Prof.Dr.WinfriedKluth 16 STELLUNGNAHME 16/4576 A09, A07/1 SchriftlicheStellungnahme zurAnhörungdesInnenausschusses desLandtagsNRWzumGesetzzur ÄnderungdesLandesbeamtengesetzesNRW-LT-Drucks.16/13532-am 19.01.2017 Halle(Saale),imJanuar2017 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 Inhaltsübersicht I. AnlassdesGesetzesentwurfsundGegenstandderStellungnahme................3 II. VerfassungsrechtlicheGründefüreineNeuregelung..........................................4 1. DerverfassungsrechtlicheRahmenimÜberblick.............................................4 2. DieGenesederRegelungin§9BeamtenStG.......................................................6 3. DerabschließendeCharakterderRegelung........................................................8 4. ErgebnisundRechtsfolge.............................................................................................8 5. GestaltungsrahmendesArt.33Abs.2GG.............................................................9 6. DieBedeutungvonHilfskriterienbeigleicherGesamtnote.......................10 III. BeurteilungdervorgeschlagenenNeuregelung.................................................12 1. ZugrundeliegendepraktischeProblematik......................................................12 2. WürdigungdesGesetzesvorschlags.....................................................................14 Seite2von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 I. AnlassdesGesetzesentwurfsund GegenstandderStellungnahme DerLandesgesetzgeberhatimRahmeneinerDienstrechtsreformin§19Abs. 6Satz2desLandesbeamtengesetzesNRWdieFrauenförderungimZusammenhangmitBeförderungsentscheidungenneugeregelt: „(6)BeförderungensindnachdenGrundsätzendes§9desBeamtenstatusgesetzesvorzunehmen.FrauensindbeiimWesentlichengleicherEignung, BefähigungundfachlicherLeistungbevorzugtzubefördern,sofernnicht inderPersoneinesMitbewerbersliegendeGründeüberwiegen.VoneinerimWesentlichengleichenEignung,BefähigungundfachlichenLeistungimSinnevonSatz2istinderRegelauszugehen,wenndiejeweils aktuelledienstlicheBeurteilungderBewerberinunddesMitbewerbers eingleichwertigesGesamturteilaufweist.Satz2und3findenAnwendung, solangeimBereichderfürdieBeförderungzuständigenBehördeinnerhalb einerLaufbahnderFrauenanteilindemjeweiligenBeförderungsamtentwederdenFrauenanteilimEinstiegsamtoderdenFrauenanteilineinemderunterdemzubesetzendenBeförderungsamtliegendenBeförderungsämterunterschreitetundderFrauenanteilindemjeweiligenBeförderungsamt50Prozentnochnichterreichthat.IstmitderBeförderungdieVergabeeines DienstpostensmitVorgesetzten-oderLeitungsfunktionverbunden,giltSatz4 bezogenaufdieangestrebteFunktion.AbweichendvonSatz4istmaßgeblich derGeschäftsbereichderoberstenLandesbehörde,diedenBeförderungsvorschlagmacht,wenndieLandesregierungdiefürdieBeförderungzuständige Behördeist.WeitereAbweichungenvondemgemäßSatz4maßgeblichenBezugsbereichoderinBezugaufdieVergleichsgruppenbildungregeltdieobersteDienstbehördedurchRechtsverordnung.