IMI-STUDIE Nr. 3/2017 - 17.2.2017 - ISSN: 1611-213X Syrien zwischen Stellvertreterkrieg und Bürgerkrieg von Claudia Haydt Inhaltsverzeichnis Einleitung Einleitung........................................................................ 1 Zerstörerische EU-Nachbarschaftspolitik....................... 2 US-Pläne eines New Middle East................................... 3 Die Waffen des Krieges.................................................. 6 Jeder gegen jeden – Regionaler und globaler Stellvertreterkrieg........................................................ 7 USA und Russland.......................................................... 7 Türkei.............................................................................. 8 Deutsche Einflussnahme................................................. 8 Daesh / Islamischer Staat................................................ 9 Wer sind die bewaffneten Aufständischen?..................10 Eine Chance für Syrien?...............................................10 Die Bilanz des Krieges in Syrien ist bitter: Hunderttausende Tote in Syrien und etwa die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht oder in ständiger Angst vor Vertreibung – häufig zum wiederholten Mal. Dieser Artikel versucht nicht, die Geschichte des zivilen und auch bewaffneten Kampfes um Demokratie in Syrien zu erzählen – obwohl es sinnvoll wäre, die Motivation derjenigen, die im Jahr 2011 auf die Straßen gingen, zu würdigen. Doch die Motive, Interessen und Hoffnungen der meisten Menschen in Syrien spielen schon lange kaum noch eine Rolle. Die Eigendynamik des Krieges – aber vor allem die massive Einflussnahme von außen – war schnell und ist noch heute das prägende Moment in der Konfliktdynamik. In den meisten Regionen Syriens waren Menschen innerhalb weniger Monate gezwungen, ob sie es wollten oder nicht, sich für eine Kriegsseite zu entscheiden. Als dritte Alternative, die für viele die einzige war, blieb nur, das Land zu verlassen. Der Krieg in Syrien ist ein Bürgerkrieg und er ist Diese Studie erschien als Beitrag in der Broschüre „Pulverfass Nahost“ (isw-report 107/108, Februar 2017). Bezugsmöglichkeiten siehe Rückseite. Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen 2 IMI-Studie 3/2017 zugleich sehr viel mehr. Er ist ein Stellvertreterkrieg für regionale und globale Rivalitäten. Im Folgenden soll vor allem die Geschichte der äußeren Einflussnahme erzählt werden, die schon Jahre vor Ausbruch des Krieges mit ökonomischer Destabilisierung begann, mit gezielter politischer Einflussnahme weiterging und in Waffenlieferungen, Einsatz von Beratern und Spezialkräften sowie Flächenbombardements mündete. Ob das Land eine Chance auf Frieden hat, das liegt kaum noch in den Händen der Menschen in Syrien, sondern vor allem daran, ob die externen Akteure sich von einer Fortsetzung des Krieges noch irgendeinen Vorteil versprechen. Zerstörerische EU-Nachbarschaftspolitik Die Kernforderungen des heute weitgehend in Krieg und Konterrevolution erstickten „Arabischen Frühling“ waren eine simple Formel: „Brot, Freiheit und Würde“. In anderen Worten: es ging den Menschen, ehe die Bewegung instrumentalisiert und pervertiert wurde, um soziale Gerechtigkeit und demokratische Rechte. Soziale Schieflagen und demokratische Missstände alleine führen nicht zwangsweise zu einem Bürgerkrieg, aber ohne eine Analyse der sozioökonomischen und soziopolitischen Dynamik in Syrien vor 2011 bleibt das Bild unvollständig. Nicht zufällig waren ärmere ländliche Regionen und die Armenviertel der Großstädte Schauplätze von starken Protesten gegen die Regierung Assad. Der Nährboden, auf dem der Stellvertreterkrieg gedeihen konnte, wurde von der Europäischen Union und der deutschen Regierung mit geschaffen. Schon Hafez al-Assad, der Vater und Vorgänger des heutigen Präsidenten Bashar al-Assad, hatte in den 1990er Jahren erste Schritte zur Liberalisierung der Wirtschaft eingeleitet. Ein Schwerpunkt des neoliberalen Umbaus, der von seinem Sohn fortgeführt und verschärft wurde, war der Dienstleistungssektor. Die Europäische Union fand in Assad Junior einen nicht ganz einfachen, aber doch weitgehend willigen Verhandlungspartner für ihre Nachbarschaftspolitik, deren grundlegende Ausrichtung in klarem Widerspruch zu den Forderungen nach „Brot, Freiheit und Würde“ steht. In den Jahren 2003 und 2004 arbeiteten die EU und der syrische Staat gemeinsam ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen aus. In diesem Abkommen akzeptierte der politisch stark unter Druck stehende Assad Vorgaben der EU, die selbst ihm zu weit gingen, da sie Syrien völlig schutzlos den wesentlich stärkeren westlichen Ökonomien ausgeliefert hätten. Er wollte die Möglichkeiten für Direktinvestitionen begrenzen und „für einige Bereiche weiter Zölle erheben und bestimmte Insgesamt nehmen 15 Staaten an der Europäischen Nachbarschaftspolitik teil. Quelle: EU Importe verbieten können. Allerdings wurden all diese Wünsche seitens der EU abschlägig beschieden, so dass der Text des Abkommens Ende 2004 in der von Brüssel gewünschten Form zum Abschluss gebracht wurde.“(1) Damit wurde durch die syrische Regierung ein Abkommen akzeptiert, das nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren die Subventionierung staatlicher Betriebe untersagte und den völligen Rücktransfer von Gewinnen internationaler Unternehmen in Syrien ermöglichte. Da ein Großteil der Menschen in Syrien in staatseigenen Betrieben arbeitet, hat ein solcher Ausverkauf weitreichende Folgen. Wegen des Attentats auf den libanesischen Staatschef Rafiq alHariri, für das der syrische Staat verantwortlich gemacht wurde, wurde das Abkommen jedoch nie ratifiziert. Dennoch landete das Abkommen nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte. Im Gegenteil, der neoliberale Umbau, den die Assoziierungsvereinbarung vorsah, wurde Schritt für Schritt von der syrischen Regierung umgesetzt. Wie in jedem vergleichbaren Abkommen geht es um „die schrittweise Liberalisierung des Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs“ (Artikel 1). Für das Handeln von EU und Assad war der Text des Abkommens sowohl im Vorfeld ihrer Verhandlungen als auch nach 2005 ein fester Bezugspunkt. In den mehrjährigen Länderstrategiepapieren und den daraus abgeleiteten „Nationalen Indikativprogrammen“ wurde der Umbau des syrischen Wirtschaftssystems sowohl auf Verwaltungsebene, als auch in mehreren Wirtschaftssektoren und selbst auf Ebene der nationalen Gesetzgebung entschlossen vorangetrieben. So wurden von der EU zum Beispiel im Zeitraum von 2008 bis 2010 insgesamt 110 Millionen Euro für administrative, soziale und wirtschaftliche Reformen zur Verfügung gestellt. Dabei ging es unter anderem um die Reform, beziehungsweise die Kommerzialisierung, des Gesundheitssektors. „Ein integraler Bestandteil des Modernisierungsprogramms im Gesundheitssektor ist die Einführung von Benutzergebühren und Kosten für öffentliche Leistungen.“(2) Für solche Initiativen, die alleine auf die Privatwirtschaft setzen, stellte die Europäische Investitionsbank im Zeitraum von 2000 bis 2009 die stolze Summe von 1,4 Milliarden Euro als Kredit zur Verfügung. Die EU ging bei ihrer „Hilfe“ zum Umbau des syrischen Staates äußerst systematisch vor. So finanzierte sie auch eine „Fazilität für die Modernisierung von Institutionen und Sektoren“ (ISMF) die zusammen mit der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ heute GIZ) umfangreiche Reformprogramme vorantrieb. Offensichtlich verstand die Bundesregierung auch im Falle Syriens die Schaffung eines guten Investitionsklimas als Entwicklungshilfe. So wurde durch deutsche Entwicklungshelfer „faktisch die komplette syrische Gesetzgebung durchforstet und daraufhin Vorschläge erarbeitet, wie sie umzusetzen seien“.