Unabsichtlich überlassene Gewinne

Unabsichtlich überlassene Gewinne
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Hermann Dück, Siegen
Rechtsreferendar Dr. Christopher Weidt, Siegen
A. Problemstellung .............................................................................................................. 1
B. Grundsätzliche Fragestellungen ..................................................................................... 3
I. Sachenrechtliche Betrachtung bezüglich des Korkens ............................................... 3
1. Einigung und Übergabe ........................................................................................ 3
2. Dereliktion ............................................................................................................. 4
II. Schuldrechtliche Betrachtung bezüglich des Gewinns .............................................. 6
1. Rechtsbindungswille und Reichweite .................................................................... 6
2. Auslobung .............................................................................................................. 7
C. Fragestellungen im Innenverhältnis ............................................................................... 9
I. Konstellation 1: Der Gruppenkauf ............................................................................. 9
1. BGB-Gesellschaft (GbR) ....................................................................................... 9
2. Vertrag sui generis .............................................................................................. 10
3. Ungerechtfertigte Bereicherung .......................................................................... 12
4. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ............................................................... 13
II. Konstellation 2: Die Geburtstagseinladung ............................................................ 13
1. Keine rechtsgeschäftlichen Pflichten .................................................................. 13
2. Gefälligkeitsverhältnis ........................................................................................ 14
3. Reichweite und Auslegung .................................................................................. 14
4. Herausgabeanspruch .......................................................................................... 15
D. Ergebnis ....................................................................................................................... 16
A. Problemstellung
Gewinnspiele fallen Konsumenten im Internet, TV und Printmedien
ständig ins Auge. In der Vergangenheit haben insbesondere Lebensmittelhersteller oder -verkäufer Gutscheine für Gewinne unmittelbar in
ihren Produkten platziert. So kann man etwa durch Kronkorken diverser
Brauereien1 von einer Currywurst über einen PKW bis hin zum Traum____________________
1
www.veltins-brausparen.de/teilnahmebedingungen/; www.koestritzer.de/aktionen/
2
Dück/Weidt
haus gleich „doppelt“ vom Biergenuss profitieren. Der Gewinn(code)
steht idR auf der Innenseite des Flaschendeckels und offenbart sich dem
Konsumenten beim Öffnen der Flasche. Im Fall eines Gewinns kann der
Besitzer den Gutschein bei der Brauerei einlösen.
Genauere Betrachtung verdienen vor diesem Hintergrund zwei Konstellationen: (1) Im Februar 2017 wird vor dem LG Arnsberg2 ein Fall
verhandelt, der deutschlandweit Aufsehen erregt hat.3 Eine Gruppe von
Freunden traf sich in gemütlicher Runde zum Biertrinken, die Kosten für
die beiden gekauften Kisten wurden geteilt. Ein Teilnehmer öffnete eine
Flasche und legte den Kronkorken zu weiteren auf den Tisch. Dann
bemerkte ein anderer, dass der Deckel sich von den übrigen unterschied
und entdeckte schließlich den Gewinn – einen von 111 Audi A3. Er löste
den Gewinn später auch ein. Ein anderes Gruppenmitglied nimmt ihn auf
Zahlung seines Anteils iHv ca. 5.700 Euro in Anspruch.
Etwas anders liegt Konstellation (2): Der Gast einer Geburtstagsfeier
oder Essenseinladung gelangt – sei es durch wahlloses Herausnehmen
aus einer bereitstehenden Kiste oder durch Übergabe des Gastgebers –
an eine Gewinn-Flasche. Gutscheinbesitzer und Käufer der Flasche sind
dann unterschiedliche Personen. Fraglich ist dann, wer den Gutschein
einlösen darf und damit Anspruch auf den Gewinn hat.
Während die Fragen, wer Eigentümer des Korkens ist4 bzw. an wen
die Brauerei leisten muss,5 jedenfalls im Grundsatz für beide Konstellationen (gemeinsam) erörtert werden können, ist die Frage nach einem
möglichen Ausgleich im Innenverhältnis (wegen dessen Besonderheiten
im Einzelfall) getrennt für den Gruppenkauf6 und die Geburtstagsfeier7
zu beantworten.
____________________
kronkorkenaktion-2016/.
2
LG Arnsberg, Az. I-1 O 151/16, siehe auch den Terminhinweis unter: www.lgarnsberg.nrw.de/behoerde/presse/Aktuelle_Pressemitteilungen/TerminhinweiseZivilverfahren-Februar-2017.pdf.
3
www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-nach-kronkorken-gewinn-wem-gehoertdas-auto-a-1127461.html;
www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-meschedeeslohe-bestwig-und-schmallenberg/schmallenberger-streiten-nach-kronkorken-aktionid12388475.html.
4
Siehe hierzu B. I.
5
Siehe hierzu B. II.
6
Siehe hierzu C. I.
7
Siehe hierzu C. II.
Unabsichtlich überlassene Gewinne
3
B. Grundsätzliche Fragestellungen
I. Sachenrechtliche Betrachtung bezüglich des Korkens
Auf den ersten Blick scheinen sachenrechtliche Dimensionen nebensächlich zu sein. Selbst, wenn jemand Eigentümer geworden ist und
daher für den früheren Besitzer (Käufer/Gastgeber) kein Herausgabeanspruch – etwa aus § 985 BGB – besteht, könnte gleichwohl ein Anspruch
aus § 812 BGB in Betracht kommen. Es ist jedoch denkbar, dass eine
Kondiktion ausscheidet. Die sachenrechtlichen Fragen gewinnen dann
Bedeutung und sind daher in jedem Fall vor der Prüfung des § 812 BGB
zu untersuchen.
