesetzgebungsverfahren der Antrag auf die Einbeziehung von Ausbildungsverhältnissen in die Regelung abgelehnt worden ist.
Die bis April 2011 geltende Regelung, wonach der Verleiher mit einem zuvor arbeitslosen
Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher für insgesamt höchstens
sechs Wochen andere Arbeitsbedingungen vereinbaren kann, existiert nicht mehr.
cc) Fristberechnung
Ähnlich wie bei der Überlassungshöchstdauer stellt sich bei der neunmonatigen Frist des §
8 Abs. 4 AÜG die Frage, wie die Frist zu berechnen ist (siehe B I 3 a) cc)). Auch hier
kommt die kalendarische Berechnung nach §§ 187, 188 BGB oder die kaufmännische Berechnung nach § 191 BGB (30 Kalendertage pro Monat) in Betracht.
Für den ununterbrochenen neunmonatigen Einsatz stehen sich zwei Auffassungen gegenüber.
Zum einen wird der Wortlaut des § 191 BGB so verstanden, dass es allein darauf ankommt,
dass der Fristenlauf theoretisch unterbrochen werden kann.106 Das ist bei der neunmonatigen Frist der Fall, da § 8 Abs. 4 Satz 4 AÜG eine Regelung zum Umgang mit Unterbrechungszeiten enthält. Für einen die neunmonatige Equal Pay Frist wären 270 Tage zugrunde zu legen.
Zum anderen wird das Verhältnis zwischen § 188 BGB und § 191 BGB so verstanden, dass
die kaufmännische Berechnung nach § 191 BGB nur zur Anwendung kommt, wenn das
Fristende nicht anders ermittelbar ist107, d.h. § 191 BGB wird als bloße Hilfsnorm verstanden. Ein neunmonatiger ununterbrochener Dauereinsatz ist ohne weiteres kalendarisch berechenbar, so dass volle neun Kalendermonate nicht überschritten werden dürften.
Das BAG108 hat in einer Entscheidung zu einer tarifvertraglichen Fristenregelung zwischen
einem ununterbrochenen Verlauf und einem unterbrochenen Verlauf im Hinblick auf die
Fristenberechnung unterschieden. Diese tarifliche Vorschrift war ähnlich aufgebaut wie § 1
Abs. 8 AÜG. Im Satz 1 der tariflichen Regelung war eine Mindestfrist für den Anspruch auf
eine Zulage geregelt. Im Satz 2 der tariflichen Regelung wurden Feststellungen für den Fall
eines unterbrochenen Verlaufs getroffen. In diesem Fall hat das BAG den Satz 1 isoliert für
die Frage der Fristenberechnung bewertet und für den ununterbrochenen Verlauf § 188
BGB angewandt.
Auch wenn gute Argumente für die Anwendung der kalendarischen Berechnungsweise
nach § 188 BGB sprechen, lässt sich die Frage derzeit nicht rechtssicher beantworten.
106
OVG Saarlouis v. 12.01.2010 – 3 A 325/09, Rn. 41 f; VG Bremen v. 26.03.2009 – 2 K 1309/08,
Rn. 25 f. OLG München, Beschluss vom 30. Januar 2008 – 33 Wx 10/08, Rn. 19
107
Bayreuther, NZA 2017, 18; Lembke, NZA 2017, 1.
108
BAG v. 19.01.1977 – 4 AZR 560/75, Rn. 13.
41
Praxishinweis: Die kalendarische Berechnung führt im Vergleich zur kaufmännischen Berechnung regelmäßig zu einer längeren Frist. Allerdings führt der Verstoß gegen den Equal
Pay Grundsatz (nur) auf Seiten des Verleihers zu einer Nachzahlungspflicht gegenüber
dem Leiharbeitnehmer und ist (nur) für den Verleiher bußgeldbewährt.
Mit einer Berechnung auf Grundlage von 270 Tagen können diese Risiken für den Verleiher
vermieden werden. Gegebenenfalls sprechen auch Praktikabilitätserwägungen auf Seiten
des Entleihers für eine Berechnung aufgrund von 270 Tagen, da dann unterbrochene und
ununterbrochene Einsatzverläufe betrieblich einheitlich abgewickelt werden können.
Für unterbrochene Einsätze lässt sich aus dem Wortlaut des § 191 BGB der Schluss ziehen, dass für die Ermittlung der neun Monate 270 Tage (9 x 30 Tage) als Grundlage dienen. Wegen der in der Praxis zum Teil stark unterschiedlichen Einsatzrhythmen wäre die
Berechnung (zudem) von Datum zu Datum kaum möglich. Es steht auch in der Diskussion,
volle Einsatzmonate als einen Monat für die Ermittlung der Überlassungshöchstdauer zugrunde zu legen, angebrochene Monate dagegen mit „x“/30 in die Berechnung einfließen
zu lassen (siehe B. I. 3. a) cc) (1) (b)).
Praxishinweis: Grundsätzlich bleibt auch im Zusammenhang mit dieser Frage die Empfehlung in der M+E-Branche bei entsprechenden M+E-Branchentarifverträgen auf Verleiher
zurückzugreifen, die die Tarifanwendung gegenüber den Leiharbeitnehmer auch über die
neun Monate hinaus sicherstellen.
dd) Frist unternehmens- oder betriebsbezogen
Wie bei der Überlassungshöchstdauer (siehe B. I. 3. a) cc) (3).) ist für die Praxis ebenfalls
von Bedeutung die Frage, ob die Fristberechnung für Equal Pay betriebsbezogen oder unternehmensbezogen zu verstehen ist.
Zum einen wird für einen Unternehmensbezug plädiert.109 Für eine solche Annahme
spricht, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des AÜG eine Ausnahme vom Equal
Pay Grundsatz nur noch unter engen Voraussetzungen zulassen wollte.110 Auch der Begriff
„Entleiher“ in § 8 Abs.4 AÜG könnte eher auf einen Bezug zur juristischen Person, also
zum Unternehmen, schließen lassen, da im selben Paragrafen in § 8 Abs. 1 AÜG explizit
vom „Entleiherbetrieb“ in Bezug auf das Vergleichsentgelt gesprochen wird.
Zum anderen kommt aber auch ein Betriebsbezug in Frage. Für eine solche Auslegung des
Gesetzes sprechen folgende Argumente:
 Der Wortlaut des § 8 Abs. 4 AÜG ist nicht eindeutig. Neben dem Begriff „Entleiher“,
werden auch die Begriffe „Entleiherbetrieb“ und „Entleiherunternehmen“ an unterschiedlichen Stellen im unterschiedlichen Kontext verwandt.
 Die zeitlichen Abläufe sprechen eher für einen Betriebsbezug. Das Gesetzgebungsverfahren hat mit den ersten Entwürfen aus dem BMAS im Herbst 2015 begonnen.
Noch im Januar 2016 hat die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesagentur für
Arbeit, ihre Geschäftsanweisung111 neu aufgelegt und den Begriff Entleiher als „Entleiherbetrieb“ definiert; also während der zum Teil sehr kontroversen politischen Diskussionen. Das dürfte dem BMAS als Rechtsaufsicht der Bundesagentur für Arbeit
bekannt gewesen sein.
109
Lembke, NZA 2017, 1; Bayreuther, NZA 2017, 18.
Koalitionsvertrag v. 27.11.2013, S. 69.
111
Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit 20.01.2016, Punkt 1.1.2 (4)
110
42
Gleichwohl hat das BMAS den Begriff in seinen Gesetzesentwürfen nicht anderslautend im Sinne des Entleiherunternehmens definiert, weder im Text noch in der Gesetzesbegründung.
Rechtssicher lässt sich diese Frage derzeit ebenfalls nicht beantworten.
Praxishinweis: Auch wenn der Verstoß gegen den Equal Pay Grundsatz (nur) auf Seiten
des Verleihers zu einer Nachzahlungspflicht gegenüber dem Leiharbeitnehmer führt und
(nur) für den Verleiher bußgeldbewährt ist, sollte zur genauen und fehlerfreien Erfassung
der Fristen eine überbetriebliche Datenbank über alle beschäftigten Leiharbeitnehmer geführt werden und vor jedem Einsatz die persönliche Einsatzzeiten sowie die Karenzzeit
nach § 8 Abs. 4 Satz 4 AÜG überprüft werden.
Bei der Zusammenarbeit mit einem tarifgebundenen oder tarifanwenden Verleiher, der die
(noch zu vereinbarenden) Branchenzuschlagstarife mit der letzten Stufe ab dem 16. Monat
anwendet, entfällt das Berechnungsrisiko.
Irrelevant ist, von welchem Verleiher der Leiharbeitnehmer überlassen wird.
ee) Karenzzeit
Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 AÜG werden vorherige Einsatzzeiten an denselben Entleiher auf
die Equal Pay Frist des § 8 Abs. 4 AÜG angerechnet, wenn zwischen den Einsätzen jeweils
nicht mehr als 3 Monate liegen (Karenzzeit).
Hier stellt sich erneut die Frage, wie die Formulierung „mehr als drei Monate“ zu interpretieren ist. Unklar ist, ob der Gesetzgeber damit eine Karenzzeit von drei Monaten zum Ausdruck bringen wollte, oder ob drei Monate und ein Tag erst zu einer beachtlichen Unterbrechung führen.
Das allgemeine Verständnis der Karenzzeit kann zwar eine Unterbrechung von drei Monaten sein. Wegen des Gesetzeswortlauts ist jedoch wohl eher von einer Karenzzeit von drei
Monaten und einem Tag auszugehen.
Praxishinweis: Auch hier wird wegen des Restrisikos in der Praxis zu empfehlen sein, mit
drei Monaten und einem Tag zu rechnen (z. B. Ende 31. Dezember – Beginn erst wieder
am 2. April)
Die Karenzzeit muss immer ein zusammenhängender Zeitraum sein und ist damit kalenderbezogen nach §§ 187, 188 Abs. 2 BGB zu berechnen.
ff) Bestandsschutz
Gemäß § 19 Abs. 2 AÜG werden bei der Berechnung der Überlassungszeiten nach
§ 8 Abs. 4 S. 1 AÜG (neun Monate) Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 nicht berücksichtigt.
c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen den Gleichstellungsgrundsatz
Beachtet der Verleiher den Gleichstellungsgrundsatz nicht oder nicht vollständig, ist die
Vereinbarung der nach § 8 unzureichenden Arbeitsbedingungen im Verhältnis zum Leiharbeitnehmer gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG unwirksam.
Der Verleiher hat gem. § 8 Abs. 1 AÜG dem Leiharbeitnehmer stattdessen die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers zu gewähren.
43
Darüber hinaus handelt der Verleiher gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7a AÜG ordnungswidrig, wenn
er dem Leiharbeitnehmer nicht die Arbeitsbedingungen im Sinne der § 8 Abs. 1 Satz 1 oder
Abs. 2 Sätze 2 und 4 gewährt (Nr. 7a) oder entgegen § 8 Abs. 5 das vorgesehene Mindeststundenentgelt nicht oder nicht rechtzeitig zahlt (Nr. 7b). Die Ordnungswidrigkeit kann mit
einer Geldbuße von bis zu 500.000 EUR (§ 16 Abs. 2) und einem Eintrag in das Gewerbezentralregister nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO belegt werden.
Vordergründig ist also nur das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer
betroffen. Insbesondere wird durch die unwirksame Vereinbarung nicht der gesamte Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher unwirksam und ein entsprechendes
Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert.112
Den Entleiher trifft jedoch folgendes Risiko: Der Nachzahlungsbetrag ist sozialversicherungsrechtlich zu verbeitragen. Gerade bei kleineren Verleihern kann eine solche Nachzahlungspflicht zur Insolvenz führen. In diesem Fall kann sich das Haftungsrisiko für den
Entleiher gem. § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV verwirklichen (siehe B. III.).
II. Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AÜG
1. § 1 Abs. 1a AÜG - Abordnung zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE)
Gem. § 1 Abs. 1a Satz 1 AÜG liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn
 die Abordnung zu einer zur Herstellung eines Werks gebildeten Arbeitsgemeinschaft
erfolgt,
 der Arbeitgeber Mitglied dieser Arbeitsgemeinschaft ist,
 für alle Mitglieder die Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges gelten und
 alle Mitglieder zur selbstständigen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet
sind.
Der Begriff „Werk“ ist i. S. v. § 631 BGB zu verstehen (siehe A. III. 2. b)). Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber insbesondere den Bedürfnissen der Bauwirtschaft Rechnung
tragen. Damit sind Arbeitsgemeinschaften sowohl gem. Satz 3 als auch Satz 4 von der
Ausnahme ausgeschlossen, deren Zweck auf die Erfüllung einer Dienstleistung gerichtet
ist. Die Ausnahme gilt ebenfalls nicht, wenn ein Mitglied keine Vertragsleistungen zur Arbeitsgemeinschaft erbringt.
