Das Gesamtkonzept zur Alterssicherung INHALT Vorwort 5 Das ist Alterssicherung 2030+ 9 Die Ausgangslage – Alterssicherung heute 11 Mehr als die Rente – das System der Alterssicherung Alterseinkommen in Deutschland heute Demografie und Arbeitswelt im Wandel Handlungsbedarf für die Zukunft uEine doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssatz uNeue Impulse für die zusätzliche Altersvorsorge uSolidarische Absicherung in der neuen Arbeitswelt 12 15 18 19 21 22 23 uSicher nach Krankheit und Unfall – die verbesserte Erwerbsminderungsrente uGleiche Renten in Ost und West – Vollendung der Renteneinheit 34 Die zusätzliche Altersvorsorge – ein echtes Plus für alle uBetriebsrenten zusammen stark machen – mit dem Sozialpartnermodell uRiester neu aufgestellt – einfacher, verständlicher, besser gefördert uZusätzliche Vorsorge, die sich lohnt – Freibeträge in der Grundsicherung 39 39 Die gesetzliche Solidarrente – Anerkennung für Lebensleistung 46 37 42 46 Das Gesamtkonzept – Alterssicherung 2030+ 25 Die verbesserte Renteninformation – alles auf einen Blick 49 Die gesetzliche Rente – das verlässliche Fundament uMindestens 46 Prozent Rentenniveau garantiert – für alle und ein Leben lang uZusammen besser abgesichert – Einbeziehung von Selbstständigen 26 26 Impressum 50 2 30 3 VORWORT Heute stehen Wirtschaft und Arbeitsmarkt wesentlich besser da. Der Beschäftigungsstand hat Rekordniveau erreicht. Mehr Frauen sind erwerbstätig und auch Ältere können länger arbeiten. Und so hat sich auch die gesetzliche Rente positiver entwickelt als damals angenommen. Vor uns liegen aber auch große Herausforderungen: Ab 2020 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Der demografische Druck auf die Rente steigt. Immer weniger Jüngere werden für immer mehr Ältere die Rente finanzieren müssen. Gleichzeitig wird die Digitalisierung unser Arbeiten und Leben weiter grundlegend verändern. Damit auch in Zukunft eine angemessene Absicherung gewährleistet bleibt, muss unsere Alterssicherung mit den Verän derungen Schritt halten. Liebe Bürgerinnen und Bürger, eine verlässliche Altersversorgung ist das Kernversprechen unseres Sozialstaats. Damit Sie und alle Bürgerinnen und Bürger auf dieses Versprechen vertrauen können, müssen wir das System unserer Alterssicherung immer wieder an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. Knapp 15 Jahre nach den letzten großen Rentenreformen ist es an der Zeit zu fragen: Wo stehen wir? Was müssen wir tun, um das Sicherheitsversprechen auch für die nächste Generation zu garantieren? Das vorliegende Gesamtkonzept stellt die Weichen für eine zukunfts feste Alterssicherung bis 2030 und darüber hinaus. Drei Ziele haben wir dabei im Blick: Wir wollen Altersarmut vorbeugen, die Rente für alle Generationen verlässlich gestalten und den Lebensstandard im Alter sichern. Mit dem Gesamtkonzept legen wir auch das bisher um fassendste Programm gegen Altersarmut vor. Wir setzen mit zielgenauen Maßnahmen bei den besonders armuts gefährdeten Gruppen an: durch Verbesserungen bei den Erwerbs minderungsrenten, eine Absicherung von Selbstständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung und eine gesetzliche Solidarrente für diejenigen, die nach einem Leben voller Arbeit bisher keine auskömmliche Rente erreichen. Unsere Ausgangssituation ist heute eine ganz andere als noch bei den Reformen zu Beginn der 2000er Jahre. Damals war die wirtschaftliche Lage geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und geringem Wachstum. Eine doppelte Haltelinie zur Sicherung des Rentenniveaus und der Begrenzung des Beitragssatzes schafft dauerhaft Verlässlichkeit und 6 7 Planbarkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. So bleiben nicht nur die Beiträge bezahlbar, sondern auch die Leistungen im Alter sicher. Mit guter Arbeitsmarkt, Wirtschafts und Familienpolitik wollen wir aber mehr erreichen als die Haltelinien. Mit einer politischen Ziel linie und einem ressortübergreifenden Aktionsplan sollen alle Potenziale mobilisiert werden, um das Rentenniveau längerfristig auf dem aktuel len Stand zu halten. DAS IST ALTERSSICHERUNG 2030+ Die gesetzliche Rente als starkes und verlässliches Fundament: Die verlässliche gesetzliche Rente ist das stabile Fundament, auf dem alle Bürgerinnen und Bürger eine lebensstandardsichernde Altersvorsorge aufbauen können. Mit einer Ausweitung der betriebli chen Altersversorgung sowie einer verbesserten und transparenten RiesterFörderung schaffen wir dafür die Voraussetzungen. Freibe träge für Betriebs und RiesterRenten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung machen die zusätzliche Altersvor sorge auch bei kleinen Renten zu einem echten Plus. Nicht alle Teile des Gesamtkonzeptes werden wir in dieser Legisla turperiode noch umsetzen können. Aber das Ziel einer umfassenden Reform der Alterssicherung werde ich weiter verfolgen. Auf diese Weise festigen wir das Vertrauen in die solidarische Sicherung und stärken den Zusammenhalt in unserem Land. WIR MACHEN DEUTSCHLAND ZUSAMMEN STARK. uHaltelinie für ein dauerhaft garantiertes Rentenniveau von mindestens 46 Prozent uHaltelinie für einen maximalen Beitragssatz von 22 Prozent bis 2030 und 25 Prozent bis 2045 uAnpassung an den Wandel der Arbeitswelt durch umfassende Absicherung von Selbstständigen uVerbesserte Leistungen bei Erwerbsminderung uGleiche Renten in Ost und West Die zusätzliche Altersvorsorge als echtes Plus für alle: uTariflich abgesicherte Betriebsrenten auch für kleine und mittlere Betriebe uVereinfachte und transparentere RiesterRente uFreibeträge für Zusatzrenten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Die Solidarrente als Anerkennung von Lebensleistung: uGarantiertes Alterseinkommen oberhalb der durchschnittlichen regionalen Grundsicherung für langjährig Versicherte Andrea Nahles, MdB Bundesministerin für Arbeit und Soziales 8 9 DIE AUSGANGSLAGE – ALTERSSICHERUNG HEUTE MEHR ALS DIE RENTE – DAS SYSTEM DER ALTERSSICHERUNG Für die allermeisten Menschen