“ DieNeuregelunghat–wieprognostiziert–bereitskurznachihremInkrafttreteneinekritischeResonanzinderfachgerichtlichenRechtsprechungerfahren, wobeiinmehrerenVerfahrendesvorläufigenRechtsschutzesdieNeuregelung in§19Abs.6S.2LBGNRWausunterschiedlichenGründenalsverfassungswidrigeingestuftwurde.1 IneinemEntschließungsantragvom07.06.20162hatdieFraktionderCDU auchvordemHintergrundderverfassungsrechtlichenBedenkenihreabweichendenZielvorstellungfüreinezeitgemäßeunddenInteressenvoninTeilzeitberufstätigenMännernundFrauensowieimZusammenhangmitderInanspruchnahmevonElternzeitbeiBeförderungsmaßnahmenfolgendermaßen konkretisiert: 1 VGDüsseldorf,Beschlussvom05.09.2016,Az.2L2866/16-juris;VG Aachen,Beschlussvom16.09.2016,Az.1L616/16-juris;VGArnsberg,Beschlussvom14.09.2016,Az.2L1159/16-juris.ZusammenfassendDrescher,RechtimAmt2016,245f. 2 LT-Drucks.16/12196. Seite3von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 „11.)RechtssichereVerbesserungderKarrierechancenfürFrauen DieKarrierechancenfürFrauenmüssenweiterverbessertwerden.InsbesondereisteingrößererAnteilvonFraueninFührungspositionenanzustreben (vgl.Drs.16/9500,Ziffer34).MitdemvorgelegtenGesetzentwurfverfehltdie LandesregierungdiesesZieljedoch.DiedarinvorgeschlageneZielquoteist nichtgeeignet,umdenAnteilvonFraueninFührungspositionenzuerhöhen. DieGründe:Beamtinnen,dieinTeilzeitarbeiten,umBerufundFamiliemiteinanderinEinklangzubringen,werdenhäufigvonihrenVorgesetzten schlechterbewertetwerdenalsKollegen,dieinVollzeitarbeiten.AuchwerdenihnenoftmalswenigerprestigeträchtigeAufgabenbereichezugewiesen, mitdenensieallgemeinfestgelegteBeförderungsvoraussetzungennichterfüllenbzw.nichterfüllenkönnen. Stattdessengiltes,dieBeurteilungskriterienfürBeamtinnenundBeamteihrerFamilien-undLebensphaseentsprechendzugestaltenundalternative ModellezurArbeitinTeilzeitundTelearbeit(vgl.Drs.16/9500,Ziffer46)zu entwickeln,dieeinebessereVereinbarkeitvonFamilieundBerufsowiedie WahrnehmungvonFührungspositionenauchinTeilzeitermöglichen.Dader GesetzentwurfnachAuffassungderSachverständigeninderAnhörungwegen VerstoßesgegenArtikel33GGnichtgerichtsfestist,wirddieLandesregierung aufgefordert,einenverfassungskonformenVorschlagvorzulegen.DerVerfassungsgrundsatz,nachEignung,LeistungundBefähigungzubefördern,darf nichtausgehöhltwerden.“3 NachfolgendwerdendieverfassungsrechtlichenBedenkengegenüberder bestehendenRegelungverdeutlichtunddieEignungdervorgeschlagenen NeuregelungzurLösungderskizziertenProblemeaufgezeigt. II. VerfassungsrechtlicheGründefüreine Neuregelung 1. DerverfassungsrechtlicheRahmenimÜberblick DieallgemeinenMaßstäbefürdieReichweitelandesgesetzlicherRegelungen imBereichvonkonkurrierendenGesetzgebungszuständigkeitendesBundes folgenausArt.70,72Abs.1GG.4Eskommtdemnachdaraufan,wieweitreichendderBundesgesetzgeberdiebetreffendeMateriegeregelthat.Soweit sichausdemBundesgesetznichtausdrücklicheineRegelungsbefugnisder 3 LT-Drucks.16/12196,S.9. 4 DazuimÜberblickJarass,NVwZ1996,1041ff. Seite4von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 Länderableitenlässt,isteseineFragederAuslegung,obdiebundesgesetzlicheRegelungabschließendenCharakterbesitzt. DasBundesverfassungsgerichthatsichmitderThematikzuletztintensiverin seinerEntscheidungzumThüringerLadenöffnungsgesetzbefasst.5Dabei spielten,wieimvorliegendenZusammenhang,dieKompetenzverlagerungen imRahmenderFöderalismusreformeineRolle. DasGerichtverwendetindenthematischeinschlägigenEntscheidungeneine