Für einen Arbeitgeber mit Geschäftssitz in einem anderen Mitgliedsstaat des Europäischen
Wirtschaftsraumes enthält § 1 Abs. 1a Satz 2 AÜG eine Besonderheit. Für ihn ist die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft auch dann keine Arbeitnehmerüberlassung, wenn für ihn die deutschen Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges nicht gelten, er aber die übrigen Voraussetzungen
des § 1 Abs. 1a Satz 1 AÜG erfüllt.
Für die Zugehörigkeit zum selben Wirtschaftszweig kommt es nicht darauf an, in welchem
Wirtschaftszweig sich der ausländische Betrieb im Inland betätigt, sondern darauf, zu welchem Wirtschaftszweig er nach seiner Gesamttätigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum
gehört.
112
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 26.
44
Beispiel:
Werksarbeitsgemeinschaften kommen vor allem im Baugewerbe vor. Dabei handelt es sich
um den vorübergehenden Zusammenschluss rechtlich selbstständiger Unternehmen desselben Wirtschaftszweigs zum Zwecke der gemeinsamen Herstellung eines Werks (z. B. Großauftrag), im Hinblick auf eine stärkere Leistungsfähigkeit der damit zusammengeschlossenen
Unternehmen, aus Gründen der Risikominderung durch entsprechende Haftungsverteilung
oder zum Zwecke der Erlangung von Kostenvorteilen durch entsprechend rationellere Arbeitsweise.
2. Ausnahmen nach § 1 Abs. 3 AÜG
Bestimmte Fallgestaltungen werden gemäß § 1 Abs. 3 AÜG vom Anwendungsbereich des
AÜG teilweise ausgenommen. Ausdrücklich finden nur die Normen des § 1b Satz 1, des
§ 16 Abs. 1 Nr. 1b und Abs. 2 bis 5 sowie die §§ 17 und 18 AÜG Anwendung.
Die folgende Übersicht stellt den Inhalt des § 1 Abs. 3 AÜG tabellarisch dar. Sie listet die
Paragrafen des AÜG auf und gibt an, welche Regelungen des AÜG trotz des Privilegs zu
beachten sind und welche nicht:
Inhalt
Norm
Anwendung
Erlaubnispflicht
§ 1 Abs.1 S. 1
NEIN
Verbot des Kettenverleihs
§ 1 Abs. 1 S. 3
NEIN
Bezeichnungspflicht
§ 1 Abs. 1 S. 5
NEIN
Konkretisierungspflicht
§ 1 Abs. 1 S. 6
NEIN
Überlassungshöchstdauer
§ 1 Abs. 1b
NEIN
Einschränkungen im Baugewerbe
§ 1b
JA
Behördliches Erlaubnisverfahren
§§ 2 – 7
NEIN
Lohnuntergrenze
§ 3a
(wohl) NEIN
Beachtung des Gleichstellungsgrundsatze
§8
NEIN
Unwirksamkeit und Fiktion
§§ 9, 10
NEIN
Informationspflichten
§ 11
NEIN
Streikeinsatzverbot
§11 Abs. 5
NEIN
Vorgaben für Arbeitnehmerüberlassungs- § 12
vertrag
NEIN
Ansprüche des Leiharbeit-nehmers gegen §§ 13 – 13 b
den Entleiher
NEIN
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte § 14
der Betriebsräte
NEIN
Ordnungswidrigkeit für das Baugewerbe
§ 16 Abs.1 Nr. 1f,
JA
Abs. 2 - 5
Ordnungswidrigkeiten im Übrigen
§ 16
NEIN
Durchführungsvorschriften der BA und der §§ 17, 18
Zollverwaltung
JA
Meldepflichten, Dokumentationspflichten
NEIN
§ 17b und § 17c
45
Neben, den für die M+E-Branche nicht relevanten Ausnahmen für den öffentlichen Dienst
(Nr. 2b und Nr. 2c) unterfallen die folgenden Fallgestaltungen der Ausnahmeregelung:
a) § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG – Überlassung zur Vermeidung von Kurzarbeit oder
Entlassung
Das AÜG findet nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG keine Anwendung wenn,
 ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht,
 die Arbeitgeber demselben Wirtschaftszweig angehören und
 die Personalausleihe zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen erfolgt.
Dabei muss es sich um denselben Tarifvertrag handeln. Verschiedene Tarifverträge genügen nicht. Möglich ist jedoch, dass ein nicht tarifgebundener, aber vom Geltungsbereich
des Tarifvertrages erfasster Arbeitgeber die Geltung des Tarifvertrages individualrechtlich
vereinbart. Allerdings bleibt es auch hier bei der Voraussetzung „desselben Wirtschaftszweigs“. Nach dem Zweck der Vorschrift genügt nicht die subjektive Absicht des Verleihers,
sondern die Arbeitnehmerüberlassung muss objektiv geeignet sein, Kurzarbeit oder Entlassungen zu verhindern.
b) § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG – Konzernprivileg
Ausgenommen vom Anwendungsbereich des AÜG ist die Überlassung
 von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen im Sinne von § 18 Aktiengesetz,
 soweit der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird.
Der Ausnahmetatbestand soll weiterhin den vorübergehenden Einsatz von Arbeitnehmern
bei anderen Konzernunternehmen ohne bürokratische Hürden ermöglichen.113 In diesem
Fall ist nämlich nur „der interne Arbeitsmarkt des Konzerns betroffen [und] eine soziale Gefährdung der Leiharbeitnehmer nicht gegeben.“114
Entsendungen von Arbeitnehmern bzw. Entsendungen durch reine Verleihunternehmen
(Personalführungsgesellschaften) im Konzern sind von der umfassenden Anwendung
des AÜG hingegen nicht ausgenommen.
Trotz des Bezugs auf das Aktiengesetz muss es sich bei den Konzernunternehmen nicht
um Aktiengesellschaften handeln.115 Voraussetzung ist nach der Gesetzesfassung lediglich,
dass es sich um mindestens zwei rechtlich selbstständige Unternehmen unter einheitlicher
Leitung handelt.116 Der Konzern kann sowohl ein Überordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 AktG)
als auch ein Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG) sein.
Das Konzernprivileg greift dann ein, wenn der Arbeitnehmer nicht ausschließlich zum
Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt, sondern ggf. gelegentlich auch beim
anderen Konzernunternehmen eingesetzt wird.
113
Kock in BeckOK, AÜG, § 11, Rn. 111.
Gesetzesbegründung BT-Drs. 10/3206 v. 17.04.1985, S. 33.
115
BAG v. 05.05.1988 – 2 AZR 795/87.
116
Wank in ErfK, § 1 AÜG, Rn. 58.
114
46
Eine Einstellung zum Zwecke der Überlassung liegt vor, wenn der Leiharbeitnehmer bei
Abschluss des Arbeitsvertrags oder mit einer entsprechenden Änderung die Erklärung abgibt, in Abweichung von § 613 Satz 2 BGB ausschließlich als Leiharbeitnehmer tätig zu
werden.117 Mit dem Merkmal „beschäftigt sein“ möchte der Gesetzgeber sicherstellen, dass
der Arbeitnehmer auch nicht später ausschließlich zum Zwecke der Überlassung beschäftigt wird.118 Für die Anwendbarkeit des Konzernprivilegs ist es damit unschädlich, wenn der
Arbeitnehmer z. B. aufgrund einer Konzernversetzungsklausel auch als Leiharbeitnehmer
eingesetzt werden kann.
Beispiel:
Der konzernintern überlassene Arbeitnehmer wird als „normaler“ Arbeitnehmer eingestellt und
beschäftigt, er wird jedoch aufgrund einer Konzernversetzungsklausel auch als Leiharbeitnehmer in einem anderen Konzernunternehmen im Rahmen einer Karriereentwicklungsmaß119
nahme eingesetzt.
Praxishinweis: Die Berufung auf das Konzernprivileg ist in der Praxis nicht gänzlich ohne
Risiko. Denn die Regelung wird in der juristischen Fachliteratur teilweise für europarechtswidrig gehalten, weil die europäische Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG keine Ausnahmetatbestände für konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG enthält.120 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das EU-Recht auch keine Erlaubnispflicht
für die Arbeitnehmerüberlassung kennt und eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht mithin
tatbestandlich schon gar nicht europarechtswidrig sein kann.
Grundsätzlich müsste jeder Ausnahmetatbestand mit der Leiharbeitsrichtlinie abgeglichen
werden. So etwa auch eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten — die jedoch nicht
von der Richtlinie gefordert wird. Zum Tatbestandsmerkmal der vorübergehenden Überlassung hatte die EU-Kommission ein gegen die Bundesrepublik eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren mit der Begründung eingestellt, dass „die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet
sind, eine Höchstdauer für die Überlassung von Leiharbeitnehmern an entleihende Unternehmen festzulegen“.121
c) § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG – Gelegentliche Überlassung zwischen Arbeitgebern
Die Überlassung muss
 gelegentlich erfolgen und
 es darf keine Einstellung zum Zweck der Überlassung stattfinden.
„Gelegentlich“ bezieht sich nicht auf die Dauer des Einsatzes, sondern darauf, ob die Übernahme planmäßig oder nur gelegentlich, bei besonderem Bedarf, erfolgt.122
Unter die Ausnahmevorschrift fallen daher nur spontane Überlassungsfälle, beispielsweise
der Fremdeinsatz aufgrund eines kurzfristigen Spitzenbedarfes eines anderen Unternehmens.123
117
Ulber, AÜG, § 1, Rn. 370.
Boemke/Lembke, § 1 AÜG, Rn. 231 f.
119
Lembke, DB 2011, 414.
120
Lembke, BB 2012, 2497.
121
EU-Kommission v. 20.07.2015, Az. CHAP (2015)00716.
122
Wank in ErfK, § 1 AÜG, Rn. 61.
123
BT-Drs 17/4808, S 8 – „fehlende Wiederholungsabsicht“.
118
47
Eine lediglich gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung liegt deshalb wohl nur dann vor,
wenn das überlassende Unternehmen den Arbeitnehmer nur ausnahmsweise und nicht
wiederholt demselben Entleiher zur Arbeitsleistung überlässt.124
Auch bei diesem Ausnahmetatbestand ist umstritten, ob er überhaupt mit der EU-Richtlinie
vereinbar ist, da diese auch für gelegentliche Aushilfen keinen Ausnahmetatbestand vorsieht.
Praxishinweis: Die Bundesagentur für Arbeit führt in Ziff. 1.3.3 Abs. 2 ihrer Geschäftsanweisung zum AÜG aus, dass das Merkmal „gelegentlich“ bezwecke, Bagatellfälle von dem
Erlaubniserfordernis zu befreien.125 Ein Bagatellfall wird daher nicht mehr vorliegen, wenn
die Überlassung nachhaltig und planmäßig erfolgt.
d) § 1 Abs. 3 Nr. 3 AÜG – Auslandsverleih aufgrund zwischenstaatlicher
Vereinbarungen
Ein weiterer Ausnahmetatbestand greift bei Arbeitnehmerüberlassung
 in das Ausland,
 soweit der Leiharbeitnehmer in ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen verliehen
wird,
 an dem der Verleiher beteiligt ist.
Hiervon erfasst ist nur die Entsendung eines oder mehrerer Arbeitnehmer durch ein im Inland ansässiges Unternehmen ins Ausland, nicht jedoch der umgekehrte Fall. Voraussetzung für die Ausnahme ist, dass der Verleih an ein deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen erfolgt, das auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen gegründet
worden ist.
Beispiel:
Zwei selbstständige Unternehmen (darunter ein deutsches und ein ausländisches) beteiligen
sich gesellschaftsrechtlich auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung an einem weiteren, rechtlich selbstständigen Unternehmen (mit Sitz im Ausland), um ein Joint
Venture zu gründen (z. B. Bau eines Montagewerks zur Herstellung von Autos). Das deutsche Unternehmen entsendet im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung einen Mitarbeiter an
das Gemeinschaftsunternehmen.
III. Fragen der Sozialversicherung und Lohnsteuer
1. Sozialversicherungsbeiträge
a)
Rechtmäßige Arbeitnehmerüberlassung
Bei der wirksamen Arbeitnehmerüberlassung besteht ein sozialversicherungsrechtliches
Beschäftigungsverhältnis nur zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer. Der Verleiher hat
somit gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.
124
125
Leuchten, NZA 2011, 608.
Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit v. 20.01.2016.
48
Der Entleiher haftet jedoch neben dem Verleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge, soweit Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit, in der ihm der Leiharbeitnehmer überlassen
war, rückständig sind. Gemäß §§ 771, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann der Entleiher die Zahlung daher nicht deswegen verweigern, weil die Einzugsstelle nicht zuvor die Zwangsvollstreckung gegen den Verleiher betrieben hat.
Die Zahlungspflicht des Entleihers setzt allerdings erst dann ein, wenn die Einzugsstelle
den Verleiher gemahnt hat und die Mahnfrist abgelaufen ist (§ 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV).