in Deutschland ist die gesetzliche Rentenversicherung das Fundament ihrer Alterssicherung. Derzeit sind gut 53 Millionen Menschen in der gesetzlichen Rentenversi cherung versichert. Knapp 21 Millionen Menschen beziehen Renten. Zusammen sind sie eine starke Gemeinschaft, in der Jung und Alt füreinander einstehen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist dabei zugleich solidarisch und leistungsgerecht. Die Renten werden im Wesentlichen aus dem individuell versicherten Einkommen errechnet, zusätzlich werden aber auch gesellschaftlich wichtige Leistungen wie Kindererziehung berücksichtigt. Die generationenübergreifende Solidargemeinschaft der Versicherten bietet einen umfassenden Schutz, der einzigartig ist und von keinem privaten Vorsorgeprodukt erreicht wird. Die gesetzliche Rentenver sicherung gibt nicht erst im Alter Sicherheit, sondern auch schon während der Erwerbsphase: Mit Leistungen zur Prävention und beruf lichen und medizinischen Rehabilitation unterstützt sie Beschäftigte, die von Erwerbsunfähigkeit bedroht sind. Tritt eine teilweise oder volle Erwerbsminderung ein, schafft die Erwerbsminderungsrente Absiche rung. Zudem werden Hinterbliebene beim Tod von Partnerin oder Partner durch die Hinterbliebenenrente oder beim Tod eines Eltern teils durch die Waisenrente unterstützt. 12 Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung hat sich auch in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Krisen und Umbrüche über mehr als 125 Jahre bewährt. Im Jahr 2015 bezogen rund 90 Prozent der Seniorinnen und Senioren in Deutschland eine Versichertenrente. Drei Viertel der jährlich ausgezahlten Leistungen aus den Alterssiche rungssystemen stammen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie bildet heute und in Zukunft die tragende Säule unseres Alters sicherungssystems. Die kapitalgedeckte zusätzliche Altersvorsorge ergänzt die gesetzliche Rentenversicherung beispielsweise in Form von Betriebs oder RiesterRenten. Staatliche Zulagen bei der RiesterRente unterstützen vor allem Familien und Menschen mit niedrigen Einkommen beim Aufbau einer Zusatzrente. Die Kombination der verschiedenen Vor sorgeformen mit ihren jeweils eigenen Vorteilen macht die Alters sicherung stark. Auch im internationalen Vergleich zeigt sich die Mischung aus umlagefinanzierten und kapitalgedeckten Renten als besonders leistungsfähig. Gut abgesichert im Alter: Die Mischung macht’s. Ein Mix aus allen drei Säulen sichert den guten Lebensstandard. 13 Jede Rentenreform muss das Alterssicherungssystem als Ganzes in den Blick nehmen und vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmen bedingungen in gewissen Abständen neu auf die Zukunft ausrichten. Änderungen am System wirken sich stets für einen langen Zeitraum aus. Sie betreffen sowohl die heutigen Rentnerinnen und Rentner als auch diejenigen, die in wenigen Jahren in Rente gehen. Genauso geht es aber um diejenigen, die heute 30 oder 40 Jahre alt sind und die sich in 30 oder 40 Jahren auf eine verlässliche Versorgung im Alter stützen müssen. Reform mit Weitsicht: Diese Faktoren beeinflussen die Alterssicherung. Unser System der Alterssicherung wird von vielen Faktoren beeinflusst. Bei einer Reform müssen sie alle beachtet werden. ALTERSEINKOMMEN IN DEUTSCHLAND HEUTE Die heutige Generation der Rentnerinnen und Rentner ist im Großen und Ganzen gut abgesichert. Die Alterseinkommen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Im Durchschnitt betrug 2015 das Haushaltsnettoeinkommen von Ehepaaren und Allein stehenden im Alter von über 65 Jahren 1.941 Euro. Im Jahr 2011 waren es noch 1.818 Euro. Von 2011 bis 2015 sind die Alterseinkommen damit um 7 Prozent gestiegen. Das ist ein realer Einkommenszuwachs. Haushaltsnettoeinkommen aller Ehepaare und Alleinstehenden im Alter ab 65 Jahren. 1999 2003 2007 2011 2015 1.958 € 2.159 € 2.271 € 2.433 € 2.543 € Alleinst. Männer 1.356 € 1.476 € 1.502 € 1.560 € 1.614 € Alleinst. Frauen 1.100 € 1.171 € 1.191 € 1.292 € 1.420 € Gesamt 1.451 € 1.610 € 1.695 € 1.818 € 1.941 € Ehepaare Deutschland 1.997 € 2.211 € 2.350 € 2.537 € 2.611 € Alleinst. Männer 1.391 € 1.515 € 1.568 € 1.615 € 1.661 € Alleinst. Frauen 1.115 € 1.181 € 1.201 € 1.310 € 1.431 € Gesamt 1.641 € 1.742 € 1.876 € 1.981 € 1.783 € 1.938 € 1.937 € 2.019 € 2.260 € Alleinst. Männer 1.178 € 1.284 € 1.188 € 1.310 € 1.394 € Alleinst. Frauen 1.035 € 1.128 € 1.152 € 1.219 € 1.372 € Gesamt 1.329 € 1.477 € 1.497 € 1.579 € 1.770 € Ehepaare Alte Länder Ehepaare Neue Länder 1.479 € Quelle: ASID 2015 14 15 Seniorinnen und Senioren sind derzeit weitaus seltener auf staatliche Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums angewiesen als jüngere Menschen. 2015 bezogen ca. 3 Prozent aller über 65Jährigen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Das sind deutlich weniger Leistungsberechtigte als in der Gesamt bevölkerung (9,3 Prozent Ende 2014). 16 Höchster beruflicher Abschluss Grund sicherungs quote Keine abgeschl. Ausb. Lehre Berufsfachsch./Handel Meister Ingenieur/FH Hochschulabschluss Beamtenausbildung Sonstiges 21 % 38 % 11 % 7% 6% 8% 3% 5% 42 % 24 % 8% 5% 5% 11 % 0% 5% 5% 2% 2% 2% 2% 3% 0% 2% Erwerbsjahre MIT Grund sicherung 0 Jahre 1 bis unter 5 Jahre 5 bis unter 10 Jahre 10 bis unter 15 Jahre 15 bis unter 20 Jahre 20 bis unter 25 Jahre 25 bis unter 30 Jahre 30 bis unter 35 Jahre 35 bis unter 40 Jahre 40 bis unter 45 Jahre 45 Jahre und mehr 3% 2% 5% 5% 4% 4% 5% 7% 13 % 23 % 27 % 33 % 7% 6% 7% 6% 8% 6% 7% 4% 8% 10 % 21 % 7% 3% 3% 3% 4% 3% 2% 1% 1% 1% Letzte berufliche Stellung Es gibt jedoch Gruppen in unserer Gesellschaft, die von Altersarmut besonders bedroht sind: Menschen ohne abgeschlossene Berufsaus bildung, Menschen mit längeren Phasen der Erwerbslosigkeit und Menschen mit einer Erwerbsminderung benötigen im Alter über durchschnittlich oft staatliche Unterstützungsleistungen. Auch Selbst ständige im Ruhestand sind aufgrund unzureichender Altersvorsorge häufiger auf Grundsicherung im Alter angewiesen als diejenigen, die