Mit Papier versiegeln - Schwedter Numismatik

Belege für die Stadtgeschichte zu sammeln ist populär –
Siegel- und Reklamemarken führen dabei ein Schattendasein
Der Autor
Thomas Krause
ist Vorsitzender
der Fachgruppe
Numismatik im
Schwedter Kulturbund
e. V. und stellt hier
eine Besonderheit der
Vereinssammlung vor.
Herrschers oder des Staates
Reinheit und Wert des als
Zahlungsmittel dienenden
Metalls garantieren.
Die Siegelreliefs wurden früher ausschließlich in Wachs,
nach dem Mittelalter meistens in Siegellack, beides
weiche Materialien, mit
Petschaften eingedrückt. Sie
hatten entweder den Zweck,
Briefe und Behälter vor un-
Petschafte, die meistens aus
Bronze oder Messing bestehen und auf deren Stempelfläche das Siegelbild negativ
eingraviert ist, haben sich
von staatlichen, städtischen
und kirchlichen Siegeln eine
Reihe erhalten, befinden sich
jedoch fast ausschließlich
noch im Besitz dieser Behörden oder deren Rechtsnachfolger.
Mit Papier versiegeln
Merkwürdigerweise ist das
Sammeln von alten Siegeln,
das gegen Ende des letzten
Jahrhunderts sehr beliebt
war, im Gegensatz etwa zum
Münzensammeln nicht mehr
besonders populär. Dabei erfüllen Siegel, was ihre historische Bedeutung, ihren stilgeschichtlichen und künstlerischen Wert betrifft, ganz
ähnliche Voraussetzungen
wie die Münzen. Und wie
auf den Münzen erscheinen
auf den Siegeln in Reliefdarstellung zum großen Teil
die Symbole und Inschriften fürstlicher, staatlicher
oder sonstiger behördlicher
Macht.
Die Art der Verwendung jedoch und das Material sind
sehr unterschiedlich. Die
mit harten Stahlstempeln
geschlagenen Münzbilder
sollten mit der Autorität des
befugtem Öffnen zu sichern
oder auf Urkunden durch
das jeweilige Wappen oder
sonstige Hoheits- oder Persönlichkeitssymbole die in
ihr niedergelegten Willenserklärungen des Siegelers zu
bekräftigen. An deren Stelle
ist heute fast ausschließlich
die Namensunterschrift getreten.
Schon vor fast fünftausend
Jahren kannten die Sumerer in Mesopotamien Siegelzylinder aus graviertem
Stein, die auf Ton abgerollt
wurden. Griechen und Römer benutzten aus Stein
geschnittene Siegelstempel,
und seit der karolingischen
Zeit bis heute ist im ganzen
Abendland das Siegeln mit
Stempeln, oder genauer mit
Petschaften, wie man die
Siegelstempel nennt, üblich
gewesen.
Für den Sammler kommen
sie deshalb kaum in Frage,
um so mehr jedoch private
Petschafte aus dem 18. und
19. Jahrhundert, die man oft
im Handel findet. Die Griffe
sind meistens schön gedrechselt, aus Edelholz, aus
Elfenbein, Silber, gelegentlich auch aus Porzellan.
Es war auch üblich, vor
allem
bei
Handwerksmeistern, Kaufleuten und
Schiffskapitänen, Petschaften an der Kette zu tragen.
Diese hatten keinen Stiel,
sondern über der Stempelfläche eine meist angegossene
kräftige Öse zur Befestigung
an der Kette.
Ist also das Sammeln von
hundert- bis dreihundert
Jahre alten Petschaften nicht
allzu schwierig, so macht
dagegen das Aufspüren guter
alter Originalsiegel mehr
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Siegelmarken verschiedener Versicherungen
Siegelmarken des Magistrats von Schwedt a. O.
Amtsgericht
Gerichtsvollzieher
Bauamt der Stadt
Sparkasse der Stadt
Siegelmarken der Dragoner und der Firma
Theodor Hahn, letztere
wird von der Fachgruppe
noch gesucht. Ebenso
die Siegelmarke der
Schwedter Hagel- und
Feuer-VersicherungsGesellschaft (oben links)
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Mühe. Wenn man gelegentlich Glück hat, inhaltlich
relativ unbedeutende ältere
Urkunden mit Originalsiegeln günstig angeboten zu
bekommen, sind diese zumeist nicht besonders gut
erhalten und, soweit sie aus
Siegellack gefertigt wurden,
vielfach brüchig.
Doch es gibt für den Interessenten alter Siegel die Möglichkeit, Abformungen von
historischen Originalsiegeln
zu erwerben oder sich in
den Archiven, in denen sie
aufbewahrt werden, selbst
anzufertigen.
