Thomas Helbling: «Digitalisierung, Cyber

Referat
von
Thomas Helbling, Direktor
Anlass
SVV Jahresmedienkonferenz
Datum
2. Februar 2017
Ort
Zürich
Digitalisierung, Cyber-Risiken und Datenschutz
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir Versicherer sind von der Digitalisierung in vielfältiger Weise betroffen. Sie bietet Chancen, birgt
jedoch auch Risiken. Massendaten und deren systematische Analyse verheissen
Innovationspotenzial bei der Entwicklung und Vermarktung von Produkten. Vertriebsseitig öffnet
der digitale Weg den Zugang zu noch nie da gewesenen Kundenkanälen und aus
Konsumentensicht zu neuen attraktiven, massgeschneiderten Modellen zu einem guten Preis.
Gleichzeitig intensiviert sich jedoch auch die Interaktion mit den Kunden, was jeden Versicherer
zwingt, seine Organisation und seine Prozesse immer schneller anzupassen, um konkurrenzfähig
zu bleiben. Im brancheninternen Wettbewerb, aber auch gegenüber neuen Drittbewerbern, die im
Zuge der Digitalisierung des Geschäfts die Wertschöpfungskette traditioneller Versicherer
aufbrechen.
Herr Berger hat zu Beginn aufgezeigt, welch wesentlichen Beitrag die Versicherungsindustrie als
wertschöpfungsintensive Branche für das Wachstum und den Wohlstand unseres Landes leistet.
Dies soll auch im Zeitalter der Digitalisierung so bleiben. Gefordert ist hier in erster Linie jedes
einzelne Unternehmen unseres Verbandes. Es hat sich der digitalen Herausforderung zu stellen,
seine Strategie darauf auszurichten und dann Massnahmen zur marktgerechten Umsetzung zu
ergreifen – Patentrezepte gibt es keine. Gefordert ist jedoch auch der Verband. Wir zielen darauf
ab, dass die Rahmenbedingungen für die digitale Transformation so gestaltet werden, dass die
Versicherer die Chancen der Digitalisierung nutzen und ihre Risiken minimieren können – ob
national oder international. Ich möchte hierzu zwei Bereiche ansprechen, die uns in diesem Jahr
besonders beschäftigen. Die Cyber-Risiken und der Datenschutz.
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Cyber-Risiken gemeinsam begegnen
Cyber-Risiken fordern die Versicherungen doppelt: Einerseits offeriert die Nachfrage nach einer
Absicherung gegen Cyber-Risiken eine zusätzliche Opportunität im bestehenden Geschäftsfeld.
Andererseits gilt es für die Versicherer, sich selbst und damit auch die Daten ihrer Kundinnen und
Kunden vor Cyber-Risiken zu schützen. Hier stellen sich viele Fragen, die in ihrer ganzen Komplexität zu prüfen sind. Allein die Fülle und Mannigfaltigkeit dieser Risiken, ihrer Ursachen und
ihrer Wirkung sind immens: die Palette reicht von kriminellen Cyber-Angriffen, über die Gefahr der
Datenschädigung oder des Datenverlusts wegen technischem oder menschlichem Versagen, bis
hin zum Risiko des Umsatzausfalls als Folge einer Betriebsunterbrechung nach einem CyberSchaden.
Bei allem, was mit Cyber-Risiken zusammenhängt, steht Eines im Vordergrund: die Sicherheit. Wie
soll diese Sicherheit jedoch gewährleistet werden können? Im Lichte des breiten Spektrums bei
Ursprung und Effekt des kaum abschätzbaren Schadenpotentials und angesichts der vielen
anderen Unbekannten? Als liberaler Verband sind wir weit davon entfernt, Regulierungen oder gar
staatliche Eingriffe zu fordern. Und doch lohnt sich unseres Erachtens bei diesem – gerade für uns
Versicherer – ambivalenten Aspekt der digitalen Transformation die Auseinandersetzung mit der
Frage, ob und wie der Staat eingreifen soll, und wo die Wirtschaft allenfalls selber Leitplanken
aufstellen kann. Es könnten durchaus Staatsinterventionen in Betracht gezogen werden, wie etwa
die Einführung einer Ereignismeldepflicht, die gesetzliche Verankerung eines Datenaustauschprogrammes, obligatorische Cyber-Deckungen für bestimmte Industrien oder ein Schadenpool. Die
Rollenteilung und die Ausdehnung der Wirkungsfelder von Staat und Wirtschaft sind genau zu
klären. In diesen Fragen koordiniert der SVV die Anliegen der gesamten Branche und hat hierzu
eine Arbeitsgruppe mit Spezialisten aus den Mitgliedfirmen eingesetzt. Diese setzt sich mit den
eben erwähnten Themen auseinander und wird unserem Vorstand demnächst ein Positionspapier
zur Verabschiedung vorlegen. Auch in diesem Thema ist der Kontakt mit Verwaltung und Politik
zentral. Aus unserer Sicht reicht es nicht, isoliert vorzugehen. Weder als Staat, als Wissenschaft,
als NGO, als Wirtschaft noch als Industriezweig. Globalen Herausforderungen, die unser gesamtes
Leben und Verhalten nachhaltig innert kürzester Zeit verändern, kann nur gemeinsam begegnet
werden. Das gilt auch für den Datenschutz.