Standardformel.Danachkommtesdaraufan,„obeinbestimmterSachbereich umfassendundlückenlosgeregeltistoderjedenfallsnachdemausGesetzgebungsgeschichteundMaterialienablesbarenobjektiviertenWillendesGesetzgebersabschließendgeregeltwerdensollte“.6 DaheristeinfraglichesBundesgesetzzunächstdaraufhinzuüberprüfen,obes sowohlnachdemsubjektivenWillenseinesUrhebersalsauchobjektivdie umfassendeRegelungeinesSachbereichsenthält,diesachlogischkeinen RaumfürlandesrechtlicheRegelungenmehrlässt.7 EskommtdeshalbimkonkretenFalldaraufan,zweigedanklicheOperationen durchzuführen: Erstens:BestehtvordemHintergrunddergetroffenenRegelungensachlich überhauptnoch„Raum“fürweitereRegelungen? Zweitens,fallssolcheweiterenRegelungendenkbarsind:Lässtsichausdem NormtextoderdenGesetzesmaterialienableiten,dassderBundesgesetzgeber trotzdemeineabschließendeRegelunggetroffenhat. DasVorliegeneinererschöpfendenundumfassendenRegelungistumsoeher zubejahen,jekonkreterunddetaillierterderBundesgesetzgeberdiezudem 5 BVerfGE138,261(280). 6 BVerfGE109,190(230)–Sicherungsverwahrung;BVerfGE138,261 (280)–ThüringerLadenöffnungsgesetz;iEebensoBVerfGE113,348 (371 f.)–PräventiveTelekommunikationsüberwachung;BVerfGK11, 420(426)–Überbauregelung;BVerfG(K)NVwZ2010,247(248 f.)– ZerstörungprivaterDenkmäler;vgl.auchBVerfGE121,317(347)– RauchverbotinGaststätten. 7 Kunig,in:v.Münch/Kunig,Grundgesetz-Kommentar,Bd.2,6.Aufl. 2012,Art.72Rn.9;Oeter,in:v.Mangoldt/Klein/Starck,Kommentar zumGrundgesetz,Bd.2,6.Aufl.2010,Art.72Rn.73;Uhle,in:Kluth, Föderalismusreformgesetz,2007,Art.72Rn.17. Seite5von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 fraglichenSachgebietgehörendenSachfragenselbstpositivregelt,ohnesich aufMindestregelungenzubeschränken,dieweiterelandesrechtlicheRegelungenzulassen.8 GegendasVorliegeneinerumfassendenRegelungspricht,wenneinBlickauf dieSachmaterieergibt,dassderGesetzgeberhinsichtlichdesGesetzeszwecks nureinenTeilderrelevantenAspekteregeln,dieübrigenTeileindessenoffenlassen,alsonichtselbstregelnwollte.9 BesondereAnforderungenstellensich,wennderBundesgesetzgebereinen sog.absichtsvollenRegelungsverzichtpraktiziert,alsobestimmteAspekteder SachmaterienichtregeltinderAbsicht,dassfürdieseauchdurchdieLänder keineRegelunggetroffenwerdensoll,siealsodergesellschaftlichenSelbstregulierungüberlassenbleibensollen.10DavorliegendvoneinemsolchenFall nichtauszugehenist,mussdaraufjedochhiernichtnähereingegangenwerden. 2. DieGenesederRegelungin§9BeamtenStG DasBeamtenstatusgesetzberuhtaufeinemGesetzentwurfderBundesregierung.11DerdamitverfolgteRegelungsanspruchwirdimHinblickaufdiesachlicheReichweiteimallgemeinenTeilderBegründungdesGesetzentwurfs folgendermaßenbeschrieben: „DerGesetzentwurfmachtvonderKompetenzdesBundesGebrauchundenthälteinheitlichgeltendeRegelungenfürdieLandesbeamtinnen,Landesbeamten,KommunalbeamtinnenundKommunalbeamten.DemGesetzliegtdie Konzeptionzugrunde,dasStatusrechthinsichtlichderwesentlichenKernbereichewiez.B.beiBegründungoderBeendigungdesBeamtenverhältnisses oderfürPflichtenundRechtederBeamtinnenundBeamtenerschöpfendzu regeln.DawoderBundkeineRegelungtrifft,sinddieLänderzurGesetzgebungbefugt.Gleichzeitigwirddort,wobereitsheuteeigenestatusrechtlicheRegelungenderLänderbestehen,Raumgelassenfürlandesrechtliche Regelungen.DiesgiltinsbesonderefürdieFestlegungvonVerfahrensfragen, FristenoderlandesspezifischenBesonderheiten. 