Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/938 02.02.2017 Beschlussrealisierung Landesregierung Magdeburg, 31. Januar 2017 Bundesteilhabegesetz inklusiv gestalten Beschluss des Landtages - Drs. 7/668 Zu dem o. g. Beschluss des Landtages von Sachsen-Anhalt ergeht folgende Stellungnahme: Mit dem Bundesteilhabegesetz – BTHG – werden Empfehlungen aus den „Abschließenden Bemerkungen des Vertragsausschusses zur UN-BRK über den ersten Staatenbericht Deutschlands“ aufgegriffen und die Behindertenpolitik in Deutschland im Einklang mit der UN-BRK weiterentwickelt. Zugleich werden die Forderungen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder aus den vergangenen zehn Jahren umgesetzt. Diese sehen u. a. vor, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht auszubauen. Die Länder haben sich im Bundesrat für eine Verbesserung des Entwurfs des BTHG eingesetzt. Dieser Einsatz war in vielen Punkten erfolgreich: Im Ergebnis konnten zahlreiche Forderungen durch Änderungen noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Dies gilt auch mit Blick auf die in dem o. g. Beschluss niedergelegten Forderungen des Landtags von Sachsen-Anhalt. Im Einzelnen: - Der Landtag hat die Landesregierung gebeten, sich im Zuge der Bundesratsbefassung für eine bessere Evaluierung der Mehrkosten durch das Bundteilhabegesetz sowie für eine Kostenbeteiligungsklausel des Bundes gegenüber den Ländern einzusetzen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung die Sorge geäußert, dass die finanziellen Auswirkungen von den im Gesetzentwurf dargestellten Prognosen abweichen und es zu Mehrbelastungen für die Länder und Gemeinden kommt. Der Bundesgesetzgeber hat dies zum Anlass ge- (Ausgegeben am 02.02.2017) 2 nommen, die Bundesregierung zu verpflichten, die Maßnahmen mit erheblichen Kostenfolgen auf ihre Haushaltswirksamkeit hin zu untersuchen. Zu den Maßnahmen mit wesentlichen finanziellen Auswirkungen gehören die verbesserte Einkommens- und Vermögensanrechnung, die Einführung des Budgets für Arbeit und der anderen Leistungsanbieter, die neuen Leistungskataloge für die soziale Teilhabe und für die Teilhabe an Bildung, die Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt, die Einführung eines trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahrens sowie die Einführung von Frauenbeauftragten in den Werkstätten für behinderte Menschen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat in den Jahren 2019 und 2022 hierzu berichten. Grundlage der Berichte sind die in der Bundesstatistik für die Sozialhilfe und die Eingliederungshilfe vorliegenden Daten über die jährlichen Einnahmen und Ausgaben sowie Sondererhebungen zu den Finanzwirkungen der genannten Maßnahmen. Eine allgemeine Kostenerstattungsklausel wurde nicht in das BTHG aufgenommen. Der Bund erstattet allerdings den Ländern zum Ausgleich verschiedener Leistungen für Berechtigte nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, die zugleich Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII in einer stationären Einrichtung erhalten, in den Jahren 2017 bis 2019 für jeden Leistungsberechtigten je Kalendermonat einen Betrag, dessen Höhe sich nach einem Anteil von 14 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 bemisst (Erstattung des Barbetrags durch den Bund in den Jahren 2017 bis 2019 nach § 136 SGB XII, vgl. Art 11 BTHG). Ab dem Jahr 2020 wird die Erstattung gemäß § 136 a SGB XII reduziert (vgl. Art. 13 BTHG). - Das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflege wurde entsprechend der Bitte des Landtags einer Revision unterzogen. Die Regelungen zur Leistungsabgrenzung im Überschneidungsbereich von Eingliederungshilfe und Pflege wurden überarbeitet. Es