Willkommen und Abschied Große Waffen, kleine Hände Die Bundesregierung setzt auf noch rigideres Abschieben. Seiten 4 und 5 Kindersoldaten kämpfen mit deutschen Gewehren, Pistolen und Granaten. Seite 3 Foto: imago/Müller-Stauffenberg Freitag, 10. Februar 2017 STANDPUNKT Müllers Glas ist halb leer 72. Jahrgang/Nr. 35 Bundesausgabe 1,70 € www.neues-deutschland.de UNTEN LINKS Damit Berlin im internationalen Wettbewerb nicht völlig abgehängt bleibt, wird unverzüglich das Planfeststellungsverfahren zur Spreevertiefung eingeleitet. Aufgrund der gegenwärtigen erheblich beeinträchtigten Anlaufverhältnisse in den Berliner Häfen wurde ein jährlicher Ladungsverlust von rund 78,8 Mio. TEU (Standardcontainer) ermittelt. Die Europäische Kommission hat daher festgestellt, dass das Projekt Spreevertiefung »aus zwingenden Gründen überwiegenden öffentlichen Interesses« durchgeführt werden muss. Auch hat eine Verträglichkeitsprüfung keine gravierenden Auswirkungen auf den Schutz von Rattus norvegicus und Anubias Bucephalandra ergeben. Nach der Fahrrinnenveränderung von Elbe, Havel und Spree können künftig auch die größten Containerschiffe bei voller Ladung tidenunabhängig den neuen Großhafen BerlinBrandenburg (HABER) »Hartmut Mehdorn« in der Rummelsburger Bucht erreichen. Er soll nächste Woche eröffnet werden. rst ISSN 0323-3375 Die Biathlon-WM wird weder für den Weltverband IBU noch für die russischen und kasachischen Teams eine sonderlich schöne Veranstaltung. Seite 18 Foto: imago/Hartenfelser Containerriesen müssen warten Aufbauplan für Afrikas Zukunft Bundesverwaltungsgericht verlangt Änderungen bei Plänen zur Elbvertiefung Zweiter deutsch-afrikanischer Wirtschaftsgipfel in Nairobi Martin Ling über den Marshall-Plan für Afrika Es ist heiß in Nairobi und Minister Müllers Glas halb leer. Der Marshall-Plan für Afrika enthält fraglos wichtige und richtige Elemente: An den Eckpunkten Wirtschaftsinvestitionen und berufliche Bildung ist per se nichts auszusetzen. Afrika braucht sicher beides und Afrika braucht sicher auch in vielen Ländern eine bessere Regierungsführung, entwicklungsorientiertere Eliten und weniger Korruption. Der Herz-Jesu-Sozialist hat wie immer nicht gänzlich unrecht: »Wir brauchen wirtschaftliche Zusammenarbeit in einer völlig neuen Dimension. Das bedeutet nicht ein Mehr an öffentlichen Geldern, sondern ein Mehr an Investitionen.« Der erste Satz stimmt, der zweite ist nur grammatikalisch richtig. Afrika braucht selbstverständlich auch ein Mehr an öffentlichen Geldern, wie sonst könnte der immense Nachholbedarf bei öffentlichen Gütern von Bildung über Gesundheit bis hin zu Transport sukzessive gedeckt werden? »Afrika ist reich an Bodenschätzen und Natur. Daraus können Millionen Arbeitsplätze entstehen, wenn die Verarbeitung und damit die Wertschöpfung in den Ländern selbst verbleiben.« Ja, Herr Müller, diese Gemeinplätze sind seit kolonialen Zeiten richtig und doch gilt auch noch 2017: Die vor Ort verarbeiteten Rohstoffe werden in der EU noch immer mit Zöllen belegt, die Rohstoffe nicht. Genau umgekehrt müsste es sein, dann wäre wenigstens eine conditio sine qua non erfüllt, der noch eine Menge andere folgen müssten. Russland auf WM-Entzug Nairobi. Mit Hunderten Teilnehmern aus Wirtschaft und Politik hat der zweite deutschafrikanische Wirtschaftsgipfel in Kenias Hauptstadt Nairobi begonnen. Die deutsche Delegation wird von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries und Entwicklungsminister Gerd Müller angeführt. Kenias Präsident wurde von Außenministerin Amina Mohamed vertreten. Das zweitägige Treffen soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen afrikanischen Ländern und Deutschland vertiefen. Es wurde von der Subsahara-Afrika-Initiative der Deutschen Wirtschaft organisiert. »Es ist zum einen ein Weckruf an die deutsche Wirtschaft, Afrika jetzt in den Fokus zu nehmen«, sagte Müller vor der Eröffnung. »Es ist der Chancenkontinent. Es ist auch der Wachstumskontinent von morgen.