Ernsthaften
Sammlern sind die betreffenden Behörden meist recht
entgegenkommend.
Es gibt heute sehr viel besser zum Abdruck geeignete Kunststoffe als Wachs
und Siegellack. Sie haben
den Vorteil, dass das abgedrückte Bild meist noch
exakter erkennbar ist und
andererseits die alten wertvollen Petschafte nicht im
geringsten unter einer solchen Benutzung leiden.
Während des 19. Jahrhunderts ist das früher allgemein
auch bei weniger wichtigen
amtlichen
Schriftstücken
übliche Siegeln weitgehend
durch den Gummistempel
verdrängt
worden,
der
heute fast ausschließlich
benutzt wird. Auch solche
Gummistempel und deren
Abdrücke kann man sammeln.
In der Zeit zwischen 1870
und 1918 gab es noch einen
anderen, recht dekorativen
Reklamemarken der Firma Kaffee HAG
Werbemarken aus einer Serie, die verschiedene
Wappen vorstellt, hier die Stadt Schwedt
Werbemarke, herausgegeben zum 35jährigen
Bestehen des VEB Rohtabak Schwedt 19??
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Ersatz. Es waren die bunten,
zumeist runden und die Form
der Siegel nachahmenden,
aus Papier geprägten Siegelmarken, die gewöhnlich
inmitten einer umlaufenden
Schrift das Wappen der siegelnden Behörde trugen.
Konsulate, Magistrate von
Städten, Armeekorps, Heeresdivisionen, Eisenbahndirektionen u. a. verwendeten
solche Marken. Heute sind
sie kaum noch üblich, und
die ungeheure Vielzahl, die
es einmal gab, ist sicher
größtenteils vernichtet.
Sie wurden in beträchtlichem
Maße, außer in der Funktion
als Urkundensiegel, auch
als Verschlussmarken für
Postsendungen benutzt. Um
1900 hat man sie zeitweise
fast ebenso leidenschaftlich
gesammelt wie Briefmarken.
Noch bestehen Chancen,
komplette Sammlungen aus
der Zeit von vor hundert
oder achtzig Jahren im Trödelhandel aufzuspüren, weil
dieses Sammelgebiet lange
Zeit kaum beachtet wurde.
Die Schwedter Sammlung
umfasst eine Reihe von Siegelmarken, die als runde
oder ovale Aufklebesiegel
meist von Behörden, aber
auch von Firmen oder Privatpersonen stammen. Im
Königreich Sachsen waren
sie häufig auch rechteckig.
Die Maße betragen wenige
Zentimeter. Sie wurden von
etwa 1850 bis 1945 zur Versiegelung vor Briefumschlägen und zur Kennzeichnung
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Siegelmarke der Stadt
Schwedt am Juliusturm,
Foto: Th. Krause, 2012
von schriftlicher Korrespondenz verwendet. Oft waren
sie nicht nur farbig bedruckt
sondern außerdem geprägt.
Ab etwa 1920 nahm die Verwendung von Siegelmarken
allmählich ab und nach 1933
verwendeten sie nur noch
wenige Dienststellen.
Siegelmarken von Privatpersonen wurden oft mit Familienwappen oder sind mit
Initialen ausgeführt und amtliche Marken haben oft auch
ein Wappenmotiv. Das Sammeln von Siegelmarken gilt
als Teilgebiet der Erinnophilie oder ein Nebengebiet der
Philatelie. Gesammelt werden sie nach geographischen
Kriterien, Sachgebieten oder
Motiven.
Ein besonderes Interesse der
Schwedter Sammler gilt den
Reklame- oder Werbemarken, weil sie Belege für eine
längst vergangene, rege Geschäftstätigkeit in der Stadt
sind. Die Bezeichnung leitet
sich von der Briefmarke ab
und sie imitieren deren Charakter.
Im Format ähneln sie Briefmarken, sind aber oft etwas
größer. Die Reklamemarken sind normalerweise gezähnt, habe teilweise auch
einen Zahlenaufdruck und
erschienen häufig als Serien.
Sie verfügen über eine Gummierung, es finden sich aber
auch nicht gummierte Exemplare. Die Aufmachung und
Zielsetzung ist vergleichbar
mit Sammelbildern oder Plakaten.
Die Werbemarken hatten den
Höhepunkt ihrer Verbreitung
vor dem Ersten Weltkrieg.
Der Ursprung der Marken
reicht vor 1900 zurück. Ganze Firmen, wie die Berliner
Reklamemarkenzentrale
oder die Graphische Anstalt
Zerreis & Co in Nürnberg
waren auf die Herstellung
dieser kleinen Werbeträger
spezialisiert.
Quellen:
Hans Jürgen Hansen, Sammeln macht Spaß, Deutscher Bücherbund, 1976
www.numismatikschwedt.de