Kostenexplosion bedroht die Existenzgrundlage der Schweizer

Medienmitteilung
Karin Kirchner
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«Dying, Surviving or Thriving 2 – Krankenversicherungsmarkt»
Kostenexplosion bedroht die Existenzgrundlage der Schweizer
Krankenversicherer
► Bis 2030 werden sich die Krankenkassenprämien mehr als verdoppeln und damit
für weite Teile der Bevölkerung nicht mehr tragbar sein
► Krankenversicherer müssen mit Innovationen zur Senkung der
Gesundheitskosten beitragen und auf Kundenmehrwert fokussieren
► Digitalisierung und Gesundheitsdaten sind Schlüsselfaktoren für
Innovationsschub
► 60 Prozent der Versicherten sind bereit, ihre Gesundheitsdaten zu teilen, wenn
Sie dafür Vorteile vom Versicherer erhalten
► Branchenfremde Unternehmen positionieren sich als Partner für Gesundheit,
während sich die Krankenversicherer zögerlich verhalten
ZÜRICH, 31. JANUAR 2017 ‒ Bis 2030 werden die Gesundheitskosten voraussichtlich um
60 Prozent auf insgesamt CHF 116 Mrd. steigen, wie das Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsunternehmen EY Schweiz in ihrer aktuellen Krankenversicherungsstudie schätzt.
Das Schweizer Gesundheitssystem erbringt zwar Spitzenleistungen, ist aber im Vergleich mit
anderen Industrieländern teuer. Die Gesundheitskosten haben sich in den letzten 25 Jahren
mehr als verdoppelt. Dafür verantwortlich sind hausgemachte Faktoren wie Fehlanreize und
Ineffizienzen sowie exogene Faktoren wie der medizinische Fortschritt, die Zunahme
chronischer Erkrankungen und die Überalterung der Gesellschaft. Eine Trendwende ist nicht in
Sicht.
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Verdopplung der Krankenkassenprämien bis 2030
Der Kostenanstieg wird Privathaushalte stark belasten: Unter den aktuellen
Rahmenbedingungen werden die monatlichen Grundversicherungsprämien pro Person von
derzeit durchschnittlich 396 auf weit über 800 Franken im Jahr 2030 steigen. «Diese massive
Kostensteigerung reduziert die Kaufkraft der privaten Haushalte signifikant. Ein Grossteil der
Bevölkerung kann dann die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung nicht mehr
tragen. Auch werden sich nur noch wenige Menschen Zusatzversicherungen leisten können.
Ohne einschneidende Gegenmassnahmen ist ein finanzieller Kollaps der Grundversicherung
mittelfristig nicht ausgeschlossen», sagt Yamin Gröninger, Leiterin Insurance Business
Development bei EY Schweiz und Mitautorin der Studie. «Es drohen weitere staatliche
Interventionen bis hin zu einem erneuten Aufflammen der Debatte um die Einheitskasse.» Es
liegt somit im Interesse der Krankenversicherer, über ihre betrieblichen Kosten hinaus einen
Beitrag zur Effizienz im Gesundheitswesen zu leisten.
Krankenversicherer strategisch mehrfach gefordert
Das ist aber bei Weitem nicht die einzige strategische Herausforderung für die
Krankenversicherer: Die Branche liefert sich einen Verdrängungswettbewerb, Gewinne sind in
der Grundversicherung verboten und in der Zusatzversicherung nur in engen Bandbreiten
zulässig. Weiter ist die Branche einem einzigartigen politischen, regulatorischen,
demografischen und technologisch-medizinischen Wandel ausgesetzt. Und schliesslich
drängen branchenfremde Unternehmen wie Google oder Migros auf den
Krankenversicherungsmarkt (sog. Disruption). «Betrachtet man alle diese Faktoren, wird
schnell klar: Das heutige Geschäftsmodell der Krankenversicherer ist mittel- bis langfristig
gefährdet», sagt Alexander Lacher, Mitverfasser der Studie und Co-Leiter
Krankenversicherungen von EY Schweiz. «Wenn die Krankenversicherer zögern, ihre
strategische Position zu schärfen, riskieren sie mittelfristig ihre Marktposition und langfristig
ihre Existenzgrundlage.»
Gesundheitsdaten als Chance
Der Digitalisierung kommt bei zukunftsorientierten Strategien eine Schlüsselrolle zu: Die
Krankenversicherer verfügen über umfangreiche Datenbestände, auf deren Basis sich
Prävention, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten grundlegend verbessern lassen.
«Die geltenden Datenschutzvorschriften gewähren den Krankenversicherern genügend
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Spielraum, um die Daten zu nutzen. Sie können bereits heute die Daten der Versicherten für
personalisierte Beratungen nutzen, wenn diese einwilligen. Die Unternehmen müssen dabei
aber höchste Sicherheitsstandards erfüllen, um die sensitiven Gesundheitsdaten zu schützen»,
sagt Yamin Gröninger.