Praxishinweis: Um das Risiko der Inanspruchnahme zu minimieren, kann gegebenenfalls
erwogen werden, vor Vertragsschluss vom Verleiher die Vorlage einer Bescheinigung der
zuständigen Krankenkasse über die ordnungsgemäße Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu verlangen. Entscheidet sich der Entleiher dafür, sollte er sich auch das Recht
ausbedingen, während der Vertragslaufzeit die Vorlage einer solchen Bescheinigung zu
fordern. Zwar kann das Haftungsrisiko dadurch weder rechtlich noch faktisch ausgeschlossen werden. Der Entleiher hat insofern einen Anhaltspunkt für die Zuverlässigkeit des Verleihers, als er den Nachweis hat, dass in der Vergangenheit überhaupt Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.
Der Entleiher kann sich für den eventuellen Fall der Inanspruchnahme durch den Sozialversicherungsträger nur dann vor dem finanziellen Risiko schützen, wenn und soweit der
Verleiher bereit und in der Lage ist, ihm Sicherheiten (z. B. eine Bankbürgschaft) zu stellen.
Zudem sollte dem Entleiher im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorsorglich das Recht
eingeräumt werden, die Überlassungsvergütung im Umfang der Beitragsforderung einzubehalten.
Auch können im Fall des Rückgriffs Verhandlungen mit der Einzugsstelle hilfreich sein. Der
Beitragsbescheid sollte angefochten werden, wenn sich ihm nicht im Einzelnen entnehmen
lässt, welche Beiträge für welche Arbeitnehmer und für welche Zeiträume geltend gemacht
werden.
b) Rechtswidrige Arbeitnehmerüberlassung
Bei der rechtswidrigen und damit unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung können ab der
Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher nebeneinander ein faktisches Arbeitsverhältnis zum Verleiher und ein fingiertes Arbeitsverhältnis zum Entleiher bestehen, wenn alle
beteiligten Vertragsparteien diese Fiktion nicht erkennen bzw. in der Praxis nicht umsetzen.126 Aufgrund der Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist grundsätzlich der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und daher gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV zahlungspflichtig bezüglich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages.127
In den Fällen der Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 9 Nr. 1 bis 1b)
AÜG ist der Verleiher allerdings gemäß § 28e Abs. 2 Satz 3 SGB IV für die Sozialversicherungsbeiträge abführungspflichtig, die auf das Entgelt entfallen, welches er dem Leiharbeitnehmer zahlt. Insoweit sind Verleiher und Entleiher Gesamtschuldner gemäß § 28e Abs. 2
Satz 4 SGB IV. Bis zur vollständigen Erfüllung kann die Einzugsstelle sowohl vom Verleiher
als auch vom Entleiher den vollen Gesamtsozialversicherungsbetrag fordern.
126
127
Wehrhahn in KassKomm, SGB IV, § 28e Rn. 22.
BeckOK SozR/Wagner, SGB IV § 28e Rn. 10.
49
2. Lohnsteuer
Bezüglich der Lohnsteuer ist grundsätzlich der Verleiher als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers Abführungspflichtiger gegenüber dem Finanzamt. Dies gilt sowohl für die wirksame, wie auch für die unwirksame Arbeitnehmerüberlassung.
Die Fiktion des Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher gemäß § 10
Abs. 1 AÜG schlägt nicht auf das Steuerrecht durch.128
Der Entleiher haftet aber ersatzweise neben dem Verleiher für rückständige Lohnsteuer der
Leiharbeiter (§ 42d Abs. 6 Einkommensteuergesetz – EStG).129 Es handelt sich hierbei um
eine nachrangige Ausfallhaftung. Der Entleiher kann erst dann in Anspruch genommen
werden, wenn die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Verleihers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht.
Gemäß § 42d Abs. 6 Satz 2 EStG haftet der Entleiher nicht, wenn der Verleiher eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat und seiner Mitwirkungspflicht nach § 51 Abs. 1
Nr. 2d) EStG nachgekommen ist.
Die Haftung auf Zahlung der rückständigen Lohnsteuer entfällt auch dann, wenn der Entleiher über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung ohne Verschulden irrte (§ 42d Abs.
6 Satz 3 EStG). Allerdings werden an das Fehlen des Verschuldens hohe Anforderungen
gestellt, so dass diese Befreiungsmöglichkeit in der Praxis kaum eingreift.
IV. Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung
Das AÜG folgt dem Territorialitätsprinzip und gilt damit nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Erlaubnis ist, soweit keine der oben genannten Ausnahmen vorliegt, damit auch dann erforderlich, wenn Arbeitnehmer ins Ausland oder vom Ausland ins
Inland verliehen werden.
Ausländische Verleiher, die Arbeitnehmer an Betriebe in der Bundesrepublik verleihen
wollen, bedürfen neben einer ggf. erforderlichen Erlaubnis ihres Heimatstaates auch der
Erlaubnis der deutschen Arbeitsverwaltung.130
Keine Erlaubnis der deutschen Behörden ist bei einem reinen Auslandssachverhalt erforderlich, also wenn ein ausländischer Verleiher ausländische Arbeitnehmer an ein deutsches
Unternehmen im Ausland überlässt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Entleiher
den Arbeitnehmer tatsächlich im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in Deutschland einsetzt.131
Praxishinweis: Ist die Überlassung an einen ausländischen Arbeitgeber beabsichtigt,
müssen zusätzlich eventuelle Beschränkungen und Zulässigkeitsvoraussetzungen der
Leiharbeit im Einsatzstaat berücksichtigt werden.
128
NomosKommentar-ArbR/ David Hummel, § 42d EStG, Rn. 35.
§ 42d Abs. 6 EStG spricht nur von Arbeitnehmerüberlassung „im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar
1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl.
I S. 2854) geändert worden ist“. Eine Anpassung des § 42d Abs. 6 EStG erfolgte im Gesetz zur
Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nicht.
130
Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit, Stand: Januar 2016, 3.
§ 3 3.2 (6), S. 59.
131
Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit, Stand: Januar 2016, 3.
§ 3 3.2 (6), S. 59.
129
50
1. EU-Mitgliedsstaat oder EWR-Staat
Nach der Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit (Stand: Januar
2016) bedarf die Arbeitnehmerüberlassung innerhalb der EU-Staaten bzw. der EWRStaaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) grundsätzlich einer Erlaubnis.
Ein in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässiger Verleiher benötigt dann eine deutsche Verleiherlaubnis, wenn er Leiharbeitnehmer an einen
Entleiher in Deutschland überlässt. Verleiher aus EU-Staaten und EWR-Staaten erhalten
die Erlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie inländische Verleiher (§ 3 Abs. 4
AÜG).
Praxishinweis: Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn ein Leiharbeitnehmer aber von
einem Verleiher in einem anderen Mitgliedstaat und EWR-Staat an einen ebenfalls dort ansässigen Entleiher überlassen wird und von diesem tatsächlich im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in Deutschland eingesetzt wird. Hier bedarf es keiner gesonderten Erlaubnis nach dem AÜG.
2. Beitrittsländer
Welche Arbeitnehmer verliehen werden können, richtet sich nach den Bestimmungen des
Arbeitserlaubnisrechts.
Spätestens mit dem Wegfall der letzten Übergangsregelungen am 1. Juli 2015 können nun
alle Unternehmen der EU-Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa (Polen, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Slowenien, die Slowakische Republik, die Tschechische Republik,
Bulgarien, Rumänien, Kroatien sowie Malta und Zypern) ihre Arbeitnehmer grenzüberschreitend an Entleiher mit Sitz in Deutschland überlassen.
Dies gilt seit dem Wegfall der Übergangsregelungen am 1. Januar 2014 auch für Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien.
3. Drittstaat
Verleiher aus einem Drittstaat können aufgrund internationaler Abkommen mit inländischen Verleihern gleich zu behandeln sein (§ 3 Abs. 5 AÜG).132
Ansonsten muss die Erlaubnis Verleihern aus Drittstaaten versagt werden, sofern nicht die
Betriebsstätte, von der aus sie die Überlassung betreiben, in einem EU- oder EWR-Staat
liegt (§ 3 Abs. 2 AÜG). In diesem Fall steht die Erteilung im Ermessen der Behörde (§ 3
Abs. 3 AÜG).
4. Ausländerbeschäftigung
Ausländische Leiharbeitnehmer aus sog. Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union
(ausgenommen Island, Liechtenstein und Norwegen als Mitglieder des EWR) dürfen in der
Bundesrepublik grundsätzlich ohne Genehmigung keine Beschäftigung ausüben. Wie im
vorigen Kapitel beschrieben, richtet sich die Entscheidung, welche Arbeitnehmer grenzüberschreitend verliehen werden können, also grundsätzlich nach den Bestimmungen des
Arbeitserlaubnisrechts.
132
Derartige Assoziierungsabkommen der EU bestehen zurzeit z. B. mit der Türkei (AnkaraAbkommen: 1963) und den Westbalkanstaaten (Mazedonien: 2004; Albanien: 2009; Montenegro:
2010; Serbien: 2013; Bosnien-Herzegowina: 2015; Kosovo: 2016). In jüngster Zeit sind ähnliche
Vereinbarungen mit drei Ländern der Östlichen Partnerschaft (Ukraine, Georgien und der Republik Moldau) getroffen worden.
51
Das ehemals doppelt ausgestaltete Genehmigungsverfahren für die Aufenthaltsgenehmigung (Ausländerbehörde) einerseits und die Arbeitsgenehmigung (Arbeitsverwaltung) andererseits ist weggefallen und wurde durch ein konzentriertes Verwaltungsverfahren ersetzt
(sog. one-stop-shop-Verfahren).
Die §§ 285 und 286 SGB III wurden dazu aufgehoben, und stattdessen hat die Ausländerbehörde nun mit der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis auch zu entscheiden, ob
und in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit nach den Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes
und der Verordnungen gem. § 42 AufenthG erlaubt wird.
Von dem Genehmigungserfordernis ausgenommen sind Ausländer, die eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltsberechtigung besitzen, und Ausländer, für die
aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder aufgrund von besonderen Rechtsvorschriften eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist (§ 284 SGB III i. V. m. AufenthG/Beschäftigungsverordnung).
Seit dem 28. Oktober 2015 gelten erleichterte Bedingungen zum Arbeitsmarktzugang für
Asylbewerber und Geduldete. So ist z. B. für diese Gruppe der Drittstaatsangehörigen das
generelle Leiharbeitsverbot entfallen. Frühestens nach drei Monaten können daher Asylbewerber und Geduldete alle Beschäftigungen in einem Mangelberuf auch als Leiharbeitnehmer aufnehmen, spätestens nach 15 Monaten steht der gesamt Arbeitsmarkt offen. Es
bleibt aber bei der Pflicht zur Prüfung der Arbeitsbedingungen und der erforderlichen Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Ein generelles Beschäftigungsverbot besteht
zudem, solange der Ausländer verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
Der Entleiher, der einen ausländischen Leiharbeitnehmer beschäftigt, dem die erforderliche Genehmigung nicht erteilt worden ist, kann mit einer Geldbuße von bis zu 500.000 Euro belegt werden, in besonderen Fällen drohen auch Freiheits- und Geldstrafen (vgl. §§ 15a
und 16 Abs. 1 Nr. 2 AÜG). Außerdem haftet der Entleiher für die Kosten der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers (§ 66 Abs. 4 AufenthG), wenn der Verleiher nicht die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt.133
Praxishinweis: Vom Verleiher sollte unbedingt Auskunft über die Staatsangehörigkeit der
Leiharbeitnehmer und zum Nachweis der Arbeitsberechtigung der Aufenthaltsstitel oder der
Voraussetzungen für die Befreiung von der Genehmigungspflicht gefordert werden.
Zudem sollte man sich unbedingt später den Aufenthaltstitel bzw. die Berechtigung vom
Drittstaatangehörigen selbst vorlegen lassen, um im Rahmen der Entleiherpflichten auch
tatsächlich prüfen zu können, ob die Erwerbstätigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung gestattet ist. In jedem Aufenthaltstitel ist direkt vermerkt, ob und in welchem Umfang
eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden darf! Außerdem sollte man eine Kopie des Aufenthaltstitels zur Akte nehmen und auch das Gültigkeitsdatum des Aufenthaltstitels notieren.
V. Rechtsbeziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer
Auf Grund der Tatsache, dass bei der Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) von seinem Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) zumeist gegen
ein Entgelt zur Arbeitsleistung überlassen wird, entsteht aus der „üblichen“ Zweierbeziehung eine Dreiecksbeziehung zwischen dem Verleiher, dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer, in der die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers teilweise auf den Entleiher übertragen werden:
133
BVerwG v. 13.11.1979 – 1 C 31/78.
52
1. Arbeitgeberfunktion und Direktionsrecht
Der Entleiher hat Anspruch auf die vereinbarte Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers. Er
kann daher dem Leiharbeitnehmer im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung stehende Weisungen erteilen.
Ein Arbeitsverhältnis besteht jedoch nur zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer. Der Entleiher ist nicht Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Vergütungsansprüche
des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher bestehen daher nicht.
