Auch erschienen: Westfalenpost Online Iserlohner Kreisanzeiger vom 20.02.2017 Seite: Ressort: 3 Mantel Regional Gattung: Auflage: Rubrik: Weblink: IKZ Iserlohn http://www.funkemedien.de Reichweite: Tageszeitung 16.914 (gedruckt) 16.167 (verkauft) 16.325 (verbreitet) 0,056 (in Mio.) Die Wirtschaft „Trump hat viel Schaden angerichtet“ In Wirtschaft und Wissenschaft Südwestfalens blickt man mit Sorge in die USA, seit der 70Jährige Präsident ist. Auch der Tourismus ist leicht rückläufig VonAutor: Nina Grunsky und Harald Ries Der Tourismus Reisen in die USA verkauft Marija Linnhoff nach wie vor. Doch sei die Hagen. Nachfrage danach „leicht rückläufig“, sagt die Inhaberin eines Reisebüros in Nur wenige Wochen an der Macht hat Iserlohn. Größer dagegen ist die VerunDonald Trump bereits Amerika verän- sicherung ihrer Kunden geworden – und dert, die Welt und das Leben vieler sie muss nun im Alltag mehr Zeit für Menschen – auch in Südwestfalen. den gestiegenen Beratungsbedarf der Urlauber einplanen. „Ich selbst würde Die Wirtschaft fliegen“, sagt sie. 20 Prozent des Umsatzes macht das Arnsberger Lichttechnik-Unternehmen Der Anglist BJB in den USA. Seit mehr als 25 Jah- Daniel Stein ist Professor für Anglistik ren hat BJB eine Fertigungsstätte in an der Universität in Siegen – mit dem Amerika mit mehr als 40 Mitarbeitern. Schwerpunkt Nordamerikanische LiteraDort werden aber nur Einzelteile mon- tur und Kultur. Derzeit ist er in Elterntiert, die zuvor in Arnsberg gefertigt zeit, doch für die Semester danach überwurden. Und ein Teil dieser Montage ist denkt er bereits genau, welche Semi2016 aus Kostengründen zu BJB nach nare und Vorlesungen er anbieten wird: China verlagert worden. So hat Ulrich „Der Wunsch, in Forschung und Lehre Klein , kaufmännischer Leiter, die politischer zu werden, ist groß“, sagt er, Androhung von Strafzöllen für Pro- bei vielen Kollegen im In- und Ausland. dukte aus dem US-Ausland durchaus „Sie werden alle mutiger.“ mit Sorge vernommen. Wenn es tatsächlich so weit komme, müsse man überle- Forschungsreisen in die USA – für ihn, gen die Fertigung in einem Land aufzu- kein Problem. Anders sieht es da vielziehen, dem die USA keine Strafzölle leicht für manchen Studenten aus, desauferlegen. sen Familie aus einem muslimischen Land gekommen ist oder für Frauen, die „Schwierigkeiten bei der Einreise haben Kopftuch tragen. „Ich weiß derzeit unsere Mitarbeiter, die in der Vergan- nicht, wie ich sie beraten soll, wenn sie genheit Reisen in den Iran oder Irak einen Amerika-Aufenthalt planen“, sagt gemacht haben“, berichtet Klein. „Sie Daniel Stein. Noch sei ohnehin ungemüssen einen sehr aufwendigen Weg wiss, was aus so manchem Austauschbeschreiten, um ein Visum zu erhalten.“ programm werde, wenn die US-RegieDas allerdings sei schon vor Trump so rung den Universitäten wie angekündigt gewesen. Er will nicht ausschließen, die Mittel dafür kürze. Aber: man dürfe dass es künftig mühsamer werden nun nicht beginnen, ebenfalls populikönnte, Mitarbeiter zu einem längeren stisch zu denken, warnt Klein: „AmeUSA-Aufenthalt zu überreden. In Ame- rika ist komplex und vielschichtig.“ rika fehlten gut ausgebildete Facharbei- Mehr als Trump. ter, Techniker und Ingenieure, sagt Klein. Also hat BJB in der Vergangen- Der Amerikafreund heit eigene Leute aus dem Sauerland für Der Amtsantritt Donald Trumps habe mehrere Jahre in die USA geschickt, um ihn diplomatischer werden lassen, sagt dort die anspruchsvollen Maschinen zu er. Deshalb wägt Volker Schüttenhelm, bedienen. ab, was er auf die Frage antwortet, welche Auswirkungen Trump auf die Arbeit seiner Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft hat. Das erste Mitglied hat der Verein bereits verloren, berichtet Präsident Schüttenhelm. Eines von insgesamt 150, das nun die Gesellschaft verlassen hat. Er gehe aber davon aus, dass es nicht mehr werden: „Unsere Gesellschaft ist überparteilich“, betont er. Es gehe um den kulturellen Austausch, die Verständigung zwischen Deutschen und US-Amerikanern, sowie die Völkerverständigung der jungen Generation. „Meine Meinung: Diese Arbeit sollten wir gerade in schwierigen Zeiten intensivieren.