Unsicher ist es fast überall

Datum: 15.02.2017
Unsicher ist es fast überall
Ist die Schweiz nun
für Firmen unberechenbar
geworden? Bei der
Konkurrenz sieht es nicht
unbedingt besser aus.
Rita Flubacher
Spurt die Schweiz beim Abbau gewisser
Steuerregimes nicht, drohen ihr Retorsionsmassnahmen von EU-Staaten. Das,
sowie die Ungewissheit, wie die nächste
unrechtmässige staatliche Beihilfen an
Apple. Die EU-Kommission verlangt vom
US-Konzern die Nachzahlung von 13 Milliarden Euro Steuern. Irland weigert sich
standhaft, den Betrag einzuziehen.
Für viel Unruhe im Kampf der EU
gegen Steueroasen sorgt seit längerem
Grossbritannien. Es torpediert den Versuch des Europäischen Rats, als eines
der Kriterien für eine Steueroase einen
Steuersatz von null oder nahe null zu definieren. Wer dagegen verstösst, riskiert
die Aufnahme auf eine schwarzen Liste.
Steuerreformvorlage des Bundes aus-
Die Briten argumentieren, dass eine
Nullsteuer gar nicht unbedingt schäd-
sehen könnte, würden die Rechtssicher-
lich sein müsse. Laut dem «Spiegel» will
heit für die Firmen beeinträchtigen;
das Königreich damit seine eigenen
Steueroasen auf den Kanalinseln und
mögliche Investitionen blieben deshalb
aus, Abwanderungspläne würden aus
der Schublade gezogen: All diese Warnungen stiessen Steuerexperten in den
letzten Wochen routinemässig aus.
Nur: Ist die viel beschworene Rechtssicherheit in Ländern wie Luxemburg,
Belgien, Holland, Irland oder Grossbritannien, die von Steuerberatern gerne
als grösste Konkurrenten der Schweiz im
Kampf um die Ansiedlung von Firmen
auf den Britischen Jungferninseln schüt-
zen. Sekundiert wird Grossbritannien
bei seinem Störmanöver durch Irland
und Luxemburg.
Der Brexit hilft auch nicht
Die Verhandlungen über die schwarze
Liste sind in der beim Europäischen Rat
angesiedelten Gruppe Verhaltenskodex
angesiedelt. Die Liste soll bis Ende
dargestellt werden, so viel grösser? Jahr errichtet werden. Bei der Gruppe
Michael Grass, Ökonom bei BAK Basel,
erklärt, dass die Schweiz ein geradezu
transparentes Steuersystem aufweise,
verglichen mit den Deals, mit denen
einige EU-Staaten die Steuerbelastung
für Firmen nach unten drückten. Die
EU-Kommission untersuche gegen 2000
Fälle von Steuerdeals.
Da wäre der Fall Belgien: Das Land
offeriert Unternehmen unter bestimmten Umständen den Erlass eines Teils
der Gewinnsteuer. Diese Umstände, die
im Steuerjargon «excess profit tax regime» heissen, hat die EU als illegale
staatliche Beihilfe eingestuft. Ist das
Land deswegen eingeknickt? Belgien
hat den Fall vor den Europäischen
Gerichtshof gezogen. Auch Luxemburg
kennt diese Steuerregime.
Ein knallhartes Tauziehen mit der EU
liefert sich derzeit Irland. Es geht um
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herrscht Einstimmigkeit. Einzelne EUStaaten können die Sache somit nach
Belieben blockieren.
Grossbritannien wird diese Möglich-
keit nach dem Brexit zwar verwehrt
sein. Doch das Land hat bereits klargemacht, dass es sich in ein Steuerparadies verwandeln werde, sollte ihm die
EU nach dem Brexit keinen Zugang zum
Binnenmarkt gewähren. Die absehbare
Auseinandersetzung zwischen London
und Brüssel verspricht viel Spektakel,
aber nicht unbedingt Rechtssicherheit
für Firmen auf der Suche nach einem
neuen steuerminimierenden Zuhause.
Trotzdem beurteilt etwa Steuerexperte
Andres Staubli vom Beratungs- und
Prüfunternehmen PWC London als die
«härteste Konkurrenz in Europa» für die
Schweiz. Rechtssicherheit, so scheint es,
ist ein relatives Gut.
Auflage: 157'323
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