Prävention Postoperative Wundinfekte Spitalhygiene

Infektiologie und Spitalhygiene
Prävention postoperativer Wundinfektionen
…jenseits der präoperativen Antibiotikaprophylaxe
Dr. med. E. Bucheli Laffer
Oberärztin, Leiterin Spitalhygiene
Inhalt
1. Guidelines
2. Risikofaktoren für postoperative Wundinfektionen
3. Präventionsmassnahmen
1. Patienten-bezogen
2. Eingriffs-bezogen
3. Strukturelle Massnahmen
4. Exotisches
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Guidelines
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Ein wichtiges Thema?
4
Ein wichtiges Thema!!!
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Patienteneigene Risikofaktoren für SSI
Bedingt beeinflussbare RF
Nicht beeinflussbare RF
Rauchen
Alter
Mangelernährung
PA mit SSI
Glucosekontrolle (intra-/präop.)
Komorbiditäten (z.B. D. mellitus)
Anämie
Tumorerkrankung
Immunsuppression
Adipositas
Aktive Infektion an anderer Lokalisation
Dauer der Hospitalisation vor dem Eingriff
Kolonisation mit S. aureus oder multiresistenten Keimen
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Eingriff-assoziierte Risikofaktoren für SSI
Beeinflussbare RF
Nicht beeinflussbare RF
Einhalten der Asepsis
Vorliegender Infekt im OP-Gebiet
OP-Vorbereitungen*
Eingriffsart
Dauer des präop. Aufenthaltes
Implantate
Hypoxie, Hypothermie
Instrumentenaufbereitung
Erfahrung und Technik des Chirurgen
Eingriffsdauer
* z.B. Hautdesinfektion, Haarentfernung
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Massnahmen
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Rauchstopp
• Verzögerte primäre Wundheilung
• Rauchstopp mindestens 30 Tage vor elektivem Eingriff
• 9000 herzchirurgische Eingriffe
• Risikofaktoren für Mediastinitis
Abboud CS, Ann Thorac Surg 2004
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Ernährung
• Mangel-/Unterernährung als Risikofaktor für SSI
• Optimierung der Ernährungssituation oral oder enteral empfohlen (WHO)
• KEINE Verschiebung von chirurgischen Eingriffen für parenterale Ernährung
Brennan MF, Ann Surg 1994
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S. aureus-Screening und -Dekolonisierung
• ca. 25% der Bevölkerung besiedelt mit S. aureus
• Risiko für SSI steigt mit Besiedelung mit
MRSA 4x mehr als mit MSSA Screening
für Risikopopulationen
• Schwache Evidenz für den Einsatz von Mupirocin
Nasensalbe und CHX-Dusche bei dokumentierter
Kolonisation vor kardiochirurgischen und orthopädischen
Eingriffen
• Pragmatisch: Screening von Risikopatienten, Evaluation
Dekolonisierung vor Operation
Miller M, PLoS One 2009; Safdar N, Am J Med 2008; WHO; AWMF
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Präoperatives Duschen
• Duschen als «good
clinical practice», keine
Studien
• Studien mit Chlohexidin
zeigen Benefit, sind
jedoch methodisch
schwach, daher keine
klare Empfehlung
• Risiko von Allergien
und
Resistenzentwicklung
(CHX)
WHO Guideline 2016
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Glucosekontrolle
• Präoperative Hyperglycämie
Risikofaktor für SSI
• Gute Evidenz für Patienten der
Herzchirurgie, mässig gute
Evidenz für alle anderen Eingriffe
• Glucose <11.1mmol/l
intraoperativ und 18-24h
postoperativ (IDSA)
• Gute Diabeteseinstellung
WHO Guideline 2016
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Normothermie ≥ 35.5°C
• RCT, Einschluss von 200 Patienten mit colorektaler Chirurgie, 2 Gruppen
(ohne/mit aktivem Wärmen)
• Temperatur am Ende OP 34.7 ± 0.6°C vs. 36.6 ± 0.5°C
Kurz A, NEJM 1996
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Sauerstoffgabe intra- und unmittelbar
postoperativ
• Schwache Evidenz bei Patienten mit Allgemeinanästhesie und mechanischer
Beatmung, keine allgemeine Empfehlung
• In Kombination mit anderen Faktoren zur Optimierung der Gewebsoxygenation
• FiO2 80% vs. 30-35%
Qadan M, Arch Surg 2009
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Haarentfernung
• Keine routinemässige Haarentfernung
• Wenn nötig: Clipper (oder Depilationscrème)
• Ausserhalb OP
Tanner J, Cochrane Database Syst Rev 2011
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Hautdesinfektion
CAVE: beachten von KI für Alkohol oder Chlorhexidin
Trocknen lassen
Feuer-/Verbrennungsgefahr!!
