Vertragsrecht II Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 1 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Schicksal der Gegenleistungspflicht, § 326 BGB Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 2 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Unmöglichkeit von keinem der Beteiligten zu vertreten vom Schuldner zu vertreten Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) vom Gläubiger zu verantworten von beiden Beteiligten zu vertreten 3 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht von keinem der Beteiligten zu vertreten von keinem der Beteiligten zu vertreten Vollständige Unmöglichkeit teilweise Unmöglichkeit Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) qualitative Unmöglichkeit 4 Vertragsrecht II 474 BGB BGB §§ 447 Begriff des Verbrauchsgüterkaufs; anwendbare Gefahrübergang beim Versendungskauf § 5 Leistungsstörungsrecht Vorschriften § 326 BGB § 446 Gefahrund Lastenübergang von keinem der Beteiligten zu vertretende Unmöglichkeit (1) Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers (1) (1)… … verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem die Gefahrtragung: Fallso des „zufälligen“ Untergangs der Sache (2) derÜbergabe Gläubiger für den die Umstand, aufauf Grund dessen MitIst der der verkauften Sache geht die Gefahr Erfüllungsort, geht Gefahr den Käufer (2) … der Schuldner § 275 Abs. 1und bisdie 3 der nicht zu leisten des zufälligen Untergangs zufälligen sobald der Verkäufer Sache dem Kernfrage: wer trägtnach das Risiko („Preisgefahr“, „Gegenleistungs(3) über, … braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich Verschlechterung auf den Käufer Von zur der Spediteur, dem Frachtführer oder über. der sonst gefahr“)? (4) § 447 Absatz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Gefahr oder tritt dieser vom Käufer Schuldner nicht zu Übergabe an gebühren dem die Nutzungen und Ausführung der Versendung bestimmten Person des zufälligen Untergangs und derzuzufälligen Umstand zu einer Zeit ein, welcher §vertretende 326 1Lasten S. 1 BGB: der Schuldner trägt erAbs. die der Sache. Übergabe steht es oder Anstalt ausgeliefert hat.Der Verschlechterung nur dann auf den ist, Käufer der Gläubiger im Verzug derder Annahme so gleich, wenn der Käufer im Verzug Annahme ist. (2) Hat der Käufer eine besondere Anweisung über die Art übergeht, der des Käufer den Spediteur, den Begründung: Ausdruck funktionellen Synallagma behält der wenn Schuldner den Anspruch auf die der Versendung erteilt weicht Verkäufer ohne Frachtführer oder dieund sonst zurderAusführung der Gegenleistung. dringenden Grund von der Anweisung ab, so ist der Ausnahmen: Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Verkäufer Käufer hat für den daraus entstehenden Ausführungdem beauftragt und der Unternehmer dem § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB: Gläubigerverzug Schaden verantwortlich. Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt § 446 BGB:hat. Übergabe an Käufer § 447 BGB: Übergabe an Spediteur (Versendungskauf) Aber: beachte § 474 Abs. 4 BGB Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 5 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht § 326 Abs. 1 BGB ist dispositiv: individualvertraglich abdingbar Aber: Abbedingung in AGB scheitert an § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB weitere Rechtsfolgen Rückerstattung bereits erbrachter Leistungen, §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 6 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht von beiden Beteiligten zu vertreten: teilweise Unmöglichkeit § 275 Abs. 1 BGB: teilweises Entfallen der Leistungspflicht („soweit“) § 326 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB: teilweises Entfallen der Gegenleistungspflicht („bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung“) es ist eine Berechnung nach § 441 Abs. 3 BGB wie bei der Minderung vorzunehmen Rücktrittsrecht mit Blick auf den möglichen Teil der Leistung, § 326 Abs. 5 BGB Beachte § 323 Abs. 5 S. 1 BGB: Rücktritt nur bei fehlendem Interesse an Teilleistung möglich Teleologische Reduktion des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB: Leistung muss nicht „bewirkt“ worden seien Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 7 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Voraussetzung: Teilbarkeit von Leistung und Gegenleistung bei fehlender Teilbarkeit der Leistung Gesamtrücktritt Dogmatische Begründung des Teilrücktritts: Grundsatz des pacta sunt servanda (Vertragstreue, Vertragserhaltung). Störungen mit Blick auf einen Vertragsteil sollen nicht zur Auflösung des ganzen Vertrages führen. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 8 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht von beiden Beteiligten zu vertreten: qualitative Unmöglichkeit unbehebbarer Sachmangel: qualitative Unmöglichkeit greift immer dann ein, wenn die Nacherfüllungspflicht des Schuldners unmöglich wird Rechtsfolge: automatisches Entfallen der Gegenleistungspflicht wird ausgeschlossen, § 326 Abs. 1 S. 2: „Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.“ Begründung: Die Grundregel des automatischen Entfallens der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 führt bei Teilunmöglichkeit letztlich zu einer „Minderung kraft Gesetzes“. Dies steht im Widerspruch zum kaufrechtlichen Sachmängelgewährleistungsrecht, weil es den Käufer seines Wahlrechts zwischen Rücktritt und Minderung „berauben“ würde. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 9 Vertragsrecht II § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß § 5 Leistungsstörungsrecht erbrachter Leistung daher: Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB (kein Fristsetzungserfordernis) (1) … (2) … kein Interessefortfall nach § 323 Abs. 5 S. 1 BGB erforderlich (3) … § 323 Abs. 5 S. 1 BGB ist auf die qualitative Schlechtleistung (4) … nicht anwendbar (5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Da vombereits ganzen Vertrag Begründung: § 323 Abs. nur 5 S.zurücktreten, 2 BGB den Fall der wenn er an der Teilleistung kein Hat („nicht qualitativen Schlechtleistung lex Interesse specialis hat. regelt der Schuldner bewirkt“), die Leistung nicht vertragsgemäß vertragsgemäß wird die qualitative Schlechtleistung bewirkt, kann Gläubiger vom Vertrag nicht von § 323so Abs. 5 S.der 1 BGB nicht erfasst. Die Schlechtleistung zurücktreten, wenn die Teilleistung Pflichtverletzung ist damit kein Unterfall der im Sinne des unerheblich Gesetzes! ist. lediglich Erheblichkeit erforderlich, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Schuldner trägt Beweislast für Unerheblichkeit Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 10 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht daher: Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB (kein Fristsetzungserfordernis) kein Interessefortfall nach § 323 Abs. 5 S. 1 BGB erforderlich § 323 Abs. 5 S. 1 BGB ist auf die qualitative Schlechtleistung nicht anwendbar Begründung: Da bereits § 323 Abs. 5 S. 2 BGB den Fall der qualitativen Schlechtleistung lex specialis regelt („nicht vertragsgemäß bewirkt“), wird die qualitative Schlechtleistung von § 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht erfasst. Die Schlechtleistung ist damit kein Unterfall der Teilleistung im Sinne des Gesetzes! lediglich Erheblichkeit erforderlich, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Schuldner trägt Beweislast für Unerheblichkeit Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 11 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Lernmodul: von keinem der Beteiligten zu vertretende Unmöglichkeit (vollständige Unmöglichkeit) Rechtsfolgen § 326 Abs. 1 S. 1 BGB: Entfallen der Gegenleistungspflicht Ausnahmen: §§ 446, 447 BGB § 644 BGB Rückerstattung bereits erbrachter Leistungen, §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 12 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Lernmodul: von keinem der Beteiligten zu vertretende Unmöglichkeit (teilweise Unmöglichkeit) Rechtsfolgen § 326 Abs. 1 S. 1 BGB: teilweises Entfallen der Gegenleistung § 326 Abs .1 S. 1 Hs. 2 BGB: Berechnung nach § 441 Abs. 3 BGB § 326 Abs. 5 BGB: Rücktrittsrecht mit Blick auf den möglichen Teil der Leistung § 323 Abs. 5 S. 1 BGB: Interessefortfall teleologische Reduktion des § 323 Abs. 5 S. 1 BGB („bewirkt“) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 13 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Lernmodul: von keinem der Beteiligten zu vertretende Unmöglichkeit (Qualitative Unmöglichkeit) Rechtsfolgen Gegenleistungspflicht bleibt bestehen, § 326 Abs. 1 S. 2 BGB Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB kein Interessefortfall erforderlich, § 323 Abs. 5 S. 1 BGB nicht anwendbar lediglich Erheblichkeit erforderlich, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Schuldner trägt Beweislast für Unerheblichkeit im Kaufrecht: Wahlrecht zwischen Rücktritt und Minderung Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 14 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit Gegenleistungspflicht entfällt, § 326 Abs. 1 S. 1 BGB Rückforderungsanspruch für bereits erbrachte Gegenleistung, §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB § 326 Abs. 4 BGB: „Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.“ Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 15 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht vom Gläubiger zu verantwortende Unmöglichkeit Gegenleistungspflicht bleibt bestehen, § 326 Abs. 2 S. 1 BGB § 326 Abs. 2 BGB: „Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 16 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht Voraussetzungen: Verantwortlichkeit des Gläubigers, § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB Verantwortlichkeit vs. Vertretenmüssen Begründung: Der Gesetzestext grenzt sich mit dem Begriff „der „Verantwortlichkeit“ vom Begriff des „Vertretenmüssens“ ab, der ausschließlich das Vertretenmüssen des Schuldners nach § 276, 278 BGB meint. Maßstab der „Verantwortlichkeit“ des Gläubigers h.M.: §§ 276, 278 analog („Verschulden gegen sich selbst“) vertragliche Vereinbarung (z.B. Risikoübernahme) bei anfänglicher Unmöglichkeit: § 311a Abs. 2 BGB analog (streitig, A.A. Looschelders SchR AT Rn. 700) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 17 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht keine Sphärentheorie eine Sphärentheorie, wonach jede Partei für Umstände verantwortlich ist, die ihrer Sphäre zuzuordnen sind, wird - zu Recht - weitgehend abgelehnt sie würde zu unangemessener Ungleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner führen Voraussetzungen: Gläubigerverzug, § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB Annahmeverzug nach § 293 ff. BGB wirksamer, erfüllbare Anspruch keine Unmöglichkeit tatsächliches Angebot oder Ausnahme, §§ 295 ff. BGB Nichtannahme der Leistung durch den Gläubiger Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 18 Vertragsrecht II § 5 Leistungsstörungsrecht beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit gesetzlich nicht geregelt § 326 Abs. 2 S. 1 BGB („weit überwiegend verantwortlich“) enthält ebenfalls keine entsprechende Regelung Ansprüche der Parteien sind jeweils getrennt zu betrachten BGH: §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB iVm. § 254 BGB e.A.: § 326 Abs. 1 BGB analog e.A.: § 280 Abs. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 19
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