Versicherte teilen Daten wenn sie dafür Anreize erhalten
Dank Wearables, Apps und Sensoren wächst die verwertbare Menge an Gesundheitsdaten
rasant an. Schon heute zeichnet rund die Hälfte der Versicherten freiwillig Gesundheitsinformationen auf, wie eine EY-Befragung zeigt. Am häufigsten werden Schritt- und Fitnessdaten
gemessen. Andere medizinisch relevante Informationen wie Blutdruck- oder Cholesterinwerte
werden hingegen kaum erhoben. Die meisten Versicherten wollen damit ihre sportlichen
Leistungen messen oder ein Fitnessziel erreichen. Bemerkenswert ist die Bereitschaft der
Versicherten, ihre Daten mit dem Krankenversicherer zu teilen: Falls sie im Gegenzug Anreize
wie Prämienrabatte oder individuelle Gesundheitsberatung erhalten, würden rund 60 Prozent
der Befragten ihre Gesundheitsinformationen zur Verfügung zu stellen. «Die Versicherer
könnten damit innovative Angebote lancieren und sich strategisch als Gesundheitspartner
positionieren», sagt Yamin Gröninger.
Evolution oder Revolution des Geschäftsmodells
Angesichts der vielen Chancen und Risiken sind die Krankenversicherer gefordert, ihre
Strategien und Geschäftsmodelle zu überdenken: Entweder entwickeln sie innerhalb von
bestehenden Geschäftsfeldern ihre strategische Position evolutiv weiter und überleben
(«Surviving») oder sie transformieren ihr Geschäftsmodell fundamental («Revolution») und
erschliessen mittel- bis langfristig neue Ertragspotenziale («Thriving»). «Wachstums- und
Wertschöpfungsmöglichkeiten bieten sich zum Beispiel durch die Analyse und Aufbereitung
von Gesundheitsdaten. Die Einführung des elektronischen Patientendossiers begünstigt diese
Entwicklung. Vielversprechend ist auch die Strategie, die Versicherten als Gesundheitspartner
aktiv bei einem gesunden Lebensstil zu unterstützen. Dazu gehören datengestützte
Präventionsprogramme und Beratung in Gesundheits- und Ernährungsfragen», so Gröninger.
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Bedrohung durch branchenfremde Konkurrenz
Bei der Strategiefindung ist allerdings Tempo gefordert: Die Krankenversicherer verfügen über
umfangreiche Gesundheitsdaten und kontrollieren die Schnittstelle zu den Kunden. Doch
dieser Vorsprung schmilzt: Die rasante technologische Entwicklung erlaubt es TechnologieUnternehmen wie Apple oder Start-up-Firmen, Gesundheitsdaten zu sammeln und
aufzubereiten. Punkto Digitalisierung zeigten sich die Krankenversicherer allerdings bislang
zurückhaltend: «Digitale Angebote hatten primär Marketingcharakter. Die Versicherer könnten
ihre gute Ausgangslage verspielen und es verpassen, sich von Kassen für Kranke zu
innovativen Gesundheitspartnern zu entwickeln», warnt Alexander Lacher.
LINK ZUR STUDIE
Informationen zur Studie «Dying, Surviving or Thriving 2 – Krankenversicherungsmarkt»
Für die vorliegende Studie haben Analysten und Branchenexperten von EY umfangreiche Datenmengen
ausgewertet. Dazu zählen die Jahresberichte von Krankenversicherern, Statistiken des Bundesamtes für
Gesundheit (BAG), des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) und der Eidgenössischen
Finanzmarktaufsicht (FINMA). Zur Bereitschaft, Gesundheitsdaten aufzuzeichnen und mit
Krankenversicherern zu teilen, hat EY zwischen September und Oktober 2016 über 400 Personen in der
Deutschschweiz befragt. Weiter sind Erkenntnisse und Erfahrungen aus Prüfungs- und
Beratungsmandaten von EY im Schweizer Krankenversicherungsmarkt eingeflossen. Aus Interviews mit
Führungskräften führender Schweizer Krankenversicherer wurden ebenfalls wesentliche Erkenntnisse
gewonnen.
EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory
Über die globale EY-Organisation
Die globale EY-Organisation ist eine Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung,
Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Wir fördern mit unserer
Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die
Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir
dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Dienstleistungen und
Kundenbeziehungen bestens gerüstet. Building a better working world: Unser globales Versprechen ist
es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die
Gesellschaft.
Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited
(EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für
das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited
ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für
Kunden. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website: www.ey.com.
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Die EY-Organisation ist in der Schweiz durch die Ernst & Young AG, Basel, an zehn Standorten sowie in
Liechtenstein durch die Ernst & Young AG, Vaduz, vertreten. «EY» und «wir» beziehen sich in dieser
Publikation auf die Ernst & Young AG, Basel, ein Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global
Limited.