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17. Februar 2017
DNA- und RNA-Forschung: Evolution heißt, sich an die Umweltbedingungen
anzupassen
Für die Evolution von Zellen und Organismen ist entscheidend, dass informationstragende Moleküle wie DNA-Sequenzen
kopiert werden, bevor sie degradieren. Dabei hat das Zusammenspiel von DNA-Replikatoren eine wichtige Rolle.
Wissenschaftler haben jetzt erforscht, welche Eigenschaften DNA-Moleküle haben.
In allen lebenden Organismen gibt es auf molekularer Ebene eine Arbeitsteilung: Nukleinsäuren (DNA und RNA)
speichern die Information zum Aufbau von Proteinen, die wiederum verschiedene Funktionen wie etwa das
Katalysieren chemischer Reaktionen übernehmen. In den letzten Jahren hat sich allerdings herausgestellt, dass
insbesondere RNA diese Arbeitsteilung zu „ignorieren“ scheint und in vielen Prozessen entscheidende Funktionen
übernimmt.
Diese Vielseitigkeit der Moleküle könnte auch erklären helfen, wie das Leben seinen Anfang nahm. So können
Nukleinsäuren beispielsweise das Kopieren anderer Nukleinsäuren katalysieren. Hierbei ist wichtig, dass nur
Moleküle kopiert werden, deren Informationen weitergegeben werden sollen. Primer helfen in biologischen
Prozessen oft, diese „Spezies“ zu erkennen. Das sind kurze Nukleinsäuren mit einer bestimmten Sequenz, die mit
einem Teil des Moleküls, das kopiert wird, eine Doppelhelix bilden. Sie sind der Startpunkt für die Replikation und
verlängern sich im weiteren Prozess zur komplementären DNA-Strang.
Vor- und Nachteile der Haarnadel-Struktur
Ausgehend von solch einem System haben sich Georg Urtel und Thomas Rind aus der Arbeitsgruppe von Prof.
Dieter Braun (Biophysik, LMU München) gefragt, welche Eigenschaften diese DNA-Moleküle haben. In
Experimenten replizierten die Wissenschaftler dazu zunächst DNA mit einer sogenannten „Hairpin-Struktur“. Bei
diesen Molekülen sind einige Basen am Anfang und am Ende komplementär und bilden kurze Paarfolgen, so dass
die Enden des Moleküls aneinander binden. Die Form erinnert dem Namen entsprechend an eine Haarnadel.
Beim Kopieren eines DNA-Moleküls entsteht das in der Basenfolge dazu komplementäre Molekül, das exakte
Gegenstück sozusagen, da nur immer zwei der vier verschiedenen Basen zusammenpassen. Um beide Moleküle
replizieren zu können, benötigt man daher normalerweise zwei verschiedene Primer. Der Vorteil von HairpinMolekülen ist, dass das Ursprungsmolekül und das entsprechende Komplement den gleichen Primer benötigen.
„Das macht Hairpins zu relativ simplen Replikatoren“, erklärt Georg Urtel. „Allerdings erschwert die Hairpin-Struktur
das Anbinden der Primer an das DNA-Molekül und bremst die Replikationsrate. Dieses Problem haben Spezies
ohne Hairpin-Struktur nicht“.
In ihren Experimenten entdeckten die Wissenschaftler, dass durch Kooperation von zwei simplen Hairpin-Spezies
ein deutlich schnellerer Replikator entsteht, der zwei Primer benötigen. Die ausgewählten Hairpin-Spezies
benötigten unterschiedliche Primer, besaßen aber ansonsten teilweise identische Sequenzen. Im ersten Schritt
des Übergangs muss die Replikation eines Hairpin-Moleküls unterbrochen werden. „In der Regel sind
Replikationsprozesse in der Natur nie perfekt“, so Dieter Braun. „Dieses Verhalten muss man nicht erzwingen,
sondern es passiert stochastisch und wir nutzen das für unsere Experimente“. Ein unfertig repliziertes HairpinMolekül kann nun an ein Molekül der zweiten Spezies binden und dabei wie ein Primer verlängert werden. Das so
entstandene Molekül hat keine Hairpin-Struktur mehr, sondern stellt eine neue Spezies dar. Solche Crossbreeds
benötigen nun zwei Primer, replizieren allerdings viel schneller.
Vor dem Aussterben gerettet
In den Experimenten zeigte sich, dass DNA-Moleküle mit Hairpin-Struktur im Vergleich zu Crossbreeds bei
Verdünnung rasch aussterben. Durch die Bildung von Crossbreeds und die damit verbundene schnellere
Replikation kann Hairpin-DNA ihre Informationen in diesen sicher abspeichern und weiter kopieren.
Dass die Information tatsächlich erhalten bleibt, konnte durch die Umkehrreaktion gezeigt werden: Haben
Crossbreeds nur einen Primer zur Verfügung, entsteht die entsprechende Hairpin-Spezies durch einen ähnlichen
Übergangs-Prozess wie oben beschrieben. Weil ein Primer fehlt, stirbt nun der Crossbreed aus. „Der
Crossbreeding-Prozess erlaubt also nicht nur den Übergang von simplen, langsamen Replikatoren zu schnelleren
Replikatoren, sondern ermöglicht es zudem, sich an die Umweltbedingungen anzupassen“, beschreibt Georg Urtel
die Vorteile. „Solch ein Prozess zeigt uns daher auch, wie zu Beginn des Lebens bereits frühe Replikatoren
kooperiert haben könnten.“
Ludwig-Maximilians-Universität München
Literatur:
Georg C. Urtel, Thomas Rind, Dieter Braun
Reversible switching of cooperating replicators.
Physical Review Letters 2017; DOI: 10.1103/PhysRevLett.118.078102
https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.118.078102