Gericht der Europäischen Union PRESSEMITTEILUNG Nr. 16/17 Luxemburg, den 16. Februar 2017 Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes T-140/16 R II, Jean-Marie Le Pen / Europäisches Parlament, T-624/16 R, Bruno Gollnisch / Europäisches Parlament, und T-626/16 R, Mylène Troszczynski / Europäisches Parlament Presse und Information Der Präsident des Gerichts der Europäischen Union setzt die Vollziehung der Beschlüsse des Europäischen Parlaments nicht aus, mit welchen von Herrn JeanMarie Le Pen, Herrn Bruno Gollnisch und Frau Mylène Troszczynski die als Bezüge für örtliche parlamentarische Assistenten gezahlten Beträge zurückgefordert werden Die betreffenden Abgeordneten haben nämlich nicht nachgewiesen, dass diese Beschlüsse die tatsächliche Ausübung ihres Mandats in einer die Dringlichkeit der Aussetzung begründenden Weise beeinträchtigen Herr Jean-Marie Le Pen ist seit 1984 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Im Januar 2016 beschloss das Parlament, dass ein zu Unrecht für parlamentarische Assistenz gezahlter Betrag von 320 026,23 Euro von Herrn Le Pen zurückzufordern sei1. Dabei handelt es sich um Zahlungen des Parlaments an einen von Herrn Le Pen als örtlicher parlamentarischer Assistent eingestellten Mitarbeiter während der gesamten siebten Wahlperiode. Kurz nach der Zustellung des auf den ersten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ergangenen Beschlusses leitete das Parlament eine Einziehung durch Verrechnung ein, wobei es jeden Monat 50 % der Abgeordnetenvergütung, 100 % der allgemeinen Kostenvergütung und 50 % des Tagegelds von Herrn Le Pen einbehält. Herr Bruno Gollnisch ist seit 1989 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Im Juli 2016 beschloss das Parlament, dass ein zu Unrecht für parlamentarische Assistenz gezahlter Betrag von 275 984,23 Euro von Herrn Gollnisch zurückzufordern sei. Dabei handelt es sich um Zahlungen des Parlaments an einen von Herrn Gollnisch als örtlicher parlamentarischer Assistent eingestellten Mitarbeiter in den Jahren Juli 2011 bis Juni 2015. Anschließend leitete das Parlament eine Einziehung durch Verrechnung ein, wobei es jeden Monat 50 % der Abgeordnetenvergütung, 100 % der allgemeinen Kostenvergütung und 50 % des Tagegelds von Herrn Gollnisch einbehält. Frau Mylène Troszczynski ist seit 2014 Abgeordnete im Europäischen Parlament. Im Juni 2016 beschloss das Parlament, dass ein zu Unrecht für parlamentarische Assistenz gezahlter Betrag von 56 554 Euro von Frau Troszczynski zurückzufordern sei. Anschließend leitete das Parlament eine Einziehung durch Verrechnung ein, wobei es jeden Monat 50 % der Abgeordnetenvergütung von Frau Troszczynski einbehält. Diese drei Europaabgeordneten haben beim Gericht der Europäischen Union beantragt, die Beschlüsse des Europäischen Parlaments über die Rückforderung der Beträge, die zu Unrecht gezahlt worden sein sollen, für nichtig zu erklären. Zugleich haben sie beim Präsidenten des Gerichts beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Vollziehung der Beschlüsse auszusetzen. Dabei haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Rückforderung der Beträge sie daran hindere, ihr Abgeordnetenmandat tatsächlich und unabhängig auszuüben. Die heutigen Beschlüsse betreffen diese Anträge (und nicht die Nichtigkeitsklagen als solche). 1 Herr Le Pen hatte bereits 2016 einen ersten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, um die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses des Parlaments zu erreichen. Mit Beschluss vom 22. April 2016 (nur in französischer Sprache verfügbar) wies der Präsident des Gerichts der EU diesen Antrag mangels Dringlichkeit zurück. Abgesehen davon, dass Herr Le Pen keine Angaben zu seiner finanziellen Lage gemacht hatte, stellte der Präsident des Gerichts u. a. fest, dass der Erlass einer Verrechnungsmaßnahme jedenfalls nicht in Kürze zu erwarten war. www.curia.europa.eu Mit seinen Beschlüssen weist der Präsident des Gerichts die drei Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. In den drei Rechtssachen stellt der Präsident des Gerichts fest, dass sowohl nach den für die Abgeordneten des Parlaments geltenden Regeln als auch nach der Praxis des Parlaments die Einziehung durch Verrechnung stets unter Abwägung der Pflicht des Parlaments, die zu Unrecht gezahlten Beträge zurückzufordern, gegen die Pflicht vorgenommen werden muss, dem betreffenden Abgeordneten die tatsächliche Ausübung seines Mandats zu ermöglichen. Unter diesen Umständen kann die Tatsache, dass das Parlament im Wege der Einziehung durch Verrechnung vorgeht, als solche nicht als Handlung angesehen werden, die geeignet ist, die tatsächliche und unabhängige Ausübung des Abgeordnetenmandats durch die betreffenden Abgeordneten zu beeinträchtigen. Der Präsident des Gerichts führt weiter aus, dass die drei Abgeordneten nicht dargetan haben, inwiefern die monatliche Einbehaltung von 50 % ihrer Abgeordnetenvergütung sie daran hindert, ihre parlamentarischen Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen. Zur monatlichen Einbehaltung von 100 % der allgemeinen Kostenvergütung und 50 % des Tagegelds stellt der Präsident des Gerichts fest, dass die beiden davon betroffenen Abgeordneten (Herr Le Pen und Herr Gollnisch) die Möglichkeit haben, die Erstattung tatsächlich angefallener Kosten zu verlangen. Dies gewährleistet, dass die tatsächliche Ausübung ihres Mandats nicht behindert wird. Der Präsident des Gerichts kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Vollziehung der angefochtenen Beschlüsse mangels Dringlichkeit nicht bis zum Erlass der Urteile über die gegen die Beschlüsse erhobenen und auf ihre Nichtigerklärung gerichteten Klagen auszusetzen ist. HINWEIS: Das Gericht wird sein Endurteil in dieser Sache zu einem späteren Zeitpunkt verkünden. Ein Beschluss über einstweilige Anordnungen greift dem Ausgang der Hauptsache nicht vor. Gegen die Entscheidung des Präsidenten des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Präsidenten des Gerichtshofs eingelegt werden. Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht nicht bindet. Der Volltext der Beschlüsse (T-140/16 R II, T-624/16 R und T-626/16 R) wird auf der Curia-Website veröffentlicht. Pressekontakt: Hartmut Ost (+352) 4303 3255 www.curia.europa.eu
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