1. Einigung und Übergabe
Besteht in Ermangelung einer schuldrechtlichen Beziehung zwischen
den Mitgliedern einer Gruppe bzw. zwischen Gastgeber und Gast kein
Rechtsgrund, aus dem Ansprüche hergeleitet werden können, kommt
aufgrund des Trennungs- und Abstraktionsprinzips gleichwohl der Erwerbstatbestand des § 929 S. 1 BGB in Betracht. Die danach vorausgesetzte Einigung ist jedoch ein sogenannter dinglicher Vertrag, der ebenfalls Angebot und Annahme iSd §§ 145 ff. BGB erfordert.8 Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip würde jedoch durchbrochen, wenn man
für die Intensität des Rechtsbindungswillens iRd dinglichen Vertrages
die gleichen Kriterien wie für ein Kausalgeschäft fordern würde, denn
dann müsste ein solches immer zugrunde liegen.9 Der Inhalt des dinglichen Vertrages beschränkt sich damit ausschließlich auf die Rechtsänderung, er kennt insbesondere keine Einigung über den (Rechts-)Grund für
die Verfügung.10 Der Begriff des Rechtsgrundes darf dabei nicht missverstanden werden. Zu leichtfertig geht man davon aus, dass ein solcher
lediglich ein schuldrechtlicher Vertrag ist. Der Begriff reicht jedoch
weiter. Es zählt vielmehr jeder erdenkliche Behaltensgrund,11 dieser
muss nicht zwangsläufig ein schuldrechtlicher Vertrag sein, sondern
könnte zB auch in der Einladung als Gefälligkeitsverhältnis liegen. 12
Fraglich ist mithin, ob sich die Mitglieder einer Gruppe bzw. Gastge____________________
8
Berger, in Jauernig, BGB, 16. Aufl. 2015, § 929, Rn. 4.
Oechsler, in MünchKommBGB, 7. Aufl. 2017, § 929, Rn. 24, 8.
10
Oechsler, in MünchKommBGB, 7. Aufl. 2017, § 929, Rn. 8; Wiegand, in Staudinger, 2017, Vor §§ 929-931, Rn. 8 ff; ders., in Staudinger, 2017, § 929, Rn. 9 ff.
11
Schwab, in MünchKommBGB, 6. Aufl. 2013, § 812, Rn. 338 mwN.
12
Näher unten C. II. 2.
9
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Dück/Weidt
ber und Gast auf die Eigentumsübertragung geeinigt haben. Hinsichtlich
des Flascheninhalts dürfte dies jedenfalls konkludent der Fall sein. Für
die Flasche selbst gilt nach allgemeiner Lebensanschauung wohl das
Gegenteil, da der Käufer bzw. Gastgeber im Allgemeinen den Anspruch
auf das Flaschenpfand wird behalten wollen. Der Kronkorken bildet
jedoch eine eigenständige Problematik, da es darauf für den Pfandanspruch nicht ankommt. Zwar gehört der Kronkorken jedenfalls beim
Kauf im Supermarkt zur Funktionsfähigkeit der Flasche dazu. Von einer
bewussten oder konkludenten Einigung auf die Übertragung an ein (bestimmtes) Gruppenmitglied oder an einen Gast kann gleichwohl nicht
die Rede sein, weil der Verbleib des Kronkorkens den Beteiligten grundsätzlich egal sein dürfte.
Anders dürfte der Fall nur dann zu beurteilen sein, wenn vor Gericht
ein entsprechend substanziierter Sachvortrag für eine Behaltensabsicht
des Käufers bzw. Gastgebers spricht. Indizien dafür könnten etwa eine
Kronkorkensammlung oder der Wunsch nach fachgerechter Entsorgung
sein. Als Absicht taugt natürlich auch der latente Wunsch, am Gewinnspiel teilzunehmen. Problematisch dabei ist, dass sich dieser Wunsch
zumeist erst in der ex-post Betrachtung manifestiert, wenn bereits feststeht, dass es sich um einen Deckel mit Gewinngutschein handelt. Für
die Eigentumsübertragung iSd § 929 S. 1 BGB kommt es jedoch auf das
Einigsein bei Übergabe an.13
2. Dereliktion
Das fragliche Gruppenmitglied bzw. der Gast könnte dadurch Eigentümer werden, dass der iSv § 959 BGB herrenlos gewordene Kronkorken gemäß § 958 I BGB in Besitz genommen wird. Erforderlich ist, dass
der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den
Besitz der Sache aufgibt. Bei der Eigentumsaufgabe handelt es sich nach
hM um einen Doppeltatbestand.14 Dieser besteht (1) aus einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung, die zum Ausdruck bringt, auf das
Eigentum zu verzichten und (2) aus der tatsächlichen Besitzaufgabe.
IdR kommt es bei der Dereliktion nicht zu einer ausdrücklichen Willenserklärung; es kommt auf Indizien an.15 Dereliktionsabsicht bei der
____________________
13
BGHZ 7, 111 (115); BGH NJW 1978, 696.
Henssler, in Soergel, 13. Aufl. 2002, § 959, Rn. 1; Oechsler, in MünchKommBGB, 7. Aufl. 2017, § 959, Rn. 3; Wiegand/Gursky, in Staudinger, 2017, § 959,
Rn. 1.
15
Vgl. auch oben B. I. 1.
