SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Harald Kujat, General a.D. und Ex-Vorsitzender des NATOMilitärausschusses, gab heute, 16.02.17, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Treffen der NATO-Verteidigungsminister“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Nachrichten und Distribution Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 16.02.2017 NATO-Partner müssen mehr für die Verteidigung ausgeben Baden-Baden: Der ehemalige NATO-General Harald Kujat hält die US-Forderung an die Bündnispartner für gerechtfertigt, mehr Geld in die Verteidigung zu investieren. Die Drohung von Verteidigungsminister Mattis an die NATO-Partner, andernfalls das amerikanische Engagement zurückzufahren, bezeichnete Kujat im SWR-Tagesgespräch als „ziemlich starke Botschaft“. Sie sei aber nachvollziehbar. Ohne die Vereinigten Staaten gäbe es für Europa keine Sicherheit. Die Forderung hätten schon andere USAdministrationen erhoben. Die Verpflichtung, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in das Militär zu stecken, bestehe schon seit vielen Jahren. Seit 2006 sei es zunächst ein Richtwert gewesen. Auf den Gipfeln 2014 und 2016 hätten sich die Staats- und Regierungschefs aber darauf verpflichtet. Darüber hinaus seien sie auch die Verpflichtung eingegangen, mehr als ein Fünftel des Verteidigungshaushalts für modernes Militärgerät auszugeben. Beides sei von vielen Staaten, auch Deutschland, nicht geleistet worden, so Kujat. Europa könne nicht einerseits beklagen, dass sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen verändert haben, sowohl im Nahen und Mittleren Osten, als auch in der Ukraine, und andererseits sich zurücklehnen und sagen „lass mal die Amerikaner das machen“. Das könne man heute nicht mehr tun. Bei Berichten, wonach die USA erwägen, Bodentruppen zum Kampf gegen den IS in Syrien einzusetzen rät Kujat zur Vorsicht. Man wisse nicht, ob sie tatsächlich massiv mit Kampftruppen eingreifen wollen, wie im Irak. Die US-Armee habe schon jetzt im kleineren Rahmen Spezialisten in Syrien im Einsatz, die beraten und unterstützen. Dass sie diese Kräfte verstärken wollen, hält der Ex-NATO-General für möglich Wortlaut des Live-Gesprächs: Rudolph: Lassen Sie uns beginnen mit einer Sache, die jetzt gar nicht mal direkt die NATO betrifft. Ganz frisch aus der Nacht ist die Meldung, wonach die USA erwägen, im Kampf gegen den IS in Syrien Bodentruppen einzusetzen. Was halten Sie als Militärexperte davon? Kujat: Nun die Frage ist, was wirklich damit gemeint ist. Die Amerikaner haben ja dort im kleineren Umfang Spezialkräfte bereits im Einsatz, die mehr eine beratende und unterstützende Funktion haben. Die Frage ist, ob sie wirklich massiv eingreifen wollen mit umfangreichen Kampftruppen, sowie das im Irak der Fall war. Da habe ich eher Zweifel, ob das so ist. Dass sie möglicherweise den Einsatz von Spezialkräften verstärken, das halte ich durchaus für möglich. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Rudolph: So ein bisschen ist das Problem bei den USA unter Trump ja, man weiß nicht ganz woran man ist. Ihre Einschätzung: Sind die USA noch eine echte Führungsmacht oder eher sogar schon auf dem Weg zum Sicherheitsrisiko? Kujat: Nein. Sie sind in der Tat nach wie vor eine Führungsmacht in der NATO, muss man sagen. Insbesondere in der NATO eine Führungsmacht. Das liegt schon einfach daran, dass sie dort einen gewaltigen Beitrag leisten, auch für die Sicherheit Europas leisten. Wir müssen ganz klar sagen, ohne die Vereinigten Staaten gäbe es für Europa keine Sicherheit. Hat es nicht gegeben in der Vergangenheit und wird es auf lange Zeit auch nicht geben. Und das ist ein Aspekt, den wir beachten müssen, auch wenn es darum geht, ob wir selbst einen angemessenen, fairen Beitrag zu unserer