abhängig beschäftigt waren (siehe Grafik auf der nächsten Seite). Mit einer klugen Rentenpolitik kann eine ausreichende Absicherung im Alter erreicht werden. Sie kann jedoch Probleme, die durch fehlende Ausbildung oder Arbeitslosigkeit entstehen, nicht lösen. Dazu ist eine zielgerichtete Bildungs und Arbeitsmarktpolitik erforderlich. OHNE Grund sicherung Merkmal Arbeiter/Angestellter Beamter Selbstständiger 83 % 6% 10 % 82 % 1% 17 % 2% 0% 4% Arbeitslosigkeit Wichtig zu wissen ist auch: Wer niedrige Renten bezieht, ist nicht unbedingt arm. Im Gegenteil: Geringe Rentenbeträge gehen oft mit einem überdurchschnittlichen Gesamteinkommen einher. So verfü gen beispielsweise Ehepaare mit einer gesetzlichen Rente von unter 250 Euro im Durchschnitt über ein Bruttoeinkommen von rund 4.100 Euro. Etwa Beamte oder Unternehmer haben oft eine niedrige gesetzliche Rente, weil sie nur kurze Zeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Sie haben aber anderweitig vorgesorgt und sind im Alter gut abgesichert. Grundsicherungsbezug nach beruflichem Abschluss, beruflicher Stellung, Anzahl der Erwerbsjahre und Phasen der Arbeitslosigkeit. 0 Jahre 1 bis unter 5 Jahre 5 Jahre und mehr Ohne Angabe zur Dauer 73 % 16 % 5% 6% 55 % 10 % 19 % 15 % 2% 2% 9% 7% 17 DEMOGRAFIE UND ARBEITSWELT IM WANDEL Die demografische Entwicklung führt zu Einnahmeausfällen in der gesetzlichen Rentenversicherung, weil immer weniger Junge für immer mehr Ältere die Rente finanzieren. Ab dem Jahr 2020 wird dieser Trend deutlich sichtbar werden, wenn die geburtenstarken Jahrgänge (1955 bis 1969) in Rente gehen. Die eigentliche Heraus forderung liegt also noch vor uns. Heute stehen 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter 35 Menschen im Rentenalter gegenüber. 2045 werden es 55 sein. Daraus wird deutlich: Wir werden in Zukunft mehr Geld für die Renten aufbringen müssen. Herausforderung Demografie: mehr Menschen im Rentenalter. Heute kommen auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter etwa 35 Menschen im Rentenalter. Da die geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren in Rente gehen, kommen 2045 auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter bereits 55 Menschen im Rentenalter. 18 Weil die gesetzliche Rente das Ergebnis eines individuellen Erwerbs lebens darstellt, ist die beste Altersvorsorge gut bezahlte und dauerhafte Arbeit. Mit der Einführung des Mindestlohns, der Regu lierung von Leiharbeit und Werkverträgen sowie der Stärkung der Tarifpartnerschaft, aber auch mit einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat die Bundesregierung in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für gute Renten verbessert. Da sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren umfassend wandeln wird, muss auch das System der Alterssicherung angepasst werden. Im Zuge der Digitalisierung wird vielfach damit gerechnet, dass neue selbstständige Erwerbsformen zunehmen. Menschen werden häu figer zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit wechseln oder neben einer abhängigen Beschäftigung gleichzeitig auch selbstständig tätig sein. Diese Veränderungen bleiben nicht ohne Auswirkung auf die gesetzliche Rentenversicherung, die ursprünglich als System für eine lebenslange abhängige Beschäftigung konzipiert wurde. Die Arbeit der Zukunft braucht ein Rentenkonzept für die Zukunft. HANDLUNGSBEDARF FÜR DIE ZUKUNFT Die Rentenreformen der 2000er Jahre sollten vor dem Hintergrund einer schlechten Wirtschaftslage und hoher Arbeitslosigkeit sowie mit Blick auf die sich damals bereits abzeichnende demografische Entwicklung einer zu starken Belastung der heutigen und künftigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler vorbeugen. Dafür sollte die 19 Generation der Rentnerinnen und Rentner durch ein sinkendes Rentenniveau an der Finanzierung des demografischen Wandels beteiligt werden. Das Rentenniveau beschreibt im Wesentlichen die Entwicklung der aktuellen Renten im Verhältnis zu den aktuellen Löhnen. Es handelt sich dabei um eine rein technische Rechengröße, die – anders als oft angenommen – nicht den prozentualen Anteil des letzten Einkom mens abbildet und auch sonst keinen Bezug zur individuell erworbenen Rente hat. Ein sinkendes Rentenniveau bedeutet auch nicht, dass die Renten sinken. Das ist durch die Rentengarantie gesetzlich ausge schlossen. Auch in den letzten Jahren sind die Renten weiter gestiegen, allerdings nicht in gleichem Maße wie die Löhne. EINE DOPPELTE HALTELINIE FÜR RENTENNIVEAU UND BEITRAGSSATZ Für die Zeit nach 2030 sind bisher keine gesetzlichen Regelungen getroffen. Nach geltendem Recht gibt es dann keine weitere Begren zung des Beitragssatzes und keine Untergrenze für das Rentenniveau. Die Mechanismen, die zu einem Absinken des Rentenniveaus führen, wirken aber weiter. Es liegen nun erstmals Berechnungen für die Zeit nach 2030 vor, die zeigen, dass das Rentenniveau von heute 48 Prozent voraussichtlich im Jahr 2030 auf unter 45 Prozent fallen und im Jahr 2045 nur noch weniger als 42 Prozent erreichen wird. Im gleichen Zeit raum wird der Beitragssatz von heute 18,7 Prozent auf über 23 Prozent ansteigen (siehe Grafik auf den Seiten 28/29). Um einen gerechten Lastenausgleich zu gewährleisten, wurde bei den letzten Reformen sowohl der Beitragssatzanstieg als auch das Absinken des Rentenniveaus gesetzlich begrenzt: Das geltende Recht sieht vor, dass das Rentenniveau bis 2020 nicht unter 46 Prozent und bis 2030 nicht unter 43 Prozent fallen darf. Der Beitragssatz darf bis 2020 maximal auf 20 Prozent und bis 2030 maximal auf 22 Prozent ansteigen. Zusätzlich wurde das Ziel eines Rentenniveaus von mindestens 46 Prozent auch über das Jahr 2020 hinaus festgelegt, zu dessen Erreichen die Bundesregierung Maßnahmen vorzuschlagen hat. Vor dem Hintergrund dieser neuen Berechnungen und einer verän derten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation müssen heute erneut Entscheidungen getroffen werden, die die gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule der Alterssicherung über das Jahr 2030 hinaus stabilisieren. Das sinkende Rentenniveau hat in den vergangenen Jahren zu zunehmender Verunsicherung ge führt, auch weil vielfach Unsicherheit herrschte, was ein sinkendes Rentenniveau für den Einzelnen zu bedeuten hat. Trotz weiterhin steigender Renten ist der Abstand zwischen Renten und Löhnen gewachsen. Diese Entwicklung droht das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung zu untergraben. Deshalb muss jetzt eine doppelte Haltelinie bei Rentenniveau und Beitragssatz gezogen werden, die sicherstellt, dass dauerhaft ein angemessenes Ver hältnis zwischen Löhnen und Renten gewahrt bleibt und sich die Beitragsentwicklung gleichzeitig in einem tragbaren Rahmen bewegt. Das stärkt dauerhaft das Vertrauen in die gesetzliche Rente und den sozialen Zusammenhalt. 