14
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5
Besitzaufgabe wird man dann annehmen müssen, wenn der ursprüngliche Eigentümer zum Zeitpunkt der Besitzaufgabe nichts dagegen hatte,
dass sich ein anderer die Sache zueignen könnte.16 Im Einfüllen des
Hausmülls in die Mülltonne erblickt die hM grundsätzlich einen Dereliktionswillen.17 Für den Kronkorken wird es ebenso wie iRd § 929 BGB
darauf ankommen, ob auch bei der Übergabe der Flasche an ein bestimmtes Gruppenmitglied oder an einen Gast der Wille besteht, den
Kronkorken zu behalten. Die allgemeine Verkehrsanschauung spricht
jedoch eher dagegen,18 was zur Folge hat, dass sich ein Gruppenmitglied
oder der Gast den Kronkorken und damit den Anspruch auf dessen Einlösung gegen den Gewinn19 gemäß § 958 I BGB durch Inbesitznahme
aneignen kann.
Letztlich kommt man damit jedoch zu dem Ergebnis, dass die Gedankenlosigkeit iRd § 929 S. 1 BGB für den Gastgeber spricht, während sie
iRd §§ 958 f. BGB eher für den Gast spricht. Dies fußt allerdings auf
einer rein formalen Betrachtungsweise, die durch wertende Gesichtspunkte untermauert werden müsste. Hier könnte jedoch die Wertung des
§ 657 BGB20 zu beachten sein, nach der die Belohnung demjenigen zu
entrichten ist, welcher die Handlung (wohl: Kauf der Flasche) vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung
gehandelt hat. Insofern würde der Erwerb der Flasche dazu führen, dass
der Käufer auch unabsichtlich am Gewinnspiel teilnehmen kann, sofern
er den Gutschein nicht bewusst überträgt. Dann wäre für die Dereliktionsabsicht höhere Maßstäbe anzulegen, die im Lichte eines wenigstens
unterschwelligen Teilnahmewunsches am Gewinnspiel („sachgedankliches Mitbewusstsein“21) auszulegen wären.
Die Anfechtung22 des Verzichtswillens aufgrund des nachträglich
____________________
16
Fritsche, MDR 1962, 714; vgl. auch oben B. I. 1.
Schall, NJW 2010, 1248 (1251); Wiegand/Gursky, in Staudinger, 2017, § 959,
Rn. 3; Berger, in Jauernig, 16. Aufl. 2015, § 959, Rn. 3.
18
Siehe oben B. I. 1.
19
Es handelt sich um ein Inhaberpapier iSd § 807 BGB, da der jeweilige Inhaber
den Anspruch gegen den Schuldner geltend machen kann und dieser befreiend an ihn
leisten kann. Ob der tatsächliche Inhaber jemand anders ist, ist im Gegensatz zu § 793
BGB unerheblich.
20
Näher hierzu unten B. II. 2.
21
Der Begriff bedeutet iRd Irrtumserregung beim Betrug, dass man sich auch über
Tatsachen täuschen kann, von denen man nicht aktuell, sondern durch ständiges Begleitwissen ausgeht, vgl. etwa BGH NStZ 2014, 215 (216).
22
Auch bei § 959 grundsätzlich möglich, vgl. Wiegand/Gursky, in Staudinger, 2017,
§ 959, Rn. 1.
17
6
Dück/Weidt
festgestellten Gewinns dürfte jedenfalls dann nicht möglich sein, sofern
sich der ursprüngliche Eigentümer vor dem Wegwerfen gar keine Gedanken über die Gewinnmöglichkeit gemacht hat. Dies dürfte wohl der
Regelfall sein. Es ist jedoch ebenfalls vertretbar, aufgrund der aktuellen
Häufigkeit solcher Gewinnspiele einen Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft des Kronkorkens zuzulassen, wenn man annimmt, dass
der Käufer bzw. der Gastgeber der Feier davon ausgeht, ohnehin nichts
zu gewinnen. Dabei würde es sich um einen gemäß § 119 II BGB beachtlichen Motivirrtum handeln.
II. Schuldrechtliche Betrachtung bezüglich des Gewinns
1. Rechtsbindungswille und Reichweite
Dass sich ein Gericht mit dieser Fragestellung beschäftigen muss,
dürfte bislang einzigartig sein. Denkbar ist eine ganze Reihe vertretbarer
rechtlicher Lösungen, für die zunächst die Frage nach dem Vorliegen
eines Rechtsbindungswillens zu klären ist. Dies richtet sich danach, ob
der Erklärungsempfänger gem. §§ 133, 157 BGB aus den Äußerungen
des Erklärenden auf einen Rechtsbindungswillen schließen darf, oder
nicht.23 Entsprechend der Antwort käme man entweder zu einer vertraglichen Lösung oder müsste die Reichweite von Realakten und Gefälligkeitsverhältnissen untersuchen.
Regelmäßig kommt es für die Abgrenzung zwischen Vertrag und Gefälligkeit jedoch auf Indizien und Begleitumstände an. Relevant sind u.a.
Art, Umfang, Grund und Zweck der Abrede,24 insbesondere aber ihre
wirtschaftliche Bedeutung.25
Problematisch an diesen Voraussetzungen ist allerdings, dass sie sich
im Kern auf Auftragskonstellationen beziehen. Daraus wollen die Parteien Haftungs- und Leistungsansprüche ableiten.26 Auf die vorliegende
Konstellation scheint dies auf den ersten Blick nicht zu passen.
Daher ist eher allgemeiner danach zu fragen, ob zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis mit schuldrechtlich durchsetzbaren, einklagbaren
____________________
23
BGHZ 21, 102.
