Impressionen von der SVV Januar 2017

Impressionen von der SVV Januar 2017
Eigentlich hätte diese erste SVV des neuen Jahres sehr kurz werden können, denn die
Tagesordnung war übersichtlich. Aber dann griff mal wieder die Regel: "Alles wurde
gesagt, aber noch nicht von allen", so dass die Versammlung doch erst nach 20.00
Uhr zu Ende war.
Am Anfang wurde auf den Gedenkgottesdienst für die Opfer des Attentats vom
Breitscheidplatz Bezug genommen – wie bekannt, war darunter auch ein junger
Mann aus Brandenburg an der Havel. OB Tiemann sagte: „Ich bin dem Kirchenkreis
sehr dankbar, dass er das organisiert hat.“ Für mich ergibt sich allerdings die Frage,
wie wir es in solchen Fällen mit der Trennung von Kirche und Staat halten.
Einstimmig gutgeheißen wurde der Jahresabschluss 2015 des Marienbades.
Mehrheitlich (mit den Stimmen der CDU) abgelehnt dagegen wurde ein SPD-Antrag,
sich als Stadt für die Reaktivierung der sogenannten Stammbahnstrecke, der ersten
Eisenbahnstrecke (seit 1838) zwischen Potsdam und Berlin, einzusetzen und damit
Bemühungen des Landes Brandenburg und der Städte Berlin und Potsdam zu
unterstützen mit dem Ziel, eine Taktverdichtung ab Brandenburg an der Havel zu
erreichen. Die Mehrheit war der Meinung, dass die Zeit für eine Unterstützung
solcher Pläne noch nicht reif sei, zumal nicht sicher sei, dass unsere Stadt davon
tatsächlich profitieren würde.
Abermals auf der Tagesordnung stand das Schreiben des Herrn Ulbricht zur
mangelnden Beteiligung Betroffener in Sachen Packhofgelände. Man erinnere sich:
Die Kommunalaufsicht hatte moniert, dass die Stadtverwaltung bzw. der SVVVorsitzende auf dieses Schreiben nicht angemessen reagiert habe, das man hätte als
Petition behandeln müssen. Daraufhin wurde der „Ausschuss für Umwelt, Recht,
Ordnung und Petitionen“ (AUROP) gebeten, eine Stellungnahme und
Beschlussempfehlung zu erarbeiten. Die Empfehlung wurde im AUROP einstimmig,
bei zwei Enthaltungen, verabschiedet und beginnt mit dem Satz: „Die Petition ist
begründet.“ Daran entzündete sich in der SVV eine längere Diskussion. Der Satz
entstammt unserer kommunalen Petitionsordnung und ist als erster Punkt in einem
Verfahrensvorschlag zum Umgang mit Petitionen gedacht. Aus juristischer Sicht, so
habe ich mich schlau gemacht, ist der Satz mehrdeutig: Meint „begründet“ schlicht
„ist als Petition einzustufen“ (so auch meine Interpretation) – oder werden damit
Aussagen zur Qualität der Petition getroffen, im Sinne von „es gibt dafür berechtigte
bzw. gute Gründe“? Letzteres dürfte die Kompetenzen des AUROP übersteigen, der
ja eigentlich „nur“ dazu da ist, eine Empfehlung für den weiteren Umgang mit der
Petition abzugeben, nicht aber die Petition mit einer Note zu versehen. Klingt
pingelig, macht aber einen großen Unterschied: Sieht sich der AUROP als Moderator
im Dienste von Entscheidungsempfehlungen oder als Korrektiv mit politischer
Mission? Am Ende wurde die Streichung des vieldiskutierten Satzes mit 23 Ja-, 16
Nein-Stimmen (darunter alle Stimmen der LINKEN) und einer Enthaltung
beschlossen; die eigentlichen Empfehlungen, wie weiter mit der Petition umzugehen
ist, wurden 22:9:9 angenommen.
Aber es brodelt weiter in Sachen Packhof, wie auch die Einwohnerfragestunde zeigte.
Hans-Walter Werner von der BI betonte erneut die Vorzüge des moderierten
Strukturkonzepts von 2012, in dem es noch keinen Zankapfel Hotelkoloss gab. Auch
DIE LINKE findet es sehr sinnvoll, sich auf dieses Dokument einer fruchtbaren und
fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit zu berufen, ohne es in jedem Detail zum
Gesetz erheben zu wollen. Wenn dagegen Jean Schaffer (CDU) in einer persönlichen
Erklärung die These aufstellt: Nur wer für ein Hotel der geplanten Größenordnung
ist, ist für den wirtschaftlichen Fortschritt der Stadt, so kann man das nur für eine
unzulässige Vereinfachung halten. Und wenn die Oberbürgermeisterin in ihrem
Bericht dem Landeschef Dietmar Woitke vorwirft, er habe in Sachen Einkreisung
„politische Vorfestlegungen getroffen“, so kann man diesen Vorwurf wohl auch auf
das Packhofprojekt anwenden.
Weiterhin wurde moniert, dass die Gesundheitsgefahren, die sich aus dem neuen
Verkehrsgutachten schließen ließen, von den Verantwortlichen unterschätzt würden.
Wenn dann allerdings an die im Gesundheitswesen tätigen Stadtverordneten
persönlich appelliert wird, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, ist die
Unterstellung nicht weit.
Im nichtöffentlichen Teil wurde einstimmig, bei zwei Enthaltungen, dem Plan zur
Regulierung des "Schadensfalls BAVARIA der WOBRA" zugestimmt, der eine
umgehende Beendigung dieses unseligen, nunmehr fast 20 Jahre andauernden
Knebelvertrages möglich macht und der Stadt wieder Gestaltungsspielraum
verschafft. Ich erspare mir hier die Details, zumal sie ausführlich durch die Medien
gingen. Ilona Friedland (DIE LINKE) formulierte es so: „Lieber ein Ende mit
Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Als späte Seiteneinsteigerin musste ich
mich durch Dokumentenstudium und Nachfragen mit dem damaligen Deal vertraut
machen und meine erste Reaktion war Wut: Müsste man nicht diejenigen zur
Verantwortung ziehen, die damals diesen für die Stadt so verlustreichen Vertrag
billigten? Aber sie wussten es wohl in diesen wilden Zeiten nicht besser bzw. die
warnenden Stimmen waren in der Minderheit. Den Reibach machte die BAVARIA,
auf Kosten der braven Brandenburger Steuerzahler...
Dr. Uta Sändig
(DIE LINKE)