20 21 Das Rentenniveau allein bietet jedoch gerade bei geringem Einkommen und deshalb geringen Rentenanwartschaften keine ausreichende Sicherheit für das Alter. Hier sind weitere zielgerichtete Maßnahmen erforderlich, um drohender Altersarmut vorzubeugen. NEUE IMPULSE FÜR DIE ZUSÄTZLICHE ALTERSVORSORGE Die Verbreitung zusätzlicher Altersvorsorge hat seit der Einführung der staatlichen Förderung im Jahr 2002 große Fortschritte gemacht. Deutlich mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäf tigten hat heute eine aktive Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung und gut ein Drittel auf eine RiesterRente. Rund ein Fünftel verfügt über beides. Doch die Verbreitung der zusätz lichen Altersvorsorge stagniert in den letzten Jahren. SOLIDARISCHE ABSICHERUNG IN DER NEUEN ARBEITSWELT Der Strukturwandel der Arbeitswelt erfordert heute Anpassungen der Alterssicherung, damit in Zukunft niemand ohne Absicherung ist. Anders als in anderen europäischen Ländern ist der Großteil der Selbstständigen in Deutschland nicht obligatorisch abgesichert. Viele Selbstständige vernachlässigen die eigene Altersvorsorge und verlassen sich stattdessen auf die Grundsicherung im Alter, die von allen Steuerzahlenden finanziert wird. Deshalb ist eine neue Regelung notwendig, die Selbstständigen zum einen eine solidarische Absiche rung ermöglicht, sie zum anderen aber auch in die Pflicht nimmt, ihren Beitrag zur Solidargemeinschaft zu leisten. Knapp 30 Prozent der abhängig Beschäftigten haben bisher weder eine betriebliche noch eine geförderte private Altersvorsorge aufge baut. Dies betrifft vor allem Geringverdienende. Fast die Hälfte der vier Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Bruttomonatslohn unter 1.500 Euro hat weder eine betriebliche Altersversorgung noch einen RiesterVertrag. Betriebsrenten sind insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen und in Branchen mit einem hohen Anteil an Geringverdienenden derzeit wenig verbreitet. In Zukunft wird die fehlende zusätzliche Altersvorsorge insbesondere bei Geringverdienenden zu Lücken in der Alterssicherung führen. Es braucht jetzt neue Impulse für die zusätzliche Altersvorsorge, damit diese Lücken rechtzeitig geschlossen werden können. 22 23 DAS GESAMTKONZEPT – ALTERSSICHERUNG 2030+ Um das System der Alterssicherung über 2030 hinaus zukunftsfest zu machen, reicht es nicht aus, nur an einzelnen Stellschrauben zu drehen, sondern es braucht ein Gesamtkonzept, das alle drei Säulen der Alterssicherung in den Blick nimmt. Neben der gezielten Verhinderung von Altersarmut muss es dabei darum gehen, die Rente über Generationen hinweg dauerhaft ver lässlich zu machen und eine Sicherung des Lebensstandards im Alter zu ermöglichen. Dabei sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie der Staat gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Denn nur zusammen machen wir die Alterssicherung stark. DIE GESETZLICHE RENTE – DAS VERLÄSSLICHE FUNDAMENT Nach einem Leben voller Arbeit ist man im Alter abgesichert – das ist das Kernversprechen des Sozialstaats und eine wesentliche Grundlage für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Das solide Fundament der Alterssicherung ist und bleibt die gesetzliche Renten versicherung. Sie muss für alle – für die, die jetzt arbeiten, und die, die ein Leben lang gearbeitet haben – eine verlässliche Rente gewährleisten, die mit den wirtschaftlichen Entwicklungen Schritt hält und die Grundlage einer lebensstandardsichernden Alters vorsorge bildet. Ein verlässliches Rentenniveau ist dabei auch ein Gradmesser für den Zusammenhalt der Generationen. MINDESTENS 46 PROZENT RENTENNIVEAU GARANTIERT Auf die gesetzliche Rente als tragendes Fundament müssen sich im Alter alle verlassen können. Das sinkende Rentenniveau hat in den vergangenen Jahren trotz höherer Renten zu einem wachsenden Abstand zwischen Löhnen und Renten geführt und bei allen Generationen das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung geschwächt. Deswegen soll für die Zukunft eine untere Haltelinie für das Rentenniveau gesetzlich festgeschrieben werden. Sie garantiert dauerhaft ein Rentenniveau von mindestens 46 Prozent. Das sind allein bis 2030 drei Prozentpunkte mehr als das bisher gesetzlich festgeschriebene Mindestniveau. Darauf können sich heutige und zukünftige Rentnerinnen und Rentner verlassen. Gleichzeitig muss es dafür aber bei der Finanzierung des Rentenniveaus gerecht zugehen. Niemand darf überfordert werden. Der Beitragssatz 26 soll deswegen gesetzlich festgelegt bis 2030 nicht über 22 Prozent (d. h. 11 Prozent für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie 11 Prozent für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber) und bis 2045 nicht über 25 Prozent (d. h. 12,5 Prozent für Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer sowie 12,5 Prozent für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber) steigen. Diese doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitrags satz stärkt das Vertrauen aller Generationen in die gesetzliche Renten versicherung und sorgt für mehr Planbarkeit. Die Bewältigung des demografischen