(3) Auch die syrischen Fünfjahrespläne in den Vorkriegsjahren wurden mit Hilfe beziehungsweise unter Aufsicht der EU ausgearbeitet. So war die IMSF maßgeblich beteiligt an der Erstellung des Fünfjahresplans 2006 bis 2010. Die „Deutsch-arabische Handelskammer“, die in enger Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium die ökonomischen Beziehungen zu arabischen Ländern pflegt, war im Rückblick von den Ergebnissen dieser Kooperation nahezu begeistert: „Wichtige Erfolge – wie die Steuerreform, die Vereinheitlichung der Wechselkurse, die Zulassung privater Banken, die Errichtung einer Wertpapierbörse, die Senkung der Körperschaftssteuer von 35 auf 28 % (14 % für Aktiengesellschaften) und die Schaffung neuer Investitionsgesetze – wurden bereits er- reicht. [...] Maßnahmen zur Förderung von Importen [...], wie die zum Teil drastischen Zollsenkungen, durch die die Zölle nun weitestgehend dem geforderten Standard der EUAssoziationsabkommen entsprechen [wurden erreicht]. [...] Die Investitionsbedingungen wurden dadurch verbessert und verein- Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen IMI-Studie 3/2017 3 facht. Nun sind zum Beispiel eine 100-prozentige ausländische Eigentümerschaft und der volle Gewinntransfer für ausländische Investitionen möglich.“(4) Für die syrische Bevölkerung war dies mehrheitlich jedoch kein Grund zum Jubeln. Selbst die International Crisis Group zog 2011 das Fazit, dass die Öffnung des syrischen Marktes für das Handwerk äußerst „schädliche Auswirkungen“ hatte.(5) Zu den schädlichen Folgen gehörte die gestiegene Arbeitslosigkeit, die im Jahr 2009 zwar offiziell mit 8,1 Prozent angegeben wurde, die aber nach realistischeren Schätzungen bei 24,4 % liegt und damit jede vierte erwerbsfähige Person betraf.(6) Gleichzeitig wurde das Mietrecht dereguliert, Mieten erhöht und Menschen aus ehemals preisgebundenen Wohnungen wurden geräumt. Mit dem „Wettbewerbs- und Antimonopolgesetz“ wurden 2008 auch die Preisbindung für zahlreiche Güter des täglichen Bedarfs aufgehoben und die Subventionen für den Energiesektor gestrichen. Besonders hart waren die Auswirkungen auf die Landbevölkerung, denn es wurden auch Subventionen für Düngerersatzstoffe, Diesel und Benzin gestrichen. Zusätzlich bekamen die von der Landwirtschaft abhängigen Bevölkerungsgruppen auch die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren. Von 2007 bis 2010 verzeichnete Syrien die größte Dürre seit Menschengedenken und dies führte wiederum dazu, dass etwa 1,4 Millionen Menschen, Bauern, Landarbeiter und ihre Familien in den Städten beziehungsweise deren armen Vororten Zuflucht suchten. Die Lebensmittelpreise explodierten, die Arbeitslosigkeit (besonders die Jugendarbeitslosigkeit) stieg noch weiter und die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen wuchsen. Eine der Städte, in der besonders viele Migranten lebten, war Daraa, die Stadt, in der die brutale Reaktion des syrischen Machtapparates auf Graffiti malende Jugendliche wohl der Auslöser für den darauf folgenden Krieg war. In den Jahren vor Kriegsausbruch gab es Gewinner und Verlierer des Strukturwandels. Viele der Verlierer gehörten zur klassischen Machtbasis von Assad: Bauern, Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. Sie alle litten massiv unter der starken Inflation, die in den Jahren von 2006 bis 2008 zwischen 17 und 20 Prozent schwankte, während sie in den 1990er Jahren nur bei etwa fünf Prozent lag. Die soziale und ökonomische Sicherheit nahm ab, lag aber immer noch deutlich über dem Niveau anderer Staaten in der Region. So war das Bildungsniveau bis 2011 hoch, der Zugang zu Schulen für alle gewährleistet und universitäre Bildung war für weite Bevölkerungsgruppen eine Option. Das Gesundheitswesen war trotz Reformen nach wie vor flächendeckend vorhanden und die Kosten waren (noch) gering. Gleiches galt für den öffentlichen Personennahverkehr. Der syrische Staat vernachlässigte zwar einerseits den ländlichen Bereich, er entwickelt jedoch zugleich andere Industriebereiche, wie etwa die Automobilindustrie, und generierte durch Privatisierung Profite. Diese und weitere Entwicklungen sorgten dafür, dass das Land, das historisch nur relativ geringe Einkommensunterschiede kannte, zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs ökonomisch tief gespalten war: „Seit den Zeiten der syrischägyptischen Union (UAR 1958-61) ist der Reichtum nie so ungleich verteilt gewesen – 50 % des Reichtums konzentriert sich auf 5 % der Bevölkerung [während zugleich] zwischen 11 % und 30 % unterhalb der Armutsgrenze leben.“(7) Zu den Profiteuren dieser Entwicklung gehörten überwiegend Unternehmer, die Beziehungen zur Regierung in Damaskus hatten sowie die obere Mittelklasse in Aleppo und Damaskus. Doch obwohl die EU es geschafft hatte, das „Investitionsklima“ für internationale Unternehmen deutlich zu verbessern, konnte sie schlussendlich keineswegs so sehr davon profitieren wie erhofft. Sowohl die USA als auch die EU erließen nach dem bereits erwähnten Attentat auf Hariri im Jahr 2005 umfangreiche Sanktionen gegen die Republik Syrien. Das systematisch hergestellte „gute Investitionsklima“ kam in Folge dessen vor allem chinesischen, russischen und iranischen aber auch türkischen und ukrainischen Unternehmen zugute. So „sanken Export- und Importanteil des Außenhandels der Arabischen Syrischen Republik mit der EU von 60 % und 35 % im Jahr 2001 auf 23 % und 19 % im Jahr 2005. Auch im zweiten Jahrfünft des neuen Jahrtausends setzte sich diese Entwicklung weiter fort. Die syrischen Exporte nach Frankreich halbierten sich im Zeitraum von 2007 bis 2009, und im gleichen Zeitraum fielen die Ausfuhren von Waren der Arabische Syrische Republik nach Italien um vier Fünftel.“(8) Insgesamt entwickelte sich Syrien zu einem Schwellenland, das zunehmend stärkere wirtschaftliche Verbindungen zu den BRICS-Staaten entwickelte als zu den westlichen Staaten. Syrien war trotz Sanktionen ökonomisch relativ unabhängig, da es keine Auslandsschulden beim IWF und bei der Weltbank hatte. Die meisten Schulden hatte Syrien bis 2011 bei Russland. Doch auch dies schuf keine besondere Abhängigkeit, da es der Republik Syrien gelang, seine gesamten Auslandsschulden von knapp 17 Milliarden (1995) auf 4,2 Milliarden (2010) zu verringern.(9) Die Deregulierung des sozioökonomischen Raumes schuf einerseits die Grundlage für die bereits erwähnten Auslandsinvestitionen aus dem Iran (z.B. Automobilindustrie) und China (Chemie und IT) und die Schaffung von tausenden zum Teil hochwertigen Arbeitsplätzen, die damit verbunden waren; andererseits signalisierte dies aber auch einen grundlegen- den Politikwechsel in Syrien. So wurden in den ersten Jahren der Regierung von Bashar al-Assad die Errungenschaften der Landreformen aus den 1950er und 60er Jahren zurückgenommen. Die neue Klasse von Großgrundbesitzern bestand einerseits aus regierungsnaher Bourgeoisie und andererseits aus Angehörigen der alten Agrarbourgeoisie. Letztere profitierten zwar vom Handeln der Regierung Assad, Loyalität entstand daraus jedoch nicht und sie waren zwar nicht Teil der ersten friedlichen Proteste, aber sehr schnell – so widersprüchlich dies auch sein mag – Seite an Seite mit den Verlierern dieser Reformen Motoren des beginnenden Bürgerkrieges.(10) Trotz westlicher Sanktionen und starker Inflation war die wirtschaftliche Entwicklung der Arabisch-Syrischen Republik insgesamt stabil, da die wirtschaftliche Umstrukturierung aber neben Gewinnern auch ganze Bevölkerungsgruppen zu Verlierern machte, entstand so Schritt für Schritt der Nährboden für Proteste, Aufstände und Bürgerkrieg. Im Vorgriff auf die weiteren Entwicklungen sei hier auch ergänzt, dass die Assad-Regierung sehr schnell nach Kriegsbeginn den größten Teil der neoliberalen Reformen zurücknahm, was mutmaßlich sowohl zum Missfallen der EU-Staaten als auch zur teilweisen (wiedergewonnenen) Loyalität oder zumindest Akzeptanz von größeren syrischen Bevölkerungsgruppen für die Regierung Assad beitrug. US-Pläne eines New Middle East Während die EU bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges weitgehend auf ökonomisch-politische Einflussnahme in Syrien setzte und darauf hoffte, Syrien als Teil des Nachbarschaftsraums peripher und abhängig in den EU-Wirtschaftsraum zu integrieren, setzte die US-Administration auf noch deutlich destruktivere Strategien. Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen 4 IMI-Studie 3/2017 Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 setzte die damalige Bush-Regierung Syrien auf die gleiche Liste von Angriffszielen wie den Irak. Der frühere NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark berichtete, die Bush-Administration „wollte, dass wir den Mittleren Osten destabilisieren, ihn auf den Kopf stellen und unter unsere Kontrolle bringen.“(11) John Bolton (12), der damalige stellvertretende Außenminister, setzte Syrien auf die Liste der Schurken-Staaten, die damit rechnen müssen, zum Ziel eines US-Angriffskrieges zu werden. Daran änderte die enge Kooperation der syrischen Regierung im sogenannten Krieg gegen den Terror wenig. Das brutale Agieren von syrischen Sicherheitsdiensten, besonders des syrischen Geheimdienstes gegen vermutete oder tatsächliche Gegner Assads wurde nach 2011 von den westlichen Staaten scharf kritisiert. Dafür gab es auch mehr als genügend Gründe. Allerdings war diese plötzliche Empörung wenig überzeugend, da Syrien lange Jahre genau auf diesem Gebiet eng und gut mit den USA und ihren Verbündeten kooperierte. Ob dies aufgrund des politischen Drucks geschah, unter dem die syrische Regierung damals stand, oder aus eigenem Interesse an der Bekämpfung verschiedenster Gruppen, die stark vereinfacht als Al-Qaida zusammengefasst wurden; Fakt ist, dass die syrischen Geheimdienste Verdächtige, die aus Afghanistan und vielen anderen Ländern vom CIA verschleppt worden waren, unter Folter befragten und dass der syrische Staat auch zahlreiche und ausschlaggebende eigene Geheimdiensterkenntnisse an die USA weitergab. Der BND (13) und andere westliche Geheimdienste ließen sich die Gelegenheit, auf diese Weise an Informationen zu kommen, ebenfalls nicht nehmen. Damit übernahm Syrien in gewisser Weise die dreckige Arbeit für den CIA. Dennoch führte dies keineswegs zu einer politischen Annäherung zwischen den USA und der syrischen Regierung, die für den Mord an Hariri in 2005 verantwortlich gemacht wurde und die sich schon zuvor gegen den Irakkrieg gewandt hatte. Zudem ist für die USA die syrische Zusammenarbeit mit der iranischen Regierung einerseits und der Hisbollah andererseits als „Schiitische Achse“ ein kontinuierlicher Dorn im Auge. Besonders deutlich formulierte diese Konstante der US-Politik gegenüber Syrien der Senator John McCain bei einer Anhörung des Streitkräfteausschuss des US- Senates am 6. März 2012: „Der Sturz des Assad-Regimes würde die Lebenslinie der Hisbollah in den Iran durchtrennen, eine langjährige Bedrohung Israels beseitigen, die Souveränität und Unabhängigkeit des Libanon stärken und dem iranischen Regime eine strategische Niederlage zufügen. Er wäre ein geostrategischer Erfolg ersten Ranges. Mehr als all die überzeugenden moralischen und humanitären Gründe liegt hier die Ursache, weshalb Assad nicht erlaubt werden kann, erfolgreich zu sein und an der Macht zu bleiben: Wir haben ein klares nationales Sicherheitsinteresse an seiner Niederlage. Und das allein sollte uns dazu ermuntern, beachtliche Risiken einzugehen, um dieses Ziel erreichen zu können.“(14) Dank Wikileaks (15) ist bekannt, dass die damalige BushAdministration seit mindestens 2006 oppositionelle Gruppen in Syrien direkt förderte und dass der damalige US-Botschafter sich dafür einsetzte, mit der, in Riad sitzenden und saudisch unterstützten, syrischen „Exilregierung“ zu kooperieren. Diese Form der indirekten Einflussnahme in Regionen ist nichts grundsätzlich Neues, sie signalisierte aber zu diesem Zeitpunkt durchaus den Beginn einer neuen Phase in der US-Außenpolitik. Die erste Euphorie, dass sich mit dem Angriffskrieg auf Afghanistan (seit 2001) und auf den Irak (seit 2003) tatsächlich ein westlich geformter „Greater Middle East“ schaffen ließe, war verflogen. Die Situation in beiden Ländern erwies sich als zu wenig beherrschbar und die politischen Dynamiken im Irak förderten den Einfluss des „Erzfeindes“ Iran deutlich. Genau die Eindämmung des schiitischen Halbmondes war und ist aber nach Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen IMI-Studie 3/2017 5 Quelle: Peters, Ralph: Blood Borders: How a better Middle East would look, in: Armed Forces Journal (June 2006) wie vor der Anspruch der meisten außenpolitischen Protagonisten in den USA. Vor diesem Hintergrund führte die damalige US-Außenministerin Condoleeza Rice im Jahr 2006 den Begriff des „New Middle East“ ein. Die grundlegende Herangehensweise an die Region war keineswegs so neu wie der Begriff vermuten lässt. Im Kern ging es nach wie vor um einen westlichen Neuordnungsanspruch für die gesamte Region. Eine Karte dieses „Neuen Mittleren Osten“, die im Juni 2006 das erste Mal in einer Publikation des Armed Forces Journal veröffentlicht wurde, macht diesen arroganten und auch ignoranten neokolonialen Politikansatz besonders deutlich. Der Autor dieser Karte des „New Middle East“ war Oberstleutnant Ralph Peters. Peters war zu diesem Zeitpunkt als Oberst in der U.S. National War Academy tätig. Diese Karte ließ neue Staaten entstehen (Kurdistan), vergrößerte einige wenige (Jordanien und Jemen) und beschnitt das Territorium anderer Staaten deutlich (Türkei, Iran). Gleichzeitig wurden andere Staaten geteilt (Irak, Saudi-Arabien), während der zentrale Konflikt (Israel – Palästina) auch in dieser Karte eines angeblich besseren „Neuen Mittleren Osten“ nach wie vor offen ist („status undetermined“). Als die Karte veröffentlicht wurde, löste sie diplomatische Spannungen mit der türkischen Regierung aus, darüber hinaus wurde sie weitestgehend ignoriert. Als konkreten Plan sollte man diese Karte auch nicht überbewerten, als Indiz für die Art und Weise, in der Teile der US-Administration mit dem Schicksal ganzer Länder umgehen, ist sie wohl leider doch ernst zu nehmen. Ganz im Geist dieser neokolonialen Arroganz erklärte im Jahr 2006 Condoleeza Rice: „Was wir hier sehen [in Bezug auf die Zerstörung des Libanon und die israelischen Angriffe auf den Libanon] ist das Heranwachsen – die Geburtswehen – eines ’Neuen Mittleren Osten’ und was auch immer wir tun, wir müssen sicherstellen, dass wir uns vorwärts bewegen zum Neuen Mittleren Osten und nicht zurück zum Alten.“(16) Der Ansatzpunkt von Frau Rice war nicht das Leiden der Menschen im Libanon und auch nicht die Bedrohung im Norden Israels, sondern allein die Chance für eine Neugestaltung der Region. An dieser Stelle begrüßte sie wohl vor allem den erhofften schwindenden Einfluss von Syrien im Libanon. Auch in den folgenden Jahren wurde der Ansatz der sogenannten „kreativen Zerstörung“(17) weiterverfolgt. In einer 2016 freigegebenen Email von Hillary Cinton, die vermutlich 2012 geschrieben wurde, wird klar, dass sich die damalige Außenministerin zumindest einiger Risiken bewusst war, dass sie diese aber einkalkulierte, um gestalterische Möglichkeiten zur Veränderung der politischen Situation im Mittleren Osten zu haben. Sie wird aus der Email wie folgt zitiert: „Clinton führt weiter aus, dass ein Eingreifen in Syrien schwieriger sei als in Libyen, doch ein Erfolg [...] würde ein gestalterisches Ereignis für den Mittleren Osten bedeuten.‘„(18) Der Anspruch der USA, den Krieg in und um Syrien dafür zu nutzen, die Region nach eigenen Interessen umzugestalten, ist wohl auch dafür verantwortlich, dass eine gute Chance für einen Frieden im Jahr 2012 von den USA und ihren Verbündeten ausgeschlagen wurde. Der Diplomat Martti Ahtisaari (19) berichtete im Guardian, dass damals ein russisches Angebot für eine Verhandlungslösung vorgelegen habe, das auch einen Rücktritt von Assad beinhaltet hätte. Offensichtlich in der Annahme, die eigene Agenda ohne Abstriche durchsetzen und einen militärischen Sieg über Assad ermöglichen zu können, ignorierte die US-Administration diesen Vorstoß. Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen 6 IMI-Studie 3/2017 Die Waffen des Krieges Der Export von Rüstungsgütern in Spannungs- und Kriegsgebiete ist sowohl nach deutschem Recht, als auch durch entsprechende EU-Richtlinien und selbst durch internationales Recht (ATT – Arms Trade Treaty) verboten. Dennoch finden Waffen aus Deutschland und solche aus anderen westlichen Ländern immer wieder ihren Weg in diese Regionen, so auch im Fall von Syrien. Wenn aus Deutschland Waffen in Drittstaaten verkauft werden, dann unterschreiben diese Staaten eine sogenannte Endverbleibserklärung.