2. Arbeitnehmererfindungen
§ 11 Abs. 7 AÜG fingiert den Entleiher als Arbeitgeber i. S. d. Arbeitnehmererfindungsgesetzes, soweit der Leiharbeitnehmer während der Dauer der Tätigkeit eine Erfindung oder einen technischen Verbesserungsvorschlag macht.
3. Informationspflichten
a) Auskunftspflicht über Arbeitsbedingungen
Der Leiharbeitnehmer kann im Fall der Überlassung vom Entleiher eine Auskunft über die
im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden
wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen (§ 13 AÜG).
Diese Verpflichtung entfällt, soweit der Verleiher einen vom Gleichstellungsgrundsatz (§ 8
Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 AÜG) abweichenden Tarifvertrag zur Anwendung bringt.
b) Informationspflicht über freie Arbeitsplätze
Außerdem trifft den Entleiher gem. § 13a AÜG eine Informationspflicht gegenüber dem
Leiharbeitnehmer über im Betrieb oder im Unternehmen134 zu besetzende Arbeitsplätze.
Gehören zum Unternehmen auch ausländische Betriebe, sind die Leiharbeitnehmer auch
über dortige freie Stellen zu informieren.135 Zweck dieser im Vergleich zur Stammbelegschaft weitergehenden Regelung soll es sein, Leiharbeitnehmer aufgrund dieser Information die Bewerbung um eine Stelle im Entleihunternehmen zu ermöglichen.136
Die Informationsverpflichtung besteht unabhängig von einem Verlangen des Leiharbeitnehmers oder des Betriebsrates gem. § 93 BetrVG und wohl auch unabhängig davon, ob
diese für die Leiharbeitnehmer geeignet erscheinen.137
Praxishinweis: Die Information kann durch Aushang am Schwarzen Brett ebenso wie
durch das Intranet oder durch die Werkszeitung erfolgen, wenn alle Leiharbeitnehmer auch
hierzu einen Zugang haben.138 Bei Verletzung der Informationspflicht kann ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber aus § 280 Abs. 1 BGB bestehen.139
4. Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen
§ 13b AÜG gewährt dem Leiharbeitnehmer einen Anspruch gegenüber dem Entleiher auf
Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im Unternehmen unter den
gleichen Bedingungen wie vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb.
134
Kock in BeckOK ArbR, AÜG § 13a Rn. 4.
Kock in BeckOK ArbR, AÜG § 13a Rn. 4.
136
BR-Drs. 847/10, S. 10.
137
A.A. Kock in BeckOK, § 13a, Rn. 8.
138
Geschäftsanweisung zum AÜG der Bundesagentur für Arbeit v. 20.012016, S. 84.
139
ErfK § 13a AÜG, Rn. 3.
135
53
Was unter Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. Die Begriffe dürften i. S. v. Art 6 der EU-Richtlinie auszulegen sein. Hierunter
können Erholungsheime, Parkplätze oder Einrichtungen zum verbilligten Personaleinkauf
fallen.140 Nicht erfasst werden wohl vom Entleiher an seine Arbeitnehmer gewährte Geldleistungen oder -surrogate (Essens-, Fahrtkosten-, Mietzuschüsse, Tankgutscheine
usw.).141
Praxishinweis: Verstöße können auch hier Schadensersatzansprüche des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher begründen und stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer
Geldbuße von bis zu 250.000 EUR belegt werden kann (§ 16 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 AÜG).
5. Arbeitssicherheit
Der Entleiher ist neben dem Verleiher verantwortlich für die Arbeitssicherheit des Leiharbeitnehmers. Er hat auch beim Leiharbeitnehmer für die Beachtung der für seinen Betrieb
geltenden Vorschriften des Arbeitsschutzrechtes, insbesondere der Unfallverhütungsvorschriften zu sorgen (§ 11 Abs. 6 AÜG). Er hat ihn über Sicherheit und Gesundheitsschutz
zu unterweisen (§ 12 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz).
Insbesondere hat er ihn vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in seinem
Arbeitsbereich über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen er bei der Arbeit ausgesetzt sein kann, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwehr dieser Gefahren zu unterrichten. Zusätzlich hat er ihn gegebenenfalls über die Notwendigkeit besonderer Qualifikationen oder beruflicher Fähigkeiten oder einer besonderen ärztlichen Überwachung sowie über erhöhte besondere Gefahren des Arbeitsplatzes zu informieren.
Einen Unfall des Leiharbeitnehmers müssen sowohl der Verleiher als auch der Entleiher
der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Zuständigkeit gemäß § 3 I Ziffer 32 der Satzung
der VBG) anzeigen. Der Entleiher sollte vorsorglich auch eine Meldung an die für ihn zuständige Berufsgenossenschaft abgeben.
Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind über den Einsatz von Leiharbeitnehmern zu unterrichten (§§ 2 Abs. 2 und 5 Abs. 2 Arbeitssicherheitsgesetz).
6. Streikeinsatzverbot, § 11 Abs. 5 AÜG
Der Gesetzgeber hat in der Neufassung des § 11 Abs. 5 AÜG ein gestuftes Streikeinsatzverbot normiert.
 In der ersten Stufe nach § 11 Abs. 5 Satz 1 AÜG dürfen Entleiher Leiharbeitnehmer
nicht tätig werden lassen, wenn ihr Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Ein Wahlrecht des Leiharbeitnehmers, ob er im bestreikten Betrieb (weiterhin) mit Aufgaben tätig werden will, die bislang von Streikenden wahrgenommen wurden, besteht nicht mehr.142
 In einer zweiten Stufe macht § 11 Abs. 5 Satz 2 AÜG von diesem Verbot eine Ausnahme. Entleiher dürfen nach § 11 Abs. 5 Satz 2 AÜG Leiharbeitnehmer grundsätzlich einsetzen, wenn der Einsatz streikneutral erfolgt. Der Entleiher muss sicherstellen können, dass keine Tätigkeiten von Streikenden übernommen werden. Selbst in
diesem Ausnahmefall scheidet ein Einsatz jedoch aus, wenn der Leiharbeitnehmer
von seinem auch bisher bestehenden Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht.
140
Lembke, NZA 2011, 319.
Küttner, Personalbuch 2016, Nr. 34, Rn. 46.
142
Motz in BeckOK, AÜG, § 11, Rn. 3.3.
141
54
Praxishinweis: In der Arbeitskampfsituation kann es erhebliche Schwierigkeiten bereiten
sicherzustellen, dass keine Tätigkeiten von Streikenden durch weiter arbeitende Leiharbeitnehmer übernommen werden, da es eine solche klare Zuordnung von Tätigkeiten im Produktionsablauf kaum gibt. Wegen der drohenden Sanktion in § 16 Abs. 1 Nr. 8a, Abs. 2
AÜG (Geldbuße bis zu 500.000 Euro) sollte hier sorgfältig vorgegangen werden.
Hinzu kommt, dass nach geltender Rechtslage die Manteltarifverträge der Zeitarbeitsbranche zwischen BAP/DGB sowie iGZ/DGB dem Verleiher verbieten, Leiharbeitnehmer zum
Einsatz in einem bestreikten Entleiherbetrieb zu überlassen. Ein Einsatz von Leiharbeitnehmern in einem bestreikten Betrieb war für den Verleiher aber möglich, wenn auf das Arbeitsverhältnis keiner der beiden Tarifverträge Anwendung fand und der Arbeitnehmer nicht
von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machte. Der Einsatz erfolgte dann unter Anwendung des Equal Pay/Equal Treatment Grundsatzes.
Der Entleiherbetrieb ist unmittelbar betroffen, wenn der Betrieb in den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des angestrebten Tarifvertrags fällt und selbst von einem Streikbeschluss erfasst wird oder an einer Aussperrung teilnimmt.143
Unklar ist, ob der Streikbeschluss auch rechtmäßig sein muss.144 Hierfür spricht, dass ein
rechtswidriger Streikbeschluss „nicht dadurch unterstützt werden kann“, dass es dem Betrieb verboten bleibt trotz der rechtswidrigen Maßnahme den Streik durch den Einsatz von
Leiharbeitnehmern „abzufedern“. Ansonsten würde die Kampfparität zu Lasten der Arbeitgeberseite unverhältnismäßig gestört. Hinzu kommt, dass der einzelne Leiharbeitnehmer
durch die Anforderung auch nicht schutzlos gestellt ist, da ihm in jedem Fall ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 11 Abs. 5 S. 3 AÜG zusteht.
7. Betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Leiharbeitnehmer
Betriebsverfassungsrechtlich bleiben die Leiharbeitnehmer grundsätzlich Arbeitnehmer des
Verleihers (§ 14 Abs. 1 AÜG). Da der Leiharbeitnehmer Arbeitnehmer des Verleihers ist,
stehen Mitbestimmungsrechte grundsätzlich dem Betriebsrat des Verleiherbetriebs zu.
a) Betriebsratswahlen beim Entleiher
Leiharbeitnehmer können auch an den Betriebsratswahlen im Entleihbetrieb teilnehmen,
wenn sie dort zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl für einen zusammenhängenden Zeitraum
von mehr als drei Monate eingesetzt werden (§ 7 Satz 2 BetrVG). Sie sind jedoch nur aktiv
wahlberechtigt. Sie können nicht in den Betriebsrat des Entleihbetriebes gewählt werden
(§ 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG).
b) Betriebsverfassungsrechtliche Schwellenwerte im Entleiherbetrieb
Bis 2012 galt der betriebsverfassungsrechtliche Grundsatz: „Leiharbeitnehmer wählen, aber
zählen nicht.“ Diesen Grundsatz hat das BAG durch seine Rechtsprechung geändert.145 Mit
Einführung der § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nun
fortgeschrieben. Demnach sind Leiharbeitnehmer bei betriebsverfassungsrechtlichen
Schwellenwerten im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen.
Allerdings gilt hierfür – wie bei für jedem Schwellenwert im Betriebsverfassungsgesetz – zu
prüfen, ob die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt vor allem auch
für das Erfordernis, dass der Leiharbeitnehmer „in der Regel“ im Betrieb eingesetzt wird.
143
Ulrici in NK-ArbR, AÜG § 11 Rn. 28.
Ulrici in NK-ArbR, AÜG § 11 Rn. 28.
145
BAG v. 13.03.2013 – 7 ABR 69/11; zum KSchG: BAG v. 24.01.2013 – 2 AZR 140/12.
144
55
In der Gesetzesbegründung146 wird ausdrücklich klargestellt, dass diese Voraussetzung
nicht durch § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG aufgehoben wird. Nach der Rechtsprechung des
BAG147 setzt eine solche Formulierung voraus, dass die Arbeitnehmer „normalerweise während des größten Teil des Jahres“ im Betrieb sind. Dementsprechend sind die Arbeitsplätze
von Leiharbeitnehmern bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten nur zu berücksichtigen, wenn sie länger als sechs Monate besetzt sind.
Die Verletzung der Schwellenwerte durch Nichtberücksichtigung von Leiharbeitnehmern
kann u. a. folgende Rechtfolgen auslösen:
 Bußgeld bis zu 10.000 EUR §§ 121 Abs. 1, §§ 99, 106, 110, 111 BetrVG i .V. m. §§ 9,
130 OWiG sowie Eintrag in das Gewerbezentralregister ab einem Bußgeld von 200
EUR nach § 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO
 Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG
 Anfechtung der Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG
 Unwirksamkeit einzelner Arbeitgebermaßnahmen nach der von der Rechtsprechung
entwickelten sog. Unwirksamkeitstheorie, wenn die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht beachtet werden.
c) Sprechstunden und Versammlungen, Beschwerderecht
Des Weiteren sind Leiharbeitnehmer berechtigt, im Entleihbetrieb die Sprechstunden des
Betriebsrates aufzusuchen und an den Betriebs- und Jugendversammlungen teilzunehmen.
Außerdem gelten die §§ 81, 82 Abs. 1 und 84 bis 86 BetrVG (Mitwirkungs- und Beschwerderechte des Arbeitnehmers) im Entleiherbetrieb auch für die Leiharbeitnehmer (§ 14 Abs.
2 Satz 3 AÜG).
8. Fragen der Unternehmensmitbestimmung
a) Beteiligung an den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat
Auch bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des entleihenden Unternehmens sind die Leiharbeitnehmer wahlberechtigt, wenn sie dort zum Zeitpunkt der Wahl
für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als drei Monaten eingesetzt werden
(vgl. z. B. §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 18 Satz 2 Mitbestimmungsgesetz).148 Sie sind jedoch nicht
wählbar (§ 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG).
b) Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung
Nach § 14 Abs. 2 Satz 5 AÜG sind Leiharbeitnehmer nunmehr auch bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung zu berücksichtigen. Sofern die Gesetze der Mitbestimmung eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern erfordern, legt das Gesetz ausdrücklich fest, dass Leiharbeitnehmer nur zu berücksichtigen sind, wenn deren Einsatzdauer im
Entleiherunternehmen sechs Monate übersteigt (§ 14 Abs. 2 S. 6 AÜG).
