STAN D PU N KT REVISION DES MWSTG: RICHTUNG STIMMT, OPTIMIERUNGSPOTENTIAL VORHANDEN Ende September 2014 ist die Frist zur Vernehmlassung zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) abgelaufen. Diese Teilrevision ist zu begrüssen. Es ist aber darauf zu verzichten, heutige (zum Teil umstrittene) Verordnungsbestimmungen ins Gesetz zu überführen und so der höchstrichterlichen Überprüfung zu entziehen. Jede Gesetzesänderung führt in einem ersten Schritt zu einer höheren Rechtsunsicherheit, bis Bedeutung und Tragweite der Gesetzesänderungen geklärt sind. Die wichtigsten Reformvorschläge zielen erstens auf Änderungen bei der Steuerpflicht, zweitens auf Anpassungen bei den ausgenommenen Leistungen und drittens auf Korrekturen bei der Bezugsteuer. Diese Änderungen sind in der Stossrichtung zu begrüssen. Zudem unterstützt die Treuhand-Kammer alle Bemühungen, den (immer noch) vorhandenen Formalismus weiter einzuschränken. Problematische Steuerbefreiung. Begrüsst wird die Ausweitung der Steuerpflicht für ausländische Unternehmen, die in der Schweiz Leistungen erbringen. Erbringt eine ausländische Unternehmung in der Schweiz (Werk-)Leistungen, soll sie schon ab dem ersten Franken steuerpflichtig werden, weil davon auszugehen ist, dass sie weltweit die Umsatzgrenze von CHF 100 000 überschreitet. So kann der Wettbewerbsnachteil für inländische Unternehmen beseitigt werden. Behelfsmässig wird dieses Ziel per 1. 1. 2015 mit einer Anpassung der MWST-Verordnung erreicht. Der Wegfall der Steuerbefreiungen auf Kleinsendungen in der vorgeschlagenen Form ist problematisch. Bei Kleinsendungen mit einem Steuerbetrag von weniger als CHF 5 (z. B. Bücher bis CHF 200) entstehen ebenfalls Wettbewerbsnachteile. Die vorgeschlagene Regelung, dass Unternehmen, die mit solchen Lieferungen mehr als CHF 100 000 Umsatz erzielen, registrierungspflichtig werden, führt zu einer Reihe von neuen Abgrenzungsfragen, die noch abzuklären sind. Im Hinblick auf die administrativen Kosten, die mit der Ausweitung der Steuerpflicht und der Erhebung der Steuer auf diesen Kleinsendungen verbunden sind, ist auf diese Änderung zu verzichten.Vor dem Hintergrund dieser Ausweitung der Steuerpflicht ist zudem unverständlich, weshalb die Bezugssteuer auf der Lieferung von unbeweglichen Gegenständen bestehen bleiben 1046 soll. Ein Grossteil der Konsumenten ist sich nämlich gar nicht bewusst, dass sie beim Bezug von Leistungen von ausländischen Anbietern mehrwertsteuerpflichtig werden könnten. Nachteil für gemeinnützige Organisationen. Nicht nachvollziehbar ist, wieso die Steuerausnahme für Bekanntmachungsleistungen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 27 MWSTG) ersatzlos gestrichen wird, während die übrigen Steuerausnahmen weitgehend unverändert bleiben. Dies führt zu einem gewichtigen Nachteil für die betroffenen gemeinnützigen Organisationen. Neuer Formalismus. Ein Ziel der letzten Revision des MWSTG war die Abschaffung von übertriebenem Formalismus. Dieses Ziel muss weiter verfolgt werden. Mit dem Vorschlag des Bundesrats zur Option wird aus dem offenen Ausweis der Steuer eine Formvorschrift gemacht und wieder ein Bewilligungsverfahren eingeführt. Dieser neue Formalismus ist abzulehnen. Es soll zukünftig verhindert werden, dass die ESTV zwar die überwälzte Steuer einbehält, die Auszahlung der Vorsteuern wegen einer fehlenden «Bewilligung» der Option aber verweigert. Eine zwingende offene Überwälzung ist aus steuersystematischen Gründen auch gar nicht erforderlich. Zudem gibt es keine sachlichen Gründe, eine rückwirkende Option – auch über die laufende Steuerperiode zurück – auszuschliessen. «Eng verbundene Personen.» Abzulehnen ist auch die Ausweitung des Begriffs der «eng verbundenen Personen». Der Bundesrat schlägt vor, dass auch Vereine und Stiftungen zum Kreis der eng verbundenen Personen zählen. Damit werden insbesondere (unentgeltliche) Leistungen der Unternehmen an ihre Pensionskassen wieder steuerbar, weil die ESTV für diese Leistungen auf den Drittpreis abstellen kann. Die vorgeschlagene Formulierung schafft zudem Rechtsunsicherheiten und ist auslegungsbedürftig. Jedes Mitglied eines Vereins hat eine enge Beziehung zu seinem Verein. Dennoch können nicht alle Vereinsmitglieder als mit dem Verein eng verbundene Personen gelten. Die aktuelle Revision des MWSTG ist auf lange Zeit die letzte Möglichkeit für Anpassungen im Sinne eines effizienten MWST-Systems, das einen echten Standortvorteil bietet. Diese Chance ist zu nutzen. Dr. Niklaus Honauer, Präsident des MWST-Kompetenzzentrums der Treuhand-Kammer, PwC, Zürich/Basel D E R S C H W E I Z E R T R E U H Ä N D E R 2014 | 12
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