(20) Da die ministerielle Bürokratie zwar viel Wert auf das Abheften dieser Erklärungen legt, aber keinerlei personelle Ressourcen zur Kontrolle des Verbleibs der Waffen hat, ist hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche der Waffen, besonders im Bereich der Kleinwaffen, die in den letzten Jahren in die Golfstaaten oder auch in die Türkei geliefert wurden, auf diesem Weg auch nach Syrien kamen. Zudem sind zahlreiche der Waffen, die zu Ausbildungszwecken von der Bundeswehr und ihren NATO-Verbündeten in den Irak geliefert wurden, zwischenzeitlich bei den Truppen des Daesh/IS gelandet. Der WDR berichtete: „Sturmgewehre vom Typ G3, Baujahr 1986, werden auf den Märkten zu einem Preis von 1.450 bis 1.800 US-Dollar angeboten. Die Pistole P1 des deutschen Herstellers Walther lag im Schaufenster eines Waffengeschäftes in Suleymanniya aus – sie wurde für 1.200 US-Dollar angeboten und war noch in einem Karton mit deutscher Beschriftung originalverpackt.“(21) Viele der Waffen dürften aber auch ohne den Umweg über den irakischen Schwarzmarkt den direkten Weg nach Syrien gefunden haben, da zahlreiche Kämpfer – nicht nur, aber auch abhängig davon, wer den besten Sold bezahlt – ihre Loyalitäten wechseln.(22) Im Falle Syriens ist auffällig, dass neben dieser fast schon „normalen“ Form der Proliferation von Waffen auch eine massive und systematische Ausrüstung von Rebellenformationen stattgefunden hat. Das Recherchenetzwerk „Balkan Investigative Reporting“ (23) hat akribisch nachvollzogen, wie seit 2012 nahezu eine „Waffen-Pipeline“ aus dem Balkan in den Nahen und Mittleren Osten entstand. Anfänglich wurden dutzende von Frachtflugzeugen mit Waffen und Munition beladen, die noch aus jugoslawischen Beständen kamen. Die Flugzeuge starteten von Zagreb aus, die Ladung wurde von saudischen Geldgebern bezahlt und das Entladen fand in Jordanien statt. Die Verbindung zwischen Käufern und Verkäufern soll laut einem Bericht der New York Times in Washington hergestellt worden sein. Zuerst handelte es sich überwiegend um ältere Waffen aus den 1970er und 1980er Jahren. Besonders beliebt waren Panzerabwehrwaffen, Munition für Maschinengewehre, Projektile für Mörser und ähnliches. Die Behörden in Bulgarien, Kroatien und anderen Balkanländern verwiesen darauf, dass sie die Waffen nur in die Golfstaaten exportieren würden und dass gegen diese kein Waf- fenembargo bestehe. Dass Flugzeugladungen voller alter Waffen sowjetischer Bauart zum Verbleib in den Golfstaaten, die sonst nur die modernsten Waffen für ihre Armeen einkaufen, vorgesehen sind, das ist je- doch äußerst unwahrscheinlich. Im Juni 2015 sorgte ein tödlicher Unfall dafür, dass aus der vermuteten Kooperation zwischen Rüstungsproduzenten im postsowjetischen Balkanraum, US- amerikanischen Geldgebern und syrischen Rebellen Gewissheit wurde. Ein Mitarbeiter der USFirma Purple Shove(24) löste beim Munitionieren eines Raketenwerfers auf einem bulgarischen Testgelände eine Explosion aus; er kam dabei ums Leben, zwei weitere US-Bürgen und zwei Bulgaren wurden verletzt. Purple Shovel hatte für insgesamt 28,3 Millionen Dollar einen Auftrag vom US-Amerikanischen Special Operations Command (SOCOM) erhalten, syrische Kämpfer mit Waffen und Munition auszurüsten und sie im Einsatz dieser Waffen zu trainieren. Diese Aufgaben überträgt das SOCOM vorzugsweise Söldnern wie dem Navy-Veteranen, der bei diesem Zwischenfall verstorben ist. Den öffentlich einsehbaren Bilanzen des SOCOM ist zu entnehmen, dass dies keineswegs der einzige vergleichbare Auftrag war. Vertreter des Recherchenetzwerks BIRN sprachen 2015 mit Rebellen-Kommandeuren aus Idlib und Aleppo, die beschrieben, wie die Verteilung der Waffen aus dem Balkan an die oppositionellen Kräfte über zwei sogenannte „military operations rooms“ in der Türkei und in Jordanien abgewickelt wurde. Die Rüstungsgüter wurden im Anschluss im LKW über die Grenze nach Syrien gebracht oder aus Militärflugzeugen abgeworfen. Insgesamt wurden seit 2012 über die Balkanroute Waffendeals im Wert von mindestens 1,2 Milliarden Euro vertraglich abgewickelt. Allein Saudi-Arabien bestellte seit 2012 Waffen im Wert von 829 Millionen Euro, die mit größter Wahrscheinlichkeit nicht für die eigene Armee gedacht sind. Um einen Einblick in die Natur dieser Waffendeals zu geben, sei hier kurz der Inhalt einer einzelnen saudischen Bestellung (25) aus dem Jahr 2013 dokumentiert. Während die Balkanroute für die Flüchtlinge, die auch eine Folge dieser Exporte sind, längst hermetisch geschlossen ist, gehen die Waffengeschäfte weiter. Da zwischenzeitlich offensichtlich die Bestände aus Zeiten vor 1990 weitgehend geleert sind, stammen die Waffen, die auf diesem Wege auf die Schlachtfelder in Syrien (und manche wohl auch in Jemen) geschickt werden, aus aktueller Produktion. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sei an dieser Stelle daran erinnert, dass der Waffenhandel zwischen Staaten wie Deutschland, Frankreich oder den USA und den Golfstaaten einen wesentlich größeren Umfang hat als die Rüstungsgüter, die aus dem Balkan in die Region fließen. Allein im „Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Gesamtumfang von über 750 Millionen Euro an Saudi-Arabien.“ (26) Allerdings handelt es sich bei diesen Waffenlieferungen in der Regel um deutlich komplexere Waffensysteme, deren Produktion längere Zeiträume umfasst und deren Anwendung nur nach aufwendiger Trainingsphase möglich ist. Die Lieferungen aus dem Balkan zeigen die unbedingte Entschlossenheit der Auftraggeber (USA und Golfmonarchien), den Bürgerkrieg in Syrien mit Waffen und Munition zu versorgen, die sofort einsatzbereit sind. Durch dieses gezielte Fluten von aufständischen Milizen mit Waffen, deren Nutzung in der Region jeder gelernt hat, der seinen Wehrdienst abgeleistet hat, wurde der Konflikt in Syrien bewusst umfassend militarisiert. In diesem Kontext war ziviler politischer Protest nahezu unmöglich, und aus dem innersyrischen Konflikt wurde ein Stellvertreterkrieg, in dem sowohl regional als auch global Zug um Zug mehr Akteure mitmischten. Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen IMI-Studie 3/2017 7 Jeder gegen jeden – Regionaler und globaler Stellvertreterkrieg Die sehr schnelle Militarisierung des Aufstandes in Syrien machte nahezu alle Bevölkerungsgruppen in Syrien zu Verlierern. Etwa eine halbe Million Menschen starben bisher. 1,2 Millionen wurden zum Teil schwer verwundet und etwa die Hälfte der Bevölkerung befindet sich auf der Flucht. Sie halten sich als Binnenflüchtlinge im eigenen Land oder in den Nachbarländern auf oder sie versuchen, den zunehmend hermetisch abgeriegelten Westen auf immer gefährlicheren Routen zu erreichen. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in Syrien ist laut eines Berichtes des Syrian Center for Policy Research aus dem Jahr 2016 von 70 auf 55 Jahre gefallen. Ohne die massive Einflussnahme von außen wäre der Bürgerkrieg wahrscheinlich längst beendet. Wenn sich die Proteste überhaupt je zu einem umfassenden Bürgerkrieg entwickelt hätten, dann hätte die syrische Regierung ihn wahrscheinlich gewonnen, da sie neben der offiziellen Armee, die teils von Desertion betroffen war, auch über gut organisierte offizielle (100.000 Mann) und inoffizielle (Shabiha) Milizen verfügte, die für zahlreiche brutale Übergriffe gegen Protestierende verantwortlich gemacht werden. Trotzdem ist auch ein Sieg von Assad ohne äußere Unterstützung keinesfalls völlig sicher, da auch dieses Szenario hypothetisch ist. Schon längst vor dem direkten militärischen Eingreifen Russlands in den Syrienkrieg stand Assad nicht alleine da und er konnte sich auf Verbündete stützen, die nahezu alles taten, um ihn an der Macht zu halten. Während die USA zusammen mit ihren europäischen und Golfstaaten-Verbündeten auf die Unterstützung (teils unterschiedlicher) Aufständischer setzten, standen der Iran und die libanesische Hisbollah unverbrüchlich an der Seite Assads. Die iranische Regierung unterstützte Assads Militär von Anfang an mit „Beratern“, mit Waffenlieferungen und in Form von Training. Auch ökonomisch hängt das Überleben des syrischen Staates ab von iranischer Hilfe. Über die Höhe der Kredite von Teheran nach Damaskus gibt es die unterschiedlichsten Spekulationen. Plausibel verbürgt ist eine Kreditzusage aus dem Jahr 2013 in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar, die in 2015 um eine weitere Milliarde erhöht wurde. Der Iran ist mit mehreren tausend Kämpfern(27) in Syrien präsent. Dabei handelt es sich überwiegend um Angehörige der Revolutionsgarden und um Söldner, die aus afghanischen Flüchtlingen rekrutiert wer- den. Für diese ist der Sold für den Kampf in Syrien häufig die einzige Möglichkeit, Geld für ihre Familien zu verdienen. Dass es hier tatsächlich nicht nur um Beratertätigkeit geht, sondern um direkte Mitwirkung im Syrienkrieg, zeigt allein schon die Tatsache, dass es bisher etwa 500 Todesopfern unter den iranischen Kämpfern gab. Ähnlich sieht die Situation bezüglich der sechs- bis achttausend Hisbollah-Kämpfer aus, die ebenfalls fest an der Seite Assads stehen. Es lag also zu keiner Zeit allein an den Kräfteverhältnissen in Syrien, wer sich durchsetzen konnte, wer seine Kämpfer bezahlen, ausrüsten, mit Informationen versorgen oder trainieren konnte. USA und Russland Auch wenn die USA bisher nicht offen in den Bodenkrieg in Syrien eingegriffen haben, so ist doch unterhalb dieser Schwelle nahezu alles geschehen, was für eine Supermacht und ihre Verbündeten militärisch möglich ist. Die USA versuchten, in zwei Trainingsprogrammen so- genannte gemäßigte Rebellen auszubilden. Das Programm des US-Militärs verschlang etwa 500 Millionen Dollar, es konnte am Ende aber kaum ein signifikantes Ergebnis dieser Bemühungen präsentiert werden. Die erste „Marge“ an zertifizierten Kämpfern, die sogenannte Division 30, die ohnehin nur aus 54 Kämpfern bestand, wurde innerhalb kürzester Zeit aufgerieben. Die zweite Marge bestand aus 70 bis 75 Mann und übergab ihre Waffen direkt an den Al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra. (28) Der politische Skandal, den dieses Programm ausgelöst hatte, führte dazu, dass es im Oktober 2015 eingestellt wurde. Gleichzeitig betreibt der CIA aber ein wesentlich umfangreicheres, teureres und leider auch erfolgreicheres Ausbildungsprogramm, das nicht eingestellt wurde. Durch dieses Programm wurden „seit 2013 geschätzt 10.000 Kämpfer der gemäßigten syrischen Opposition gegen Assad bewaffnet, finanziert und ausgebildet.“ Ausbildung und Waffen kamen ursprünglich überwiegend „der sogenannte ’Freien Syrischen Armee’“ zugute, die ihrerseits nicht selten Bündnisse mit radikaleren Kräften einging. „Eine Analyse der Geographie der Geländegewinne durch ’moderate’ Rebellen während dieses Zeitraums [ab 2013] und Kriegsberichte zeigten, dass CIA-unterstützte Gruppen mit Jaysh al-Fateh kollaborieren, einer islamistischen Koalition, in der der offizielle Al-Qaida Ableger in Syrien, Jabhat al- Nusra, eine führende Rolle spielt.“(29) Diese Kooperation ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus ideologischer Nähe, sondern aus der Not heraus geboren, de facto stärkt aber die westliche „Anti-Terror- Koalition“ auf diesem Weg genau die Kräfte, die sie zu bekämpfen vorgibt. Im Kontext welcher politischen Formation die CIA-ausgebildeten Kämpfer heute noch aktiv sind, besonders nach dem de facto Zusammenbruch der „Freien Syrischen Armee“, ist nicht bekannt. Klar ist, wenn Waffen einmal in einer Konfliktregion sind und Kämpfer einmal ausgebildet sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies weiter destabilisierend wirkt, sehr hoch und vieles deutet darauf hin, dass dies auch genau so gewollt ist. Russland hat ein klares strategisches Interesse, in Damaskus eine Regierung vorzufinden, die es zu seinen Alliierten zählen kann. Der Marinestützpunkt Tartus wird auf Grundlage eines 1971 unterzeichneten Vertrages von sowjetischen Marineeinheiten genutzt und ist heute der einzige russische Militärstützpunkt am Mittelmeer. Deswegen ist es nicht weiter verwunderlich, dass Russland diesen Stützpunkt ausbaute und der syrischen Regierung von Beginn des Krieges an mit Militärberatern zur Seite stand. Im Januar 2014 verstärkte Russland die Lieferungen von militärischer Ausrüstung an das syrische Militär, dazu gehörten gepanzerte Fahrzeuge, Drohnen und Lenkflugkörper. Gegen Ende des Sommers 2015 erweiterte Russland sein militärisches Engagement auf Seiten Assads noch einmal deutlich und stellte der syrischen Armee in stattlichem Umfang Ausbildung und logistische Unterstützung zur Verfügung. Ab September 2015 startete das russische Militär einen umfangreichen Angriff, vor allem aus der Luft, auf alles, was aus Sicht der russischen und syrischen Regierung als Terroristen gilt. Darunter zahlreiche Gruppierungen, die für die NATO- oder die Golfstaaten als Aufständische oder gemäßigte Rebellen gelten. Seitdem ist das Regime in der Lage, militärische Fortschritte von verschiedenen oppositionellen Streitkräften zu stoppen und Gebiete zurückzugewinnen. Trotz ihrer Rivalitäten gab es bisher nie ernsthafte Zwischenfälle, in denen russisches und US-amerikanisches Militär aufeinander getroffen wäre. Angesichts der zahlreichen Flugbewegungen im syrischen Luftraum ist dies kein Zufall, sondern Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen 8 IMI-Studie 3/2017 Französische Kampfflugzeuge im Rahmen der Mission Counter Daesh II (23.09.2016). Quelle: Bundeswehr/Torsten Kraatz liegt an „technischen Absprachen“ zwischen den beiden Akteuren. Eine politische Kooperation wird (zumindest bisher) ausgeschlossen – obwohl beide Seiten in der Zwischenzeit ähnlich lautstark erklären, ihr Hauptziel wäre es, den Daesh zu besiegen. Türkei Die türkische Regierung war von Anfang an ein Akteur im Syrienkrieg. Sie setzte im Bürgerkrieg schwerpunktmäßig auf die Unterstützung islamistischer Kräfte und arbeitete Seite an Seite mit den USA und den Golfmonarchien an der Ausrüstung der sogenannten gemäßigten Opposition. Dabei wurden auch immer wieder jihadistische Kräfte gefördert, besonders wenn diese gegen die kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen in Nordsyrien agierten. Doch trotz dieser massiven Einflussnahme in den Syrienkrieg, griff das türkische Militär lange Zeit kaum direkt in den Krieg ein. Erst nachdem russische Kampfflugzeuge begannen, an der Seite Assads einen Bombenkrieg zu führen, kam es vereinzelt zu Konfrontationen zwischen türkischem und russischem Militär, inklusive des Abschusses eines russischen Militärflugzeuges im November 2015. Die Rivalität zwischen der Türkei und Russland ist allerdings in dem Maße geringer geworden, in dem auch die Türkei den Kampf gegen den Daesh zu einer Priorität erklärt hat. Die Regierung nutzt zudem geschickt die Spannungen zwischen NATO-Staaten und Russland, um selbst mehr außenpolitischen Spielraum zu haben. Gezielt streut die türkische Regierung immer wieder Gerüchte von einer Öffnung des Flughafens Incirlik für Russland.