Die Wirtschaft „Trump hat viel Schaden angerichtet“

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Iserlohner Kreisanzeiger vom 20.02.2017
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Die Wirtschaft „Trump hat viel Schaden angerichtet“
In Wirtschaft und Wissenschaft Südwestfalens blickt man mit Sorge in die USA, seit der 70Jährige Präsident ist. Auch der Tourismus ist leicht rückläufig
VonAutor: Nina Grunsky
und Harald Ries
Der Tourismus
Reisen in die USA verkauft Marija
Linnhoff nach wie vor. Doch sei die
Hagen.
Nachfrage danach „leicht rückläufig“,
sagt die Inhaberin eines Reisebüros in
Nur wenige Wochen an der Macht hat Iserlohn. Größer dagegen ist die VerunDonald Trump bereits Amerika verän- sicherung ihrer Kunden geworden – und
dert, die Welt und das Leben vieler sie muss nun im Alltag mehr Zeit für
Menschen – auch in Südwestfalen.
den gestiegenen Beratungsbedarf der
Urlauber einplanen. „Ich selbst würde
Die Wirtschaft
fliegen“, sagt sie.
20 Prozent des Umsatzes macht das
Arnsberger Lichttechnik-Unternehmen Der Anglist
BJB in den USA. Seit mehr als 25 Jah- Daniel Stein ist Professor für Anglistik
ren hat BJB eine Fertigungsstätte in an der Universität in Siegen – mit dem
Amerika mit mehr als 40 Mitarbeitern. Schwerpunkt Nordamerikanische LiteraDort werden aber nur Einzelteile mon- tur und Kultur. Derzeit ist er in Elterntiert, die zuvor in Arnsberg gefertigt zeit, doch für die Semester danach überwurden. Und ein Teil dieser Montage ist denkt er bereits genau, welche Semi2016 aus Kostengründen zu BJB nach nare und Vorlesungen er anbieten wird:
China verlagert worden. So hat Ulrich „Der Wunsch, in Forschung und Lehre
Klein , kaufmännischer Leiter, die politischer zu werden, ist groß“, sagt er,
Androhung von Strafzöllen für Pro- bei vielen Kollegen im In- und Ausland.
dukte aus dem US-Ausland durchaus „Sie werden alle mutiger.“
mit Sorge vernommen. Wenn es tatsächlich so weit komme, müsse man überle- Forschungsreisen in die USA – für ihn,
gen die Fertigung in einem Land aufzu- kein Problem. Anders sieht es da vielziehen, dem die USA keine Strafzölle leicht für manchen Studenten aus, desauferlegen.
sen Familie aus einem muslimischen
Land gekommen ist oder für Frauen, die
„Schwierigkeiten bei der Einreise haben Kopftuch tragen. „Ich weiß derzeit
unsere Mitarbeiter, die in der Vergan- nicht, wie ich sie beraten soll, wenn sie
genheit Reisen in den Iran oder Irak einen Amerika-Aufenthalt planen“, sagt
gemacht haben“, berichtet Klein. „Sie Daniel Stein. Noch sei ohnehin ungemüssen einen sehr aufwendigen Weg wiss, was aus so manchem Austauschbeschreiten, um ein Visum zu erhalten.“ programm werde, wenn die US-RegieDas allerdings sei schon vor Trump so rung den Universitäten wie angekündigt
gewesen. Er will nicht ausschließen, die Mittel dafür kürze. Aber: man dürfe
dass es künftig mühsamer werden nun nicht beginnen, ebenfalls populikönnte, Mitarbeiter zu einem längeren stisch zu denken, warnt Klein: „AmeUSA-Aufenthalt zu überreden. In Ame- rika ist komplex und vielschichtig.“
rika fehlten gut ausgebildete Facharbei- Mehr als Trump.
ter, Techniker und Ingenieure, sagt
Klein. Also hat BJB in der Vergangen- Der Amerikafreund
heit eigene Leute aus dem Sauerland für Der Amtsantritt Donald Trumps habe
mehrere Jahre in die USA geschickt, um ihn diplomatischer werden lassen, sagt
dort die anspruchsvollen Maschinen zu er. Deshalb wägt Volker Schüttenhelm,
bedienen.
ab, was er auf die Frage antwortet, welche Auswirkungen Trump auf die Arbeit
seiner Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft hat. Das erste Mitglied hat der
Verein bereits verloren, berichtet Präsident Schüttenhelm. Eines von insgesamt 150, das nun die Gesellschaft verlassen hat. Er gehe aber davon aus, dass
es nicht mehr werden: „Unsere Gesellschaft ist überparteilich“, betont er. Es
gehe um den kulturellen Austausch, die
Verständigung zwischen Deutschen und
US-Amerikanern, sowie die Völkerverständigung der jungen Generation.