8 Uhle,in:Maunz/Dürig,GrundgesetzKommentar,76.EGL12/2015,Art. 72,Rn.87. 9 Uhle,(Fn.8),Art.72,Rn.87. 10 SiehenurBVerfGE138,261(280).DazumitweiterenNachweisen Uhle,(Fn.8),Art.72,Rn.93. 11 BT-Drucks.16/4027. Seite6von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 MitdemBeamtenstatusgesetzwerdendiebeamtenrechtlichenGrundstrukturenfestgelegt,umeineeinheitlicheAnwendungdesDienstrechtszugewährleisten.“12 Darausfolgt,dassdieimGesetzgetroffenenRegelungengrundsätzlichalsabschließendzuqualifizierensindunddassnurdort,wodiesausdrücklicherkennbarist,GestaltungsspielräumederLänderbestehen(bleiben)sollen. Klarstellendheißtesweiter: „DasBeamtenstatusgesetzlegtdaherdenKernbereichdeseinheitlichund unmittelbargeltendenStatusrechtsfest,belässtaberdenLändernpersonalwirtschaftlicheGestaltungs-undHandlungsspielräume.“13 Darausfolgt,dasssichGestaltungsspielräumederLänderjedenfallsnichtauf dieKernfragenerstrecken,zudenenderZugangunddieBeförderungsowie dasdabeizubeachtendeLeistungsprinzipzweifelsohnegehören. DieseRegelungsintentionistauchdeshalbnaheliegend,wennnichtzwingend, weilderaufderGrundlagevonArt.74Abs.1Nr.27GGbundeseinheitlichabzusicherndeBeamtenstatusunterRückgriffaufdieinArt.33Abs.5GGgarantiertenStrukturprinzipiendesBerufsbeamtentumszubestimmenist.14VergleichbareinhaltlicheBezügebestehenauchzuArt.33Abs.2GG. InBezugauf§9BeamtStGfindensichinderBegründungdesGesetzentwurfs nurdiefolgendenknappenAusführungen: „ZurKlarstellungwirdderinderVorschriftaufgeführteKatalogderbeispielhaftenMerkmale,diebeiderAuswahlderBewerberinnenundBewerber nichtberücksichtigtwerdendürfen,weitergefasstalsbisherin§7BRRG. DiesentsprichtdenRegelungendes§11inVerbindungmit§1desAllgemeinenGleichbehandlungsgesetzesvom14.August2006(BGBl.IS.1897)für denBereichdesArbeitsrechts.DiealsKriterienderErnennungunzulässigen GesichtspunkteknüpfendabeianArtikel3GGan.“15 Daranistbedeutsam,dassderGleichklangmitdemAGG2006imHinblickauf dieverwendetenKriterienfürDiskriminierungsverbotebetontundaucheine FörderungaufgrunddesGeschlechtsbeigleicherQualifikationtoleriertwird, 12 BT-Drucks.16/4027,S.20–HervorhebungendurchdenVerfasser. 13 BT-Drucks.16/4027,S.20–HervorhebungendurchdenVerfasser. 14 Battis/Grigoleit,ZBR2008,1(4). 15 BT-Drucks.16/4027,S.23. Seite7von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 einedarüberhinausgehendeRelativierungdesLeistungsprinzipsabernicht beabsichtigtwar. 3. DerabschließendeCharakterderRegelung DerabschließendeCharakterderRegelungfolgtbereitsausdemWortlautund derNormstruktur,diekeineAnzeichenfüreinelandesgesetzgeberischeErgänzungoderÄnderungenthalten.ZudemwirdeinauchinanderengesetzlichenRegelungenverwendeterKriterienkatalogverwendet.Schließlichwird dasausArt.33Abs.2GGfolgendeLeistungsprinzipinkeinerWeiserelativiert. Diein§7Abs.1Nr.3BeamtStGeröffneteRegelungskompetenzderLänderim HinblickaufdiefürbestimmteÄmterverlangteBefähigungstehtdemnicht entgegen,dasiederAuswahlentscheidungvorgelagertist. DerabschließendeCharakterderRegelungentsprichtauchdemWillendes Gesetzgebers,derausdrücklichfürdieKernfragenderbeamtenrechtlichen Statusrechte,zudenenderZugangzujedemAmteinschließlichderBeförderungsämterdenAnforderungendesArt.33Abs.2GGunterliegt,einebundeseinheitlicheRegelungtreffenwollte.EineRelativierungdurchlandesgesetzlicheRegelungsollteausweislichderBegründungindiesemBereichvonvornhereinausgeschlossenundverhindertwerden.Insoferntrifft§9BeamtStG eineabschließendeRegelungfürdieAuswahlkriterienimRahmeneinerbeamtenrechtlichenBeförderung. 