Die Nichtbeachtung der Leiharbeitnehmer bei den unternehmensrechtlichen Schwellenwerten kann u. a. zur Anfechtung der Aufsichtsratswahl nach den §§ 21 f. MitbestG oder § 11
DrittelbG führen.
146
Gesetzesbegründung vom 20.07.2016, BT-Drs. 18/9232, S. 29.
BAG v. 07.05.2008 – 7 ABR 17/07, Rn. 17.
148
BAG v. 04.11.2015 – 7 ABR 42/13.
147
56
Praxishinweis: Mangels klarstellender Herausnahme gilt die Mitberücksichtigung wohl
grundsätzlich auch für „Eingangsschwellenwerte“ der Unternehmensmitbestimmung. Allen
KMUs ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. April 2017 damit eine Prüfung anzuraten,
ob sie unter die mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben fallen.
Offen ist, was passiert wenn sich die Arbeitnehmeranzahl während der laufenden Wahlperiode aufgrund der Gesetzesänderung ab 1. April 2017 i. S. d. § 14 Abs. 2 Sätze 5 und 6
AÜG relevant ändert. Nach der bisherigen Praxis ist davon auszugehen, dass die aktuelle
Wahlperiode grundsätzlich zu Ende geführt werden kann. Sofern ein Unternehmen in die
Mitbestimmung jedoch erst „reinwächst“ sind die relevanten Vorschriften ab dem Tag, an
dem die Schwellenwerte überschritten wurden, zu beachten.
Aufgrund der Neufassung muss im Einzelfall mit einer größeren Anzahl von Statusverfahren (§ 98 AktG) gerechnet werden.
9. Beteiligung des Betriebsrats des Entleiherbetriebes
a) Allgemeiner Unterrichtungsanspruch, § 80 Abs. 2 BetrVG
Durch den Gesetzesentwurf wurde klargestellt, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat bei
der Unterrichtung über Fremdpersonal i. S. v. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG insbesondere
auch über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben
der eingesetzten Personen informieren muss (Rechtsanspruch des Betriebsrats).
Relevant sind u. a.: Einsatztage und -zeiten, Einsatzbereiche, vertragliche Vereinbarungen
mit Werkunternehmern und Auftragnehmern und der Hinweis auf das Weisungsrecht sowie
Überlassungsverträge (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).
Der Unterrichtungsanspruch beinhaltet gem. § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auch die Vorlage
von für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Unterlagen auf Verlangen des Betriebsrats. Unterlagen sind hierbei alle Schriftstücke, Fotos und elektronische Datenträger, die der Arbeitgeber im Besitz hat und die Angaben erhalten, welche für die Aufgabe des Betriebsrats
von Belang sind.149
Durch die Einschränkung der für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Unterlagen hat der
Arbeitgeber ein Vorprüfungsrecht. Angaben, die in keinem Zusammenhang mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe oder Betriebsratsaufgaben stehen, können nach
der Rechtsprechung des BAG unkenntlich gemacht werden.150
Dem Betriebsrat müssen nur diejenigen Unterlagen vorgelegt werden, die der Arbeitgeber
zur Zeit des Verlangens auch tatsächlich besitzt. Einen Anspruch nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen oder zu beschaffen, kennt das Gesetz nicht.151
Trotz der Gesetzesänderungen gilt weiterhin, dass diese Rechtsprechung des BAG Anwendung findet und den Entleiher auch keine Beschaffungspflicht trifft. Das wird aus dem
Protokoll152 der Beratungen des Gesetzes im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales
deutlich. Dort wird betont, dass die Neuregelung „nicht bedeute, dass der Unternehmer seinem Betriebsrat auch die Arbeitsverträge vorlegen müsse“.
149
BAG v.17.03.1983 – 6 ABR 33/80.
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10.
151
Vgl. BAG v. 30.09.2008 – 1 ABR 54/07.
152
Ausschussdokument vom 19.10.2016, BT-Drs. 18/10064, S. 14.
150
57
b) Personalplanung – § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG
Auch in § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wurde aufgenommen, dass der Arbeitgeber die Unterrichtung des Betriebsrats über die Personalplanung auf die geplante Beschäftigung von
Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, erstrecken muss.
Bei Werk- und Dienstverträgen kann und muss nicht über konkrete Personen oder die konkrete Personenanzahl informiert werden. In diesen Fällen wird eine Aufgabe vergeben und
kein Arbeitsvolumen.
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat an Hand von Unterlagen unterrichten, wodurch den
Betriebsratsmitgliedern Einblick in die Unterlagen zu gewähren ist, auf die der Arbeitgeber
seine Entscheidung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern stützt. Hierbei findet § 80 Abs. 2
Satz 2 BetrVG keine Anwendung,153 weshalb der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, dem Betriebsrat die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
c) Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen – § 99 BetrVG
Vor dem Einsatz eines Leiharbeitnehmers ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebes nach
§ 99 BetrVG zu beteiligen. Dies auf Grund des § 14 Abs. 3 AÜG sogar unabhängig von der
Anzahl der Beschäftigten im Entleihbetrieb (Rechtsfolgenverweis auf § 99 BetrVG).
Praxishinweis: Aus dem § 2 Ziff. 4 des TV LeiZ 2012 ergibt sich die Besonderheit, dass
vorläufige personelle Maßnahmen nach § 100 BetrVG frühestens zehn Kalendertage nach
Antragsstellung oder frühestens drei Kalendertage nach erfolgter Zustimmungsverweigerung durchgeführt werden können. In dieser Zeit soll eine betriebliche Lösung angestrebt
werden. Notfälle wie kurzfristiger Vertretungseinsatz etc. sind hiervon ausgeschlossen.
Diese Einschränkung gilt nach dem § 3 Ziff. 2 TV LeiZ 2012 dann nicht, wenn eine Betriebsvereinbarung nach § 3 abgeschlossen worden ist (vgl. oben). Wird ein neuer Tarifvertrag zur Leih-/Zeitarbeit in der M+E-Industrie abgeschlossen, sind gegebenenfalls gleichlauftende tariflichen Abweichungen zu prüfen und zu beachten.
aa) Informationsumfang
Das Mitbestimmungsrecht wird durch jeglichen Einsatz ausgelöst. Auf die zeitliche Dauer
der geplanten Überlassung kommt es nicht an.
Der Entleiher muss dem Betriebsrat alle Informationen geben, die für eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG relevant sein können. Von den Betriebsräten werden verstärkt umfangreiche Informationskataloge abgefordert. Welche Informationen und
Unterlagen er verlangen kann, damit die Frist des § 99 BetrVG in Gang gesetzt wird, wird in
der folgenden Auflistung dargestellt:
Anzahl der Leiharbeitnehmer154
JA
Beabsichtigte Dauer des Einsatzes155
JA
vorgesehener Arbeitsplatz156
JA
Art der Tätigkeit157
JA
153
Thüsing in Richardi, BetrVG, § 92, Rn. 32; Kania in ErfK, BetrVG § 92 Rn. 7.
BAG v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09.
155
BAG v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09.
156
BAG v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09.
157
BAG v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09.
154
58
Namen der Leiharbeitnehmer158
JA
Qualifikation des Leiharbeitnehmers159
JA
Weitere Informationen über die Person (Alter, Anschrift)
NEIN160
Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer
NEIN161
Vorlage / Einsicht der Überlassungsverträge
§ 14 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 12 Abs. 1 S. 3 AÜG, § 80 Abs. 2 S.2 BetrVG sowie TV LeiZ 2012 (§ 5 Ziff. 4) 2012162
JA
Aktuelle Erklärung des Verleihers über Besitz einer Verleiherlaubnis
(§ 14 Abs. 3 S. 2 AÜG)
JA
Detaillierte Darlegung, dass es sich nicht um einen dauerhaft zu besetzenden Arbeitsplatz handelt, sondern nur ein vorübergehender
Bedarf besteht163
NEIN
Nachweis einer Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden
der Arbeitsverwaltung gemäß § 81 SGB IX zwecks Überprüfung, ob
schwerbehinderte Arbeitnehmer in Frage kommen164
JA
Nachweis über erfolgte Stellenausschreibung gemäß § 93 BetrVG
und Vorlage aller eingegangenen Bewerbungen165
JA
(nach der BAG-Rspr.
(TV LeiZ 2012: Nach 3 Monaten auf Verlangen des Betriebsrats)
genügt hierfür schon ein
AÜ-Einsatz von 4 Wochen)
Nachweis über unternehmensweite Information der Leiharbeitnehmer über die zu besetzenden Arbeitsplätze gemäß § 13 AÜG
NEIN
Mitteilung über die Auswirkung auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, einschließlich
 Auswirkung auf Beschäftigungsmöglichkeiten für Schwerbehinderte,
NEIN
 leistungsgeminderte Arbeitnehmer,
NEIN
 Teilzeitbeschäftigte mit Erhöhungswünschen sowie
NEIN166
 auf die Übernahme von Auszubildenden und
NEIN
 befristet Beschäftigten
NEIN
158
BAG v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09.
BAG v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09.
160
ablehnend zu Bewerbungsunterlagen LAG Niedersachsen v.19.11.2008 – 15 TaBV 159/07.
161
BAG v. 06.06.1978 – 1 ABR 66/75; Düwell /Dahl, NZA-RR 2011, 1.
162
BAG v. 23.01.2008 – 1 ABR 74/06; BAG vom 06.06.1978 – 1 ABR 66/75;
ebenso LAG Niedersachsen vom 09.08.2006 – 15 TaBV 53/05.
163
Überlassungshöchstdauer wird arbeitnehmerbezogen bestimmt: vgl. Gesetzesbegründung
BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 20; Antwort der Bundesregierung auf kleine Anfrage der
GRÜNEN BT-Drs. 18/9723 v. 22.09.2016, S. 6.
164
BAG v. 23.06.2010 – 7 ABR 3/09.
165
BAG v. 15.10.2013 – 1 ABR 25/12; anders: BAG v. 01.02.2011 – 1 ABR 79/09, das noch von einem Jahr ausging; jeder kurzzeitige Einsatz: LAG Schleswig-Holstein v. 29.02.2012 –
6 TaBV 43/11.
166
BAG v. 01.06.2011 – 7 ABR 117/09.
159
59
Praxishinweis: Zu berücksichtigen ist, dass Betriebsgeheimnisse oder kalkulatorische
Grundlagen bei der Einsicht durch den Betriebsrat in den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
geschwärzt werden können.167
Ein Mitbestimmungsrecht zur Eingruppierung des Leiharbeitnehmers besteht hingegen
nicht.168
bb) Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat
Der Betriebsrat kann der Übernahme unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 2 BetrVG
widersprechen. Exemplarisch kommen hier in Betracht:
(1) Gleichstellungsgrundsatz (§ 8 AÜG)
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG169 konnte der Betriebsrat die Zustimmung nach
alter Rechtslage nicht gem. § 99 Abs. 2 BetrVG mit der Begründung verweigern, die Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers verstießen gegen das Gleichstellungsgebot
(§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG a.F.). Da der bisherige Gleichstellungsgrundsatz nun lediglich in § 8 AÜG zusammengeführt worden ist, dürfte sich an der Entscheidungslage des
BAG nichts geändert haben.
(2) Überlassungshöchstdauer (§ 1 Abs. 1b AÜG)
Die Rechtsprechung ging zur Vorgabe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG a.F. davon aus, dass die
Vorgabe „vorübergehend“ Basis für einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99
Abs. Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sein kann170 Der Betriebsrat wird seine Zustimmung nach § 99
BetrVG deshalb insbesondere dann verweigern können, wenn der Arbeitgeber mit der Einstellung die Vorgaben zur Überlassungshöchstdauer nachweislich verletzt.171 Mit Einführung des § 1 Abs. 1b AÜG hat der Gesetzgeber die Verbotsnorm zur vorübergehenden
Überlassung im Sinne des § 99 BetrVG weiter konkretisiert.
Praxishinweis: Der TV LeiZ 2012 trifft abweichende Bestimmung zu den Fristen des § 100
Abs. 1 BetrVG. Eine vorläufige personelle Maßnahme kann frühestens zehn Kalendertage
nach Antragstellung oder frühestens drei Kalendertrag nach erfolgter Zustimmungsverweigerung durchgeführt werden.
(3) Zustimmungsverweigerung bei gesetzlicher Fiktion nach §§ 9, 10 AÜG?
Entsteht aufgrund §§ 9, 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher aufgrund gesetzlicher
Fiktion, steht dem Betriebsrat hiergegen kein Zustimmungsverweigerungsrecht zu. Sein
Mitbestimmungsrecht entfällt insoweit.172 Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber auf das Entstehen des Arbeitsverhältnisses keinen (unmittelbaren) Einfluss hat und das Kontrollrecht
des Betriebsrats insoweit fehl geht. Der Betriebsrat kann daher dem Arbeitgeber über das
§ 101-Verfahren auch nicht aufgeben lassen, dass er die Maßnahme aufzuheben hat. Allerdings kann durch die Fiktion eine mitbestimmungspflichtige Ein-/Umgruppierung des
Leiharbeitnehmers in Betracht kommen.173
167
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10.
