Leseprobe als PDF

BAURECHT kompakt
FEBRUAR 2017
NEWSLETTER 02
AKT UE LLE THEMEN – KO MME N T IE RT E E N T SC H E ID E – PR A X ISF Ä L L E
Liebe Leserin, lieber Leser
Ist eine Werkleistung fehlerhaft oder nicht wie vereinbart erbracht worden, stehen dem Besteller verschiedene Mängelrechte zu. Eines davon
ist das Nachbesserungsrecht. Doch Vorsicht: Je nach Vereinbarung
müssen Sie sich an eine andere Vorgehensweise halten – sonst kann
es sehr teuer werden. Lesen Sie alles über die Vor- und Nachteile der
verschiedenen Vereinbarungsmöglichkeiten. So treffen Sie bestimmt
die richtigen Massnahmen, sei es bei der Vereinbarung oder danach.
Auch bei unserem zweiten Top-Thema dieser Ausgabe zeigen wir Ihnen Vor- und Nachteile auf.
Wir nehmen die verschiedenen Formen von Gutachten unter die Lupe.
IN DIESER AUSGABE:
 Top-Thema: Das Nachbesserungsrecht des Unternehmers
Seite 1
 Best Practice: Gutachten bei
Baustreitigkeiten: Diese Arten
gilt es zu unterscheiden
Seite 5
 Best Practice: Nachträge –
Hinweise aus der Praxis
Seite 9
Abschliessend befassen wir uns mit dem Thema Nachträge und geben Ihnen wichtige Hinweise
aus der Praxis mit.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.
Junes Babay, Redaktor
Das Nachbesserungsrecht
des Unternehmers
Treten nach der Ausführung von Werkleistungen Mängel am Werk auf, so stehen
dem Besteller gewisse Mängelrechte zu. Diese richten sich entweder nach den
gesetzlichen Bestimmungen oder aber nach einer besonderen Vereinbarung, oft
nach der SIA-Norm 118. Eines dieser Rechte ist das Recht auf unentgeltliche
Nachbesserung. Doch ist zu beachten, dass der Unternehmer nicht in jedem
Fall eine Nachbesserung ausführen darf, sondern der Besteller grundsätzlich die
freie Wahl zwischen den Mängelrechten hat. Schliesslich ist der Unternehmer
auch nicht immer gewillt, das Werk nachzubessern.
 Von Roman Wyrsch, MLaw, Rechtsanwalt, Mediator SAV
Stellt sich nach Fertigstellung eines Werkes
heraus, dass das Werk Mängel aufweist, so
BAURECHT kompakt
NEWSLETTER 02
stehen dem Besteller regelmässig Mängelrechte zur Verfügung. Der Unternehmer muss
also dafür einstehen, dass sein Werk mängelfrei ist, und andernfalls die Konsequenzen
tragen. Viele Unternehmer gehen davon aus,
dass sie beim Auftreten von Mängeln ohne
Weiteres eine Nachbesserung vornehmen
können. Dies ist aber nicht immer der Fall.
Von Bedeutung ist vor allem, welche Mängelrechte vereinbart worden sind.
Die Mängelrechte
gemäss Obligationenrecht
Grundsätzlich kommen bei Werkleistungen
eines Unternehmers die Regeln des Obligationenrechts zum Werkvertrag (Art. 363 bis
379 OR) zur Anwendung, sofern die Parteien
nichts Abweichendes vereinbart haben. Die
Mängelrechte, die dem Besteller bei Auftauchen eines Mangels zur Verfügung stehen,
sind in Art. 368 OR geregelt. Damit sieht das
FEBRUAR 2017
1
BEST PRACTICE GUTACHTEN BEI BAUSTREITIGKEITEN
Gutachten bei Baustreitigkeiten:
Diese Arten und Auswirkungen gilt es
zu beachten
Bauprozesse sind Gutachterprozesse – diese Binsenweisheit ist naturgemäss
eine verkürzte Darstellung der Wirklichkeit, doch im Kern durchaus richtig. Sobald grössere Unzulänglichkeiten eines Bauwerks zur Diskussion stehen, gehen
die Ansichten von Bauherrschaft und Unternehmern nur allzu häufig auseinander. In einer solchen Situation führt letztlich kein Weg an einem Gutachten
vorbei. Doch Gutachten ist nicht gleich Gutachten, wie nachfolgend gezeigt wird.
 Von Stefan Tönz, lic. iur., Rechtsanwalt,
und Dr. Xavier Borghi, lic. iur., Rechtsanwalt und Dipl. Bauing. ETH
Einleitung
Ein Gutachten ist ein zumeist schriftlicher
Bericht einer auf einem bestimmten Gebiet sachkundigen Person zu Aspekten des
Sachverhalts. Grundsätzlich äussert sich ein
Gutachten somit nur zu tatsächlichen Gegebenheiten, nicht aber zu Rechtsfragen. Bei
Baustreitigkeiten ist diese Unterscheidung vor
BAURECHT kompakt
NEWSLETTER 02
allem mit Blick auf den «Mangel» bedeutsam:
Da der Begriff des Mangels ein rechtlicher
ist, obliegt der Entscheid, ob ein bestimmter
Sachverhalt als Mangel zu qualifizieren ist,
den Gerichten, nicht aber dem Gutachter. Hingegen kann sich der Gutachter dazu äussern,
ob ein Bauwerk gemäss den anerkannten
Regeln der Baukunde erstellt wurde. Stellt er
eine entsprechende Abweichung fest, kann
dies eine entscheidende Weichenstellung für
die spätere Qualifikation als Mangel sein.