Paulus, JuS 2015, 496 (497); Bork, in Staudinger, 2010, Vor §§ 145-156, Rn. 80
ff. mwN; BGH NJW 1992, 498.
25
BGHZ 56, 210; BGHZ 93, 795.
26
Berühmt wurde etwa der Fall BGH NJW 1974, 1705, bei der eine LottoTippgemeinschaft ein Mitglied, das vergessen hatte den Gewinnerschein abzugeben,
auf den Schadensersatz in Anspruch nehmen wollte.
24
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7
und vollstreckbaren Pflichten zustande kommen soll.
Möglicherweise liegt die eigentliche Fragestellung für beide Konstellationen gleichwohl in einem nachgelagerten Zeitpunkt. Unabhängig von
der Frage der Leistungspflichten des Gastgebers beziehungsweise der
Gruppe gegenüber dem einzelnen Konsumenten kommt es auf die
Reichweite der Übertragung an. Anders gewendet: selbst wenn man
einen durchsetzbaren Anspruch des Geburtstagsgastes oder Gruppenmitgliedes auf Teilhabe am Bierkonsum bejaht, ist zu klären, ob sich der
Anspruch auch auf die Flasche und den Kronkorken selbst bezieht. Dies
gilt umso mehr, wenn wie im vorliegenden Fall (1) die Gruppe sogar die
Pfandkosten untereinander aufgeteilt hat. Es bestand also Einigkeit darüber, dass unabhängig von der Konsummenge des einzelnen die Pfandkosten bzw. der Anspruch auf Rückgabe des Flaschenpfandes auf alle
umgelegt werden.
Eine besondere Problematik liegt schließlich darin, dass der „Gewinngutschein“ letztlich jedoch nicht die Flasche selbst, sondern der
Kronkorken ist. Dieser spielt für den Pfandanspruch gar keine Rolle.
2. Auslobung
Aus dem Kreis vertraglicher Schuldverhältnisse sind angesichts der
Gewinnspielsituation zunächst die Bestimmungen zur Auslobung von
Interesse. Diese betreffen zwar (primär) das Verhältnis zwischen Auslobendem und demjenigen, der die Auslobung in Anspruch nimmt. So ist
gemäß § 657 BGB die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die
Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf
die Auslobung gehandelt hat. Ebenso geben die Regelungen der Auslobung jedoch Auskunft darüber, wie im Falle der Beteiligung mehrerer
Personen zu verfahren ist. Haben mehrere zu dem Erfolg mitgewirkt, für
den die Belohnung ausgesetzt ist, so hat der Auslobende die Belohnung
nämlich unter Berücksichtigung des Anteils eines jeden an dem Erfolg
nach billigem Ermessen unter sie zu verteilen (§ 660 I 1 BGB). Bei offenbarer Unbilligkeit ist die Verteilung laut § 660 I 2 BGB unverbindlich und durch Urteil vorzunehmen. Ein gewisser Bezug zur vorliegenden Konstellation des Gruppenkaufs, wie diese demnächst vor dem LG
Arnsberg verhandelt wird, 27 ist daher durchaus gegeben, sofern die genannten Voraussetzungen vorliegen sollten.
Gerade hier stellen sich jedoch schwierige Grenzfragen. Unklar erscheint bereits der Umstand, welches die maßgebliche Handlung im
____________________
27
Siehe hierzu oben A.
8
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Rahmen der Auslobung sein soll.28 Genügt die bloße Einlösung des Gewinnkorkens oder kommen auch vorgelagerte Tätigkeiten wie der Erwerb des Produkts in Betracht? Ebenso wie der Begriff der Handlung ist
auch derjenige des Erfolgs auslegungsbedürftig. Die Klärung wird eher
noch dadurch erschwert, dass die Handlung insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolgs durchgeführt werden kann und die Belohnung
auch dann zu leisten ist, wenn nicht mit Rücksicht auf die Auslobung
gehandelt wird (§ 657 BGB). Aus Sicht des Auslobenden wird der Erfolgseintritt regelmäßig die Ablieferung des Kronkorkens für die Entgegennahme des Gewinns sein, was jedoch nichts über die möglicherweise
bestehende Beziehung zwischen mehreren Handelnden bei einem Gruppenkauf aussagt.
Es ließe sich nämlich argumentieren, dass dieser Erfolg zwangsläufig
den vorherigen Kauf der Ware voraussetzt. Dass § 660 I 1 BGB eine
Mitwirkung mehrerer an dem Erfolg zulässt, kann in diesem Zusammenhang jedenfalls ein Indiz dafür sein, dass die Belohnung nicht einem
Einzelnen, sondern unter Umständen der Gruppe zustehen kann. So
beschreibt die Mitwirkung einen Sachverhalt, bei dem die Handlung (der
Erfolg) nur einmal bewirkt wird, dabei allerdings mehrere in dem Sinn
beteiligt waren, dass die Tätigkeit jedes einzelnen für die Bewirkung der
Handlung (Erfolg) ursächlich geworden ist. 29 Im vorliegenden Fall könnte eine entsprechende Sachlage nicht nur im Zusammenhang mit dem
Gruppenkauf gegeben sein, wenn etwa ein Gruppenmitglied die Ware
kauft, ein anderes die Flasche öffnet und eine dritte Person den GewinnKorken entdeckt bzw. an sich nimmt und diesen einlöst. 30 Übergibt der
Auslobende den Gewinn demjenigen, der den Korken abliefert, kann
dies als unbillige „Verteilung“ einer gerichtlichen Korrektur unterliegen
(§ 660 I 2 BGB). Was genau unbillig ist, hängt von noch zu bestimmenden Wertungskriterien ab.31 Angesichts der vielfältigen Auslegungsfragen im Rahmen der Auslobung lassen sich allenfalls Anhaltspunkte aus
den Vorschriften der §§ 657 ff. BGB gewinnen, wem wohl der Gewinn
____________________
28
Vgl. nur Seiler, in MünchKommBGB, 6. Aufl. 2012, § 657, Rn. 9, 17, wonach
Anwendungsbereich, Zweck der Auslobung sowie Interesse des Auslobenden beliebig
sein können und als Handlung selbst eine faktische Tätigkeit oder ein Rechtsgeschäft in
Frage komme.