(30) Im August 2016 startete die Türkei mit der Operation „Euphrates Shield“ die erste umfassende Bodenintervention seit Beginn des Krieges in 2011. Das erklärte Ziel des türkischen Militärs unterschied sich nicht von dem der westlichen und russischen Militärs, auch hier wurde der „Kampf gegen den Terror“ als Vorwand für die Durchsetzung eigener Interessen in Syrien instrumentalisiert. Das wesentliche Interesse der türkischen Regierung war die Schwächung der kurdischen Kräfte im Norden Syriens, die in den Monaten vor der türkischen Intervention weite Teile der syrisch-kurdischen Grenzregion unter ihre Kontrolle gebracht hat- ten. Dabei riskierte die türkische Regierung durchaus bewusst eine Konfrontation mit den Interessen ihrer US-amerikanischen Verbündeten. Nicht nur, aber auch die USamerikanischen Gedankenspiele über neue Grenzverläufe im Nahen Osten, die eventuell zulasten der Türkei gehen könnten, machen die türkische Regierung in der kurdischen Frage nervös und in der Folge ausgesprochen aggressiv. Die Kontrolle der Grenze durch kurdische Kräfte macht zudem die Einflussnahme der Türkei auf den Krieg in Syrien deutlich schwieriger. In der konkreten Abwägung zwischen der Bedeutung westlicher Militärbasen in der Türkei und der Nützlichkeit kurdischer Kräfte als Bodentruppen der westlichen Staaten, entschieden sich die USA und ihre Verbündeten, einschließlich Deutschland, für die Kooperation mit der Türkei. Der Flüchtlingsdeal, den die EU-Staaten mit der Türkei abgeschlossen haben, macht die EUStaaten zusätzlich erpressbar. Deutsche Einflussnahme Deutschland gehört erst seit der Militäroffensive der französischen Regierung nach den Anschlägen von Paris offiziell zu einer Syrienkriegskoalition. Doch die deutsche Regierung spielte schon längst vor diesem Zeitpunkt eine Rolle im Syrienkrieg. Die deutsche Regierung war von Anfang an Teil der sogenannten „Freunde Syriens“, einer im Februar gegründeten Allianz zur Unterstützung des Regime-Change in Syrien. Zusammen mit den USA, Frankreich, der Türkei, Jordanien, Katar, Saudi-Arabien, Ägypten, Italien, Großbritannien und der Vereinigten Arabischen Republik ist Deutschland Teil der Führungsgruppe der „Freunde Syriens“. Sie anerkannten den „Syrischen Nationalrat“ Ende 2012 offiziell als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“. Eine wie auch immer geartete demokratische Legitimation gab es nicht, dennoch wurde im Juli 2013 mit deutscher Unterstützung ein Verbindungsbüro, also eine de facto Botschaft, des Nationalrates in Berlin eröffnet. Auf Drängen Deutschlands wurde der ökonomische Druck auf Syrien rasch erhöht und auf EU-Ebene wurden im Mai 2012 erste Sanktionen beschlossen. Diese Sanktionen bestehen nicht nur aus einem Öl-Embargo, sondern auch aus einer Blockade jeglicher Finanztransaktionen und einem Handelsverbot für sehr viele Güter und Produkte. Dies wirkt sich besonders verheerend auf die Zivilbevölkerung Syriens aus. In einem Appell, den kirch- Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen IMI-Studie 3/2017 9 liche Würdenträger aus Syrien im Mai 2016 veröffentlichten, werden die Konsequenzen des Embargos drastisch geschildert: „In diesen fünf Jahren haben die Sanktionen gegen Syrien dazu beigetragen, die syrische Gesellschaft zu zerstören: Sie lieferten sie dem Hunger, Epidemien und Elend aus [...]. Die Sanktionen vergrößern die Schäden durch den Krieg [...]. Dazu kommt, dass das Embargo die Syrer, die sich bereits vor dem Krieg im Ausland niedergelassen haben, daran hindert, ihren Verwandten und Familienangehörigen im Heimatland Geld zu überweisen. Selbst Nichtregierungsorganisationen, die Hilfsprogramme durchführen möchten, können ihren Mitarbeitern in Syrien kein Geld schicken. Firmen, Stromwerke, Wasserwerke und Krankenhäuser sind gezwungen, zu schließen, weil sie keine Ersatzteile und kein Benzin bekommen können.“(31) Zu einer ähnlich vernichtenden Bilanz der Sanktionen kam auch ein Bericht der Vereinten Nationen(32) vom Oktober 2016. Besonders bizarr wurde das deutsche Regierungshandeln, als im Kontext der „Freunde Syriens“ verschiedene Aufgaben für die Zeit nach dem Sturz Assads verteilt wurden und Deutschland im April 2012 an der Seite der Vereinigten Arabischen Emirate die Verantwortung für die Arbeitsgruppe „Wirtschaftlicher Wiederaufbau für Syrien“ übernahm. In diesem Kontext wurden nicht nur diverse Trainingskurse und Runde Tische zur Implementierung neoliberaler Reformen abgehalten, sondern auch eine Investorenkonferenz durchgeführt. Hier wurde also einerseits versucht, die (antizipierte) Beute zu verteilen und andererseits an die (vorläufig) gescheiterten EU-Reformen anzuknüpfen. In eine ähnliche Richtung wies das Projekt der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik, die im Rahmen des Projekts (The Day After) die ökonomische und politische Zukunft Syriens mit ausgewählten Oppositionellen plante. Immer wieder gab es Berichte (FAZ, 15.5.2013), dass humanitäre Hilfe auf Anweisung des Auswärtigen Amtes zur einseitigen Unterstützung von Bürgerkriegsfraktionen instrumentalisiert wurde. Kurz vor Weihnachten 2012 beschloss der Bundestag mehrheitlich die Stationierung von Patriot-Raketensystemen in der Türkei, womit Deutschland sowohl praktisch als auch symbolisch die türkische Syrienpolitik unterstützte. In regelmäßigen Abständen war die deutsche Marine mit dem Flottendienstboot Oker vor der syrischen Küste aktiv. Dieses Spionageschiff dient der Signalerfassung und kann sowohl zivile als auch militärische Kommunikation erfassen, auch wenn sie hunderte von Kilometern entfernt im syrischen Landesinnern stattfindet. Die Aufklärungsergebnisse wur- den zumindest teilweise den NATO-Verbündeten zur Verfügung gestellt, dazu gehört auch die Türkei. Ob diese oder die USA die Erkenntnisse auch der militärischen Opposition zur Verfügung gestellt haben, ist nicht bekannt – aber auch nicht auszuschließen. Deutschland gehörte zwar nicht der internationalen „Anti-ISKoalition“ an, die ab September 2014 mit Luftangriffen auf Syrien begann, unterstützt diese Koalition aber durch deutsche Präsenz in der Türkei sowie durch die Lieferung von Aufklärungsinformationen. Ende 2015 wurden dann Bundeswehrsoldaten und AWACS-Flugzeuge nach Konya (Türkei) verlegt. Ihre Aufgabe ist die Luftaufklärung im Kontext der westlichen Bombardements auf Syrien. Zusätzlich entsandte die Bundeswehr Anfang 2016 vier Tornados nach Incirlik. Diese Luftwaffenbasis, auf der auch Atomwaffen stationiert sind, wird mit deutschen Steuermitteln in Höhe von etwa 60 Millionen Euro ausgebaut. (33) Offensichtlich werden diese Pläne trotz der diplomatischen Verstimmungen zwischen Berlin und Ankara vorangetrieben. Zu groß sind wohl die gemeinsamen geostrategischen Interessen in der Region. Daesh / Islamischer Staat Was in den Plänen der US-Kriegsstrategen vorläufig nur Gedankenspiele waren, das gelang dem Daesh im Jahr 2014 innerhalb kürzester Zeit; er veränderte die postkoloniale Landkarte des Nahen Ostens. Der Daesh trat im Jahr 2013 das erste Mal im syrischen Bürgerkrieg in Erscheinung. Seine Entstehung ist ohne die USInvasion im Irak kaum denkbar. Die Barbarei des damaligen Regime-Change-Feldzuges gegen die Regierung von Saddam Hussein, die „Shock and Awe“ („Furcht und Schrecken“) als Strategie einsetzte und deren Gefängnismanagement auf Folter und Demütigung setzte, legte die Grundlagen für das, was später als Daesh bekannt wurde. In den Gefängnissen trafen zwei Gruppen aufeinander, die sich bis 2003 gegenseitig bekämpft hatten: ehemalige irakische Militärs, die eher säkularen Idealen verpflichtet waren, und Angehörige von Terrororganisationen, die teils Al-Qaida nahestanden. Die gemeinsamen Erfahrungen in den Gefängnissen und die politische (und ökonomische) Perspektivlosigkeit der Milieus, die Saddam Husseins Irak lange Zeit stabil hielten, schuf ein Gemisch aus militärischer Expertise und ideologischer Härte, das Irak und Syrien grundlegend erschüttern sollte. Mit einer massiven Medienkampagne, die gekonnt die Reaktion westlicher Medien instrumentalisierte, konnte der Daesh sich nahezu parallel sowohl auf dem Schlachtfeld als auch in den Medien etablieren. Mit barbarischen und brutalen Exekutionen generierte der Daesh Bilder, die Aufmerksamkeit erregen sollten. Die Bilder wurden über eigene Medienkanäle, vor allem über soziale Medien, verbreitet, aber auch über die Mainstreammedien des Westens. Dass diese neue Kraft auch für Syrien eine Bedeutung haben würde, war US-Geheimdiensten bereits 2012 klar. Ein als Verschlusssache klassifiziertes Dokument der DIA (Defence Intelligence Agency) kam zu dem Ergebnis: „Die Salafisten, die Moslembrüder und AQI“ (Al-Qaida im Irak) hätten sich zu den „wesentlichen Kräften, die den Aufstand in Syrien vorantreiben“, entwickelt. Nun ist der Daesh keineswegs eine lineare Weiterentwicklung von AQI, dazu sind ihre Strategien durchaus zu unterschiedlich, aber sie sind doch aus Machtkämpfen innerhalb von AQI entstanden und können vielleicht stark vereinfacht als eine sehr erfolgreiche Abspaltung beschrieben werden. Die Feindschaft zwischen der Assad-Regierung und den MuslimBrüdern ist tief – spätestens seit diese 1982 die Kontrolle über die Stadt Hama übernommen hatten und Assad Senior die Stadt bombardieren ließ, was zu sechs- bis zwanzigtausend Toten führte. Zu einem deutlich späteren Zeitpunkt, im Jahr 2014, erklärte der damalige US-Vizepräsident Joe Biden: „Tatsache ist [...] es gab keine moderate Mitte [...] unsere Verbündeten in der Region waren unser größtes Problem in Syrien [...]