Wer ein Gutachten einholt, verbindet damit
primär zwei Erwartungen: Einerseits möchte
man die eigene Diagnose bzw. Vermutung
möglichst bestätigt sehen, andererseits soll
das Gutachten einen gerichtstauglichen Beweis darstellen. Was Letzteres anbelangt, so
eignet sich indes nicht jede Art Gutachten
gleichermassen. Zudem gilt es Folgendes zu
beachten: Damit es in einem Gerichtsverfahren überhaupt zum Beweisverfahren kommt,
muss die beweisbelastete Partei, zumeist der
Kläger, den Sachverhalt so detailliert darlegen, dass darüber überhaupt Beweis geführt
werden kann (sogenannte Sustanziierungslast). Die gerichtlichen Anforderungen an die
Substanziierung sind dabei beachtlich, weshalb dieser Punkt nicht unterschätzt werden
darf. Verfügt der Kläger nicht selber über eine
gesteigerte Sachkunde, kann ein Gutachten
bei komplexeren Sachverhalten behilflich oder
gar notwendig sein, um diesen Anforderungen
zu genügen.
FEBRUAR 2017
5
BEST PRACTICE NACHTRÄGE
Nachträge – Hinweise aus der Praxis
Der Nachtrag – jeder Bauherr kennt das Übel. Doch was ist genau ein Nachtrag? Welche Regeln gelten für Nachträge und wie können diese aufseiten des
Bauherrn verhindert und aufseiten des Unternehmers erfolgreich durchgesetzt
werden? Mit Hinweisen aus der Praxis zeigt der Autor auswahlweise verschiedene Konstellationen im Zusammenhang mit Nachträgen auf – mit dem Ziel,
Bauherren und Unternehmer gleichermassen für die Nachtragsproblematik im
Bauwesen zu sensibilisieren.
der Unternehmer das Kostenrisiko, und die
Vergütung wird weder bei mehr noch bei weniger effektivem Aufwand angepasst (Art. 38
Abs. 2 und Art. 58 Abs. 1 SIA-Norm 118). Der
Pauschalpreis ist somit grundsätzlich nicht
abänderbar, und dem Unternehmer steht kein
Anspruch auf einen Nachtrag zu. Mit anderen
Worten verpflichtet ein vereinbarter Pauschalpreis den Unternehmer dazu, das Bauwerk zu
diesem Preis herzustellen, unabhängig von
seinem Aufwand.
 Von Adrian Weber, Rechtsanwalt, LL.M.
1. Festpreis – Die Wurzel des Übels?
Im Werkvertragsrecht wird eine nachträgliche – nach Vertragsschluss – vorgenommene Änderung des Vertrages als Nachtrag
bezeichnet. Ein Nachtrag steht offensichtlich
im Spannungsverhältnis zum allgemeinen
vertragsrechtlichen Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind (sog. Prinzip der Vertragstreue). Deshalb sind Verträge in der Regel nach den ursprünglichen Vereinbarungen
abzuwickeln.
Unternehmer die Kostenkalkulation erleichtern
und deshalb für beide Seiten grundsätzlich
Vorteile haben. Gemäss der SIA-Norm 118
(2013) können Festpreise als Einheitspreise,
Globalpreise oder Pauschalpreise ausgestaltet sein, wobei die SIA-Norm 118 natürlich
nur Geltung beanspruchen kann, falls sie
Bestandteil des Werkvertrags geworden ist.
Ansonsten gilt das Obligationenrecht, insbesondere Art. 373 und Art. 374 OR hinsichtlich
Höhe der Vergütung.
Gerade bei grösseren Bauvorhaben ist es üblich, Werkverträge mit Festpreisen zu vereinbaren, da diese für den Bauherrn sowie den
Wurde für ein Bauvorhaben zwischen Bauherr
und Unternehmer ein solcher Festpreis, z.B. im
Sinne eines Pauschalpreises, vereinbart, trägt
Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen können mangelhafte Angaben in den
Ausschreibungsunterlagen, ausserordentliche, nicht voraussehbare Umstände oder
ungünstige Witterungsverhältnisse zu einer
zusätzlichen Vergütung beim Unternehmer
führen (Art. 59–61 SIA-Norm 118). Der
Mehrvergütungsanspruch für den Nachtrag
berechnet sich grundsätzlich nach den Bestimmungen von Art. 86–89 SIA-Norm 118.
In Bezug auf zusätzliche Malerarbeiten beispielsweise würde der Preis pro Quadratmeter basierend auf der Kostengrundlage des
ursprünglichen Pauschalpreises berechnet.
Trotz dieser an sich klaren rechtlichen Ausgangslage kommt es in der Praxis bei solchen
werkvertraglichen Konstellationen (unter der
Geltung der SIA-Norm 118) immer wieder zu
Nachtragsforderungen des Unternehmers, der
natürlich im Sinne einer Gewinnoptimierung
versucht, Zusatzkosten auf den Bauherrn
abzuschieben. Gründe für Zusatzkosten bzw.
Nachträge können unklare, unvollständige
oder zweideutige Regelungen in den Ausschreibungsunterlagen, Leistungsverzeichnissen, Offerten und Verträgen der Parteien
sein. In solchen Fällen muss nicht selten um
die Berechtigung der Nachtragsforderung
prozessiert werden, was insbesondere bei
komplexen Bauvorhaben weitreichende und
kostenintensive rechtliche Auseinandersetzungen entstehen lässt.
Natürlich gibt es auch weit weniger problematische Nachtragskonstellationen: Z.B. in Fällen, in denen bei Vertragsschluss aufgrund einer nicht fertiggestellten Planung der genaue
Leistungsinhalt noch nicht abschliessend
ermittelt werden konnte oder im Rahmen der
Ausführung aus technischen Gründen oder
auf Wunsch des Bauherrn zusätzliche Arbei-
BAURECHT kompakt
NEWSLETTER 02
FEBRUAR 2017
9