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Magensäureblocker: Ohne eindeutige Diagnose nicht langfristig einnehmen
Berlin, Januar 2017 – Protonenpumpeninhibitoren (PPI), auch Magensäureblocker genannt,
gehören zu den hierzulande am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Nach Angaben des
aktuellen Arzneimittelverordnungs-Reports hat sich ihre Verordnung in den zurückliegenden zehn
Jahren mehr als verdreifacht und lag 2015 bei rund 3,7 Milliarden definierten Tagesdosen (DDD,
daily defined dose). Protonenpumpeninhibitoren sind wichtige Medikamente, erklärt die Deutsche
Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Sie würden
jedoch vielfach auch bei Beschwerden eingesetzt, für die sie nicht geeignet seien. In jüngster Zeit
mehren sich Hinweise, dass eine langfristige Einnahme von PPI mehr Nebenwirkungen verursachen
könnte, als bislang bekannt. Eine Dauermedikation sollte deshalb nur unter ärztlicher Betreuung
und bei klar abgesicherter Diagnose erfolgen, empfiehlt die DGVS.
Protonenpumpeninhibitoren, umgangssprachlich auch Magensäureblocker oder Magenschutz
genannt, reduzieren die Bildung von Magensäure. „Diese Medikamente sind wirksam und wichtig zur
Behandlung und Vorbeugung bestimmter säureassoziierter Magenerkrankungen wie beispielsweise
der Refluxkrankheit, der gastroduodenalen Ulkuskrankheit, des Barrett-Ösophagus oder des
Zollinger-Ellison-Syndroms“, erklärt DGVS-Experte Professor Dr. med. Matthias Ebert, Direktor der II.
Medizinischen Klinik, Universitätsmedizin Mannheim. „In manchen Fällen ist auch ihr Einsatz als
‚Magenschutz‘, also als Vorsorge von Magenblutungen, ausgelöst durch die langfristige Einnahme
bestimmter Medikamente wie Acetylsalicylsaure oder nichtsteroidale Antirheumatika, sinnvoll und
wichtig“, so der Gastroenterologe.
Zu häufig aber würden Protonenpumpeninhibitoren auch bei Beschwerden angewandt, bei denen ihr
Nutzen nicht wissenschaftlich nachgewiesen sei. Hierzu zählt vor allem ein Reizmagen. „Ein
Reizmagen-Syndrom ist nicht ganz leicht zu behandeln, denn seine Symptome und die Ursachen sind
vielfältig. Aus Mangel an effizienten Therapien wird dann nicht selten auf PPIs zurückgegriffen“, so
Ebert. Die unkritische Einnahme von PPIs bei unspezifischen und teils auch ernährungsbedingten
Magenbeschwerden - etwa Aufstoßen, Völlegefühl oder Übelkeit - werde zudem dadurch begünstigt,
dass die Medikamente auch freiverkäuflich in Apotheken abgegeben würden.
Aus dem gelegentlichen Griff zu den PPIs kann schnell eine Dauereinnahme werden. Grund: Beim
abrupten Absetzen eines PPI kann es bei manchen Patienten zu einer überschießenden Produktion
von Magensäure kommen - dann treten die Symptome, gegen die das Medikament eingenommen
wurde, eine gewisse Zeit lang sogar noch verstärkt auf. „Dies führt nicht selten dazu, dass Patienten
das Medikament dann weiter einnehmen und langfristig dabei bleiben“, so Ebert.
In jüngster Zeit mehren sich Hinweise und Studien, dass eine langfristige Einnahme von
Protonenpumpeninhibitoren - über mehrere Monate oder sogar Jahre - mit möglichen
Nebenwirkungen assoziiert ist. Zu den unter Wissenschaftlern diskutierten möglichen Risiken zählen
insbesondere ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche und eine Veränderung der Darmflora.
Verschiedene Untersuchungen zeigten auch, dass bei langfristiger Einnahme von PPI die Rate an
Darminfektionen mit Erregern wie Clostridium difficile oder Campylobacter zunahm. „Hier muss man
jedoch betonen: Bei vielen der vermuteten Nebenwirkungen ist die Studienlage bislang noch dürftig
und teils auch widersprüchlich“, sagt DGVS-Pressesprecher Professor Dr. med. Christian Trautwein
aus Aachen. Gesicherte Erkenntnisse gebe es bislang kaum – es brauche weitere, aussagekräftige
Studien, um die aktuellen Hinweise zu belegen oder zu widerlegen.
„Dennoch müssen die aktuellen Hinweise Anlass dazu geben, die bislang recht unkritische
Verschreibung und Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren zu überdenken“, betont Trautwein.
Bislang waren PPIs für ein sehr gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis bekannt, weshalb die Verordnung oft
sehr großzügig und die Indikationsstellung recht weit gefasst war – dies muss sich ändern.“
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten rät:
Protonenpumpeninhibitoren sollten nicht langfristig – über mehr als zwei Monate – ohne eine
eindeutige, gesicherte Diagnose, die eine PPI-Therapie unabdingbar erfordert, eingenommen
werden. Hierfür sei etwa ein Gastroenterologe der richtige Ansprechpartner. Von einer regelmäßigen
Einnahme von PPIs ohne ärztliche Überwachung und klare Indikation rät die Fachgesellschaft ab.
Literatur:
- Mössner, J, Magen-Darm-Mittel und Lebertherapeutika. In: Schwabe, U., Paffrath, D. (Hrsg),
Arzneimittelverordnungs-Report 2016, Berlin Heidelberg: Springer 2016.
http://www.springer.com/de/book/9783662503508
- Ueberschaer, H., Allescher H.D., Protonenpumpenhemmer – Nebenwirkungen und Komplikationen der langfristigen
Protonenpumpenhemmereinnahme, Z Gastroenterol 2017; 55(01): 63-74, DOI: 10.1055/s-0042-121265
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0042-121265
-Buendgens L, Bruensing J, Matthes M, Dückers H, Luedde T, Trautwein C, Tacke F, Koch A.,
Administration of proton pump inhibitors in critically ill medical patients is associated with increased risk of
developing Clostridium difficile-associated diarrhea. J Crit Care. 2014 Aug; 29(4):696.e11-5.
http://dx.doi.org/10.1016/j.jcrc.2014.03.002
- Mössner, J, The indications, applications, and risks of proton pump inhibitors —a review after 25 years. Dtsch
Arztebl Int 2016; 113: 477–83. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0477 http://www.aerzteblatt.de/pdf/113/27/m477.pdf
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet.
Heute vereint sie mehr als 5000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem
Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet
Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein
besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die
Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.