Pro Dialog 7 Freitag/Samstag, 27./28. Januar 2017 Nr. 9-18D IM BLICK » ARZT UND PRAXISTEAM Eine Serie in Kooperation von ÄrzteZeitung und AOK-Bundesverband Vier-Augen-Prinzip schützt die Nieren Eine Win-win-Situation BERLIN/MAGDEBURG. Die Nieren sind Wird die Niereninsuffizienz jedoch frühzeitig erkannt, lässt sich ihr Fortschreiten durch eine gezielte und vor allem kontinuierliche Therapie hinauszögern und sogar eine Dialyse verhindern. Die AOK Sachsen-Anhalt hat daher bereits im Jahr 2009 zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Verein niedergelassener Nephrolgen e.V. das Versorgungsprogramm „chronische Niereninsuffizienz“ aufgelegt. Der Kerngedanke dabei: Die medizinische Versorgung der betroffenen Patienten mittels einer engen und abgestimmten Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Nephrologe zu verbessern. In der Praxis funktioniert das wie folgt: Der am Vertrag beteiligte Hausarzt führt bei den Patienten mit Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie oder einer HerzKreislauferkrankung regelmäßig eine Früherkennungsuntersuchung durch. Die Kosten für das Screening übernimmt die AOK Sachsen-Anhalt. Deu- Vier Augen sehen mehr als zwei, ist Internist und Nephrologe Dr. JörgDetlev Lippert im Gespräch überzeugt. ● Dr. Jörg-Detlev Lippert im Gespräch mit einer Patientin. Ihr blieb die Dialyse dank des Versorgungsprogramms bislang erspart. © J. SCHLÜTER / AOK SACHSEN-ANHALT ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Ein Programm, vier Ziele Bessere medizinische und wirtschaftlichere Versorgung durch die Zusammenarbeit von Hausarzt und Nephrologe ● Rechtzeitiges Erkennen von Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen oder erhöhtem Risiko für chronische Nierenerkrankungen ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Frühzeitige Einbindung eines Nephrologen in die Patientenversorgung Einleitung gezielter Schritte zur Sekundärprävention und zur Progressionsverzögerung mit dem Ziel, die Dialysepflicht deutlich hinauszuzögern und im besten Fall zu vermeiden. ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● tet der Test auf eine Nierenerkrankung hin, überweist der Hausarzt den betreffenden Patienten direkt an einen Nephrologen, der wiederum das genaue Stadium der Nierenschädigung ermittelt und einen entsprechenden individuellen Behandlungsplan für den Patienten aufstellt. Darin aufgelistet sind etwa Hinweise, was bei der Medikation zu beachten ist, welche tägliche Trinkmenge angezeigt ist und was es bei der Ernährung zu beachten gibt. Besonderes Augenmerk legen Hausarzt und Nephrologe dabei auf die Grunderkrankungen des Patienten. Mehr als 17 000 Versicherte der AOK profitieren derzeit vom Programm, das die Gesundheitskasse zusammen mit der KV Sachsen-Anhalt (KVSA), der Deutschen NephroNet und dem Verein der niedergelassenen Nephrologen Sachsen-Anhalt anbietet. Dessen Vorsitzender, der Internist und Nephrologe Dr. Jörg-Detlev Lippert aus Köthen, betont: „Die Hausärzte schicken inzwischen ganz rege Patienten in unsere nephrologischen Praxen.“ Das habe den großen Vorteil, dass ein Patient länger in seinem jeweiligen Krankheits-Stadium – zum Beispiel im Stadium III – verbleibe. Das wiederum bedeute, dass er deutlich länger ohne eine Dialyse auskomme. Ein Grund dafür: „In den nephrologischen Praxen gibt es Untersuchungsmöglichkeiten, die der Hausarzt meist nicht hat.“ Als Beispiel führt Lippert umfangreiche Möglichkeiten der Akutdiagnostik in der nephrologischen Praxis an. Dazu gehört etwa eine SäureBasen-Analyse, die mithilfe eines spe- Nephrologe Lippert spricht von einer Win-win-Situation: Die Patienten profitierten von einer besseren Versorgung. „Sie haben eine nachgewiesen bessere Lebensqualität und es kommt zu weniger akuten Krankenhausaufenthalten“, sagt Lippert. Der Aufwand für die Patienten halte sich in Grenzen. „Ist ein Nierenpatient im Stadium I oder Stadium II, reicht es völlig aus, wenn er einmal im Jahr zum Facharzt zur Untersuchung kommt.