wird bei dem nach geltendem Recht bestehenden Gleichrang der Leistungssysteme im häuslichen Umfeld bleiben. Im Fall des Zusammentreffens von Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege wird das sogenannte „Lebenslagenmodell“ umgesetzt (§ 103 SGB IX). - Die Neudefinition des leistungsberechtigten Personenkreises in der Eingliederungshilfe wurde zurückgestellt. Bis zum Abschluss einer Ex-Ante-Evaluation und einer erneuten Beschlussfassung durch den Bundestag kommt der bislang in der Eingliederungshilfe geltende Begriff der Behinderung weiter zur Anwendung. Ziel der teilhabeorientierten Neuregelung zum leistungsberechtigten Personenkreis ist es, diesen unverändert zu lassen. Im Jahr 2017 wird daher eine wissenschaftliche Untersuchung ausschließlich zur Regelung des leistungsberechtigten Personenkreises der Eingliederungshilfe durchgeführt. Mit der Untersuchung soll festgestellt werden, ob dieses Ziel – den leistungsberechtigten Personenkreis unverändert zu lassen – erreicht werden kann. Vor diesem Hintergrund wird die Regelung noch vor dem Inkrafttreten auf ihre Wirkungen hin untersucht werden, um dem Gesetzgeber Hinweise auf die zu bestimmenden Inhalte des konkretisierenden Bundesgesetzes nach Artikel 25a BTHG zu geben. Das Ergebnis dieser Untesuchung soll dem Deutschen Bundestag bis zum 30. Juni 2018 in einem Bericht vorgelegt werden. 3 - Die Regelungen zur Zumutbarkeit und Angemessenheit wurden der Bitte des Landtags entsprechend überprüft und geändert: Bei dem Recht nach § 104 SGB IX wird die gewünschte Wohnform besonders gewürdigt. Ziel ist es, dass niemand gegen seinen Willen in eine besondere Wohnform gedrängt wird. Zu diesem Zweck wurde § 104 SGB IX geändert: In Absatz 1 Satz 1 wurden nach dem Wort „Mitteln“ die folgenden Wörter eingefügt: „dabei ist auch die Wohnform zu würdigen“. Absatz 3 Satz 2 wurde wie folgt gefasst: „Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände einschließlich der gewünschten Wohnform angemessen zu berücksichtigen.“ Nach Absatz 3 Satz 2 wurden folgende Sätze eingefügt: „Kommt danach ein Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen in Betracht, ist dieser Wohnform der Vorzug zu geben, wenn dies von der leistungsberechtigten Person gewünscht wird. Soweit die leistungsberechtigte Person dies wünscht, sind in diesem Fall die im Zusammenhang mit dem Wohnen stehenden Assistenzleistungen nach § 113 Absatz 2 Nummer 2 im Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung nicht gemeinsam zu erbringen nach § 116 Absatz 2 Nummer 1.“ - Die Möglichkeiten zur gemeinschaftlichen Leistungserbringung nach § 116 SGB IX sind zugunsten der Leistungsberechtigten präzisiert worden: Assistenzleistungen im Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung werden auf Wunsch des Leistungsberechtigten dem Anwendungsbereich der gemeinschaftlichen Leistungserbringung entzogen (s. o.). Mit diesen Änderungen hat der Entwurf der Bundesregierung zum BTHG im parlamentarischen Verfahren erhebliche Verbesserungen auch mit Blick auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen erfahren. Diese Verbesserungen konnten durch Forderungen der Länder, die in einem konstruktiven und intensiven Dialog mit den Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen und den Landesparlamenten formuliert worden sind, umgesetzt werden. Die Sozialressorts der Länder werden den Prozess der Umsetzung des BTHG auch dafür nutzen, weitere Änderungsbedarfe festzustellen, um diese ggfs. in den Bundesrat einzubringen und damit den berechtigten Forderungen der Interessenvertretungen auch in Zukunft Rechnung zu tragen. Rainer Robra Staats- und Kulturminister
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