4. ErgebnisundRechtsfolge DieRegelungdes§19Abs.6LBGNRWbeziehtsichaufdengleichenSachbereichwiediein§9BeamtStGgetroffeneRegelung.InderSacheliegtdabei eineAbweichungvor,daAbsatz6daraufabzielt,dieunterderGeltungdes§9 BeamtStGentwickeltePraxisderAuswahlentscheidungbeiBeförderungenzu modifizieren. EsfehltinsoweitauchaneinerAnknüpfunganeinebisherigeRegelungspraxis, diederBundesgesetzgeberrespektierenwollte.Eswirdvielmehreinneuer Wegbeschritten. Hinzukommt,dassessichnichtumeinepersonalwirtschaftlicheMaßnahme handelt. Seite8von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 DamitfehltesdemLandanderRegelungskompetenz,sodassdieRechtsfolge derNichtigkeiteintritt. 5. GestaltungsrahmendesArt.33Abs.2GG DurchgreifendeverfassungsrechtlicheBedenkenergebensichzudemaus Art.33Abs.2GG. Art.33Abs.2GGenthälteinenbesonderenGleichheitssatz,derpositiveund negativeVorgabenfürdieEntscheidungüberdenZugangzueinemöffentlichenAmtenthält.DerZugangumfasstnichtnurdieEinstellungodererstmaligeErnennung,sondernauchdieBeförderungen.16 DasverbindlichepositiveSteuerungsprinzipistdasPrinzipderBestenauslese, daseineAuswahlentscheidungnachMaßgabevonBefähigung,fachlicherLeistungundEignungverlangt.17HinzukommendieimzweitenSatzteilangeführtenDiskriminierungsverbote. Art.33Abs.2GGstehtineinemSpannungsverhältniszuArt.3Abs.2S.2GG undderdortverankertenFörderpflicht.DieGleichstellungvonMannundFrau auchimöffentlichenDienstzuverwirklichen,wirdsachlichdurchArt.3Abs.2 S.2GGverfassungsrechtlicheingefordert.DieZulässigkeitvonsog.Frauenquotenwurdeundwirdindeskontroversbeurteilt18,ohnedassdasBVerfGbis jetztdieFrageabschließendentschiedenhätte.DerEuGHhatteursprünglich einenVorrangvonFrauenalsBewerberinnenausgeschlossen19,istaberbei derBeurteilungvonzweiFällendesdeutschenLandesrechtsumgeschwenkt undhateinebevorzugteEinstellungvonFrauenfürgemeinschaftsrechtskonformerklärt,soferndieskeinenAutomatismusbedeute,sonderndieUmständedesEinzelfallsBerücksichtigungfindenkönnten.20 DieinmateriellerHinsichtbestehendenverfassungsrechtlichenBedenken fasstBaduratreffendfolgendermaßenzusammen: 16 BVerwGE76,243(251);BVerwGE101,112(114f.). 17 BVerfGE110,304(322ff.). 18 SiehenurBadura,in:Maunz/Dürig,GrundgesetzKommentar,73.EGL 2014,Art.33,Rn.32;Pieper,in:Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke,GrundgesetzKommentar,13.Aufl.2014,Art.33,Rn.58;Grigoleit,in:Stern/Becker,GrundrechteKommentar,2.Aufl.2016,Art. 33,Rn.38. 19 EuGHSlg.1995,I-3051=NJW1995,3109–Kalanke. 