Maiwald M, PLoS One, 2012
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Chirurgische Händedesinfektion und
Handschuhe
• Händewaschen vs. Händedesinfektion
Studienlage schwach
• Desinfektion überlegen bei Endpunkt Bakterienload auf den Händen
• Hautirritation geringer durch repetitive Desinfektion vs. Händewaschen
• Doppelte Handschuhe: Mikroperforationen der Handschuhe
• Handschuhwechsel vor Fremdmaterial
• Handschuhwechsel bei sichtbarer Perforation (Indikatorhandschuhe)
Tanner J, Cochrane Database Syst Rev 2016
Partecke L, ICHE 2009
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Bereichskleidung/Schutzausrüstung
• Bereichskleidung
• Verhinderung von Einschleppung von Keimen aus anderen Bereichen
• Schutzkleidung
• Verhinderung Freisetzung von Bakterien durch das OP-Team, Personalschutz
• Erregerdichtes Material
• MNS
• Verhinderung Abgabe von Tröpfchen (Streptokokken Grp. A, S. aureus),
Spritzschutz
• Hauben
• Verhinderung von Kontamination des OP-Feldes
vollständige Bedeckung des
Haars
• Bereichsschuhe (kein Nutzen gezeigt für SSI, Personalschutz)
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Abdeckmaterial
• Wirksame Erregerbarriere
(Patient-Wunde, PersonalWunde, Patient-Personal)
• «good clinical practice»
• Ahäsive Folien mit oder ohne
Iod-Imprägnierung ohne
Einfluss auf SSI-Rate
Webster J., Cochrane Database Syst Rev 2013
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Wundprotektion, Desinfektion vor
Wundverschluss
• Evidenzlage für Wundprotektoren für Abdominalchirurgie
schlecht, keine Empfehlung für deren Einsatz («erwägen»)
• Desinfektion/Spülung der Inzisionswunde vor Verschluss bei
«clean» oder «clean-contaminated» Chirurgie (Evidenz
schwach)
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Wechsel von chir. Intstrumentarium vor
Wundverschluss
• Keine Studien vorliegend
• Einzelne Studien, die dies in Kombination mit weiteren Massnahmen untersucht
haben
• Keine genügende Evidenz für eine entsprechende Empfehlung
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Antiseptisches Nahtmaterial
• Wird in den meisten Guidelines aktuell offen gelassen, IDSA dagegen, WHO
dafür
• Kontroverse Diskussion, Datenlage nicht eindeutig
• 2 Metaanalysen:
Chang 2012
• 7 Studien, 836 Patienten
Kein Benefit für imprägniertes
Nahtmaterial
Wang 2013
• 17 Studien, 3700 Patienten
Benefit für imprägniertes
Nahtmaterial
Chang WK, Ann Surg 2012; Wang ZX, Br J Surg 2013
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Verband/-wechsel
• Kaum Studien, zumeist Expertenempfehlungen
• Intraoperativ steriler, saugfähiger Verband
• Kein Vorteil von Spezialverbänden (Kolloide, Silberbeschichtung)
• Belassen des intraoperativ angelegten Verbands für 24-48h
• Wechsel des Verbands unter aseptischen Bedingungen
• Früherer Verbandwechsel bei feuchten oder durchgebluteten Verbänden
• Kein Unterschied bei Verwendung von Gazen- oder Folienverbänden
KRINKO, Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet, 2007
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Drainagen
• Historisch verbreitet seit Mitte des 19. Jahrhunderts
«when in doubt, drain» (Lawson Tait)
• Entfernung von Blut und Flüssigkeit vs. Risiko für
Einschleppung von Keimen
WHO-Guideline 2016
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Intraoperativer Blutverlust
Risikofaktoren für SSI bei 370 Patienten mit neck-dissection
Park SY, KJIM 2016
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The human factor….
• Kohortenstudie, 31 Chirurgen in 9 CH-Spitälern
• RF für SSI
• Keine Assoziation Selbsteinschätzung Adhärenz zu Guidelines und SSI-Rate
bzw. Erfahrung
Hübner M, Arch Surg 2011
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• 20 Chirurgen unterschiedlicher Erfahrungsgrad
• Video mit repräsentativer OP beurteilt durch mind. 10 Chirurgen (anonym)
• Einteilung des Könnens in Grad 1-5
Birkmeier JD, NEJM 2013
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Reden ist Silber…
• Aufzeichung des Lärmpegels im OP
• Einschluss von 35 Patienten
• Fragebogen u.a. Anzahl Personen im OP, Inhalte der Konversation
Kurmann A, BJS 2012
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OP-Dauer
• Überschreiten der üblichen Opeationsdauer (Obergrenze T-Time) assoziiert mit
mehr SSI
Leong G, J Hosp Infect 2006
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Türöffnungen
• Anzahl Türöffnungen und Gründe bei 116 orthopäd. Primär- und Revisions-OP
Panahi P, Clin Orthop Relat Res 2012
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Laminar Airflow
• Klare Vorgaben für Anforderungen an
Lüftungssysteme in Operationstrakten (CH:
SWKI-Richtlinie)
• Laminar Airflow früher Standard für
Arthroplastien
Gastmeier P, ICHE 2011
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Surveillance/Feedback
• SSI-Überwachung ab 1989 in australischem Spital , Unterbruch der kontinuierlichen
Erfassung über 15 Monate (1990-1992)
Sykes PK, AJIC 2005
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Surveillance
• In der CH Überwachung postoperativer
Wundinfektionen i.R. von Swissnoso
• Standardisierte Überwachung und schweizweites
Benchmarking
• Vergleichbarkeit der Daten nur bedingt möglich
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• Retrospektive Analyse von über 400 000 OP (15 häufigste Eingriffsarten) im
Zeitraum 2007-2012 in 20 Spitälern
Saisonalität?
•
•
•
•
Durkin MJ, ICHE 2015
Höhere Bakterien-Kolonisationsdichte
Mehr Schwitzen
Unerfahrenere Operateure
Personalmangel?
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Ökonomische Aspekte
• Review zu ökonomischem Impact von Interventionen zur Prävention von SSI
inkl. Hand- und Hautdesinfektion sowie Wundverbände
Interventionen als kosteneffektiv oder potenziell kosteneffektiv
beurteilt, Studienqualität und geringe Datenmenge als Limitation
Gillespie BM, J Br Surg 2017
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