BAG v. 17.06.2008 – 1 ABR 39/07.
169
BAG v. 01.06.2012 – 7 ABR 117/09; v. 21.07.2009 – 1 ABR 35/08.
170
BAG v. 21.07.2009 – 1 ABR 35/08.
171
Zuletzt BAG v. 30.09.2014 – 1 ABR 79/12.
172
Fitting, BetrVG, § 99, Rn. 60.
173
Fitting, BetrVG, § 99, Rn. 60.
168
60
d) Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten
Gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebs in mitbestimmungspflichtigen sozialen Angelegenheiten nach der Rechtsprechung des BAG nur dann zu beteiligen, wenn der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft. 174
Das ist denkbar bei der Eingliederung in die betriebliche Organisation bzw. beim ausgeübten Direktionsrecht des Entleihers, wie z. B. Fragen der Ordnung des Betriebs, Fragen zur
technischen Überwachung, Unfallverhütung und Angelegenheiten des Gesundheitsschutzes, Sozialeinrichtungen, Vorschlagswesen und Gruppenarbeit.
In Bezug auf die tägliche Arbeitszeit oder die Anordnung vorübergehender Mehrarbeit hat
das BAG dem Betriebsrat des Verleihers das Mitbestimmungsrecht zugeordnet.175
10. Vermittlungsprovisionen
Vermittlungsprovisionsklauseln verpflichten den Entleiher dann zur Zahlung einer Vergütung an den Verleiher, wenn der Entleiher den bei ihm eingesetzten Leiharbeitnehmer nach
ordentlicher Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis
übernimmt.
Nachdem der BGH diese Vermittlungsprovisionsvereinbarungen für unwirksam gehalten
hat,176 hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 2004 durch eine Ergänzung des § 9 Nr. 3,
Halbs. 2 AÜG klargestellt, dass die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zulässig
ist. Vermittlungsprovisionsklauseln im Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher sind somit möglich.
Gesetzliche Voraussetzung ist, dass die Provision eine angemessene Vergütung darstellt.
Bei der Frage der Angemessenheit ist nach der Gesetzesbegründung die Dauer des vorangegangenen Verleihs, die Höhe des vom Entleiher für den Verleih bereits gezahlten
Entgelts und der Aufwand für die Gewinnung eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Ob eine Provisionsvereinbarung angemessen ist, bedarf somit jeweils einer
Einzelfallprüfung.
Da aber nach dem Willen des Gesetzgebers das vom Entleiher bereits gezahlte Entgelt zu
berücksichtigen ist, muss eine zulässige Provisionsklausel degressiv gestaffelt sein. Der
Provisionsbetrag muss sich also entsprechend der Einsatzdauer des Leiharbeitnehmers
verringern.177
Praxishinweis: Es ist von einem maximal zulässigen Zeitraum von bis zu 12 Monaten auszugehen. Branchenüblich sind Provisionen in Höhe von ein bis drei Monatsgehältern bei
degressiver Gestaltung.
Als Vermittlung nach einem vorangegangenen Verleih gilt immer der Fall, in dem während
des Einsatzes des Leiharbeitnehmers der Arbeitsvertrag mit dem Entleiher abgeschlossen
wird. Dieser zeitliche Zusammenhang besteht auch dann, wenn der Leiharbeitnehmer das
Arbeitsverhältnis zum Verleiher kündigt, um später einen Arbeitsvertrag mit dem Entleiher
zu schließen.178
174
BAG v. 19.06.2001 – 1 ABR 43/00.
BAG v. 15.12.1992 – 1 ABR 38/92.
176
BGH v. 03.07.2003 – III ZR 348/02.
177
BGH v. 11.03.2010 – III ZR 240/09.
178
Ulber, AÜG, 2011, § 9, Rn. 385.
175
61
Für die Frage, ob das Vermittlungshonorar nur zu bezahlen ist, soweit das neue Arbeitsverhältnis noch während der Arbeitnehmerüberlassung begründet worden ist oder erst im
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang danach, kommt es auf die genaue Formulierung
im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher (bzw. deren AGB)
an.179
Praxishinweis: Der Überlassungsvertrag und ggf. die Geschäftsbedingungen des Verleihers sollten vor Vertragsabschluss daraufhin überprüft werden, ob sie eine solche Vermittlungsprovisionsklausel enthalten. Ist dies nicht der Fall, kann kein Provisionsanspruch entstehen.
Nach § 9 Nr. 5 AÜG sind hingegen Vereinbarungen über Vermittlungsprovisionen zwischen
Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam.
179
Auch unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang möglich: BGH v. 07.12.2006 – III ZR 82/06.
62
Kapitel C: Hinweise zum Einsatz fremder Arbeitnehmer im Rahmen von Werkund Dienstverträgen
I. Vorgehen bei Abschluss eines Werk-/Dienstvertrages
Der Abschluss von Werk- und Dienstverträgen ist ein ganz selbstverständlicher Bestandteil
unternehmerischen Handelns. Der Unternehmer entscheidet selbst, welche Arbeiten er mit
eigenen Arbeitnehmern erledigen möchte und für welche Tätigkeit er sich der Angebote
anderer Firmen bedient.
Soll ein Auftrag vergeben werden, der zum Einsatz fremder Arbeitnehmer auf dem Betriebsgelände180 führt, ist die Abgrenzung insbesondere zur Arbeitnehmerüberlassung arbeitsrechtlich geboten.
Es empfiehlt sich, eine erste Überprüfung anhand der oben dargestellten Abgrenzungskriterien (siehe A. III. 2.) und des beigefügten Rasters (Prüfbogen für Werkvertrag, Anlage 2).
Soweit nicht alle Fragen positiv beantwortet werden können, bedarf es einer eingehenderen
Prüfung gem. den oben genannten Abgrenzungskriterien.
Praxishinweis: Die Beratung des Verbandes ist dringend zu empfehlen. Bleiben nach
Abwägung aller Umstände Hinweise, dass es sich um Arbeitnehmerüberlassung handeln
könnte, erscheint es geboten, vom Abschluss eines Werk-/ Dienstvertrages Abstand zu
nehmen. Aufgrund der Konkretisierungs- und Bezeichnungspflicht gem. § 1 Abs. 1 Sätze 5
und 6 AÜG hilft es ab dem 1. April 2017 für alte und neue Werk-/ Dienstverträge nicht
mehr, wenn die Fremdfirma zur Sicherheit eine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
besitzt. Die mangelnde Bezeichnung und oder Konkretisierung des Leiharbeitnehmers vor
Überlassung sind in den Rechtsfolgen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gleichgestellt.
Ein Werk-/Dienstvertrag muss, um als solcher anerkannt zu werden, nicht nur eindeutig die
Merkmale dieser Vertragsart aufweisen, sondern auch tatsächlich gemäß den vereinbarten
Regeln durchgeführt werden.181 Ist der tatsächliche Einsatz der Fremdarbeitnehmer in Wirklichkeit als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren, ist trotz der anderslautenden Vereinbarung eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung mit allen rechtlichen Konsequenzen (siehe B. I. 1. c) anzunehmen.182 Widersprechen sich also Vertragsinhalt und tatsächliche
Durchführung, ist letztere maßgebend.183 Klarstellend ergibt sich dies für den Überlassungsvertrag nun auch aus § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG.
Insbesondere sollte bei der tatsächlichen Durchführung darauf geachtet werden, dass das
tätigkeitsbezogene Weisungsrecht nicht von eigenen Mitarbeitern ausgeübt wird.184
In der betrieblichen Praxis empfehlen sich folgende Umsetzungsschritte:
180
BAG v. 09.07.1991 – 1 ABR 45/90.
BAG v. 15.06.1983 – 5 AZR 112/81, BAG v. 18.01.2012 – 7 AZR 723/10.
182
BAG v. 18.01.2012 – 7 AZR 723/10; BAG v. 30.01.1991 – 7 AZR 497/89;
BGH v. 21.01.2003 – X ZR 261/01, LAG Rheinland-Pfalz v. 03.02.2011 – 11 Sa 314/10.
183
BAG v. 18.01.2012 – 7 AZR 723/10.
184
LAG Hamburg v. 29.10.2010 – 6 Sa 62/10 u. 6 Sa 27/10.
181
63
1. Vertragsprüfung
Bestehende Werk- und Dienstverträge sollten vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen am 1. April 2017 genau geprüft werden. Gegebenenfalls müssen die Verträge mit
den Vertragspartnern angepasst werden. Alle Formulierungen, die auf eine Arbeitnehmerüberlassung hindeuten könnten, sollten geändert werden.
Zukünftige Verträge sollten entsprechend sorgfältig gestaltet werden.
2. Interne Prozesse
Für diese Aufgaben sollten im Unternehmen klare Prozessverantwortlichkeiten geschaffen
werden. Die Kompetenzen insbesondere zwischen dem Einkauf, der Personalabteilung und
den Fachabteilungen sollte geklärt werden. Die zuständigen Mitarbeiter sollten durch eine
entsprechende Nähe zu den betrieblichen Umständen über Kenntnisse zu den jeweiligen
Einsatzgebieten und Einsatzaufgaben haben. Für einen klaren Ablauf der Entscheidungsprozesse sollten eindeutige Anweisungs- und Entscheidungsbefugnisse festgelegt und
kommuniziert werden. Ergänzend sollten dann fortlaufende Kontrollmechanismen für die
Prozessverantwortung geschaffen werden.
3. Schulungskonzept
Für eine rechtlich einwandfreie Durchführung der Werk-/Dienstverträge mit Fremdpersonal
auf dem Betriebsgelände sind Kenntnisse der Führungskräfte über die rechtlichen Rahmenbedingungen unerlässlich. Es sollten daher der Schulungsbedarf ausgehend vom Umfang solcher Vertragskonstellationen und die notwendigen Schulungsebenen festgelegt
werden. Inhaltlich sollten in den Schulungen auf folgende Punkte eingegangen werden:
 Ziel der Schulung benennen (Bewusstsein für die Rechtsrisiken schaffen)
 Gesetzliche Grundlagen
 Voraussetzungen eines rechtskonformen Einsatzes von Werk-/Dienstverträgen
 Rechtsfolgen für das Unternehmen bei rechtswidriger Handhabung
 ggf. arbeitsrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen
Diese Schulungen sollten regelmäßig wiederholt werden. Interne Ansprechpartner für die
Führungskräfte bei Fragen aus dem betrieblichen Alltag zum Umgang mit dem Fremdpersonal sollten etabliert und bekannt gemacht werden. Ein Merkblatt kann den alltäglichen
Umgang mit dem Fremdpersonal ebenfalls erleichtern (Muster eines Merkblatts für betriebliche Vorgesetzte, Anlage 3)
4. Praktische Fehlerquellen vermeiden
Besonders in Bezug auf die Ausübung des Weisungsrechts haben sich für die praktische
Umsetzung sog. Repräsentantensysteme oder sog. Ticketsysteme bewährt.
 Bei einem Repräsentantensystem stellt der Werkunternehmer einen „Repräsentanten“ als direkten Ansprechpartner im Einsatzbetrieb zur Verfügung, der ständig anwesend ist und die arbeitsrechtlichen Weisungen gegenüber dem Fremdpersonal erteilt.
 Das Ticket-System ermöglicht es, dass einzelne Arbeitnehmer über eine IT-Plattform
Arbeitsaufträge dem Werk-/Dienstleister übermitteln, dieser gibt diese anschließend
an seine Arbeitnehmer weiter und übt sein arbeitsrechtliches Weisungsrecht aus.
64
Dem Fremdpersonal sollten – soweit sinnvoll und umsetzbar – separate Arbeitsräume zur
Verfügung gestellt werden. Diesen fremden Arbeitnehmer sollten keine hausinternen EmailAdressen zugewiesen bekommen oder Telefonanschlüsse. Ferner sollten sie auf keinen
Fall in das hausinterne Arbeitszeiterfassungs-, Fehlzeiten- und Urlaubsmanagement eingebunden werden.
Praxishinweis: Ausführungen zum Thema Solo-Selbstständige, d.h. zu freien Mitarbeitern/
Freelancern u. ä., insbesondere zum neuen § 611a BGB finden Sie in unserem M+E Leitfaden „Übertragung von Tätigkeiten auf Selbstständige“ vom Juni 2016 (M+E Servicedatenbank).