20 EuGHNJW1997,3429–Marschall;EuGHNJW2000,1549–Badeck. Seite9von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 „Dieallgemeine,demAuftragundFörderungsgebotdesArt.3Abs.2 Satz2zuentnehmendeZielweisungrechtfertigtesnicht,dasZielmit Mittelnzuverfolgen,dieeinediskriminierendeZurücksetzungvon MännernodereineDurchbrechungdesLeistungsprinzipsbewirken würden,wieetwagenerelleQuotenregelungeninGesetzenoderimöffentlichenDienst,dieschematischeine–mitwelchenBezugsgruppen oderauchimmerabgegrenzte–„Unterrepräsentation“vonFrauen ausgleichensollen.DasgesellschaftspolitischeStaatszielderFrauenförderungundeindarausabgeleitetesPersonalkonzeptfürdieZusammensetzungeinerDienststelleodereinesZweigesdesöffentlichen DienstesimSinneeiner„Frauenquote“kanneineAbweichungvom LeistungsprinzipundderBestenauslesenichtrechtfertigen.“21 Dasbedeutetindesabernur,dasseineRegelungausgeschlossenist,diein Fällen,indeneneskeinenQualifikationsgleichstandgibt,eineBevorzugung vonBewerbernaufgrunddesGeschlechtsvorsieht.Durchdieausdrückliche BezugnahmeaufdieRegelungendesAGGinderBegründungzur§9BeamtStG hatderGesetzgebererkennenlassen,dassereineBevorzugungaufGrunddes GeschlechtsinFälleneinergleichenQualifikationakzeptiertundinsoweit auchderAnwendungdesHilfskriteriumsGeschlechtindiesenFällendurch dasLandesrechtnichtsentgegensteht.22 6. DieBedeutungvonHilfskriterienbeigleicher Gesamtnote Siehtmandavoneinmalab,soistweiterzuberücksichtigen,dassderGrundsatzderBestenausleseeinestarkeverfahrensrechtlichePrägungaufweist.Vor allemfürseineAnwendunginFällenderBeförderungmussdurchdasVerfahrengesichertwerden,dassdierelevantenTatsachenermitteltwerdenundin dieEntscheidungeinfließen.DazuhabendasBundesverfassungsgerichtund dasBundesverwaltungsgerichtsehrdetaillierteAnforderungenentwickelt. DerQualifikationsvergleichunddamitdieFeststellungenüberEignung,BefähigungundfachlicheLeistungderBewerberumeinenBeförderungsdienstpostenistprimäranhandaussagekräftiger,d.h.aktueller,hinreichenddifferenzierterundaufgleichenBewertungsmaßstäbenberuhenderdienstlicher 21 Badura,in:Maunz/Dürig,GrundgesetzKommentar,73.EGL2014,Art. 33,Rn.32 22 OVGNRW,Beschlussvom26.08.2010,Az.6B540/10,Rn.8-juris. Seite10von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 Beurteilungenvorzunehmen,dasiedengegenwärtigenbzw.zeitnahzurückliegendenLeistungsstandabbildenundsomitambestenalsGrundlagefürdie Prognosedarüberdienenkönnen,welcherderKonkurrentendieAnforderungenderzubesetzendenStellevoraussichtlichambestenerfüllenwird.23 BeidervergleichendenBeurteilungkonkurrierenderBewerberkommtes zunächstaufdaserreichteGesamturteilan.BeieinemVergleichderausgewiesenenGesamturteilesindetwaigenachdemBeurteilungssystemvorgesehene "Binnendifferenzierungen"innerhalbeinerNoteoderNotenstufemitzuberücksichtigen. ErgibtsichaufdieserGrundlagekeinAnsatzpunktfüreinenQualifikationsunterschiedvonBewerbern,istderDienstherrnichtnurberechtigt,sondernim Grundsatzverpflichtet,diedienstlichenBeurteilungenderimGesamturteil gleichbewertetenBewerberinhaltlichauszuschöpfen.Konkretbedeutetdies, dasserklärenmuss,obdiejeweiligenEinzelfeststellungeneinegegebenenfallsunterschiedlichePrognoseinRichtungaufdenGradderEignungfürdas Beförderungsamt,alsofürdiekünftigeBewährungindiesemAmt,ggf.einen Beförderungsdienstposten,ermöglichen. WennsichauchimWegeeinerinhaltlichenAusschöpfungderaktuellenBeurteilungenkeinVorsprungeinesderBewerberfeststellenlässt,sindnochvor derAnwendungdersogenanntenHilfskriterienalsweitereunmittelbarleistungsbezogeneKriteriendieAussagenindenjeweiligenVorbeurteilungen