„Meine Meinung: Diese Arbeit sollten
wir gerade in schwierigen Zeiten intensivieren.“ Aber einfacher sei es nicht
geworden.
Der Ökonom
Von einem angekündigten 35-prozentigen Einfuhrzoll wären die deutsche
Autoindustrie und ihre südwestfälischen Zulieferer sicher betroffen, aber
kann und wird Trump sie einführen?
Volkswirtschafts-Professor Hans-Jörg
Schmerer von der Fernuni Hagen hätte
das noch bis vor kurzem für völlig utopisch gehalten. Aber seit die Ratifizierung des transpazifischen Freihandelsabkommens gestoppt ist, hat er Zweifel:
„Da muss ich mir schon überlegen ob
Trump ein rational handelnder Mensch
ist.“ Schmerer befürchtet, dass der USPräsident von Volkswirtschaft nicht viel
Ahnung hat: „Er denkt zu sehr als
Unternehmer. Exporte sieht er als
Gewinn und Importe als Kosten.“ Die
Zölle könnten demnach kommen?
„Gegen hohe Handelsbarrieren würde
die Welthandelsorganisation WTO wohl
klagen. Aber das dürfte sechs bis zwölf
Monate dauern.“ Müssen wir uns also
auf einen Handelskrieg einstellen? Der
Experte für Internationale Ökonomie
sieht die Gefahr, rechnet aber nicht
damit: „Trump wird hoffentlich Berater
haben, die ihm die Kosten vorrechnen.“
Die Politologen
Der Politikwissenschaftler Christopher
Kaan , der an der Fernuniversität zum
Thema internationale Institutionen
forscht, sieht - nicht erst seit Trumps
Amtsantritt, aber seitdem verstärkt eine Veränderung der Rolle der USA in
der Welt. Sie wollten die Kosten der
Sicherheit für die Nato-Partner nicht
mehr – aus ihrer Sicht – nahezu alleine
tragen. „Die Konsequenz: Auf die EU
und ihre Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) kommen
neue Aufgaben zu. Sie muss weltpolitisch aktiv werden.“ Aber will und kann
sie das? Kaan gibt zu: „Die Sicherheitspolitik der EU ist alles andere als einheitlich.“ Das liege aber auch an der
Nato und an den Beistandsgarantien der
USA. „Wenn die wegfallen, müssen sie
irgendwie ersetzt werden.“ Daran könnten gerade die osteuropäischen Staaten
wegen ihres Nachbarn Russland Interesse haben, die einem verstärkten Integrationsprozess in vielen Gebieten ja
skeptisch gegenüber stehen. AndererWörter:
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seits: „Wenn Deutschland wirklich zwei
Prozent seine Bruttoinlandsproduktes
für Waffen ausgibt, um seine Verteidigungskapazität zu erhöhen: Wie werden
dann unsere Nachbarstaaten – etwa
Polen – angesichts der Vergangenheit
reagieren?“ In der Gesamtschau zeigt
sich Kaan skeptisch, dass eine verminderte Handlungsfähigkeit der Nato
schnell genug durch die EU ersetzt werden kann.
Politikwissenschaftler Martin List
befasst sich an der Fernuniversität insbesondere mit vergleichender Außenpolitikanalyse. Er macht sich große Sorgen: „Trump hat schon in den ersten
Amtstagen so viel Schaden angerichtet,
dass einem schwindelig werden kann.“
Ihm fehle jegliche Ahnung von den
Komplexitäten der internationalen Politik. Aber seine Macht sei nicht unbeschränkt. List: „Es gibt viele Republikaner, die nicht auf seiner Linie sind, die
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sich aber noch nicht aus der Deckung
trauen. Doch das wird nicht sehr lange
so bleiben.“
Eine wichtige Rolle im Hinblick auf die
längerfristige Handlungsfähigkeit
Trumps würden seine wirtschaftlichen
Erfolge spielen: Wie Trump alte Industrien wiederbeleben wolle, bleibe
schleierhaft.
Und: „Wie verhält sich die Wählerschaft der Republikaner, wenn sie die
Folgen von Trumps Politik zu spüren
bekommt? Wenn etwa ausländische
Waren, etwa billige Elektronik aus
China, teurer werden? Das wird viele
weniger Begüterte – unter denen Trump
viele Anhänger hat – treffen.“ Die Hoffnung: „Es dürfte relativ schnell klar
werden, dass er die Interessen der USA
nicht befriedigt.“