Von der Großküche zur Folterkammer Viele Menschen haben von Berlin-Hohenschönhausen noch garnichts gehört. Auch die Medien scheinen nicht interessiert. Doch hier befand sich die Folterkammer des Ostens, das ehemalige Stasi-Untersuchungsgefängnis, in dem unbeschreibliche Verbrechen stattfanden. Eingang zur Gedenkstätte Heute ist es eine Gedenkstätte. Bis zum Jahre 1938 gehörte das Gelände der Gedenkstätte einem Maschinenfabrikanten. Die Nazis errichteten darauf ein Gebäude mit einer Großküche. Wahrend des 2. Weltkrieges wurden noch Baracken erbaut, in denen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter untergebracht waren. Nach Ende des 2. Weltkrieges, 1945, richteten dann die Russen hier ein Speziallager für politische Häftlinge, und Personen, die angeblich antisowjetisch eingestellt waren, ein. Sie waren da nicht sehr wählerisch. Jeder der glaubte, dass die Schrecken des Krieges und die Naziherrschaft nun vorüber sind, wurde oft eines besseren belehrt. Diese bittere Erfahrung mußte auch die 18-jährige Lotte Ohnezeit machen. Sie wurde nachts vor den Augen ihrer Eltern mitgenommen und in den Laderaum eines Transporters gesperrt und fand sich in Hohenschönhausen in einem modrigen Kellerloch wieder. Warum sie jemals verhaftet wurde, hat sie nie erfahren. In Hohenschönhausen traf Lotte auf Heinrich George, der zu dieser Zeit schon ein bekannter Schauspieler war. Er sollte wohl gestehen, daß er NSDAP-Mitglied war, was er aber nicht tat. Er wurde daraufhin nach Sachsenhausen geschafft. Kurze Zeit später, nachdem das Lager aufgelöst war, kam auch Lotte Ohnezeit nach Sachsenhausen, wo sie bis 1948 blieb. Sie sah Heinrich George wieder, aber nur als abgemagerte Leiche. Viele KZ´s benutzte man weiterhin, als Gefängnis. Achtung vor den Menschen, die hier mal gequält wurden, empfand man offensichtlich nicht. 1949 wurde dann der deutsche Staat im Osten gegründet, der sich Demokratie nannte, aber in Wirklichkeit eine sozialitische Diktatur nach russischem Muster war. Allerdings soll Ulbricht schon 1945 gesagt haben:“ Es muß nur demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Innenhof mit Wachturm Innenhof Die Häftlinge, denen hier Geständnisse abgepresst werden sollten, wurden auf grausamste Art gefoltert. Es gab eine Zelle, in der sich in der Außenwand ein Loch befand und Häftlinge, die nicht gestehen wollten - sie wußten ja nicht Innenhof was - wurden hier im Winter eingesperrt, splitternackt. Es gab in dieser Zelle nichts, keine Matratze, keinen Stuhl, dafür viel kalte Winterluft. Die Menschen mußten solange aushalten, bis sich Reif an den Wänden gebildet hatte, danach durften sie raus. Nach dieser Prozedur hat man sicher jedes Geständnis erhalten und einen Grund gehabt, einen Menschen wieder für lange Zeit wegzusperren. Zu Anfang fanden die Verhöre meist nachts durch die Sowjets statt, damit wollte man die Menschen durch Schlafentzug und stundenlanges Stehen gefügig machen. Niemand hatte Hemmungen auch Kinder oder Jugendliche einzusperren. So nahm man auch ein 14-jähriges Mädchen in Haft, das mit dem Lippenstift ein Stalinplakat angemalt hatte. Diese Art von Folter hielt bis 1951 an. Dann übernahm das Ministerium für Staatssicherheit das Gefängnis als zentrale Untersuchungshaftanstalt. In dem unterirdischen Teil der Großküche mußten die Häftlinge ein Zellengefängnis bauen, wo