29
So Seiler, in MünchKommBGB, 6. Aufl. 2012, § 657, Rn. 3.
30
Siehe hierzu die Sachverhaltsschilderung in der Berichterstattung, vgl. etwa
www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-nach-kronkorken-gewinn-wem-gehoert-dasauto-a-1127461.html.
31
Näher hierzu B. I. 2., C. I. 3., II. 2., 4.
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in einer Konstellation des Gruppenkaufs gebührt. Dies gilt gerade auch
für etwaige nachfolgend untersuchte Beziehungen im Innenverhältnis.
C. Fragestellungen im Innenverhältnis
I. Konstellation 1: Der Gruppenkauf
1. BGB-Gesellschaft (GbR)
Vorstellbar ist, dass die Beteiligten eine BGB-Gesellschaft (GbR)
eingegangen sind und zumindest konkludent einen Gesellschaftsvertrag
gemäß § 705 BGB geschlossen haben. Danach können sich die Gesellschafter gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen
Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Unterstellt man, dass im Zuge des Gruppenkaufs tatsächlich eine GbR entstanden ist, bleibt immer noch die Frage nach dem gemeinsamen Zweck
und insbesondere dessen Reichweite. Entscheidend kann sein, ob es
lediglich um den Umtrunk als solchen oder auch die mit dem Kauf verbundene Gewinnmöglichkeit ging.32 Ob die Beteiligten zum Zeitpunkt
des Kaufs überhaupt das Gewinnspiel im Blick hatten, kann ebenfalls
eine Rolle spielen. Dies gilt umso mehr, als § 705 BGB hinsichtlich der
Zweckbestimmung bzw. -förderung den Passus „in der durch den Vertrag bestimmten Weise“ enthält. Mangels (expliziten) Gesellschaftsvertrags hätte dies auch Auswirkungen im Hinblick auf eine ergänzende
Vertragsauslegung anhand des hypothetischen Parteiwillens.33
Ob der Umstand der Kostenteilung, welcher sogar vereinbarungsgemäß34 das Flaschenpfand beinhalten sollte, als Beiträge der Gesellschafter iSv § 706 I BGB zu qualifizieren ist und dabei den Kronkorken (mitsamt Gewinn) umfasst, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Für den
Pfandanspruch bedarf es des Kronkorkens jedenfalls nicht. Neben den
Beiträgen der Gesellschafter umfasst das (gemeinschaftliche) Gesellschaftsvermögen gemäß § 718 I BGB zwar auch die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände. Dies setzt
dann aber voraus, dass es sich bei dem Kronkorken-Gewinn um einen
____________________
32
Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum Zweck geselliger Zusammenkünfte beim
FG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.06.2016 – 6 K 2803/15, Rn. 42 ff., BeckRS 2016,
95825.
33
Vgl. etwa BGH NJW 2016, 401 (402 f.) mwN.
34
Siehe hierzu oben A., B. II. 1.
10
Dück/Weidt
entsprechend für die Gesellschaft erworbenen Gegenstand handelt. Die
Einlösung des Kronkorkens müsste zudem als Geschäftsführung iSv
§§ 709 I BGB anzusehen sein. Dies wäre dann freilich nur gemeinschaftlich möglich und würde der Zustimmung (§ 709 I 2. Hs BGB) bzw. dem
Widerspruch der anderen Gesellschafter (§ 711 I 1 BGB) unterliegen.
Nur bei entsprechend weitreichendem Gesellschaftszweck, der die
Teilnahme der GbR an dem Gewinnspiel umfasst, ließe sich der Kronkorken-Gewinn als Erreichung des Zwecks mit Auflösung der GbR nach
§ 726 BGB qualifizieren. Dies hätte dann die Auseinandersetzung unter
den Gesellschaftern nach Maßgabe der §§ 730 ff. BGB zur Folge. Das
Verfahren der Auseinandersetzung wäre gemäß § 731 S. 1 BGB vor
allem auf die Verteilung des Überschusses iSv § 734 BGB gerichtet,
welcher den Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Anteile gebührt.
Einen „klassischen“ Überschuss als Differenz von Einnahmen und Ausgaben stellt ein Kronkorken-Gewinn gleichwohl nicht dar, sofern man
diesen nicht als eine Art „überschießende“ Einnahme der GbR beurteilt.
Unabhängig hiervon erfolgt die Auseinandersetzung im Übrigen gemäß
§ 731 S. 2 BGB in Form der Teilung nach den Vorschriften über die
Gemeinschaft (nach Bruchteilen) entsprechend den §§ 741 ff. BGB.35 So
ist (im Zweifel) anzunehmen, dass die Mitglieder der Gemeinschaft
gleiche Anteile (§ 742 BGB) und diesen Anteilen entsprechende Bruchteile an den Früchten (§ 743 I BGB) erhalten. Handelt es sich beim
Kronkorken-Gewinn um Frucht iSv § 99 BGB, könnten bei einem Gruppenkauf alle Teilnehmer hieran zu beteiligen sein. Früchte sind zwar
auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines
Rechtsverhältnisses gewährt (§ 99 III BGB). Gerade im Hinblick auf das
Rechtsverhältnis und dessen Reichweite besteht jedoch Ungewissheit.