« Gleichzeitig müssten auch die afrikanischen Regierungen daran arbeiten, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Der von Müller präsentierte »Marshallplan« sei einer »mit Afrika, nicht für Afrika«, betonte der Minister. dpa/nd Exportüberschuss auf Rekordniveau Ökonomin Christa Luft fordert Stärkung der Binnenkaufkraft Groß und klein im Hamburger Hafen: ein Containerschiff und ein Schlepper Berlin. Die Welthandelspötte werden in ihren Ausmaßen und Transportkapazitäten immer gewaltiger und so manche Binnenwasserstraße – wie Flüsse in Wirtschaftskreisen genannt werden – kann da nicht mehr mithalten. Das gilt auch für die Elbe. Vor allem das rund 60 Kilometer lange Stück zwischen Nordseemündung und Deutschlands größtem Seehafen in Hamburg ist außerhalb der kurzen Flutzeiten zu schmal und zu flach für die richtig großen Containerschiffe. Zum nunmehr neunten Mal sollen daher die Bagger anrollen und die Fahrrinne der viel befahrenen Wasserstraße vertiefen sowie verbreitern, so wollen es die Ham- Foto: iStock/hokafaja/Sabine Hortebusch burger Wirtschaft, die Gewerkschaft und auch die Landesregierung. Es gibt vor allem im stark betroffenen Niedersachsen erhebliche Bedenken etwa bei Fischern und Obstbauern – aus der Perspektive des Hochwasser- und auch des Umweltschutzes. Einer Klage von Umweltverbänden, die vor allem den äußerst seltenen SchierlingsWasserfenchel von dem Großprojekt akut bedrohten sehen, wurde am Donnerstag vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig höchstrichterlich in Teilen stattgegeben. Demnach seien die Verträglichkeitsprüfung für die streng geschützte Wasserpflanze mangelhaft und die vorzunehmenden Ausgleichsmaßnahmen nicht ausreichend, so die Richter. Nun müssen die Hamburger Planungen ergänzt werden, aber nicht ganz von vorne beginnen. Bis dahin, so die Richter, dürfen die Baggerarbeiten nicht beginnen. Eine bereits 15-jährige Hängepartie setzt sich damit fort. Während die Befürworter einen kurzen Änderungsprozess machen wollen, fordern die Kritiker Genauigkeit. Auf jeden Fall läuft die Zeit für letztere: Je länger sich der Baggerstart hinausschiebt, umso wahrscheinlicher wird es, dass alternative Hafenkonzepte auf die Agenda kommen. KSte Seite 2 Trump repetiert rüde Richterschelte US-Präsident nennt Anhörung zu seinem Dekret »einfach schändlich« / Neuer CIA-Chef reiste in die Türkei Während Trumps Einreiseverbote juristisch geprüft werden, schlägt der US-Präsident weiter verbal um sich. Gegenwind kommt auch aus Hollywood. Washington. Mit seiner Richterschelte stößt US-Präsident Donald Trump nun auch bei seinem eigenen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof auf Kritik. Der konservative Richter Neil Gorsuch missbillige die jüngsten Attacken des Präsidenten gegen Richter und Gerichte, so ein Sprecher Gorsuchs. Der US-Senat bestätigte derweil den als äußerst umstritten geltenden Jeff Sessions als neuen US-Justizminister. Auf die Entscheidung eines USBundesrichters einer unteren Instanz, die von Trump verhängten Einreiseverbote gegen sieben Länder vorläufig landesweit aufzuheben, hatte der Präsident mit wütenden Attacken im Kurzmitteilungsdienst Twitter reagiert. Die Entscheidung nannte er »lä- cherlich«. Den Richter James Robart verhöhnte er zudem persönlich – indem er ihn als »sogenannten« Richter bezeichnete. Am Mittwoch (Ortszeit) legte Trump nach. Bei einer Rede vor Polizeichefs in Washington beschwerte er sich darüber, dass die Gerichte zu »politisiert« seien. Die Anhörung zu seinem Dekret vor einem Bundesberufungsgericht in San Francisco am Dienstag bezeichnete der Präsident als »einfach schändlich«. Der Streit um den Einreisebann wird derzeit vor einem Bundesberufungsgericht weiter ausgefochten. Eine