“ In höheren Stadien (III oder IV) kämen die Patienten in vierteljährlichen Abständen. Die am Vertrag beteiligten Haus- und Fachärzte wiederum profitierten von der engeren Zusammenarbeit untereinander und der Extra-Vergütung ihres Engagements. „Der Hausarzt kümmert sich um die Kontrolle zwischendurch, die genaue Untersuchung und Begutachtung – vor allem der schwierigen Fälle – übernimmt der Nephrologe.“ Und die Krankenkasse? „Eine neuerliche Evaluation unseres Versorgungsprogramms zur chronischen Niereninsuffizienz zeigt ein weiteres Mal, dass die Strategie hinter dem Vertrag funktioniert, weil wir damit für mehr Lebensqualität bei den Patienten sorgen“, betont Andreas Goldmann, zuständig für strategische Versorgungsplanung bei der AOK SachsenAnhalt. So habe die Zahl der Dialysepatienten im Programm – entgegen dem allgemeinen Trend – kontinuierlich abgenommen. Mussten im Jahr 2010 noch 1867 Patienten zur Dialyse, waren es ein Jahr später 1833 Patienten. Bis zum Jahr 2015 sank die Zahl noch einmal – auf zuletzt 1639 Patienten. Für Andreas Goldmann machen diese Zahlen vor allem eines deutlich: „Dass unser Vertrag auch wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn man von jährlich anfallenden Kosten für eine Dialyse von rund 45 000 Euro ausgeht.“ ÄRZTE ZEITUNG: Warum ist die Zu- © J. SCHLÜTER / AOK SACHSEN-ANHALT VON THOMAS HOMMEL Schneller Termin beim Facharzt Prozess der Behandlung ist klar koordiniert ziellen Messgerätes erfolgt und Auskunft über das noch vorhandene Maß der Nierenfunktion gibt. Ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit zwischen Haus- und Facharzt sei das Vier-Augen-Prinzip – etwa bei der Medikation. „Es ist eben sinnvoll, wenn wir genau wissen, welche Medikamente ein Patient einnimmt“, sagt Lippert. Der Nephrologe habe dann auch die Möglichkeit, nach Absprache mit dem Hausarzt, Schmerzmittel abzusetzen und andere Behandlungswege für seinen Patienten zu wählen. „Wir Ärzte haben eben stets zu bedenken, dass Patienten mit einigen Arzneimittel-Kombinationen unter Umständen direkt in die Niereninsuffizienz geschickt werden.“ Die Zahl der Dialysepatienten steigt und steigt. Anders in Sachsen-Anhalt. Dort setzt ein Versorgungsvertrag der AOK für Menschen mit chronischer Niereninsuffizienz auf die Zusammenarbeit von Haus- und Facharzt. Das zahlt sich aus, wie eine aktuelle Auswertung des Programms zeigt. ein organisches Hochleistungszentrum. Doch Schwerstarbeit hat ihren Preis. Schon ab einem Alter von 50 Jahren können die Nieren – als alternde Organe – erste Schäden aufweisen. Das Heimtückische daran: Der Funktionsverlust vollzieht sich schleichend. Unterteilt wird die chronische Niereninsuffizienz – je nach Grad der Schädigung – in fünf Stadien. Ist das Nierenversagen unabwendbar, muss sich der Patient zeit- und kostenintensiven Behandlungen wie einer Dialyse oder einer Nierentransplantation unterziehen. Betroffen sind immer mehr Menschen, wie aus internationalen Untersuchungen hervorgeht. So berichten Studien von einem weltweiten Anstieg der Dialysepatienten um rund drei Prozent pro Jahr. INTERVIEW sammenarbeit von Haus- und Facharzt insbesondere bei der Versorgung von Patienten mit chronischem Nierenleiden wichtig? DR. JÖRG-DETLEV LIPPERT: Die chronische Niereninsuffizienz ist ein komplexes Krankheitsbild. Die Medizin hat sich hier ständig weiterentwickelt. Der Hausarzt kann – quasi als Allrounder in Sachen Medizin – nicht alle neuen Facetten dieses Krankheitsbildes kennen. Der Nephrologe muss es. Je früher er also in die Behandlung eingreift, umso besser. Umgekehrt kann der Hausarzt am besten Risikopatienten identifizieren und diese dann an eine nephrologische Facharztpraxis überweisen. Er kennt die Vorgeschichte des Patienten. Beide sind zusammen erfolgreicher, wenn es darum geht, die chronische Niereninsuffizienz in einem Stadium zu halten, in der