Lassen sich Zweifel hieran ausräumen, kann nach Aufhebung der Gemeinschaft Teilung des Erlöses durch Verkauf des Spielgewinns nach
§ 753 I 1 BGB iVm § 752 BGB verlangt werden.
2. Vertrag sui generis
Die Beteiligten müssen jedoch keine der gesetzlich vorgesehenen
Konstruktionen für ein Schuldverhältnis wählen. In privatautonomer
Gestaltung hätten die Parteien auch einen Vertrag sui generis nach § 311
____________________
35
Verneint man in Ermangelung eines Rechtsbindungswillens die GbR, dürfte auch
die Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft zweifelhaft sein, da hierfür entweder ein
gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Entstehungstatbestand erforderlich ist, vgl.
K.Schmidt, in MünchKommBGB, 6. Aufl. 2013, § 741, Rn. 28 ff.
Unabsichtlich überlassene Gewinne
11
I BGB (konkludent) schließen können. Ein Vertragsabschluss (welcher
Art auch immer) ist hier auch insofern von Bedeutung, als der etwaige
Vertrag Grundlage für die ergänzende Vertragsauslegung wäre.36 Fehlt
es hieran, könnten mangels Indizien für den Parteiwillen vorhandene
Lücken nicht geschlossen werden. Dies gilt nicht zuletzt für die Frage,
wem ein Kronkorken-Gewinn zustehen soll. Bestünden mehrere Möglichkeiten der Lückenfüllung, würde dies die ergänzende Vertragsauslegung ebenfalls ausschließen, wenn unklar wäre, welche Regelung die
Parteien gewählt hätten.37 Fraglich ist hier bereits, ob die Parteien beim
Kauf überhaupt die Gewinnspielaktion – sofern sie sich dieser bewusst
wahren – einbezogen wissen wollten.
Letzteres könnte im Übrigen für eine mögliche Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB sprechen. Die divergierenden Ansichten der Parteien können zumindest ein Anhaltspunkt dafür sein, dass
sich nach Vertragsschluss Umstände schwerwiegend gemäß Absatz 1
verändert haben (kaum zu erwartender Kronkorken-Gewinn) bzw. nach
Absatz 2 wesentliche Vorstellungen als falsch herausgestellt haben (keine Teilnahme an einem Gewinnspiel durch den Gruppenkauf). Rechtsfolge von § 313 I BGB wäre die Anpassung eines möglicherweise geschlossenen Vertrags (mit Verteilungsregelung). Sämtliche der vorliegenden Überlegungen erfordern jedoch einen Rechtsbindungswillen38 als
Grundlage vertraglicher Regelung. Für einen Rechtsbindungswillen im
Rahmen eines Gruppentreffens, bei dem die Kosten für die Verpflegung
geteilt werden, dürfte sprechen, dass jedes Gruppenmitglied dadurch
einen Anspruch auf Teilhabe bzw. auf (Mit-)Verzehr der gemeinsamen
erworbenen Güter erworben haben und bei finanzieller Beteiligung gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen könnte. Lehnt man dies ab,
verbleibt gleichwohl noch die Möglichkeit eines Schuldverhältnisses
zwischen den Beteiligten kraft Gesetzes (im Folgenden).
____________________
36
Andernfalls – kein übereinstimmender subjektiver Wille feststellbar bzw. bestehende Differenzen – bliebe nur die Möglichkeit einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)
sowie des Zusammenhangs gemäß §§ 133, 157 BGB, siehe hierzu auch B. II. 1. und C.
II. 2.
37
BGH NJW 2016, 401 (403); BGH NJW 2015, 49 (51); BGH NJW 2006, 996
(999).
38
Siehe hierzu schon oben B. II. 1.
12
Dück/Weidt
3. Ungerechtfertigte Bereicherung
Im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse kommt zunächst die
ungerechtfertigte Bereicherung als rechtliche Grundlage für einen Anspruch in Betracht. Demnach kann von jemandem Herausgabe verlangt
werden, wenn dieser durch die Leistung eines anderen (Leistungskondiktion, § 812 I 1 1. Alt BGB) oder in sonstiger Weise (Nichtleistungskondiktion, § 812 I 1 2. Alt BGB) auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen
Grund erlangt. Während der Kronkorken-Gewinn einen vermögenswerten Vorteil und somit eine Bereicherung iSv § 812 I 1 BGB („etwas
erlangt“) darstellt, ist das Vorliegen einer Leistung wohl mangels bewusster zweckgerichteter Mehrung fremden Vermögens eher unwahrscheinlich. Dies hieße nämlich, dass die Gruppe demjenigen, der den
Kronkorken hat, diesen im Hinblick auf den resultierenden Gewinn wissentlich (bewusst) zukommen lassen wollte, und zwar gerade zwecks
Realisierung des Gewinns (zweckgerichtet). Naheliegender ist es dann,
eine Nichtleistungskondiktion anzunehmen, die sich dann, wenn der
möglicherweise Bereicherte in eine andere Rechtsposition (z.B. in das
Eigentum eines anderen)39 eingreift, sogar als Eingriffskondiktion gemäß
§ 812 I 1 2. Alt BGB („in sonstiger Weise“) darstellt.
