Leseprobe zum Titel: DER SPIEGEL Nr. 08/2017

In diesem Heft
Dieselskandal Audi-Chef Stadler soll
86
90
Deutschland
Leitartikel Europa muss für seine Sicherheit
selbst sorgen
6
Meinung Kolumne: Der schwarze Kanal /
So gesehen: Merkel macht Bling-Bling
8
Bundeskanzlerin muss Hintergrundgespräche
offenlegen / OECD: Frauen unfreiwillig
nur in Teilzeitjobs / Deutschland verletzt
hundertfach EU-Recht
10
Wahlkampf Das Umfragehoch der SPD
14
stürzt die Grünen ins Dilemma
Essay Was ist nur aus der Ökopartei
geworden?
18
AfD SPIEGEL-Gespräch mit Thüringens
Landeschef Björn Höcke über seinen
Parteiausschluss und die Holocaustaffäre
20
SPD Interne Dokumente bringen
den früheren EU-Parlamentspräsidenten
Martin Schulz in Bedrängnis
23
Verteidigung Washington pocht auf einen
24
höheren deutschen Wehretat
Parteien CSU-Chef Horst Seehofer erklärt,
26
was ihm an Donald Trump gefällt
Integration Nicht nur türkische Imame
sollen vermeintliche Erdoğan-Kritiker
bespitzelt haben, auch der
türkische Geheimdienst spioniert
in Deutschland für Ankara
28
Arbeitsplätze Wie die Regierung die
deutschen Opel-Werke retten will
32
Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft greift Bundesinnenminister Thomas de Maizière
in der Flüchtlingspolitik an
34
Bleiberecht Tausende Ausländer
werden seit vielen Jahren in Deutschland
nur geduldet – sie werden nicht
abgeschoben, aber auch nicht integriert
36
Strafjustiz Die Angeklagte Angelika W.
im Höxter-Prozess – Porträt einer Frau,
die andere Frauen quälte
38
Demokratie Wuppertal testet eine
neue Form der Bürgerbeteiligung:
das Losverfahren
42
Gesellschaft
Früher war alles schlechter: Von
wegen Theatersterben /
Warum ist hässlich plötzlich cool?
Eine Meldung und ihre Geschichte Warum die
kanadische First Lady zu einer ungeplanten
Schwangerschaft gratulierte
Schicksale Zwei Kinder sollen im Auftrag
des IS Selbstmordattentate begehen –
das eine folgt dem Befehl, das andere
schreckt im letzten Moment zurück
Kolumne Leitkultur
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45
46
53
Wirtschaft
MDax-Unternehmen ohne Frauen / IWF
gibt kaum Geld für Griechenland / Länder
torpedieren Dobrindts Mautpläne
54
Textilien Polyester erlebt einen
unfassbaren Boom – als Bestandteil
vieler Kleidungsstücke
56
Finanzen Die Übernahme der
Postbank bringt der Deutschen Bank
neuen Ärger
59
60
62
JEROME BONNET / DER SPIEGEL
der Zukunft erfinden, das nicht mehr
von Tieren stammt
Gesundheit Zwei Schnitzel pro Woche
sind genug
früher als bekannt von Manipulationen
gewusst haben
Energie EnBW-Chef Frank Mastiaux
erzählt im Interview vom radikalen Umbau
des ehemaligen Atomkonzerns
Luftfahrt Germanwings-Opfer haben Angst
um ihre Entschädigungen
Verkehr Mithilfe von Apps soll die leidige
Parkplatzsuche ein Ende finden
65
68
Ausland
Vorwürfe der EU-Kommission gegen Polen
zeigen wenig Wirkung / Unruhen in Paris
USA Die Russlandkrise von Donald Trump
Analyse Die sinkenden Einnahmen des
„Islamischen Staates“
Philippinen Eine Politikerin und ein
ehemaliger Auftragsmörder bekämpfen
Präsident Rodrigo Duterte
Nordkorea Das rätselhafte Attentat auf
Kim Jong Uns Halbbruder
70
72
76
78
83
Farah Pahlavi
Sie war iranische Kaiserin,
seit 1979 lebt sie im Exil.
Im SPIEGEL-Gespräch spricht
sie über die von ihr initiierte
Sammlung moderner Kunst.