II. Sanktionen
Sollte eine Überprüfung ergeben, dass anstatt eines Werk-/Dienstvertrags in Wirklichkeit
doch eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, muss der „Entleiher“/ Einsatzbetrieb mit folgenden Sanktionen rechnen (siehe B. I. 1. c):
 Gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 1a, 10 führt die fehlende Bezeichnung des Vertrages als Arbeitnehmerüberlassung und die fehlende Konkretisierung des Leiharbeitnehmers zur
Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher unter gleichzeitiger Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Diese Rechtsfolge lässt sich bei
sog. Scheinwerk- und -dienstverträgen nicht mehr verhindern. War die Tätigkeit des
Arbeitnehmers bei dem Entleiher nicht befristet vorgesehen oder fehlt ein für die Befristung sachlich rechtfertigender Grund, läuft das Arbeitsverhältnis beim Entleiher
unbefristet und kann nur durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet werden
(§ 10 Abs. 1 S. 2 AÜG). Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen für den Betrieb des Entleihers (siehe B. I. 1. c)
ee)). Die Rechtsfolgen der Fiktion kann durch eine sog. Festhaltenserklärung des Arbeitnehmers verhindert werden (siehe B. I. 1 c) bb)).
Praxishinweis: Da rückwirkend ein Arbeitsverhältnis mit dem „Entleiher“ fingiert wird
(siehe B. I. 2. c) cc) (2) (b)), ist häufig bereits die sechsmonatige Wartezeit des § 1
KSchG abgelaufen, so dass eine Kündigung aus betriebs-, verhaltens- oder personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein muss.
Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit kommt ein Aufhebungsvertrag in Betracht,
wenn auch der „neue“ Arbeitnehmer kein Interesse an einem Arbeitsverhältnis mit
dem Einsatzbetrieb/Entleiher hat. Um wegen des formalen Verfahrens zur Festhaltenserklärung den Verdacht eines nach § 134 BGB unwirksamen Umgehungsgeschäftes zu vermeiden, sollte kein dreiseitiger Vertrag mit Verleiher, Entleiher und
Leiharbeitnehmer geschlossen werden.185
Zusätzlich sollte das rechtliche Schicksal des Vertragsverhältnisses mit dem Werkunternehmer zwischen den Parteien geklärt werden.
 Gemäß §§ 16 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 i .V. m. §§ 9, 130 OWiG kann gegen den Entleiher ein Bußgeld bis zu 30.000 EUR verhängt werden. Gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 3
GewO sind Bußgelder über 200 EUR in das Gewerbezentralregister einzutragen.
 Gemäß 28e Abs. 2 S. 3 und 4 SGB IV haftet der Entleiher neben dem Verleiher für
die Sozialversicherungsbeiträge als Gesamtschuldner.
185
BAG v. 18.08.2005 – 8 AZR 523/04 zu § 613a BGB.
65
 Bei der Lohnsteuer trifft den Entleiher eine nachrangige Ausfallhaftung gemäß § 42d
Abs. 6 EStG 186.
 Abschließend kommt nach § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB i. V. m. § 28e Abs. 2 S.4
SGB IV auch eine Strafbarkeit für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Betracht.
III. Mitwirkungsrecht des Betriebsrats
Die Tätigkeitsaufnahme von fremden Arbeitnehmern im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen im Betrieb ist grundsätzlich mitbestimmungsfrei.187
Betriebsverfassungsrechtlich sind diese Arbeitnehmer ausschließlich dem Betrieb ihres Arbeitgebers zugeordnet.188 Es bestehen jedoch Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat.
1. § 80 Abs. 2 BetrVG
Der Betriebsrat kann verlangen, dass der Arbeitgeber ihn über alle Personen unterrichtet,
die in irgendeiner Form im Betrieb beschäftigt sind, auch ohne betriebsangehöriger Arbeitnehmer zu sein. Die Unterrichtung umfasst entsprechend der Neufassung des § 80 Abs. 2
S. 1 2. Halbs. BetrVG „insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort
und die Arbeitsaufgaben dieser Personen“. Ausgenommen sind hier aber nach der Gesetzesbegründung189 solche Personen, die nur kurzfristig im Betrieb beschäftigt sind (z. B. der
Elektriker, der eine kaputte Lampe im Betrieb reparieren soll). Das ist auch konsequent, da
§ 80 BetrVG nur in Frage kommt, wenn Beteiligungsrechte des Betriebsrats möglich erscheinen.190
Durch die Ergänzungen im § 80 Abs. 2 S.1 2. Halbs. soll der Betriebsrat in eigener Verantwortung prüfen können, ob und inwieweit sich Aufgaben im Sinne des BetrVG ergeben und
er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss.191 Der Betriebsrat muss jedoch darlegen,
dass er die begehrte Auskunft zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt.192
Missbräuchliche oder unbegründete Auskunftsverlangen sind daher ausgeschlossen.193
Mit Einführung des neuen § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG kann der Betriebsrat – unter Fortführung
der schon bestehenden Rechtsprechung – auch die Vorlage des Vertrages mit dem Drittunternehmer verlangen, um überprüfen zu können, ob es sich nicht doch um Leiharbeit
handelt und Beteiligungsrechte in Betracht kommen.194
186
§ 42d Abs. 6 EStG spricht nur von Arbeitnehmerüberlassung „im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1
des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar
1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl.
I S. 2854) geändert worden ist“. Eine Anpassung des § 42d Abs. 6 EStG erfolgte im Gesetz zur
Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze nicht.
187
BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98, BAG v. 01.12.1992 – 1 ABR 30/92.
188
Schüren, § 14 AÜG, Rn. 542.
189
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 32.
190
BAG v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/02; Waskow in NK-ArbR, BetrVG, § 80, Rn. 19.
191
Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/9232 v. 20.07.2016, S. 32.
192
Waskow in NK-ArbR, BetrVG, § 80, Rn. 19.
193
Thüsing in Richardi, BetrVG § 80, Rn. 54.
194
BAG v. 31.01.1989 – 1 ABR 72/87; BAG v. 09.07.1991 – 1 ABR 45/90;
BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98.
66
Allerdings steht dem Arbeitgeber nach der Rechtsprechung ein Vorprüfungsrecht zu, da er
Unterlagen/Informationen, die in keinem Zusammenhang mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe oder Betriebsratsaufgaben stehen, unkenntlich machen darf.195 Daraus
lässt sich wohl auch schlussfolgern, dass die Höhe des an den Auftraggeber zu zahlenden
Entgeltes nicht offen gelegt werden muss.
Dem Betriebsrat müssen nur diejenigen Unterlagen vorgelegt werden, die der Arbeitgeber
zur Zeit des Verlangens auch tatsächlich besitzt. Einen Anspruch, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen oder zu beschaffen, kennt das Gesetz nicht.196
Trotz der Gesetzesänderungen gilt weiterhin, dass diese Rechtsprechung des BAG Anwendung findet und den Einsatzbetrieb auch keine Beschaffungspflicht trifft. Das wird aus
dem Protokoll197 der Beratungen des Gesetzes im Bundestagsausschuss für Arbeit und
Soziales deutlich. Dort wird betont, dass die Neuregelung „nicht bedeute, dass der Unternehmer seinem Betriebsrat auch die Arbeitsverträge vorlegen müsse.
Informationsumfang in der Praxis über alle Fremdbeschäftigten
JA198
Nach der Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber an den
Werktoren geführte (d.h. bereits vorhandene) Kontrolllisten, aus
denen sich die Einsatztage und die Einsatzzeiten der einzelnen
Fremdarbeitnehmer ergeben, dem Betriebsrat auf Verlangen zur
Verfügung stellen. Denn der Betriebsrat könne im Rahmen seiner
Beteiligung bei der Personalplanung auch vorschlagen, gegenwärtig von Fremdfirmen verrichtete Arbeiten durch Arbeitnehmer
des Betriebes, ggf. auch durch neu einzustellende Arbeitnehmer,
verrichten zu lassen (§ 92a BetrVG).
… nach Einsatzbereichen
(Aufgabenbeschreibung)
JA
Allgemeine, personenunabhängige Benennung der Einsatzbereiche, da im Rahmen der Personalplanung der Betriebsrat auch
vorschlagen kann, gegenwärtig von Fremdfirmen verrichtete Arbeiten durch Arbeitnehmer des Betriebes, ggf. auch durch neu
einzustellende Arbeitnehmer, verrichten zu lassen (§ 92a BetrVG).
… gegliedert nach
der Häufigkeit
des Einsatzes
NEIN
Auswertung bzw. Kategorisierung der Informationen sind Aufgabe
des Betriebsrates.
… unter Benennung
des jeweiligen
Vertragsverhältnisses
NEIN
Auswertung bzw. Kategorisierung der Informationen sind Aufgabe
des Betriebsrates.
… mit Auflistung der
Einsatztage und
der Einsatzzeiten
195
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10.
BAG v. 30.09.2008 – 1 ABR 54/07.
197
Ausschussdokument vom 19.10.2016, BT-Drs. 18/10064, S. 14.
198
BAG v. 31.01.1989 – 1 ABR 72/87.
196
67
Vorlage der vertraglichen Vereinbarungen
… mit Werkvertragsunternehmen (anderen
Arbeitgebern)
JA199
Nach der Rechtsprechung kann der Betriebsrat auch die Vorlage
des Vertrages mit dem Drittunternehmer verlangen, um überprüfen zu können, ob es sich nicht doch um Arbeitnehmerüberlassung handelt und Beteiligungsrechte in Betracht kommen.
… mit Auftragnehmern (Soloselbstständige)
JA200
Ein Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG stünde dem Betriebsrat
auch dann zu, wenn es sich um den Einsatz eines Scheinselbstständigen handelte. Das muss er prüfen können.
… mit Subunternehmen
NEIN
Der Arbeitgeber muss nur vorhandene Unterlagen vorlegen; bei
diesen Verträgen ist der Arbeitgeber gar nicht Vertragspartner.
JA
Ein pauschaler Hinweis auf das Weisungsrecht des Werkvertragunternehmens oder ggf. Verweis auf die vertragliche Regelung ist
sinnvoll, da für die Frage, ob es sich um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbstständigkeit handelt, die Frage des
Weisungsrechts eine vorrangige Rolle spielt.
… mit Hinweis, wem
das Weisungsrecht zusteht
Angabe über soziale Standards
… Höhe des Entgelts des
Fremdpersonals
… die bei der
Vergabe von Aufträgen gelten
… und wie diese
geprüft werden
199
NEIN
201
NEIN
202
NEIN
203
Die Höhe des an den Auftraggeber zu zahlenden Entgeltes
braucht, auch wenn es bekannt sein sollte, nicht offen gelegt zu
werden, da der Betriebsrat nur Auskunft über die im Zusammenhang mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe oder einer anderen Betriebsratsaufgabe verlangen kann.
Arbeitsbedingungen in fremden Betrieben gehören nicht zum Aufgabengebiet eines Betriebsrates.
Praxishinweis: Soweit solche aber beachtet werden, kann dies
bei der Erörterung mit dem Betriebsrat vorteilhaft sein.
Arbeitsbedingungen in fremden Betrieben gehören nicht zum Aufgabengebiet eines Betriebsrates.
Praxishinweis: Soweit solche Prüfungen erfolgen, kann dies bei
der Erörterung mit dem Betriebsrat vorteilhaft sein.
BAG v. 31.01.1989 – 1 ABR 72/87; BAG v. 09.07.1991 – 1 ABR 45/90; BAG v. 15.12.1998 –
1 ABR 9/98 (Art der Entlohnung bei freien Mitarbeitern).
200
BAG v. 15.12.1998 – 1 ABR 9/98.
201
BAG v. 16.08.2011 – 1 ABR 22/10.
202
wird nicht einmal von Ulber in AiB 2013, 285 gefordert.
203
wird nicht einmal von Ulber in AiB 2013, 285 gefordert.
68
2. § 99 BetrVG
Wird Fremdpersonal im Rahmen eines Werk- oder selbstständigen Dienstvertrages im Betrieb tätig, braucht der Betriebsrat nicht nach § 99 BetrVG beteiligt zu werden.204 In den
Fällen, in denen die Rechtsprechung ausnahmsweise ein solches Mitbestimmungsrecht bejaht, weil der Betriebsinhaber die Weisungen über den Arbeitseinsatz trifft205, handelte es
sich in Wirklichkeit um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung.
Bei einem Einsatz von Arbeitnehmern von Fremdfirmen auf der Grundlage echter Dienstoder Werkverträge ist § 14 AÜG für die Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen nicht anzuwenden.
Voraussetzung für § 99 BetrVG ist eine Einstellung. Eine Einstellung liegt vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.206 Nach Auffassung des BAG207 kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit und deren Einbindung in die betriebliche Organisation des Einsatzbetriebes an. Von einer solchen Eingliederung kann aufgrund der Abgrenzungskriterien zur Arbeitnehmerüberlassung bei echten Werk- oder Dienstverträgen nicht
ausgegangen werden.
3. § 92 BetrVG
Auch in § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wurde mit der Änderung ab dem 1. April 2017 aufgenommen, dass der Arbeitgeber die Unterrichtung des Betriebsrats über die Personalplanung auf die geplante Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis
zum Arbeitgeber stehen, erstrecken muss.
Der Arbeitgeber muss im Rahmen von § 92 BetrVG dem Betriebsrat nur Einblick in die Unterlagen gewähren. Weil § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG keine Anwendung findet, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Betriebsrat die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Weitere Informationspflichten können sich aus §§ 92a und 106 BetrVG ergeben. Mitbestimmungsrechte können sich aus § 111 BetrVG ergeben, wenn der Fremdpersonaleinsatz
zu einem Abbau der Beschäftigung im Einsatzbetrieb führt.