Nimmt ein Teilnehmer der Gruppe also einen Korken an sich, der
zumindest nicht ihm alleine gehört und verfügt hierüber eigenmächtig,
kann dies schon ein Eingriff sein. Problematisch kann dabei jedoch die
Frage der Zuordnung des entsprechenden Gegenstands sein, wie auch
das nachfolgende Tatbestandsmerkmal des „auf Kosten eines anderen“
deutlich macht. Danach kommt es auf den Zuweisungsgehalt an; hat der
(vermeintliche) Bereicherungsgläubiger keine entsprechende Position,
zB Eigentum am Korken, wobei auch die Gebrauchs- und Verwertungsmöglichkeit erfasst ist,40 so kann dieser auch nicht herausverlangt werden. Neben Gegenstand und Umfang des Bereicherungsanspruches wird
hierdurch die Person des Anspruchsgegners bestimmt.41 Ein Herausgabeanspruch gemäß § 812 I 1 2. Alt BGB kann daher bereits daran scheitern, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Vermögensvorteil des Bereicherten und dem Vermögensnachteil des Entreicherten
____________________
39
Vgl. zu einzelnen Rechtspositionen Schwab, in MünchKommBGB, 6. Aufl. 2013,
§ 812, Rn. 253 ff.
40
BGH NJW 2002, 60 (61).
41
Bei Mehrpersonenverhältnissen kommt diesem Umstand laut Martinek, in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 812, Rn. 95 besondere
Bedeutung zu.
Unabsichtlich überlassene Gewinne
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nicht besteht.42 Dies gilt dann unabhängig von der Frage, ob der (mutmaßliche) Bereicherungsschuldner einen Rechtsgrund für das Behalten
des Gewinns (u.a. im Rahmen der erörterten Schuldverhältnisse) anführen kann.
4. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Liegt ein Eingriff seitens desjenigen vor, der den Gewinn nach Einlösung des Kronkorkens erhält, kann ein (gesetzliches) Schuldverhältnis
infolge einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet werden. Insbesondere dann, wenn ein durch besondere Umstände
in der Sphäre des Verletzers von diesem erzielter Gewinn nicht auf Kosten
des Berechtigten erlangt wird und daher nicht nach § 812 I 1, 2. Alt. BGB
kondiziert werden kann, ist eine Herausgabe gemäß den Bestimmungen
des § 687 II BGB zu prüfen.43 Über den Weg von § 687 II 1 BGB iVm.
§ 681 S. 2 und § 667 BGB gelangt man dann zu einem Herausgabeanspruch des Geschäftsherrn gegenüber dem (unberechtigten) Geschäftsführer, welcher auf die Herausgabe des Verletzergewinns gerichtet ist.44 In
Zusammenhang mit der (fehlenden) Berechtigung des Ausführenden wäre
dann aber zu klären, ob es tatsächlich um ein fremdes (angemaßtes) Geschäft oder etwa ein auch-fremdes Geschäft geht, auf welches § 687 II
BGB nicht anzuwenden wäre.45 Letztere Konstellation, im Rahmen welcher der Geschäftsführer neben fremden auch eigene Interessen verfolgen
kann, ist bei einem Gruppenkauf durchaus möglich und würde einen Herausgabeanspruch aufgrund unberechtigter GoA im Ergebnis ausschließen.
II. Konstellation 2: Die Geburtstagseinladung
1. Keine rechtsgeschäftlichen Pflichten
Der Fall, in dem ein Gastgeber zu Essen und Getränken einlädt, begründet nach hM grundsätzlich keine gerichtlich durchsetzbaren Forderungen, da kein Rechtsbindungswille vorliegt. Die Ansprüche aus solchen „gesellschaftlichen Einladungen“ ergeben sich nicht aus der
____________________
42
OLG Nürnberg, NZM 2005, 918 (919); LG Berlin, Urt. v. 27.07.2007 – 26 O
132/07, Rn. 42, BeckRS 2008, 13239.
43
Martinek, in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017,
§ 812, Rn. 95; Sprau, in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 812, Rn. 42.
44
Gregor, in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017,
§ 687, Rn. 23; zur dogmatischen Einordnung siehe Wenckstern, AcP 200 (2000), 240 ff.
45
BGH NJW 2000, 72 (73).
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Rechtsordnung, sondern aus Sitte, Moral und Anstand.46 Man denke
beispielsweise an den Fall, dass ein Gastgeber zu wenig Grillfleisch
eingekauft hat, das beim späteren Ankommen eines Besuchers bereits
verzehrt ist. In diesem Fall würde für diesen Besucher kein Anspruch auf
die Bereitstellung neuen Grillfleisches bzw. Schadensersatz bestehen.
In der Literatur wird jedoch mit guten Argumenten vertreten, dass die
bloße Kategorisierung in „Vertrag“ und „Nicht-Vertrag“ die Lebenswirklichkeit nicht adäquat abbildet.47 Es bestehen vielmehr zahlreiche
Intensitätsstufen sogenannter „gentlemen’s agreements“, die abgestufte
Anspruchs- und Haftungsregime begründen.