noch keine Dialyse nötig ist. Wo sehen Sie Pluspunkte der Zusammenarbeit für den Patienten? Sie kommen in den Genuss einer kontinuierlichen Betreuung durch Haus- und Facharzt. Vier Augen sehen mehr als zwei. Mitunter gelingt es sogar, Patienten zur Transplantation zu bringen, ohne dass vorher eine Dialyse nötig ist. Das Versorgungsprogramm in Sachsen-Anhalt als Blaupause für andere Länder? Mit Sicherheit. Wir brauchen gerade bei chronischen Erkrankungen die Zusammenarbeit von Allgemeinarzt und Spezialist. In Sachsen-Anhalt profitieren – neben den Patienten – beide Seiten. Zwar sind deutlich mehr Ärzte an der Behandlung von Nierenpatienten als in anderen Bundesländern beteiligt, aber die Behandlung wird durch den gemeinsamen Vertrag klar koordiniert und gesteuert. (hom) Der Internist und Nephrologe Dr. Jörg-Detlev Lippert aus Köthen ist Vorsitzender des Vereins der niedergelassenen Nephrologen Sachsen-Anhalt ▼ ● ● ●● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ●● ● ● ●● ● ● ●● ● ● Immer mehr schwerkranke Menschen in Deutschland können im häuslichen Umfeld versorgt werden. Dank moderner Technik ist dies auch dann möglich, wenn beim Atmen dauerhaft medizintechnische Unterstützung notwendig ist. Wie sich derartige Versorgungssettings in der Praxis bewährt haben, ist Gegenstand einer Veranstaltung, die der AOKBundesverband im Rahmen des Deutschen Pflegetages 2017 vom 23. bis 25. März in Berlin anbietet. (hom) ●● ● ● ●● ● ●● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● AOK-TICKER Gut versorgt? Beatmete in der Langzeitpflege ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ● ● ● ●● ●● ●● ● ● ● ●● ●● ●● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ● ●● ● ● ●● ●● ● ● ● ●● ●● ●● ● ● ● ●● ●● ●● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ● ● ● ●● ●● ●● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ●● ●● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● Infos und Ticket unter: www.deutscher-pflegetag.de ●● ●● ●● ●● ●● ● ●● ● Klinikplanung: Mehr Mitsprache für die Kassen Der AOK-Bundesverband hat sich für eine größere Mitsprache der Krankenkassen bei der stationären Versorgung ausgesprochen. „Ich möchte nicht mehr Rechnungen bezahlen müssen für Eingriffe in Einrichtungen, die keine Qualität liefern“, sagte Verbandschef Martin Litsch dem AOK-Medienservice (01/17). Bislang dürfe jede Klinik, die einen Versorgungsvertrag geschlossen habe, ohne Hinterfragen der Qualität Leistungen erbringen. Litsch: „Das muss bei der Vertragsgestaltung anders geregelt werden.“ (hom) ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Weitere Infos unter: www.aok-bv.de (> AOK-Medienservice > ams-Politik) ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● AOK Bayern: Zielgenauigkeit im Morbi-RSA erhöhen Die AOK Bayern hat nochmals ihre Forderung bekräftigt, im Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) nicht nur eine Auswahl, sondern alle Krankheiten zu berücksichtigen. „Dies würde die Zielgenauigkeit des MorbiRSA erhöhen“, so der Vorsitzende des Verwaltungsrats Ivor Parvanov anlässlich einer Veranstaltung der Krankenkasse in München. Der Präsident des Bundesversicherungsamtes Frank Plate bestätigte, dass dies auch verwaltungstechnisch einfacher sei. Um die Manipulationsanfälligkeit des Systems weiter zu reduzieren, forderte Parvanov verbindliche Richtlinien für die Kodierung von Krankheiten im ambulanten Sektor. (eb) Die Praxis-Serie Lesen Sie am 10. Februar: Die Qualität der eigenen Arbeit zu messen, ist eine Herausforderung, bei der das Projekt „Qualität in Arztnetzen – Transparenz mit Routinedaten“ (QuATRo) unterstützen kann. Das Projekt kommt bei Ärzten gut an. Deshalb soll es nun regional ausgeweitet werden. Kontakt: Haben Sie Fragen oder Anregungen an die AOK oder Themenwünsche für diese Seite? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an: [email protected].
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