früher die Kühl- und Lagerräume der Großküche waren. Trakt „U-Boot“ Die Zellen hatten keine Fenster, sie waren feucht und unbeheizbar. Die einzige Ausstattung bestand aus einer Pritsche und einem Fäkalienkübel, keine Waschgelegenheit. Das Licht brannte Tag und Nacht, und das Geräusch der Luftzufuhr, war ständig zu hören, an Schlaf war kaum zu denken. Unter den Inhaftierten hieß der Trakt „U-Boot“. U-Boot-Zelle Viele Berliner wußten garnicht, was dort geschah. Es war alles zum Sperrgebiet erklärt worden, und richtige Straßen um das Gelände gab es nicht, aber eine hohe Mauer mit Wachturm. Die Menschen, die hierher gebracht wurden, existierten nicht mehr. Es drang keine Nachricht nach draußen, keine Polizei, kein Angehöriger, oder irgendeine andere Person, außer der Stasi, wußten über den Verbleib der Menschen bescheid. Wenn jemand eingeliefert wurde, hatte er schon ein grausames Abenteuer hinter sich. Er wurde in einen Transporter gesetzt, der als Wagen einer Gärtnerei o. ä. getarnt war. Hier gab es eine „Zelle“, in der es stockdunkel war. Der Wagen fuhr los, hielt hin und wieder an, so dass der Insasse überhaupt keine Orientierung mehr haben konnte. Wenn der Wagen dann durch die Schleuse der Haftanstalt in einen Innenhof kam, mit hohen weißen Wänden und einer grellen Beleuchtung, durfte der Gefangene den Wagen verlassen. Die ersten 5 Minuten war der Mensch regelrecht blind. Um sein neues „Zuhause“ zu betreten, mußte er ein paar Stufen hinaufgehen, die er aber wegen seiner augenblicklichen Blindheit nicht sah und erstmal der Länge nach hinfiel. Er wußte nicht, wo er war, Fragen zu stellen hätte wenig genutzt, Antworten gab es sowieso nicht. In ihren Zellen musten die Gefangenen immer auf dem Rücken, Kopf gerade, mit dem Ge- sicht zur Tür, schlafen. Jede Stunde wurde mehrmals kontrolliert, ob die Schlafhaltung auch eingehalten wurde. Kontrolleure gab es ja genug. War der Kopf nur zur Seite gerutscht, so wurde kräftig gegen die Tür getreten. Es spielte keine Rolle, ob die anderen Gefangenen auch aufgeweckt wurden. Zelle für die U-Haft Die Verhöre waren besonders demütigend. Große Personen bekamen einen Trainingsanzug, der extrem klein war, die Ärmel gingen höchstens bis zu den Ellenbogen, die Kleineren erhielten eine XXL-Größe. In dieser Aufmachung saß man dann vor seinen Peinigern auf einem kleinen Hocker, die Sitzfläche nicht viel größer als ein Kinderstuhl, ohne Arm- oder Rückenlehne, während der Herr sich in einem bequemen Sessel räkelte, tadellos gekleidet. Das sollte zeigen, wie minderwertig die Personen waren, die hier vernommen werden sollten. Sie galten von vornherein immer als Staatsfeinde. Die Verhöre dauerten sehr lange, denn keiner konnte das gestehen, was verlangt wurde. Dunkelzelle Nach erfolglosen Verhören erhielt man 6 Monate Dunkelzelle. Das bedeutete, der Gefangene war die ganze Zeit über nur im Dunkeln. Er konnte mit niemanden ein Wort sprechen. Durch eine kleine Öffnung wurden die Mahlzeiten geschoben, sodass ab und zu die Hände durch geringen Lichteinfall zu sehen waren. Die Wände waren so gestaltet, als wenn alles nur rund wäre. Es war unmöglich festzustellen, wie groß die Zelle war. Es gab keine Waschgelegenheit und auch keine Toilette, und das 6 Monate lang.Teilweise bekamen die Menschen Halluzinationen. Es grenzt schon an ein Wunder, daß in dieser Haftanstalt „ nur“ 3000 Menschen gestorben sind und keine Seuchen ausgebrochen sind. Wenn dem aber so war, dann hätte es niemand erfahren. Hatten die Häftlinge die 6 Monate überstanden, haben 90 % alles gestanden, die besonders stark waren, nahmen es in Kauf, nochmal für 6 Monate solch ein Märtyrium zu ertragen. Freigang, ca. 3,5 m x 3,5 m, hohe Wände, vergittert und Wachpersonal Im Laufe der Jahre wurden hier auch viele „Republikflüchtlinge“ abgeurteilt. Da inzwischen die Zellen auch mehr geworden waren, saßen hier viele Verurteilt mehrere Jahre ein, ohne Verbindung zur Außenwelt und ganz ohne Rechtsanwalt. Es war keine Seltenheit, dass es für Kleingkeiten lange Haftstrafen gab. Jemand der einen Witz über Honnecker machte, wurde inhaftiert, es gab ja genug nette Nachbarn mit großen Ohren. Junge Männer, die sich weigerten zur NVA zu gehen, wurden selbstverständlich bestraft. In den 80-er Jahren waren die Gefängnisse aber dermaßen überfüllt, dass man sich entschloß, diese jungen Menschen zum Teil in eine Anstalt für schwer geistig behinderte Männer zu sperren. Hier mußten sie dann arbeiten, was bei dieser Art von Krankheit nicht immer ganz ungefährlich war. Außerdem fehlte ja auch jegliche Ausbildung, was wiederum zu Lasten der Kranken ging. Viele ehemalige Insassen sind auch so viele Jahre nach der Wiedervereinigung nicht in der Lage, ein normales Leben zu führen. Sie kommen nach Hohenschönhausen, um sich alles anzusehen, und wollen sich überzeugen, daß in ihren ehemaligen Zellen die Türen jetzt offen stehen, und dass es das Gefängnis nun nicht mehr gibt. Auch wenn Psychologen zu dieser Therapie raten, vielen gelingt es nicht, sie sind hilflos und zittern. Vielleicht waren sie überhaupt nie in der Lage über die überstandenen Greueltaten zu reden. Ihnen wurden viele Jahre ihres Lebens gestohlen, auch die Wiedervereinigung war da keine Hilfe. Dunkler Teil, Stasi-Gefängnis Im gesamten 3. Reich gab es zu Anfang ca. 7000 Gestapo-Mitarbeiter, und bis zum Ende ca. 31000. In dem doch kleinen Teil im Osten gab es 91 015 hauptamtliche Mitglieder der Stasi und 189 000 inoffizielle Verräter. Es gab ca. 250 Gerichtsverfahren, und es wurden gerade mal 3 hauptamtliche Täter zu Gefängnisstrafen von über zwei Jahren verurteilt, ohne Bewährung, ein Wachtposten der Kreisdienststelle Güstrow, ein Mitarbeiter der Terrorabwehr und Mielke. Mielke saß in Hohenschönhausen ein und hatte die Unverfrorenheit, sich über die Haftbedingungen zu beschweren. Er wurde nach Westberlin verlegt. Und was ist mit den vielen Anderen, die nicht verurteilt wurden, oder nicht mal vor Gericht gestellt wurden? Sie sitzen überwiegend in sicheren gehobenen Positionen, wird glaubhaft versichert oder beziehen inzwischen eine Rente für einen geruhsamen Lebensabend. Dieser Unrechtsstaat hat viele Menschen seelisch zugrunde gerichtet und auch die Menschen geprägt. Vor allen Dingen die ältere Generation wird niemals die innere Freiheit haben, wie wir sie kennen. Wenn wir kommen, sind wir immer noch aus dem Westen und viele sagen:“Das ist aber schön, dass Sie kommen“ Was alles geschehen ist, läßt sich nicht rückgängig machen, aber man sollte auch an die Opfer denken, die bei uns immer zu kurz kommen. Hohenschönhausen ist einen Besuch wert, auch wenn es kein schönes Erlebnis ist. Ein wahres Wort
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