PM Sieben Wochen keine Miete

FLÜCHTLINGSRAT BERLIN e.V.
Menschenrechte kennen keine Grenzen
Presseinformation vom 17. Februar 2017
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Greifswalder Str. 4
10405 Berlin
Tel: (030) 22 47 63 11
Fax: (030) 22 47 63 12
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www.fluechtlingsrat-berlin.de
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten: „Warten Sie bitte
sieben Wochen auf Ihre Miete, wir zahlen bestimmt“
Falsche Prioritäten und fehlendes Personal im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten
(LAF) verhindern, dass Asylsuchende in Wohnungen ziehen können. Flüchtlingsrat fordert
gesamtstädtische Kraftanstrengung zur Wohnraumversorgung von Geflüchteten.
Erhebliche Ressourcen werden derzeit im LAF gebunden für die Konzeption und den Betrieb
neuer Massenunterkünfte, z.B. das Containerlager auf dem Tempelhofer Feld. Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, Geflüchteten den Bezug normaler Mietwohnungen zu ermöglichen, wird
hingegen nur halbherzig verfolgt: Zahlreiche Mietangebote gehen aufgrund langwieriger
Verwaltungsabläufe verloren. Vermieter*innen warten viele Wochen auf Miet- und Kautionszahlungen des LAF. Eine proaktive Akquise von Mietwohnungen für Flüchtlinge findet
nicht statt. Angesichts der 17.000 Menschen, die seit über einem Jahr unter menschenunwürdigen Bedingungen in Notunterkünften wie Turnhallen, Flugzeughangars, der Traglufthalle Moabit,
dem ICC oder dem ehemaligen Kaufhaus C&A ausharren müssen, ist dies ein Skandal.
Zu Jahresbeginn wurden die Abläufe im Mietsachgebiet des LAF neu organisiert. Doch nach wie
vor zieht sich die Prüfung der Mietangebote und die Zahlung der Miete unzumutbar in die Länge:
Ehrenamtliche Unterstützer*innen und Asylsuchende berichten von ganztägigen Wartezeiten,
bis man dem LAF ein Mietangebot vorlegen kann. Fehlende Angaben dürfen nicht per E-Mail
nachgereicht werden, so dass oft mehrere Vorsprachen nötig sind. Das LAF räumt ein, dass es
derzeit sieben Wochen dauert, bis die Miete und Kaution an den Vermieter überwiesen werden.
Ehrenamtliche berichten von noch längeren Rückständen. Weil von keinem Vermieter ein solcher Vertrauensvorschuss erwartet werden kann – nach § 543 BGB ist ein Zahlungsverzug für
zwei aufeinanderfolgende Termine Grund zur fristlosen Kündigung – versuchen die Asylsuchenden, sich das Geld privat zu leihen. Nicht immer mit Erfolg.
„Das Verfahren ist für die Asylsuchenden, für ihre Unterstützer*innen sowie für die Vermieter*innen unzumutbar. Mühsam gefundene Mietwohnungen können nicht bezogen werden. Die
Geflüchteten bleiben in menschenunwürdigen Notunterkünften und werden dort physisch und
psychisch krank. Freiwillige Helfer*innen und flüchtlingsfreundliche Vermieter*innen fühlen sich
verprellt, die Bereitschaft an Geflüchtete zu vermieten sinkt“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin.
Das Problem ist nicht neu. Flüchtlingsrat und Initiativen fordern seit Jahren eine bessere Personalausstattung im Mietsachgebiet des LAGeSo bzw. LAF und eine proaktive Akquise von Mietwohnungen. Dazu gehört z.B. auch ein öffentlicher Appell des Regierenden Bürgermeisters, an
Geflüchtete zu vermieten.(1)
„Es entsteht der Eindruck, dass Teile der Verwaltung ein Interesse daran haben, Flüchtlingen den
Zugang zu Mietwohnungen zu verwehren und sie stattdessen dauerhaft in Sammellager einzuweisen. Wir haben bereits Anfang 2016 umfangreiche Vorschläge vorgelegt, um die Anmietung
von privaten Wohnungen zu erleichtern. Diese Vorschläge müssen mit höchster Priorität umgesetzt werden“, so Flüchtlingsratssprecher Classen. (2)
Zu (1):
Flüchtlingsrat Berlin, 15.10.2012, Schreiben an LAGeSo Präsident Allert, Sofortmaßnahmen Wohnungen
für Flüchtlinge www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Lageso_Sofortmassnahmen_Wohnungen.pdf
Stellungnahme Flüchtlingsrat Berlin im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses am 20.01.2011: Flüchtlingsunterbringung in Lagern – unwürdig und teuer. Flüchtlinge in Wohnungen unterbringen!
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/Classen_AsylbLG_Wohnen_Berlin_200111.pdf
Zu (2):
PE Flüchtlingsrat Berlin 04.01.16: Es gibt sie — Alternativen zu Müllers Lagerpolitik
www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_pe2.php?post_id=746
Flüchtlingsrat Berlin 04.01.16: 18 Punkte zu Wohnungen für Flüchtlinge statt immer neuen Massenlagern
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/FluRat_18Punkte_Wohnungen_statt_Lager_04Jan2016.pdf