Die Bilder sollten in Berlin
gezeigt werden, Iran aber verweigerte die Ausfuhr. Seite 104
Wissenschaft
Bewegung hilft beim Mathelernen /
In Uniform wird jeder zum
Polizisten / Kommentar: Keine Angst
vor dem Problemwolf
84
Mobilität Wie alltagstauglich sind die neuen
Elektroautos von Renault und Opel?
96
Bestattungen Die mysteriöse
Verbrennung von Körperteilen im
Regensburger Krematorium
99
Tierschutz Wie ein Zoo auf Teneriffa
seine umstrittenen Schwertwal-Shows
verteidigt
100
Kultur
Frank Gehrys Konzertsaal für den
Berliner Dirigenten Daniel Barenboim /
Thomas Manns „Zauberberg“ als
Vorlage für den Hollywoodhorrorfilm
„A Cure for Wellness“ / Kolumne:
Besser weiß ich es nicht
102
Kunst Farah Pahlavi im SPIEGEL-Gespräch
über ihre kaiserliche Kunstsammlung in Teheran und das Scheitern
einer Ausstellung in Berlin
104
Europa Kermanis Reise, Teil VI: Jalta
110
Filmkritik „Generation Zero“ – eine
Propaganda-Doku des Trump-Beraters
Stephen Bannon
116
SVEN DOERING / AGENTUR FOCUS / DER SPIEGEL
Ernährung Wie Forscher das Fleisch
Björn Höcke
Er ist ein Rechtsaußen der
AfD und droht im SPIEGELGespräch, die Partei würde gespalten werden, wenn er, wie
es Frauke Petry will, ausgeschlossen würde. Und er verteidigt seine Dresdner Rede –
jedenfalls ihren Kern. Seite 20
CARLO GABUCO / DER SPIEGEL
Titel
Sport
Fangewalt in deutschen Fußballligen /
Der frühere Nationalspieler Gary Lineker
über die Stimmung in den Stadien
119
Thaiboxen Wie Kinder als Preiskämpfer
der Wettleidenschaft in Thailand dienen 120
Edgar Matobato
Bestseller
Impressum, Leserservice
Nachrufe
Personalien
Briefe
Hohlspiegel / Rückspiegel
107
124
125
126
128
130
Wegweiser für Informanten: www.spiegel.de/investigativ
Er habe zu einem Killerkommando von Rodrigo Duterte,
dem heutigen philippinischen
Präsidenten, gehört. Das
behauptete er in einer Aussage vor dem Senat; seitdem
hält er sich versteckt – tief
im Regenwald. Seite 78
DER SPIEGEL 8 / 2017
5
Das deutsche Nachrichten-Magazin
Leitartikel
Jenseits der Nato
Auf die Krise des Westens sollte Europa mit einem starken Verteidigungsbündnis reagieren.
6
DER SPIEGEL 8 / 2017
anachronistisch. Amerika sieht vitale Sicherheitsinteressen
schon lange im Pazifik und im Nahen Osten. Und für
Europa sind Nordafrika und der Nahe Osten mindestens
ebenso wichtig wie Russland.
Die Ära europäischer Geschichte, in der der Kontinent
seine Sicherheit über den Atlantik delegieren konnte, ist
vorbei, und zwar unwiederbringlich. Auch in einer NachTrump-Ära würde sich das nicht grundsätzlich ändern.
Trump ist schließlich ein Symptom der Krise des Westens,
nicht ihre Ursache. Amerika ist weiterhin ein möglicher,
aber kein verlässlicher Partner für Europa. Wolfgang
Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz,
hat die Europäer zu Recht davor gewarnt, Amerika als
Partner abzuschreiben. Das wäre voreilig. Aber es wäre
fahrlässig und naiv, wenn Europa sich jetzt nicht darauf
einstellen würde, dass es sich
auf Amerika nicht mehr bedingungslos verlassen kann.
Europa muss mittelfristig
wehrhaft genug werden, selbst
für seine Sicherheit zu sorgen.
Dafür braucht es vor allem
Einigkeit. Wenn Deutschland
und andere Europäer jetzt
mehr für Verteidigung ausgeben, müssen sie ihre militärische Zusammenarbeit stärken.