Wandels ist eine gesamtge sellschaftliche Aufgabe, die nicht nur von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern geschultert werden kann. Auch diejenigen mit Einkommen jenseits der Beitragsbemessungsgrenze (6.200 Euro im Westen, 5.400 Euro im Osten) müssen ihren Beitrag dazu leisten. Deswegen gehört zu einer gerechten Finanzierung auch eine ver stärkte Unterstützung der gesetzlichen Rentenversicherung durch Steuermittel. Denn bei der Besteuerung gibt es zum einen keinen „Deckel“ nach oben wie die Beitragsbemessungsgrenze und zum anderen werden durch die Progression höhere Einkommen stärker belastet als niedrige. Somit ist sichergestellt, dass auch Bürgerinnen und Bürger mit hohen Einkommen angemessen beteiligt werden. Ab dem Jahr 2030 soll ein Demografiezuschuss aus Bundesmitteln eingeführt werden, der zunächst 1,5 Prozent der Rentenausgaben beträgt und 2040 auf 2,5 Prozent steigt. Der Demografiezuschuss soll die Rentenversicherung von den Auswirkungen des demogra fischen Wandels entlasten und die Einhaltung der Beitragssatzziele ermöglichen. Mit der doppelten Haltelinie bei Rentenniveau und Beitragssatz und einem steuerfinanzierten Demografiezuschuss wird die gesetzliche Rentenversicherung als tragende Säule der Alters sicherung nachhaltig stabilisiert und gerecht finanziert. 27 POLITISCHE ZIELLINIE VON 48 PROZENT RENTENNIVEAU Die doppelte Haltelinie (siehe Grafik unten) beschreibt die Mindest leistung der gesetzlichen Rentenversicherung, die gesetzlich garantiert wird. Derzeit erleben wir jedoch, wie durch günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen und eine erfolgreiche Arbeitsmarkt, Wirt schafts und Familienpolitik auch höhere Zielmarken beim Renten niveau erreicht werden können. Politisches Ziel ist deshalb, alle Potenziale zu nutzen, um das Rentenniveau dauerhaft auf dem gegen wärtigen Stand von 48 Prozent zu halten und den Beitragssatz bei maximal 24 Prozent zu stabilisieren. Neben einer unteren Haltelinie soll deswegen zusätzlich eine politische Ziellinie formuliert werden, auf die die Bundesregierung ihre Politik ressortübergreifend ausrichtet. Im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans sollen Maßnahmen iden tifiziert und vereinbart werden, die ein höheres Rentenniveau bei gleichzeitiger Beitragssatzstabilität ermöglichen. Dazu gehören eine wachstumsfreundliche Wirtschafts und Finanzpolitik ebenso wie eine Bildungs und Qualifizierungsoffensive, ein Ausbau von Betreu ungsstrukturen für Kinder und die Integration von Geflüchteten. Doppelte Haltelinie: ein sicheres Rentenniveau und stabile Beiträge. Bis zum Jahr 2030 sind der Beitragssatz und das Rentenniveau gesetzlich abgesichert. Für die Zeit danach gibt es keine gesetzliche Regelung. Bis 2045 droht das Rentenniveau unter 42 % zu fallen, der Beitragssatz droht auf über 25 % anzusteigen. Die doppelte Haltelinie sichert das Rentenniveau und stabilisiert die Beiträge. 28 29 ZUSAMMEN BESSER ABGESICHERT – EINBEZIEHUNG VON SELBSTSTÄNDIGEN Verteilung der Nettoeinkommen von Personen im Alter ab 65 Jahren, zuletzt Selbstständige sowie Arbeiterinnen und Arbeiter/Angestellte. Wer selbstständig arbeitet, muss oft auch für das Alter allein vorsorgen. Während insbesondere besserverdienende Selbstständige wie Architektinnen und Architekten, Ärztinnen und Ärzte, Apothekerin nen und Apotheker oder Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in berufsständischen Versorgungswerken gut abgesichert sind, haben etwa drei Millionen Selbstständige keine verlässliche Altersvorsorge. Bislang wurden sie als weniger schutzbedürftig betrachtet und von obligatorischen sozialen Sicherungssystemen überwiegend nicht erfasst. Selbstständige sind dabei längst nicht mehr nur Besserver dienende. Das wird auch bei den Alterseinkommen deutlich: Fast die Hälfte der ehemals Selbstständigen verfügt im Alter über ein Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro. Bei abhängig Beschäftigten trifft dies nur auf ein Drittel zu. Es besteht die Gefahr, dass Selbststän dige nur unzureichende Altersvorsorge betreiben und dann auf die steuerfinanzierte Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Im Ver gleich zu ehemals abhängig Beschäftigten sind ehemals Selbstständige überdurchschnittlich häufig im Alter auf staatliche Unterstützungs leistungen angewiesen (siehe Grafik auf der nächsten Seite). Um die Vorsorgelücken bei den Selbstständigen zu schließen, sollen diese zukünftig grundsätzlich in die Solidargemeinschaft der gesetz lichen Rentenversicherung einbezogen werden. Mit dem Wandel der Arbeitswelt durch die Digitalisierung werden Erwerbsbiografien vor aussichtlich häufiger als früher Wechsel zwischen Zeiten der Selbst ständigkeit und Zeiten der abhängigen Beschäftigung aufweisen. Durch die Einbeziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Renten versicherung wird eine durchgängige Absicherung für das Alter gewährleistet. 30 Gleichzeitig wird damit Versäumnissen bei der Altersvorsorge vorge beugt, die später durch die Grundsicherung zulasten von Steuerzahle rinnen und Steuerzahlern aufgefangen werden müssten. Das stärkt Gerechtigkeit und Solidarität. Für Selbstständige, die bereits in funktionierenden Alterssicherungs systemen wie berufsständischen Versorgungswerken abgesichert sind, besteht dabei weiterhin die Möglichkeit, sich von der Pflicht zur Ver sicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen. 31 3 Mio. Selbstständige: bessere Absicherung durch Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung. Selbstständige sind nicht obligatorisch abgesichert Schrittweise Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung Die Vorteile: Wie die Absicherung ausgestaltet werden soll: Durchgängige Absicherung für das Alter Möglichkeit, sich befreien zu lassen, für alle, die eine obligatorische Alterssicherung haben (z. B. Landwirtinnen und Landwirte sowie Freiberuflerinnen und Freiberufler, die in berufsständischen Versorgungswerken abgesichert sind) Anspruch auf