IV. Arbeitssicherheit
1. Verantwortlicher
Die Verantwortung für die Arbeitssicherheit, insbesondere für die Durchführung der Arbeitsschutzbestimmungen und der Unfallverhütungsvorschriften, hat der Auftragnehmer als Arbeitgeber des Fremdpersonals.
Der Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, im Einzelnen zu überwachen, ob der
Auftragnehmer die sich für ihn daraus ergebenden Verpflichtungen einhält und die sonstigen zum Schutz der Fremdarbeitnehmer geltenden Vorschriften (z. B. die des Arbeitszeitgesetzes) beachtet. Sind für ihn jedoch Verstöße erkennbar, sollte er, nicht zuletzt um eine
Gefährdung auch der eigenen Arbeitnehmer zu verhindern, auf Abhilfe durch den Auftragnehmer hinwirken.
204
BAG v. 13.5.2014 – 1 ABR 50/12; BAG v. 8.11.2016 – 1 ABR 57/14; LAG Hamm v. 26.11.2010 –
10 TaBV 67/10.
205
BAG v. 18.10.1994 – 1 ABR 9/94.
206
Erfurter Kommentar, § 99 BetrVG, Rn. 4; BAG v. 13.12.2005 – 1 ABR 51/04.
207
BAG v. 05.03.1991 – 1 ABR 39/90.
69
Er muss sich aber je nach Art der Tätigkeit vergewissern, dass die Fremdarbeitnehmer hinsichtlich der von der Arbeitsstätte und den vorhandenen Einrichtungen ausgehenden Gefahren für Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit in seinem Betrieb angemessene Anweisungen erhalten haben (§ 8 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz).
2. Verkehrssicherungspflichten
Den Auftraggeber können darüber hinaus Verkehrssicherungspflichten gegenüber den
fremden Arbeitnehmern treffen. Er muss die Arbeitnehmer der Fremdfirma durch geeignete
Maßnahmen (z. B. durch Absperrungen, Sicherungsmaßnahmen, Einweisungen, Warnungen) vor Gefahren im Betrieb schützen.
3. Zusammenarbeit
Werden Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig, sind die Arbeitgeber verpflichtet, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsbestimmungen
zusammenzuarbeiten (§ 8 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz). Soweit erforderlich, haben sich die
Arbeitgeber gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren zu unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen.
Bei möglicher gegenseitiger Gefährdung muss der Auftraggeber einen Koordinator bestellen (§ 6 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 – Unfallverhütungsvorschrift Grundsätze der Prävention),
der die Arbeiten aufeinander abstimmt. Der Koordinator muss zur Durchführung seiner Aufgabe die hierfür erforderlichen übergreifenden Weisungsbefugnisse sowohl gegenüber den
Arbeitnehmern des Auftraggebers als auch gegenüber den im Betrieb tätigen Arbeitnehmern der Fremdfirma haben. Insoweit tritt er an die Stelle der jeweiligen Vorgesetzten.
Der Auftraggeber hat dafür zu sorgen, dass der Koordinator seine Aufgabe erfüllen kann.
Ist der Koordinator ein Arbeitnehmer des Auftraggebers oder ein Dritter, sollte deshalb die
Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitnehmern der Fremdfirma im Werkvertrag/ selbstständigen Dienstvertrag festgelegt werden.
4. Verpflichtungserklärung
Ist Gegenstand des Werkvertrages die Planung, Herstellung, Änderung oder Instandsetzung von Einrichtungen, oder die Planung oder Gestaltung von Arbeitsverfahren, muss der
Auftraggeber den Auftragnehmer schriftlich verpflichten, dass dabei die für den Auftraggeber geltenden staatlichen Arbeitsschutzvorschriften und die Unfallverhütungsvorschriften
sowie die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes i. S. v. § 4 Arbeitsschutzgesetz und
insbesondere das staatliche und berufsgenossenschaftliche Regelwerk beachtet werden
(§ 5 DGUV Vorschrift 1).
70
Kapitel D: Hinweise für den Fall von Ermittlungen wegen unerlaubter Beschäftigung von Leiharbeitnehmern
Zuständig für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1, 1a, 1c, 1d,
1f, 2, 2a und 7b sowie 11 bis 18 AÜG sind die Behörden der Zollverwaltung. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1b, 1e, 3 bis 7a sowie 8 bis 10 AÜG
ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig (gem. § 16 Abs. 3 AÜG).
Anlass für Ermittlungen gegen Betriebe, die Arbeitnehmer fremder Firmen beschäftigen, ist
häufig, dass sich gegen den Werkunternehmer in irgendeinem Zusammenhang der Verdacht des Verstoßes gegen das AÜG ergeben hat. Beispielsweise kann die Gewerbeaufsicht ohne Verdachtsmomente zu jeder Tages- und Nachtzeit unangekündigt Besichtigungen und Prüfungen während des Betriebs vornehmen (§ 139 b Abs. 4 GewO). Sie darf
zwar nur kontrollieren, ob die Bestimmungen der Gewerbeordnung eingehalten werden;
stößt sie dabei aber auf Anhaltspunkte für unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung, benachrichtigt sie die Arbeitsverwaltung bzw. die Finanzkotrolle Schwarzarbeit des Zolls, die dann
die Ermittlungen aufnehmen. In solchen Fällen werden im Allgemeinen sämtliche Vertragsbeziehungen dieser Firma einer Überprüfung unterzogen.
Auslöser für Ermittlungen können aber auch Anzeigen von Fremdarbeitnehmern oder bei
Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber wegen des Einsatzes von Fremdarbeitnehmern Hinweise von Betriebsräten sowie Anzeigen oder Hinweise von anderen Behörden, etwa der Gewerbeaufsicht sein.
Im Falle von Ermittlungen sollte unbedingt folgendes beachtet werden:
 Sofort Verband und einen strafrechtlich versierten Rechtsanwalt (wegen Akteneinsicht) einschalten; evtl. Stellungnahme gegenüber der Ermittlungsbehörde erst
nach Beratung durch Verband oder Rechtsanwalt abgeben.
 Rechtzeitig (d.h. vor Abschluss der Ermittlungen, also vor Erlass eines Bußgeldbescheides) Kontakt mit der Ermittlungsstelle aufnehmen und an objektiver Aufklärung des Sachverhaltes mitwirken. So lassen sich die Interessen der Firma und der
Betroffenen am besten vertreten.
 Einsatz der Fremdarbeitnehmer im Betrieb sofort beenden. Bis zur endgültigen
Klärung der Vorwürfe auch keine anderen Arbeitnehmer der Fremdfirma im Betrieb
tätig werden lassen. Ggf. Fremdfirma veranlassen, die Erlaubnis für Arbeitnehmerüberlassung zu beantragen. Dies ist jedoch nur noch dann erfolgsversprechend,
wenn der Vertrag auf dem der Einsatz des Fremdarbeiters fußt, vor der Überlassung als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bezeichnet worden ist.
 Bevor ein eventueller Bußgeldbescheid gerichtlich angefochten werden soll, sorgfältig prüfen, ob ausreichende Erfolgsaussichten bestehen.
71
Anlage 1
72
73
Anlage 2
Prüfbogen208 für Werkvertrag
Prüffragen
ja
nein
Aufgabe der Fremdfirma vor Auftragsvergabe klar definiert?
Aufgabe der Fremdfirma:
……………………………………………………………………………………………
Herstellung eines Werkes, d.h. Herbeiführung eines Erfolges
(keine bloße Überlassung von Arbeitskräften)?
Abrechnung nach Festpreis/Leistungsverzeichnis?
Arbeitsorganisation ausschließlich Sache der Fremdfirma
(Arbeitsablauf, Personaleinteilung, -überwachung?)
Arbeitsanweisungen erteilt ausschließlich Fremdfirma?
Eigene Fachkenntnis der Fremdfirma zur Erledigung der Aufgabe?
Benötigtes Werkzeug und erforderliche Arbeitsmittel von Fremdfirma gestellt?
Arbeit getrennt von eigenen Mitarbeitern (keine Teamarbeit)?
Auftragsausführung ohne Bindung an Arbeitszeiten des Betriebs
(Schicht- und Pausenzeiten)?
Werden Gewährleistungsrechte bei Werkmängeln geltend gemacht?
208
Werden eine oder mehrere Fragen mit „nein“ beantwortet, so ist der Einsatz des Fremdpersonals auf
Basis von Werk- oder Dienstverträgen nochmals genauer zu prüfen und ggf. davon Abstand zu nehmen. Soweit nicht alle Fragen positiv beantwortet werden können, bedarf es einer eingehenderen Prüfung gem. den oben genannten Abgrenzungskriterien.
74
Anlage 3
Einsatz von Arbeitnehmern fremder Firmen im Betrieb
- Merkblatt für betriebliche Vorgesetzte Der Einsatz fremder Arbeitnehmer im Betrieb kann Leiharbeit (sogenannte Arbeitnehmerüberlassung) darstellen oder im Rahmen eines Werkvertrages oder Dienstvertrages erfolgen.
Zwischen beiden Formen des Einsatzes muss sowohl bei der vertraglichen Gestaltung als auch
bei der praktischen Durchführung sorgfältig unterschieden werden!
Das gilt besonders, wenn mit der Fremdfirma ein Werk-/Dienstvertrag abgeschlossen wird.
Werk- und Dienstverträge unterliegen gänzlich anderen rechtlichen Bedingungen als die Leiharbeit. Wenn diese Rahmenbedingungen nicht beachtet werden, kann es sich in Wirklichkeit um
Leiharbeit handeln (sog. Scheinwerk-/dienstvertrag).
Beim Werkvertrag wird eine andere Firma verpflichtet, mit Hilfe ihrer Arbeitnehmer selbstständig
ein konkretes Arbeitsergebnis herbeizuführen („ein Werk herzustellen“); bei einem selbstständigen Dienstvertrag wird sie verpflichtet, eine Dienstleistung unter eigener Verantwortung und
ohne Eingliederung ihrer Arbeitnehmer in die fremde Betriebsorganisation zu erbringen.
Um Leiharbeit handelt es sich immer dann, wenn fremde Arbeitskräfte im Betrieb wie eigene
Arbeitnehmer eingesetzt werden, sie dort insbesondere nach den Weisungen der betrieblichen
Vorgesetzten arbeiten.
Aufgrund neuer gesetzlicher Restriktionen ab dem 1. April 2017 drohen bei einem Scheinwerk-/
dienstvertrag folgende Sanktionen:
 Fiktion eines grundsätzlich unbefristeten Arbeitsverhältnisses zum Einsatzbetrieb
 Bußgeld von bis zu 30.000 EUR sowie ein Eintrag in das Gewerbezentralregister
 Haftung für Sozialversicherungsbeiträge sowie Ausfallhaftung für die Lohnsteuer
 Mögliche Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 oder Abs. 2 StGB
Da ein Werkvertrag oder selbstständiger Dienstvertrag, um als solcher anerkannt zu werden,
nicht nur eindeutig die Merkmale dieser Vertragsart aufweisen, sondern auch tatsächlich gemäß den vereinbarten Regeln durchgeführt werden müssen, sind hinsichtlich der im Betrieb
tätigen fremden Arbeitnehmer, sofern sie nicht Leiharbeitnehmer sind, unbedingt die folgenden
Regeln zu beachten:
 Die fremden Arbeitskräfte dürfen nicht in die Arbeitsabläufe oder in den Produktionsprozess eingegliedert werden (keine hausinterne Telefonnummer, Email-Adresse u. ä.).
 Ihnen dürfen keine Weisungen in Bezug auf die Art und Weise, wie sie arbeiten, sowie
auf ihren Arbeitseinsatz (Arbeitszeit, Überstunden, Urlaub, Freizeit, Anwesenheitskontrolle) erteilt werden. Ausnahme: betriebsspezifische Hinweise (z. B. wegen besonderer Gefahrenquellen im Betrieb) und Hinweise zur Auftragsausführung (z. B. zum Umfang der
vorzunehmenden Reparatur).
 Ergänzungen oder Änderungen des Auftrages oder etwaige Mängelrügen dürfen nur unmittelbar mit der Fremdfirma oder deren Bevollmächtigten im Betrieb abgestimmt werden.
 Die Fremdfirma muss das für die Ausführung des Auftrags typischerweise benötigte
Werkzeug und die Arbeitsmaterialien selbst mitbringen. Ausnahmsweise können ihr für
den Auftrag benötigtes Spezialwerkzeug zur Verfügung gestellt werden.
 Die fremden Arbeitskräfte dürfen nicht mit eigenen Arbeitnehmern zu gemeinsamen Arbeitsgruppen zusammengefasst werden. Soweit ihre Tätigkeiten mit denjenigen eigener
Arbeitnehmer vergleichbar sind, sind sie räumlich getrennt unterzubringen.