. Sie haben alle, die gegen Assad kämpfen wollten, mit Hunderten Millionen von Dollars und [...] Tausenden Tonnen Waffen überschüttet, wobei jedoch die Personen die beliefert wurden, von Al Nusra und al Qaida waren [...].“(34) Joe Bidens Aussage trifft sicher nicht auf die gesamte syrische Opposition zu, nicht einmal auf die gesamte bewaffnete Opposition. Es gibt auch jenseits der kurdischen Kräfte Gruppierungen, die sich schlicht zur Selbstverteidigung bewaffnet haben. Es geht hier nicht darum, Bürgerkriegsfraktionen zu entschuldigen, sondern klar zu machen, dass die USA und ihre Golfstaaten-Verbündeten recht gezielt die Kräfte ausgestattet haben, die aus ihrer Sicht militärisch relevant und politisch kalkulierbar (also nicht links) erschienen. Unter diesen gab es tatsächlich so Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen 10 IMI-Studie 3/2017 gut wie keine gemäßigten Kräfte. Die Stärke des Daesh lag nicht zuletzt auch an dem großen Zulauf an internationalen Kämpfern, die nicht selten über die Medienkampagne des Daesh mobilisiert wurden. In den Jahren 2014 und 2015 waren es nach unbestätigten Angaben bis zu 31.000. Viele sind in den Kämpfen mit der syrischen Armee, mit anderen Aufständischen, aber auch durch den Luftkrieg der sogenannten Anti-Terrorkoalition gefallen. Mitte 2016 waren davon noch maximal 25.000 übrig, andere Schätzungen gehen nur noch von 15.000 aus. Nach Einschätzung der „Foreign Terrorist Fighters“(35), einer Arbeitsgruppe der sogenannten Anti-IS-Koalition, hat sich der Zulauf zum Daesh im Laufe des Jahres 2016 um etwa 75 Prozent reduziert. Anfang 2016 musste der Daesh seine Soldzahlungen auf die Hälfte reduzieren(36). Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung waren die stark gesunkenen Einnahmen aus dem Ölverkauf. Zudem erweist sich der internationale Zustrom für den Daesh auch als Sicherheitsrisiko. Da die Nervosität zunimmt, dass sich unter den Neuankömmlingen auch Agenten westlicher Sicherheitsdienste befinden, nehmen Verdächtigungen und Paranoia zu. Es gibt Berichte, nach denen im Frühsommer 2016 innerhalb weniger Wochen „50 Kämpfer als Spione hingerichtet“(37) wurden. Auch wenn der Daesh militärisch schwächer wird, so ist er noch lange nicht besiegt. Im bisherigen Verlauf des syrischen Krieges wichen Daesh-Kämpfer bei massiven militärischen Kämpfen häufig aus und sicherten sich Geländegewinne in anderen Regionen. Doch auch wenn ein militärischer Sieg in Syrien möglich sein könnte, so ist der Preis dafür ein sehr hoher: völlig zerstörte Städte, Tausende von Toten und die Schaffung von noch mehr Gründen für Trauer, Verzweiflung und schließlich Wut gegen „den Westen“. Also genau die Grundlage, auf der jihadistischer Terror gedeiht. Es ist deshalb ein strategischer Fehler des Westens, den Fokus auf die militärische Bekämpfung des Daesh zu legen. Zum einen geht damit die Medienstrategie des Daesh auf (siehe oben), der seine regionale und internationale Unterstützung auch der starken Präsenz in den Medien zu verdanken hat, zum anderen sorgt jede Gräueltat westlicher Militärs bei der Bekämpfung des Daesh für eine Festigung der Feindbilder, die der Daesh braucht, um Unterstützer gegen den „barbarischen Westen“ und gegen seine „Stellvertreter/Marionetten“ vor Ort (irakische Regierung, syrische Regierung etc.) zu mobilisieren. Wer sind die bewaffneten Aufständischen? Mehrere Studien des Centre for Religion&Geopolitics, dessen Schlussfolgerungen man nicht in allen Einzelheiten teilen muss, der aber relativ solides empirisches Material zusammenbetragen hat, beschäftigen sich mit der Frage, wer die bewaffneten Aufständischen in Syrien sind und welche ideologischen Ziele sie verfolgen. Die Autoren weisen darauf hin, dass es zahlreiche weitere Gruppierungen in Syrien, aber auch weit jenseits der Grenzen dieses Landes gibt, die eine vergleichbare Ideologie und vergleichbare Ziele verfolgen. Sie berichten von „15 Gruppen, die [in Syrien] als Nachfolger von ISIS bereitstehen.“(38) Die Forscher hatten im Verlauf des Jahres 2015 die 48 relevantesten Rebellenfraktionen untersucht und ermittelten dabei, dass etwa ein Drittel dieser Gruppen mit insgesamt ungefähr 100.000 Kämpfern, eine ähnliche ideologische Grundlage hat wie der Daesh (ISIS), die man verkürzt als salafistisch-jihadistisch bezeichnen könnte. Etwa 60 Prozent der bewaffneten Aufständischen verfolgen ein Staatsmodell, in dem das islamische Recht eine zentrale Rolle spielt, dabei sind jedoch durchaus verschiedene Modelle vertreten. Das Spektrum reicht von Grup- pierungen, die demokratische und islamische Werte verbinden wollen (27 %), bis zu solchen, die auf autoritär-theokratische Herrschaftsformen (33 %) setzen. Unter diesen Gruppen sind mindestens vier, die von den USA „überprüft“ und mit Panzerabwehrwaffen aus gestattet wurden: Liwa Muhajirin wal-Ansar, Faylaq al- Rahman, Harakat Nour al-Din al-Zenki und die Erste Küsten Division.(39) Weitere 23 % der untersuchten Gruppen sind ideologisch ambivalent. Dazu gehörten viele, die sich der „Freien Syrischen Armee“ angeschlossen hatten, die aber je nach Notwendigkeit auch keine Probleme damit hatten, zusammen mit Extremisten zu kämpfen. Teils kämpften sie auch gegen diese – die Allianzen wechselten nicht selten. Zudem wechselten auch individuelle Kämpfer, teils als ganze Gruppe, von einer Fraktion zur nächsten. Der kleine Rest von etwa 16 % der Aufständischen gehört zu Selbstverteidigungskräften, die ideologisch teils progressiv oder auch gar nicht festgelegt sind. Dazu gehören neben den kurdischen Selbstverteidigungskräften (6 %) auch religiöse (z.B. Assyrische Christen in Ost-Syrien) und ethnische Gruppierungen. Die Schlussfolgerung der Autoren aus der Tatsache, dass nach einem eventuellen militärischen Sieg über den Daesh zahlreiche weitere salafistisch-jihadistische Gruppen deren Rolle übernehmen könnten (sowohl regional als auch international) ist nicht die Forderung, diese anderen Gruppen ebenfalls militärisch zu bekämpfen. Sie weisen vielmehr darauf hin, dass es ein strategischer Fehler wäre zu glauben, dass sich das Problem Daesh (und anderer Jihadisten) militärisch lösen lässt. „Wir können eine Ideologie nicht bombardieren, unser Krieg ist ein ideologischer.“(40) Wesentlicher Ansatzpunkt für diesen „ideologischen Krieg“ muss die Zerstörung von Feindbildern sein, dazu gehört sowohl ein Ende des militärischen Interventionismus als auch eine verbesserte Integrationspolitik in den westlichen Staaten. Was etwa 90 Prozent der bewaffneten Opposition eint, ist ihr Wunsch nach einem Syrien ohne Assad. Genau an dieser Stelle hat das Centre for Region&Geopolitics die größte Schwäche in seiner Analyse. Es berücksichtigt, richtigerweise, die politischen Ziele derjenigen, die zu den Waffen gegriffen haben, es ignoriert aber die Wünsche und Vorstellungen derjenigen, die sich nicht für diesen Weg entschieden haben und momentan, zustimmend oder resigniert, lieber im Syrien Assads als in dem der Aufständischen leben. Eine Friedenslösung muss die unterschiedlichen Interessen und Ziele der bewaffneten und der unbewaffneten Opposition, aber auch die Interessen derjenigen, die sich diesen nicht angeschlossen haben, berücksichtigen. Verhandlungen über die politische Zukunft Syriens müssen offen sein für alle, die zu Verhandlungen bereit sind. Der Ausschluss zentraler kurdischer Kräfte bei den Friedensgesprächen Anfang 2016 in Genf war ein Fehler.