2. Gefälligkeitsverhältnis
Die Reichweite des Anspruchs aus dem Gefälligkeitsverhältnis ist
nach sozialen Kriterien abzuwägen. Eine Abwägung ist jedenfalls dann
nicht entbehrlich, wenn mangels schuldrechtlicher Anspruchsgrundlage
kein Anspruch auf den Kronkorken besteht. Auch solche Rechtsverhältnisse müssen schließlich der Justiziabilität zugänglich sein, ihre Grundlage kann nicht allein moralischer Natur sein.48 Vielmehr müssen schuldrechtliche Regelungen Indizwirkung49 entfalten, wobei iRd allgemeinen
Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) moralische und gesellschaftliche Wertungen zu berücksichtigen sind. Schließlich kann es nicht
richtig sein, dass in Ermangelung eines Rechtsgeschäfts der rein zufällige Besitzer des Kronkorkens den Anspruch auf dessen Einlösung erwirbt.
3. Reichweite und Auslegung
Vor diesem Hintergrund dürfte einiges dafürsprechen, dass der „Gefälligkeitsschuldner“ die Möglichkeit haben muss, die Reichweite seiner
Gefälligkeit selbst zu bestimmen. Indiz dafür könnte neben dem Rechtsgedanken des § 657 BGB50 auch die Schenkung (§ 516 BGB) sein. Die
Reichweite der Zuwendung muss dabei der Natur der Sache nach im
Ermessen des Zuwendenden liegen. Problematisch ist hierbei ebenfalls,
____________________
46
Martinek, in Staudinger, 2006, § 662, Rn. 9; ausführlich Reuss, AcP 154 (1955),
485 (494 ff.).
47
Reuss, AcP 154 (1955), 485 (490, passim); Plander, AcP 176 (1976), 425 (440
ff.).
48
Anders jedoch Reuss, AcP 154 (1955), 485 (495).
49
So in anderem Zusammenhang Reuss, AcP 154 (1955), 485 (499).
50
Dazu oben B. I. 2., II. 2.
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dass über den Kronkorken überhaupt keine Disposition getroffen wird.
Da es sich bei § 516 BGB allerdings um einen schuldrechtlichen Vertrag
handelt, kann man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung51 danach fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie von dem Gewinn im Kronkorken gewusst hätten. Dabei wird man wohl zu dem Ergebnis kommen, dass der Gastgeber den Gewinn für sich in Anspruch
nehmen würde, ohne dass einer der Gäste etwas dagegen einwenden
würde und könnte. Ob in einem solchen Fall jeder so ehrlich wäre, dem
Gastgeber seinen Gewinn direkt anzuzeigen und den Deckel weiterzugeben, steht freilich auf einem anderen Blatt.
4. Herausgabeanspruch
Kommt man bzgl. der Übereignung nach § 929 BGB zu dem Ergebnis, dass der Gast Eigentümer des Gutscheins bzw. des bereits eingelösten Surrogats geworden ist, kommt aufgrund der kürzeren Reichweite
des Gefälligkeitsverhältnisses ein Herausgabeanspruch in Betracht. Dieser kann sich entweder aus § 812 I 1 1. Alt BGB oder §§ 681, 667 1. Alt
BGB (analog) ergeben.
Die Leistungskondiktion kommt in Betracht, weil auch das Gefälligkeitsverhältnis bei weiter Auslegung der subjektiven Rechtsgrundtheorie52 als Rechtsgrund für das Behaltendürfen in Frage kommt.
Der Anspruch aus §§ 681, 667 1. Alt BGB regelt den Herausgabeanspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer. Wie bereits erörtert
ist der Fall des unabsichtlich überlassenen Gewinns jedoch nur bedingt
auf den Auftrag anwendbar. Es käme daher allenfalls eine analoge Anwendung der Vorschriften in Betracht. Eine Regelungslücke dürfte jedoch bei einem Herausgabeanspruch aus § 812 BGB zu verneinen sein.
Kommt man iRd sachenrechtlichen Bewertung zu einer (unanfechtbaren) Dereliktion, besteht im Ergebnis kein Herausgabeanspruch. Dieser
könnte sich allenfalls aus § 812 I 1 2. Alt BGB ergeben. Die Ausnutzung
der Rechtsposition des Inbesitznehmers findet nicht „auf Kosten“ 53 des
ehemaligen Eigentümers statt, weil dieser zuvor sein Eigentum aufgegeben hat.
____________________
51
Vgl. auch oben C. I. 2.
Vgl. dazu BGH NJW 1985, 2700; ausführlich Kupisch, NJW 1985, 2370 ff.
53
Zur Zuweisungstheorie etwa Schwab, in MünchKommBGB, 6. Aufl. 2013, § 812,
Rn. 244 ff.
52
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D. Ergebnis
Der Fall zeigt auf besonders eindrückliche Weise, wie juristische
Probleme „mitten aus dem Leben“ die Rechtswissenschaft vor Herausforderungen stellen können. Denkbar sind Anspruchsgrundlagen aus
dem gesamten Schuldrecht sowie sachenrechtliche Konstruktionen, bei
denen mit guten Argumenten alle Ansichten vertreten werden können.
Einiges hängt auch von den tatsachengerichtlichen Feststellungen im
Einzelfall ab.
Es bedarf nicht viel Fantasie für die Einschätzung, dass die Konstellation in nächster Zeit von zahlreichen Prüfern aufgegriffen werden wird.
Für eine Klausur bietet die Materie zwar immense – nicht nur zeitliche –
Schwierigkeiten; für Hausarbeiten ist das Thema jedoch ideal geeignet.
Die Einschätzung, es handle sich um „erstes Semester Jura“54 dürfte
jedenfalls bei Weitem zu kurz greifen.
____________________
54
So Mollenkott, Interview in www.derwesten.de/staedte/hagen/wem-gehoert-dergewinn-unterm-kronkorken-id8465193.html.