Präventions- und Rehabilitationsleistungen Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos und Hinterbliebenenversorgung Personen, die bei Inkrafttreten der Reform das 40. Lebensjahr erreicht haben, werden nicht von der Versorgungspflicht erfasst Unterbrochene Versicherungsbiografien werden geschlossen Befreiungsrecht für Selbstständige im ersten Jahr nach einer Gründung (kann im Laufe eines Erwerbslebens bis zu zweimal in Anspruch genommen werden) Beiträge können an wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angepasst werden: a) Beitragserleichterung in den ersten Jahren nach der Gründung b) Beitragsminderung im Falle wirtschaftlicher Engpässe Um die Gesamtbelastung mit Sozialversicherungsbeiträgen in Grenzen zu halten, ist die Absenkung des Mindestbeitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung Voraussetzung für die Einführung der Rentenversicherungspflicht In der wirtschaftlich oft schwierigen Phase der Existenzgründung sollen für Selbstständige besondere Regelungen gelten. Dazu gehören Beitragserleichterungen und ein Befreiungsrecht für das erste Jahr der Selbstständigkeit. Um die Gesamtbelastung für Selbstständige in Grenzen zu halten, ist die Absenkung des Mindestbeitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung eine notwendige Voraussetzung. Die geplante Neuregelung setzt bei den jüngeren Selbstständigen an, die am Anfang ihrer Selbstständigkeit stehen oder erst jetzt selbst ständig tätig werden. Deshalb sollen generell Personen, die bei Inkrafttreten der Versicherungspflicht bereits 40 Jahre alt sind, von der neuen Versicherungspflicht nicht erfasst werden und jüngere Selbstständige, die bereits eine der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende Vorsorge getroffen haben, sich von der Versicherungs pflicht befreien lassen können. 32 33 Die versicherten Selbstständigen profitieren nicht nur von der Alters vorsorge, sondern auch von den übrigen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung wie den Leistungen zur Prävention und Rehabi litation oder den Erwerbsminderungs und Hinterbliebenenrenten. Selbstständige mit nur niedrigen Beitragszahlungen erwerben mit den entsprechenden Versicherungszeiten auch einen Anspruch auf die neue gesetzliche Solidarrente. Durch die gesetzliche Rentenver sicherung erhalten sie eine umfassende Absicherung, die durch eigene private Altersvorsorge bisher kaum erreicht wird. Zusammen sind auch die Selbstständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung besser abgesichert. Die Einbeziehung der Selbstständigen ist ein erster Schritt hin zu einer Erweiterung des Versichertenkreises zum Vorteil aller Beteiligten. Während die Selbstständigen in der Solidargemeinschaft umfassend abgesichert werden, trägt ihre Einbeziehung gleichzeitig zu einer Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung bei. SICHER NACH KRANKHEIT UND UNFALL – DIE VERBESSERTE ERWERBSMINDERUNGSRENTE Wer aus gesundheitlichen Gründen keine Chance mehr hat, seine Rente aus eigener Kraft zu verbessern, der muss sich auf die Solidar gemeinschaft verlassen können. Oft sind das Menschen, die sich lange in belastenden Jobs körperlich oder psychisch aufgerieben haben, bis es einfach nicht mehr ging. Die Absicherung des Erwerbsminderungs risikos ist eine Kernaufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung. Die derzeit etwa 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrenten liegen im Schnitt deutlich unter den durchschnittlichen Altersrenten. Etwa 15 Prozent der Erwerbsminderungsrentnerinnen und rentner sind auf zusätzliche Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei 34 Erwerbsminderung angewiesen, bei den Bezieherinnen und Beziehern von Altersrenten sind es nur 2,5 Prozent. Mit dem Rentenpaket 2014 wurde die Absicherung der Erwerbs minderungsrentnerinnen und rentner bereits durch zwei Maß nahmen erheblich verbessert: Die Zurechnungszeit wurde von 60 auf 62 Jahre verlängert. Erwerbsgeminderte Menschen mit einem Rentenbeginn ab dem 1. Juli 2014 erhalten eine Rente, als ob sie mit dem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis zum 62. Lebensjahr weitergearbeitet hätten. Bei der Berechnung des durchschnittlichen Einkommens können zudem die letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderung unberücksichtigt bleiben, wenn der Verdienst zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen bereits einge schränkt war. Infolge der Reform stiegen die durchschnittlichen Erwerbsminderungs renten bei voller und teilweiser Erwerbsminderung von 628 Euro im Jahr 2014 auf 672 Euro im Jahr 2015. Doch weitere Verbesserungen sind nötig, um erwerbsgeminderte Menschen besser vor Armut zu schützen. Noch dringlicher wird die Verantwortung vor dem Hinter grund, dass derzeit in der zweiten und dritten Säule nicht von einer ausreichenden Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos ausgegan gen werden kann. Die Zurechnungszeit soll deswegen bis 2024 stufenweise um weitere drei Jahre auf 65 Jahre verlängert werden. Das heißt, erwerbsge minderte Menschen werden dann ab 2024 so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen drei Jahre länger als bisher weitergearbeitet hätten. Nach Abschluss der Anhebung werden von dieser Verbesserung alle Versicherten profitieren, die vor Erreichen ihres vollendeten 65. Lebensjahres in eine Erwerbsmin derungsrente gehen (siehe Grafik auf der nächsten Seite). 35 Höhere Erwerbsminderungsrente durch längere Zurechnungszeit.* So berechnet sich die Erwerbsminderungsrente heute: Drei zusätzliche Jahre Zurechnungszeit (stufenweise Anhebung bis 2024): * *Gilt für zukünftige Rentenzugänge. Beispiel: Für die Berechnung der Höhe der Rente wird sein bishe riges jährliches Durchschnittseinkommen von 24.000 € fiktiv bis zum 62. Lebensjahr zugrunde gelegt. Klaus fängt mit 16 Jahren an, als Bürokaufmann zu arbeiten. Sein monatliches Einkommen beträgt durchschnittlich 2.000 €. Diese Zurechnungszeit soll bis 2024 stufenweise um drei Jahre auf 65 Jahre angehoben werden. Dies führt für neue Erwerbsminderungsrentnerinnen und rentner zu spürbar höheren Erwerbsminderungsrenten. Durch einen Unfall im Alter von 45 Jahren kann Klaus nicht mehr berufstätig sein. Er hat Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. 