Leseprobe

Diesmal würde es eine längere Reise werden, denn Island
liegt ziemlich genau zwischen Grönland und England. Küchenchef Smalhans sorgte dafür, dass genügend Proviant an
Bord gebracht wurde. „Ich bin froh, dass wir weiter segeln.
Der ewige Regen nervt mich. Alles ist hier nass und nichts
bleibt knusprig“, sagte er zu Duck Doodle, „heute morgen
habe ich Bananen-Mangokekse gebacken und kaum aus
dem Ofen, sind sie schon wieder lommelig wie ungetoastetes Toastbrot“, fuhr er fort, doch Duck hörte Smalhans gar
nicht richtig zu. Duck dachte nach: „Mensch, da war doch
noch was Wichtiges zu erledigen“, aber er konnte sich einfach nicht erinnern.
Eier sind eine sehr zerbrechliche Fracht und Mister
Stoneeg überließ es Käpt’n Kotz diese bestmöglichst zu sichern. So wurden die Eierkartons zusätzlich in Stroh gebettet und sorgsam in Holzkisten verpackt. Das Sichern und
Verladen dauerte einen Tag und eine Nacht, danach waren
die Laderäume der Het Knobbels bis unter die Decke angefüllt mit sicher verpackten, feinsten englischen Landeiern.
Als die regenreiche Nacht in einen sehr dunklen Morgen
überging stach der Klipper in See. „Man könnte fast annehmen, dass die Sonne nicht mehr aufgehen will“, meinte
Duck und schaute in die dunkelgraue Regensuppe. „Mir
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gefällt der englische Regen. Was mich beunruhigt ist diese
schwarze Wand, die da von Nord-West auf uns zukommt.
Das sieht nicht gut aus“, erwiderte ein etwas besorgter
Käpt’n, „und dass sich jeder bitte einen Schal anzieht. Der
Atlantik ist kalt und es wird leider auch sehr stürmisch und
ich möchte nicht, dass einer von euch eine Erkältung bekommt. Ich brauch’ euch alle und zwar gesund!“. „Es gibt
wahrlich gemütlichere Orte wie diesen“, dachte der Käpt‘n
bei sich und sehnte sich schon jetzt nach festem Boden unter seinen Füßen. Das Meer wurde immer wilder, als wolle
es mit dem alten Dreimaster ein wildes Spiel spielen und
Käpt’n Kotz bereute es, die kalten Pommes mit Essig gegessen zu haben. Der Horizont war nicht mehr zu erkennen
und der zerrissene düstere Wolkenhimmel ging nahtlos in
die ungemütliche dunkle See über. „Schaurig, dieses schaurige Wetter“, dachte Käpt’n Kotz. Er fühlte sich gar nicht
gut und so befreite sich sein empfindlicher Magen von der
verheerenden Mahlzeit. Käpt’n Kotz musste das Kommando an Bord mal wieder an Duck Doodle übergeben. Mit
schweren Schritten schleppte er sich in seine Kajüte, um
sich auszuruhen. Dort legte er sich in sein Bett und fixierte
den leuchtend gelben Punkt an der Decke. Das half ihm,
das heftige Schaukeln des Schiffes etwas besser zu ertragen.
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Während Käpt’n Kotz und sein Magen gegen das Hoch und
Runter des Schiffes kämpften, bekam ein Anderer bei solchem Seegang erst den richtigen Appetit. Der Lange Lars
bestellte bei Smalhans Hühnchen mit Pommes und genoss
sein Mahl bei diesem Sturm oben im Ausguck. Wie unterschiedlich die Menschen doch fühlen und empfinden. Der
Ostwind trieb die Het Knobbels vor sich her.
Der Käpt’n verbrachte jetzt schon den zweiten Tag in seiner Kajüte und fühlte sich schon wesentlich besser. Die genauen Berechnungen des besten Kurses forderten von ihm
äußerste Aufmerksamkeit, denn Mathematik und Geometrie waren schon zu seinen Schulzeiten nicht gerade seine
Lieblingsfächer. Er freute sich, dass er die Berechnungen
auch ohne Hans-Peter Feldforch zu seiner Zufriedenheit
gelöst hatte. Sein Magen hatte sich beruhigt und der kräftige Ostwind würde sie früher nach Island bringen als er-
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wartet. Sobald sie die Insel erreicht hätten, würde sich der
Käpt‘n ein wohltuendes Bad in einer der vielen warmen
Quellen auf Island gönnen. Doch plötzlich ging ein unerwarteter Ruck durch die Het Knobbels und kurz darauf
noch einer. Das Schiff ächzte bedenklich und schlagartig
befanden sie sich in einem gewaltigen Sturm. „Bitte keine
Schubswellen – nicht jetzt!“, schoss es Käpt’n Kotz durch
den Kopf. Schubswellen können auftreten, wenn der Sturm
in heftigen Böen über die See fegt und sich so, dicht aufeinander folgende Wellenberge entwickeln. Für ein Schiff sind
Schubswellen immer eine große Gefahr. Es wird praktisch
manövrierunfähig und Schiff und Mannschaft können nur
hoffen, dass sie von den Schubswellen nicht überrollt werden. Schubswellen sind der Albtraum eines jeden Seefahrers. Käpt’n Kotz hörte aufgeregtes Getrampel an Deck.
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