Sie müssen die Gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik massiv ausbauen. Europas Bündnis sollte die Nato
nicht ersetzen, aber es müsste
die Europäer dazu befähigen,
im Notfall füreinander einzustehen, wenn die Amerikaner
es nicht mehr tun.
Amerikas Rückzug ist für
Europa auch eine Chance. Das
Wort Juniorpartner könnte endlich auf dem Müllhaufen
der Geschichte landen und Europa seine Interessen selbst
definieren. Dazu gehört ein auskömmliches Verhältnis zu
Russland, das nicht nur auf Abschreckung gegründet ist.
Dazu gehört auch eine klare Ansage an die Türkei, dass
die Soldarität Grenzen kennt, wenn Ankara in Syrien zündelt oder den Kurdenkonflikt weiter eskaliert. Dazu würde
wohl auch gehören, bei den Brexit-Verhandlungen handelspolitische Zugeständnisse zu machen, wenn Großbritannien im Gegenzug bereit ist, sich an der europäischen
Verteidigung zu beteiligen. Schließlich müsste ein Europa,
das es mit der eigenen Sicherheit ernst meint, auch über
atomare Abschreckung nachdenken. Dafür braucht es nicht
die deutsche Bombe, über die gelegentlich schon spekuliert
wurde. Aber es brauchte gegenüber der Atommacht Frankreich so viel Vertrauen, wie Deutschland es bisher nur zu
Amerika aufgebracht hat.
Christiane Hoffmann
RALPH ORLOWSKI / GETTY IMAGES
E
s ist vielleicht der unwahrscheinlichste Satz, mit
dem in diesen Tagen ein Leitartikel beginnen kann:
Donald Trump hat recht. Und doch ist es so:
Deutschland hat auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales angekündigt, bald viel mehr für seine Verteidigung auszugeben. Wenn Trump und sein Minister James Mattis
die Deutschen nun mahnen, ihre Zusagen einzuhalten,
so sind sie im Recht. Und zwar doppelt: Erstens aus Prinzip, Versprechen sind einzuhalten. Zweitens in der Sache.
Es gibt keinen Grund, warum die Vereinigten Staaten
mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
noch immer die Hauptlast der europäischen Sicherheit
tragen sollen.
Aber leider geht es nicht nur um Geld. Amerikas berechtigte Forderung kommt inmitten einer inneren Krise
des Westens, die so tief ist, dass
niemand weiß, was am Ende
vom Westen übrig sein wird.
Die Nato hatte immer den Anspruch, mehr zu sein als ein
Verteidigungsbündnis. Sie verstand sich als Schutzmacht der
liberalen Demokratie, der Werte und Prinzipien des Westens.
Das war ihr moralisches Gerüst,
ihre Existenzgrundlage. Aber
was, wenn wir nicht mehr sicher sein können, dass der Westen noch eine Wertegemeinschaft ist? Was genau verteidigt
dann die Nato? Länder wie
Ungarn und Polen, in denen
rechtspopulistische Regierungen Gewaltenteilung, Minderheitenschutz oder Pressefreiheit einschränken? Eine Türkei,
die Präsident Erdoğan gerade
zur Diktatur umbaut? Und sind
wir wirklich bereit, an der Seite Amerikas zu stehen, wenn
Trump einen Krieg gegen Iran, Nordkorea oder wen auch
immer vom Zaun bricht?
Die Nato ist nicht obsolet, aber ihre Bedeutung schwindet. Sie ist hohl geworden. Man kann das als eine späte
Folge ihres Erfolgs sehen: Sie hat Europa demokratisiert,
Deutschland eingehegt und integriert und die Sowjetunion
in den Zusammenbruch getrieben. Ihre Krise war deshalb
wohl unvermeidlich. Für ein Verteidigungsbündnis, dem
der Gegner abhandenkommt, stellt sich früher oder später
die Existenzfrage. Auf den größten Triumph des Bündnisses folgte ein schwerwiegendes Versäumnis. Es ist der
Nato nicht gelungen, Russland zu ihrem Partner zu machen. Die Ängste der Balten und Mittelosteuropäer sind
deshalb verständlich. Das russische Trauma ist es aber
auch. In jedem Fall ist eine Allianz, deren Berechtigung
allein auf der Gegnerschaft zu Russland beruht, heute