36 GLEICHE RENTEN IN OST UND WEST – VOLLENDUNG DER RENTENEINHEIT Fast 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist das Rentenrecht noch immer zwischen Ost und Westdeutschland geteilt. Durch unterschiedliche Rechengrößen sollten die bei der Herstellung der deutschen Einheit erheblichen Unterschiede im Lohnniveau für die späteren Renten ausgeglichen werden. Doch seitdem hat in Ost deutschland eine gute wirtschaftliche Entwicklung stattgefunden. Heute gibt es in vielen Branchen praktisch keine Lohnunterschiede mehr zwischen Ost und West. Auch die aktuellen Rentenwerte haben sich über die Zeit immer weiter angenähert. Zuletzt hat die deutliche Rentenerhöhung zum 1. Juli 2016 die Angleichung einen großen Schritt vorangebracht. Der aktuelle Rentenwert (Ost) ist nun bei 94,1 Prozent des Westwerts angelangt. Die Ungleichbehandlung bei der Rente stößt bei vielen Bürgerinnen und Bürgern in Ost wie Westdeutschland auf Unverständnis. Es ist an der Zeit, diese Unterschiede gänzlich aufzuheben und die deutsche Einheit im Bereich der Sozialversicherung endlich zu voll enden. Das stärkt auch den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Ohne eine gesetzliche Regelung würde eine vollständige Angleichung der aktuellen Rentenwerte jedoch in den nächsten Jahren nicht erreicht werden. Deshalb soll die Rentenangleichung gesetzlich geregelt in sieben Schritten zum Abschluss gebracht werden. Beginnend am 1. Juli 2018 sollen die Angleichungsschritte jeweils mit den jährlichen Renten anpassungen erfolgen. Die rechnerische Hochwertung der ost deutschen Arbeitsentgelte, die zum Ausgleich der geringen Löhne 37 im Osten in der späteren Rente eingeführt wurde, wird in dem Angleichungsprozess ebenfalls schrittweise abgeschmolzen und entfällt ab dem 1. Januar 2025 vollständig. Ab diesem Zeitpunkt gilt dann ein einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland. Sieben Schritte bis zur Renteneinheit: So werden die Rentenwerte im Osten und Westen angeglichen. DIE ZUSÄTZLICHE ALTERSVORSORGE – EIN ECHTES PLUS FÜR ALLE Mit betrieblicher und privater Vorsorge kann jede und jeder Einzelne auf das stabile Fundament der gesetzlichen Rente aufbauen. Damit vor allem auch Beschäftigte mit geringen Einkommen von der zusätz lichen Vorsorge mehr Gebrauch machen, sollen die betrieblichen und privaten Vorsorgeangebote weiter verbessert werden: zum Beispiel durch ein spezifisches, auf Geringverdienerinnen und Geringverdiener zugeschnittenes Betriebsrentenfördermodell sowie durch eine Erhö hung der Grundzulage bei der RiesterFörderung und ein einfaches und qualitätsgesichertes StandardRiesterProdukt. Freibeträge für Zusatzrenten in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde rung sollen zudem garantieren, dass sich die zusätzliche Vorsorge für alle wirklich lohnt. Wer von einem kleinen Einkommen jahrzehnte lang für eine zusätzliche Altersvorsorge spart, der soll im Alter ein echtes Plus erhalten. BETRIEBSRENTEN ZUSAMMEN STARK MACHEN – MIT DEM SOZIALPARTNERMODELL Aktueller Rentenwert: Der aktuelle Rentenwert (aRw) gibt den Wert eines Entgeltpunktes wieder. Im Rahmen der Wiederver einigung wurde der aRw Ost niedriger angesetzt als der aRw West. Bis 2024 wird der aRw Ost auf das Niveau des aRw West angehoben. 38 Hochwertungsfaktor: Um Rentennachteile aus geringerem Lohnniveau in Ostdeutschland auf Dauer zu verhindern, werden ostdeutsche Arbeitsentgelte durch Vervielfältigung mit dem Hochwertungsfaktor für die Rentenberechnung auf Westniveau angehoben. Bis 2025 geht der Hochwertungsfaktor schrittweise auf 1,0 bzw. entfällt damit. Betriebsrenten stellen bereits heute eine wichtige Zusatzversorgung im Alter dar. Etwa 30 Prozent der Rentnerinnen und Rentner beziehen neben einer gesetzlichen Rente eine Betriebsrente. Unter den abhängig Beschäftigten haben rund 57 Prozent eine aktive Anwartschaft auf eine betriebliche Altersvorsorge. Die Verbreitung steigt mit Einkommen und Betriebsgröße an. Geringverdienende und Beschäftigte in klei nen und mittleren Unternehmen können dagegen bisher deutlich weniger von einer betrieblichen Zusatzversorgung profitieren. 39 Kleine und mittlere Unternehmen scheuen heute oft noch den bürokratischen Aufwand für den Aufbau einer eigenen betrieb lichen Altersversorgung. Die Sozialpartner können aber viel ein facher und gemeinsam neue Betriebsrentensysteme für ganze Branchen aufbauen. Die Sozialpartner müssen sich an der Durchführung und Steuerung dieser neuen Betriebsrente beteiligen. Dafür können sie eigene Versorgungseinrichtungen gründen oder an bestehenden Einrich tungen mitwirken. Sie bestimmen, wie das Betriebsrentenkapital angelegt wird, und wägen Anlagerisiken und Renditemöglichkeiten ab. Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit betrieblicher Altersversorgung in der Privatwirtschaft nach Betriebsgröße. BETRIEBSGRÖSSE (ANZAHL DER BESCHÄFTIGTEN) 1.000 u. mehr 83 % 500 bis 999 58 % Sozialpartner 44 % 50 bis 249 10 bis 49 0 % Um die Idee der Betriebsrente zu stärken, setzt das Sozialpartnermodell als Kernstück des Entwurfs eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes insbesondere auf Vereinfachungen für KMU und für Geringverdienerinnen und Geringverdiener. 65 % 250 bis 499 1 bis 9 Die neue betriebliche Altersversorgung. = Arbeitgeberverbände und Arbeitnehmerorganisationen 38 % Allgemein 28 % 30 % 60 % Im Rahmen von Tarifverträgen soll Gewerkschaften und Arbeitgebern deshalb künftig die Möglichkeit eröffnet werden, Betriebsrenten ohne Haftung der Arbeitgeber zu vereinbaren. Die Arbeitgeber sollen sich im Gegenzug für die Enthaftung an der Absicherung der Ziel renten durch Sicherungsbeiträge beteiligen. Eingesparte Sozialver sicherungsbeiträge im Rahmen einer Entgeltumwandlung muss der Arbeitgeber an die Versorgungseinrichtung weitergeben. 