undnötigenfallsauchinnochälterenBeurteilungen,insbesonderesolchenim derzeitinnegehabtenAmt,vergleichendmitzuberücksichtigen.24 ErstwenndieseErkenntnisquellenausgeschöpftsind,darfeinHilfskriterium, zudenenauchdasGeschlechtgehört,derEntscheidungzugrundegelegtwerden. DieseVorgabensindimvorliegendenZusammenhangimHinblickaufdiein §19Abs.6Satz2und3LBGNRWgetroffenenRegelungenvonBedeutung. „FrauensindbeiimWesentlichengleicherEignung,Befähigungundfachlicher Leistungbevorzugtzubefördern,sofernnichtinderPersoneinesMitbewerbersliegendeGründeüberwiegen.VoneinerimWesentlichengleichenEig- 23 BVerwG,NVwZ2011,358(362). 24 VGArnsberg,B.v.14.09.2016,Az.2L1159/16,Rn.20–juris. Seite11von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 nung,BefähigungundfachlichenLeistungimSinnevonSatz2istinderRegel auszugehen,wenndiejeweilsaktuelledienstlicheBeurteilungderBewerberinunddesMitbewerberseingleichwertigesGesamturteilaufweist.“ Satz2verstößtgegenArt.33Abs.2GGund§9BeamtStG,weilerdurchden Zusatz„imWesentlichen“eineAbweichungvomPrinzipderBestenauslese vorsieht,diedurchdiezusätzlicheAnordnunginSatz3verstärktwird,indem derRückgriffaufältereErkenntnisquellenausgeschlossenwird. DarinliegteineeindeutigeundbewussteVerletzungdesGrundsatzesder AuswertungallerErkenntnisquellenbeiderFeststellungderQualifikation sowiedieAnordnungderHeranziehungeinesHilfskriteriumsinFälleneiner ungleichenQualifikation. DieRegelungensindausdiesemGrundwegenVerstoßesgegenArt.33 Abs.2GGund§9BeamtStGverfassungswidrigundnichtig. III. Beurteilungdervorgeschlagenen Neuregelung 1. ZugrundeliegendepraktischeProblematik DasRechtdesöffentlichenDienstesbietetimVergleichzumprivatwirtschaftlichenArbeitsmarkteinenbesondersattraktivenGestaltungsrahmen,umdie AnforderungenvonBerufundFamiliezuvereinbaren.BeidenDienstrechtsnovellennachderFöderalismusreformwurdevonvielenBundesländernbetont,dassgeradedarineinAnreizbesteht,sichfürdenöffentlichenDienstzu entscheiden.DieseZielsetzungverfolgtauchdernordrhein-westfälischeGesetzgeber.SoheißtesinderBegründungdesGesetzentwurfsfürdasDienstrechtsmodernisierungsgesetz: „DiezentralenInhalteimBereichdesDienstrechtssind • dieVereinbarkeitvonFamilieundBerufdurchFlexibilisierungvon ArbeitszeitundFreistellungsregelungenweiterzuverbessern, • dieLaufbahngruppenstrukturandieEntwicklungimHochschulbereichanzupassen, • Personalentwicklung,FortbildungundeinBehördlichesGesundheitsmanagementalsunverzichtbareElementeeinermodernenPersonalverwaltungzuverankern, • KarrierechancenfürFrauenzuverbessernsowie Seite12von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 • dieAttraktivitätdesöffentlichenDienstesfürSpezialistinnenund Spezialistenzusteigern.“25 IndemderGesetzgeberRegelungenzurVerbesserungderVereinbarkeitvon BerufundFamilietrifftunddiesegeschlechtsneutralöffnet,setzterauchden FörderauftragdesArt.6Abs.1GGum,derdiefreieWahlderfamiliärenLebensformauchimHinblickaufdieArtundWeisederKinderbetreuungumfasst.26DieentsprechendenRegelungenstehensomitimGeltungsbereichdes Art.6Abs.1GGohneinderkonkretenFormdurchihnzwingendvorgegeben zusein. SowohldasZielderVereinbarkeitvonFamilieundBerufalsauchdasZielder VerbesserungderKarrierechancenvonFrauenwerdeninderPraxisaber dadurchkonterkariert,dassunabhängigvomGeschlechtPersonen,dieaus