(41) Eine solche Lösung wird kompliziert sein, gelingt sie nicht, bedeutet dies eine dauerhafte Spaltung des Landes. Eine Chance für Syrien? Seit Dezember 2016 ist Aleppo, oder zumindest das, was von dieser einst blühenden Stadt übrig geblieben ist, wieder unter der Kontrolle der Regierung. Rebellen und ihre Familien wurden aus der Stadt evakuiert. Es deutet viel darauf hin, dass ähnlich blutige Schlachten um Idlib und Raqqa und andere Städte bevorstehen. Die ersten Proteste gegen Assad waren keine ethnischen oder religiösen Proteste, sie waren Ausdruck eines Wunsches nach politischer Veränderung. Der Verlauf des Krieges, die Brutalität des syrischen Militärs, die hochgerüsteten Stellvertreterarmeen, die regionalen Schutzeinheiten, all dies schuf schnell ein Tableau von Machtverhältnissen, das Menschen zwang, sich für eine von vielen bewaffneten Formationen zu entscheiden, um wenigstens Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen IMI-Studie 3/2017 11 ein Minimum an Schutz zu haben. Auf diese Weise wurde der Konflikt Zug um Zug auch ein Konflikt, der die Menschen nach ethnischen und religiösen Linien zuordnete. Die in Syrien zahlreich vertretenen Minderheiten, Christen, Alawiten u.v.m., waren anfangs nicht selten Teil von Protesten, sahen aber schnell mehrheitlich in einer autoritären AssadRegierung das kleinere Übel. Den kurdischen Regionen gelang trotz massiver Schwierigkeiten der Aufbau eigener politischer und militärischer Strukturen. Der Anteil der Aufständischen war unter den sunnitischen Muslimen von Anfang an größer als unter den Alawiten. Dennoch war und ist keine dieser Gruppen homogen. Ob sich sunnitische Muslime für den bewaffneten Aufstand, für Flucht oder für Unterstützung der Assad-Regierung entschieden, das lag auch an ihren konkreten Erfahrungen. Es machte einen Unterschied, ob sie zur städtischen Mittelschicht gehören oder aus ökonomisch abgehängten Regionen stammen. Wenn nach einer Lösung gesucht wird, dann gilt es, dabei nicht allein auf die Überbrückung von ethnischen und religiösen Unterschieden zu setzen, sondern die ökonomisch/politische Dimension immer mitzudenken. Bürgerkriege, besonders lang anhaltende, produzieren in großer Anzahl Menschen, die keine andere Qualifikation haben, als kämpfen zu können. Das ist eine große Herausforderung für jede Nachkriegsgesellschaft. Wenn es nicht gelingt, hier ökonomische Alternativen zu schaffen, werden diese Kämpfer andere Schlachtfelder finden, auf denen ihre Fähigkeiten gefragt sind. Die Beseitigung der massiven Schäden des Bürgerkrieges kann viele Arbeitsplätze schaffen, aber nur dann, wenn auch das Geld für den Wiederaufbau zur Verfügung steht. Dafür müssen diejenigen sorgen, die das Land in den Krieg getrieben haben, jedoch ohne politische Vorgaben. Diese müssen in Syrien selbst entwickelt werden. Für die Menschen in Syrien wird es nur dann eine Zukunft geben können, wenn es sowohl umfassende humanitäre Hilfe, eine ökonomische Zukunft einschließlich der Aufhebung der Sanktionen und einen inklusiven politischen Prozess gibt. Aber der allerwichtigste Baustein für eine Lösung ist das sofortige Ende aller externen Unterstützung für bewaffnete Formationen in Syrien. Anmerkungen 1) Jürgen Wagner (IM-Studie 12/2012), Imperialer Neoliberalismus: Syrien und die Europäische Nachbarschaftspolitik. 2) Sen, Kasturi/Faisal, Waleed al (2012): Syria Neoliberal Reforms in Health Sector Financing: Embedding Unequal Access? in: Social Medicine, Vol 6, No 3 (2012), S. 180. 3) Jürgen Wagner (IM-Studie 12/2012), Imperialer Neoliberalismus: Syrien und die Europäische Nachbarschaftspolitik, S. 7. 4) Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer: Länderprofil Syrien (Stand: 12/2010): http://www.ghorfa.de/fileadmin/inhalte/ laenderprofile/ueberblick_Syrien.pdf 5) Vgl. Marktwirtschaft für Syrien, German-Foreign-Poilicy.com, 30.5.2012. 6) Matar, Linda: The Socioeconomic Roots of the Syrian Uprising, MEI Insights Nr. 58, 26.3.2012, S. 2: http://www.mei.nus.edu.sg/ wpcontent/uploads/2012/03/Download-Insight-58-Matar-HERE.pdf 7) Dahi, Omar S./Muni, Yasser: Aufstände in Syrien: Auf der Suche nach der Schnittmenge – zwischen Autoritarismus und Neoliberalismus, in: inamo Nr. 68, Winter 2011, S. 58-64: http://www.inamo. de/ tl_files/dossiers/dahi-munif_inamo-68-2011.pdf 8) David X. Noack (1/2016), in: Ausdruck – Das IMI-Magazin, S. 15. 9) David X. Noack (1/2016), in: Ausdruck – Das IMI-Magazin, S. 16. 10)Ababsa: Contre-réforme agraire et conflits fonciers en Jazîra syrienne (2000-2005), S. 211-230. 11)Glenn Greenwald, Wes Clark and the Syrian Mess, 26.11.2011, (Übersetzung C.H.) 12)BBC News, http://news.bbc.co.uk, 6.5.2002 13)Peter Blechschmidt: Mit Assads Spitzeln auf Du und Du, Süddeutsche Zeitung 13.2.2012. 14)Remarks by Senator John McCain on the Situation in Syria, 05.3.2012 (zit. als McCain 2012): http://mccain.senate.gov/public/ index.cfm? 15)Craig Whitlock: U.S. secretly backed Syrian opposition groups, cables released by WikiLeaks show, washingtonpost.com, 17.4.2011. 16)Secretary of State Condoleeza Rice, Special Briefing on the Travel to the Middle East and Europe, Press Conference, US State Department, 21.7.2006, Washington D.C.; zitiert nach: Mahdi Darius Nazemroava, Global Research, 1.10.2016 (Übersetzung C.H.). 17)Kark LeVine: The New Creative Destruction, 22.8.2006, Asia Times. 18)IMI-Aktuell, 2016/403, 13.7.2016 19)Julian Borger und Bastien Inzaurralde: West ’ignored Russian offer in 2012 to have Syria’s Assad step aside’, Guardian 15.9.2015. 20)http://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/ Antragsstellung/Endverbleibsdokumente/endverbleibsdokumente_ node.html 21)h t t p : / / w w w . n d r . d e / d e r _ n d r / p r e s s e / m i t t e i l u n g e n / Bundeswehr-Waffen-auf-dem-Schwarzmarkt-im-Nordirak,pressemeldungndr16758.html 22)Vgl. http://web.stanford.edu/group/mappingmilitants/cgi-bin/ 23)http://www.balkaninsight.com/en/article/making-a-killing-the-1-2billion-euros-arms-pipeline-to-middle-east-07-26-2016 24)Mariya Petkova, War geins. 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Forces backed by Tehran press assault in Aleppo, Wallstreet Journal 17.2.2016 28)Nabih Bulos: US-trained Division 30 rebels ’betray US and hand weapons over to al-Qaeda’s affiliate in Syria’, The Telegraph, 15.9.2015. 29)Daveed Gartenstein-Ross und Nathaniel Barr: The CIA’s Syria Program and the Perils of Proxies 30)http://www.handelsblatt.com/politik/international/basis-in-incirlikerdogan-legt-sich-mit-der-nato-an/19219334.html 31)http://antikrieg.com/aktuell/2016_06_18_appell.htm 32)Humanitarian Impact of Syria-Related Unilateral Restrictive Measures 10/2016. 33)http://augengeradeaus.net/2016/09/ausbau-incirlik-der-sachstand/ 34)http://foreignpolicy.com/2014/10/07/joe-biden-is-the-only-honestman-in-washington/ 35)https://www.thegctf.org/Working-Groups/Foreign-TerroristFighters 36)Alfred Hackensberger: Dem IS gehen die ausländischen Kämpfer aus, Die Welt 18.6.2016 37)Alfred Hackensberger: Dem IS gehen die ausländischen Kämpfer aus, Die Welt 18.6.2016 38)Centre on Religion & Geopolitics (12/2015): If the castle falls. S. 3. 39)Centre on Religion & Geopolitics, S. 8. 40)http://foreignpolicy.com/2014/10/07/joe-biden-is-the-only-honestman-in-washington/ 41)http://haythammanna.net/syrian-dissident-haytham-manna-sayshe-will-not-attend-geneva-talks/ Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. - Hechinger Str. 203 - 72072 Tübingen IMI-Studie 3/2017 12 isw-report 107/108 Februar 2017 Herausgeber: isw – Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V. Informationsstelle Militarisierung IMI e.V. Preis: 4,50 EUR Bestelllbar unter [email protected] Information Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist ein eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein. Ihre Arbeit trägt sich durch Spenden und Mitglieds-, bzw. Förderbeiträge, die es uns ermöglichen, unsere Publikationen kostenlos im Internet zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie Interesse an der Arbeit der Informationsstelle oder Fragen zum Verein haben, nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf. 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