“ Aber einfacher sei es nicht geworden. Der Ökonom Von einem angekündigten 35-prozentigen Einfuhrzoll wären die deutsche Autoindustrie und ihre südwestfälischen Zulieferer sicher betroffen, aber kann und wird Trump sie einführen? Volkswirtschafts-Professor Hans-Jörg Schmerer von der Fernuni Hagen hätte das noch bis vor kurzem für völlig utopisch gehalten. Aber seit die Ratifizierung des transpazifischen Freihandelsabkommens gestoppt ist, hat er Zweifel: „Da muss ich mir schon überlegen ob Trump ein rational handelnder Mensch ist.“ Schmerer befürchtet, dass der USPräsident von Volkswirtschaft nicht viel Ahnung hat: „Er denkt zu sehr als Unternehmer. Exporte sieht er als Gewinn und Importe als Kosten.“ Die Zölle könnten demnach kommen? „Gegen hohe Handelsbarrieren würde die Welthandelsorganisation WTO wohl klagen. Aber das dürfte sechs bis zwölf Monate dauern.“ Müssen wir uns also auf einen Handelskrieg einstellen? Der Experte für Internationale Ökonomie sieht die Gefahr, rechnet aber nicht damit: „Trump wird hoffentlich Berater haben, die ihm die Kosten vorrechnen.“ Die Politologen Der Politikwissenschaftler Christopher Kaan , der an der Fernuniversität zum Thema internationale Institutionen forscht, sieht - nicht erst seit Trumps Amtsantritt, aber seitdem verstärkt eine Veränderung der Rolle der USA in der Welt. Sie wollten die Kosten der Sicherheit für die Nato-Partner nicht mehr – aus ihrer Sicht – nahezu alleine tragen. „Die Konsequenz: Auf die EU und ihre Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) kommen neue Aufgaben zu. Sie muss weltpolitisch aktiv werden.“ Aber will und kann sie das? Kaan gibt zu: „Die Sicherheitspolitik der EU ist alles andere als einheitlich.“ Das liege aber auch an der Nato und an den Beistandsgarantien der USA. „Wenn die wegfallen, müssen sie irgendwie ersetzt werden.“ Daran könnten gerade die osteuropäischen Staaten wegen ihres Nachbarn Russland Interesse haben, die einem verstärkten Integrationsprozess in vielen Gebieten ja skeptisch gegenüber stehen. AndererWörter: Urheberinformation: © 2017 PMG Presse-Monitor GmbH seits: „Wenn Deutschland wirklich zwei Prozent seine Bruttoinlandsproduktes für Waffen ausgibt, um seine Verteidigungskapazität zu erhöhen: Wie werden dann unsere Nachbarstaaten – etwa Polen – angesichts der Vergangenheit reagieren?“ In der Gesamtschau zeigt sich Kaan skeptisch, dass eine verminderte Handlungsfähigkeit der Nato schnell genug durch die EU ersetzt werden kann. Politikwissenschaftler Martin List befasst sich an der Fernuniversität insbesondere mit vergleichender Außenpolitikanalyse. Er macht sich große Sorgen: „Trump hat schon in den ersten Amtstagen so viel Schaden angerichtet, dass einem schwindelig werden kann.“ Ihm fehle jegliche Ahnung von den Komplexitäten der internationalen Politik. Aber seine Macht sei nicht unbeschränkt. List: „Es gibt viele Republikaner, die nicht auf seiner Linie sind, die 1045 FUNKE MEDIENGRUPPE GmbH & Co. KGaA sich aber noch nicht aus der Deckung trauen. Doch das wird nicht sehr lange so bleiben.“ Eine wichtige Rolle im Hinblick auf die längerfristige Handlungsfähigkeit Trumps würden seine wirtschaftlichen Erfolge spielen: Wie Trump alte Industrien wiederbeleben wolle, bleibe schleierhaft. Und: „Wie verhält sich die Wählerschaft der Republikaner, wenn sie die Folgen von Trumps Politik zu spüren bekommt? Wenn etwa ausländische Waren, etwa billige Elektronik aus China, teurer werden? Das wird viele weniger Begüterte – unter denen Trump viele Anhänger hat – treffen.“ Die Hoffnung: „Es dürfte relativ schnell klar werden, dass er die Interessen der USA nicht befriedigt.“
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