GründeneinesgrößerenfamiliärenEngagementsbzw.einerLastenteilung zwischenbeidenberufstätigenElternteilenvonderMöglichkeitderInanspruchnahmevonElternzeitoderderTeilzeitbeschäftigungGebrauchmachen, beidendienstrechtlichenBeurteilungendurchwegschlechterabschneidenals PersoneninvollerBeschäftigung.ImEntschließungsantragheißtesdazu– allerdingsverkürzendnurunterBezugnahmeaufdieKarrierechancenvon Frauen: „Beamtinnen,dieinTeilzeitarbeiten,umBerufundFamiliemiteinanderin Einklangzubringen,werdenhäufigvonihrenVorgesetztenschlechterbewertetwerdenalsKollegen,dieinVollzeitarbeiten.Auchwerdenihnenoftmals wenigerprestigeträchtigeAufgabenbereichezugewiesen,mitdenensieallgemeinfestgelegteBeförderungsvoraussetzungennichterfüllenbzw.nichterfüllenkönnen.“27 DieseBeobachtungoffenbarteinenWertungswiderspruchinderAnwendung desBeamtenrechts.WennderGesetzgebereinerseitsbetont,dassderöffentlicheDienstdeswegenbesondersattraktivistundauchbesondersqualifizierte Bewerberanlockensoll,weilereinebesondereFlexibilitätbeiderVereinbarungberuflicherundfamiliärerPflichteneröffnet,danndarfdieNutzungdieserGestaltungsmöglichkeitennichtsystematischzueinerBenachteiligungbei derdienstlichenBeurteilungunddenAufsichtschancenführen. 25 LT-Drucks.16/10380,S.335. 26 SiehenurRixen,NJW2015,3136(3138f.). 27 LT-Drucks.16/12196,S.9. Seite13von14 Kluth,StellungnahmeLTDrucks.16/13532 2. WürdigungdesGesetzesvorschlags DienunmehrvorgeschlageneRegelungstelltwiedereinenverfassungskonformenRechtszustandher.DieNeuregelungbewegtsichimRahmenderGesetzgebungskompetenzdesLandesundbeseitigtdeninsoweitbestehenden verfassungswidrigenZustandderaktuellenRegelung. DarüberhinausermöglichtdievorgeschlageneNeuregelungesdenzuständigenStellen,imRahmendesBeurteilungswesensdenBesonderheitenbesser gerechtzuwerden,dieimZusammenhangmitderInanspruchnahmevon TeilzeitmodellenausfamiliärenGründensowieinvergleichbarenSituationen entstehen.DabeiwirdinderGesetzesbegründungzutreffenddaraufhingewiesen,dassesdazueinernäherenAnleitungdurchVerwaltungsvorschriften bedarfunddassdieseauchausreichendist.Eswärederzeitauchwenigsinnvoll,einegesetzlicheRegelunganzustreben,daesandenerforderlichenbelastbarenErkenntnissennochfehlt. Eswirdauchnichtverkannt,dassdieVereinbarkeitderverfassungsrechtlich konsequentenBeachtungdesPrinzipsderBestenauswahldesArt.33 Abs.2GGmitdenMaßnahmenzurFörderungderVereinbarkeitvonBeruf undFamilienichteinfachzuhandhabenist.ManwirdsichinderPraxisinsoweitaufeinenLernprozesseinstellenmüssen,derabersinnvollangeleitet werdenkann.DafürliefertdievorgeschlageneNeuregelungeinenangemessenenRahmen. DieZielvorgabenderFrauenförderungwerdeneffektivundverfassungskonformgewährleistetundeswerdenFehlanreizebeiderBewerbungzumöffentlichenDienstbeimännlichenBewerbernvermieden,diebeiderderzeitigen RegelungdurchdiedeutlicheBevorzugungvonFrauenunddieZurückdrängungdesLeistungsprinzipsentstehenkönnen. DieRegelungenbegegnendamitimErgebnisnichtnurkeinenverfassungsrechtlichenBedenkenundistvorallemgutgeeignet,umsowohlfürdiewirksameFrauenförderungunddieFörderungderVereinbarkeitvonFamilieund BerufeinenwirksamenBeitragzuleisten. Prof.Dr.WinfriedKluth Seite14von14
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