Datenschutzgesetz: Stossrichtung stimmt, Anpassungen aber nötig
Daten generell, und Massendaten und deren Analyse und Verwertung im Besonderen, stehen für
die Weiterentwicklung unserer Geschäftsfelder und damit für die Zukunft der Versicherungsbranche im Zentrum. Im Versicherungsgeschäft, das entscheidend vom Vertrauen des Kunden in
den Anbieter abhängt, haben diese Daten und der Umgang mit ihnen aber ebenso einen Einfluss
auf die Reputation. Sie sind das Vertrauenskapital jedes Unternehmens, ja unserer ganzen
Referat | Thomas Helbling, Direktor | 2. Februar 2017
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Branche. Ob mit Blick auf Opportunitäten oder die Reputation, Daten und deren Schutz und Sicherheit sind auch in unserem Verband ein ständiges Thema und gerade jetzt von besonderer
Aktualität.
Ende Dezember 2016 hat der Bundesrat eine Totalrevision des über 25 Jahre alten Datenschutzgesetzes in die Vernehmlassung gegeben. Er will damit den Datenschutz verstärken und
insbesondere die Transparenz über die Bearbeitung von Daten erhöhen und die Kontrolle von
betroffenen Personen über die eigenen Daten verbessern. Darüber hinaus will er das Datenschutzgesetz an die Entwicklungen in der Europäischen Union und des Europarates anpassen.
Die Frist zur Rückmeldung an den Bundesrat endet am 4. April. Unsere Datenschutzexperten sind
nach einer ersten Analyse der Vernehmlassungsvorlage bereits zu einigen Erkenntnissen gelangt.
Der Bundesrat nimmt Abstand von einem komplexen Gesetz wie es die Europäische DatenschutzGrundverordnung darstellt. Wir unterstützen diese Grundstossrichtung eines Rahmengesetzes.
Zudem ist der Gesetzesentwurf technologieneutral formuliert. Das ist pragmatisch und gibt Rechtssicherheit. Das Gesetz muss so nicht laufend angepasst werden, um mit den Fortschritten der Technik Schritt zu halten.
Wir orten in der bundesrätlichen Vorlage jedoch auch Verbesserungspotential. Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem diverse neue Pflichten für die Datenverarbeitung vor. Diese müssen
wir auf ihren Zweck und ihre Praxistauglichkeit überprüfen. So sind aus unserer Sicht Bearbeitungsregeln, die einen hohen administrativen Aufwand mit sich bringen, zu vermeiden, wenn
sie dem Kunden keinen Nutzen bringen und nur Mehrkosten verursachen. Ein Beispiel: Eine Pflicht
der Unternehmen, die Kunden über die Identität und Kontaktdaten sämtlicher externer Auftragsbearbeiter des Anbieters zu informieren, geht viel zu weit. Eine solche Pflicht ist schlicht nicht
praxisnah und würde letztendlich auch nicht wesentlich zum Schutz der Daten der betroffenen
Personen beitragen. Auch bei den Strafbestimmungen stellen sich für uns verschiedene Fragen:
Welche Management- bzw. Verantwortlichkeitsstufe soll wie gebüsst werden? Hemmt ein Sanktionssystem, das natürliche Personen statt Unternehmen zur Rechenschaft zieht, nicht den im hart
umkämpften Markt dringend benötigen Innovationsmut? Wir werden uns in den nächsten Wochen
weiterhin intensiv mit diesen Fragen auseinandersetzen, ohne aber die Sicht auf das Ganze – und
hier meine ich die für uns durchaus richtige und fundierte Stossrichtung der Reformvorlage des
Bundesrates – zu verlieren.
Mit den Themen Cyber-Risiko und Datenschutz habe ich lediglich zwei von unzähligen Aspekten
der digitalen Transformation gestreift. In vielen anderen Bereichen der Digitalisierung sind unsere
Mitglieder und der SVV ebenso gefordert. Wir stellen uns diesem Challenge, indem wir die jeweils
besten Fachkräfte auf Verbandsebene zusammenbringen und mit ihnen im intensiven Austausch
untereinander und auch im Verbund mit der Verwaltung und der Politik Lösungen erarbeiten.
Referat | Thomas Helbling, Direktor | 2. Februar 2017
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