Entscheidung wird zum Ende der Woche erwartet. Letztlich ist damit zu rechnen, dass der Fall vor dem Obersten Gericht in Washington landet. Derweil hat eine der wichtigsten Künstleragenturen in Hollywood, die United Talent Agency, ihre traditionelle Oscar-Party aus Protest gegen die Einreiseverbote abgesagt. Normalerweise richtet die Agentur, die Stars wie die Regie-Brüder Ethan und Joel Cohen, den Schauspieler Harrison Ford und die Sängerin Mariah Carey unter Vertrag hat, jedes Jahr eine Gala in der Luxusvilla ihres Chefs Jim Berkus aus. Dieses Jahr wird UTA stattdessen zwei Tage vor der Preisverleihung am 26. Februar eine Protestveranstaltung gegen Trump in ihrem Büro in Beverly Hills organisieren, wie Medien meldeten. Auch werde die Agentur 250 000 Dollar an die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU und die Hilfsorganisation International Rescue Committee spenden. Unterdessen ist der neue CIADirektor Mike Pompeo am Donnerstag zu einem Besuch nach Ankara gereist. Bei seinen Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Geheimdienstchef Hakan Fidan werde es um den Syrien-Konflikt und die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehen, berichteten türkische Me- dien. Es ist die erste Auslandsreise von Pompeo seit seiner Ernennung an der Spitze des US-Auslandsgeheimdiensts. Der Besuch erfolgt zwei Tage nach einem Telefonat zwischen Erdogan und Trump. Erdogan hofft, dass Trump ihm in zentralen Fragen entgegenkommt, nachdem sein Verhältnis zu Trumps Vorgänger Barack Obama zuletzt stark angespannt war. Agenturen/nd Personalie Seite 4 } Lesen Sie morgen im wochen-nd Women’s March: US-Frauenemanzipation Die Identitären & ihre rechte Kulturrevolution Etikettenschwindel mit Lebensmitteln Wiesbaden. Die deutsche Außenhandelsbilanz hat im Jahr 2016 mit dem bisher höchsten Überschuss abgeschlossen. Die Differenz von Exporten und Importen stieg auf 252,9 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. 2015 hatte der Außenhandelsüberschuss noch 244,3 Milliarden Euro betragen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von 1,21 Billionen Euro ins Ausland geliefert, ein Anstieg um 1,2 Prozent. Die Einfuhren erhöhten sich um 0,6 Prozent auf 954,6 Milliarden Euro. Besonders kräftig war die Nachfrage nach »Made in Germany« in der EU. Die Rekordzahlen dürften die Kritik an den hohen Überschüssen Deutschlands befeuern. Die neue US-Regierung kündigte bereits protektionistische Maßnahmen gegen Überschussländer an. Die Berliner Ökonomin Christa Luft fordert im nd-Beitrag die Bundesregierung auf, »das massive Außenhandelsungleichgewicht langfristig zu verringern«. Etwa indem die Binnenkaufkraft durch Lohnerhöhungen gestärkt wird. nd Seite 4 Beileid zum Tod türkischer Soldaten Opfer von russischem Luftangriff Istanbul. Bei einem russischen Luftangriff in Syrien sind drei türkische Soldaten getötet worden. Die türkischen Streitkräfte teilten am Donnerstag mit, drei ihrer Soldaten seien »versehentlich« getötet und elf weitere verletzt worden, als ein russisches Flugzeug ein Gebäude bombardiert habe. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan in einem Telefonat sein Beileid aus. Die türkische Armee belagert die syrische Stadt Al-Bab, die von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliert wird. Bei heftigen Kämpfen um die Stadt wurden in den letzten Tagen bereits zehn türkische Soldaten getötet. Bei ihrer Offensive wird die türkische Armee von der russischen Luftwaffe ebenso wie von der US-geführten Anti-ISKoalition unterstützt. Die Regierung in Ankara hatte den USA vorgeworfen, sie bei der Offensive auf Al-Bab im Stich zu lassen. Die USA hatten jedoch entgegnet, dass der Einsatz nicht mit ihnen abgesprochen gewesen sei. Ankara hatte daher Russland um Unterstützung gebeten. AFP/nd
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