eigenen Verteidigung leisten oder zu unserer eigenen Sicherheit leisten oder nicht. Rudolph: Da sind wir ja gleich bei dem Kernpunkt, um den es auch gestern ging, als der neue Verteidigungsminister Mattis erstmals das NATO-Hauptquartier in Brüssel in seiner Funktion besucht hat. Da war er ja recht deutlich. Die Partner sollen ihre Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen und bis zum Jahresende sagen wie, sonst fahren die USA ihr Engagement zurück. Das klingt ein bisschen wie Schutzgelderpressung? Kujat: Naja, ist eine ziemlich starke Botschaft. Also, dass die Europäer mehr tun müssen, das haben alle amerikanischen Administrationen vorher gesagt. Immerhin besteht ja diese Forderung oder diese Verpflichtung, 2 Prozent des Brutto-Inlands-Produktes zu leisten, schon seit vielen Jahren. Rudolph: Ist das denn eine Verpflichtung gewesen, es war doch nur eine Empfehlung bislang? Kujat: Naja, es ist seit 2006 war es im Grunde eine Empfehlung, ein Richtwert sage ich einmal. Aber, auf den beiden Gipfeln im September 2014 und letztes Jahr im Juli in Warschau, haben sich die Staats- und Regierungschefs verpflichtet. Auch die Bundeskanzlerin hat sich dazu verpflichtet, 2 Prozent des Brutto-Inlands-Produktes für Verteidigung auszugeben und darüber hinaus sind sie auch eine zweite Verpflichtung eingegangen, nämlich mehr als 20 Prozent für moderne Ausrüstung und Bewaffnung zu investieren. Also 20 Prozent des Verteidigungshaushalts. Beides ist von vielen Staaten nicht geleistet worden, auch von Deutschland nicht. Rudolph: Ja, ich glaube bei 1,2 Prozent sind wir und innenpolitisch hat das in der Koalition auch gleich für Streit gesorgt. Die SPD findet die Forderung abenteuerlich. Verteidigungsministerin von der Leyen hält sie für plausibel. Wie gut sind wir beraten, dem US-Wunsch zu folgen? Kujat: Naja, es ist in unserem eigenen Interesse, alles zu tun, was für unsere Sicherheit notwendig ist. Wir können nicht auf der einen Seite beklagen, dass sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen verändert haben, sowohl im Nahen und Mittleren Osten, als auch mit der Entwicklung in der Ukraine und auf der anderen Seite sagen, naja, wir lehnen uns zurück, lass mal die Amerikaner das machen. Das, glaube ich, kann man heute nicht mehr tun. Rudolph: Wenn jetzt die USA eben hier bei der Frage der finanziellen Mitteln diesen Druck machen und wir eben auch nicht so ganz wissen, wofür denn eigentlich der neue Präsident Trump steht, ist da denn nicht auch die Angst durchaus greifbar und verständlich, dass man dann aus US-Sicht auch direkt mal sagen kann, ok, NATO ihr macht jetzt mal dies, ihr macht jetzt mal das und dann sehen wir unsere Truppen, sehen wir NATO-Truppen auf einmal in Konflikten wieder, wo wir sie in unseren kühnsten Träumen nicht vermutet hätten. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Kujat: Nun, wir müssen natürlich Einfluss nehmen auf die Sicherheitspolitik der Allianz. Rudolph: Könne wir das? Kujat: Ja, das können wir. Es gibt zwei Grundsätze in der NATO, die unumstößlich sind. Der eine Grundsatz ist, die Solidarität der Bündnispartner untereinander, die alle Staaten, die sich an das was sie zugesagt haben, nicht halten, ja auch verletzen. Und das zweite Prinzip ist, das Konsensprinzip. Das heißt, es gibt keine Entscheidung in der NATO ohne dass nicht alle Alliierten dem zugestimmt hätten. Also wir können schon etwas erreichen, wenn wir klare Ziele haben und wenn wir unsere Interessen vertreten. Aber, ich wiederhole das noch einmal, wir haben früher immer gesagt, die Stärke unserer eigenen Streitkräfte und unser Einfluss in der NATO sind zwei Seiten einer Medaille. Und das gilt auch heute noch. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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