40 Die Vorteile auf einen Blick Vereinbaren per Tarifvertrag: 90 % Betriebsrente ohne Arbeitgeberhaftung Sicherungsbeitrag der Arbeitgeber Automatische Einbeziehung ganzer Belegschaften, Beschäftigte können hinausoptieren Effiziente, kostengünstige Betriebsrentenkonzepte Passgenaue Branchenlösungen werden akzeptiert und schaffen Vertrauen Tarifexklusivität Basis für: Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Keine Haftungsrisiken mehr Vereinfachte Handhabung für KMU Versorgungswerk = Pensionsfonds, Pensionskassen, Direktversicherer Die Sozialpartner sind im Versorgungswerk vertreten. Sie: beteiligen sich an Steuerung und Durchführung der Betriebsrente bestimmen, wie Kapital angelegt wird, und wägen Anlagerisiken und Renditechancen ab 41 Für Beschäftigte Steuerliche Förderung von Geringverdienenden Kollektive Absicherung und Chancennutzung Möglichkeit einer einfachen und sicheren Zusatzversorgung Insbesondere für Geringverdienende ist es wichtig, dass sich auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber finanziell an der betrieblichen Altersversorgung beteiligen, damit eine angemessene Betriebsrente aufgebaut werden kann. Durch einen direkten Steuerzuschuss von 30 Prozent bei Zahlungen von 240 bis 480 Euro jährlich sollen Arbeit geberinnen und Arbeitgeber motiviert werden, ihren Beschäftigten mit geringen Einkommen unterhalb von 2.000 Euro brutto zukünftig eine Betriebsrente mit zusätzlichen arbeitgeberfinanzierten Bei trägen zu gewähren. RIESTER NEU AUFGESTELLT – EINFACHER, VERSTÄNDLICHER, BESSER GEFÖRDERT Die RiesterRente bietet seit 2002 die Möglichkeit, mit staatlicher Förderung eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge auf zubauen. Wer mindestens 4 Prozent seines jährlichen Bruttoein kommens in einem zertifizierten RiesterProdukt, beispielsweise einer Lebensversicherung oder einem Aktienfonds, anlegt, erhält vom Staat eine jährliche Grundzulage von bisher 154 Euro. Zusätzlich gibt es Kinderzulagen von jährlich bis zu 300 Euro pro Kind. Parallel zu den direkten staatlichen Zuzahlungen können die Beiträge zu RiesterProdukten von der Steuer abgesetzt werden. Beschäftigte mit niedrigen Einkommen und mit Kindern erreichen durch die staatlichen Zulagen besonders hohe Förderquoten auf die von ihnen eingezahlten Beiträge. Sie werden auf diesem Wege gezielt beim Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge unterstützt. Rund 60 Prozent der Empfängerinnen und Empfänger der Riester- Zulagen haben ein Jahreseinkommen von unter 30.000 Euro. Gerade Frauen profitieren über die Kinderzulagen in vielen Fällen besonders von der RiesterRente. Die Förderung über die Zulagen 42 hat sich bewährt und unterstützt den Aufbau einer privaten Alters vorsorge dort, wo sie besonders gebraucht wird. Deswegen soll die Grundzulage auf 165 Euro angehoben werden. Das kommt vor allem den RiesterSparerinnen und RiesterSparern mit geringen Einkommen zugute. Bis Ende Juni 2016 wurden per saldo 16,5 Millionen RiesterVerträge abgeschlossen. Doch die jährlichen Neuabschlüsse gehen trotz der klaren Vorteile seit einigen Jahren zurück. Das Vertrauen in kapitalgedeckte Altersvorsorge ist mit der Finanzmarktkrise und der anhaltenden Niedrigzinsphase gesunken. Dabei wird häufig übersehen, dass selbst bei niedrigen Zinsen allein die staatliche Förderung bei RiesterVerträgen eine hohe Rendite auf die eigenen Beiträge garantiert. Zugleich fällt vielen angesichts des unüber sichtlichen Angebotes an RiesterProdukten die Orientierung und Entscheidung schwer. Verschärft wird dieses Problem durch die mangelnde Qualität einiger RiesterProdukte mit oftmals überzoge nen Verwaltungskosten. Um diese Probleme zu entschärfen, sind zwei Punkte wichtig: Bereits beschlossen ist, dass in einem standardisierten Produktinfor mationsblatt die Anbieterinnen und Anbieter von RiesterVerträgen ab 2017 verpflichtend die Verwaltungs und Abschlusskosten sowie die Kosten und Gewinnstruktur ihrer Produkte offenlegen müssen. Das erhöht die Vergleichbarkeit der Produkte und schafft mehr Transparenz bei der Entscheidung für eine zusätzliche Altersvorsorge. Weiterhin soll ein einfaches StandardRiesterProdukt zusätzlich das Vertrauen in die private Altersvorsorge stärken und die Hürden für den Aufbau einer RiesterRente senken. Jeder und jedem soll es möglich sein, durch den Abschluss eines StandardRiesterProduktes 43 unkompliziert und sicher von den hohen staatlichen Fördervorteilen zu profitieren. Dazu sollen Gespräche mit der Versicherungswirtschaft geführt werden. Auch die Möglichkeit einer RiesterFörderung im Rahmen der betrieblichen Altersver sorgung wird attraktiver. Die betrieblichen Riester Verträge sollen in der Auszah lungsphase ebenso wie heute bereits die privaten Riester- Verträge von der Beitrags pflicht zur gesetzlichen Kranken und Pflegeversiche rung befreit werden. Das lohnt sich: Zusatzrente mit staatlicher Riester-Förderung. Ein Ehepaar mit 2 Kindern Ein alleinerziehender Elternteil mit 3 Kindern Ein Alleinstehender ohne Kinder … die ab 2008* geboren wurden, und 2 Riester-Verträgen: … die ab 2008* geboren wurden, und einem Riester-Vertrag: … mit einem Riester-Vertrag: Vorjahreseinkommen: Vorjahreseinkommen: Sparbeitrag: 30.000 € 4% (1.200 €) Sparbeitrag: 15.000 € Vorjahreseinkommen: 4% (600 €) Sparbeitrag: Zulagenanspruch Zulagenanspruch 4% (2.000 €) Zulagenanspruch 2 x 154 € Grundzulage** = 308 € 1 x 154 € Grundzulage** = 154 € 1 x 154 € Grundzulage** = 2 x 300 € Kinderzulage = 600 € 3 x 300 € Kinderzulage = 900 € Steuererstattung durch Sonderausgabenabzug: ca. 600 € = Gesamtförderung: 908 € = Gesamtförderung: = Gesamtförderung: ca. 754 € Eigenbeitrag: 292 € Eigenbeitrag (Sockelbeitrag): Förderquote: 76 % Förderquote: 1.054 € ca. 60 € Eigenbeitrag: 95 % Förderquote: *Für Kinder, die vor 2008 geboren wurden, beträgt die Kinderzulage 185 €. **2018 wird die Grundzulage auf 165 € erhöht. 44 50.000 € 45 154 € 1.246 € ca. 38 % ZUSÄTZLICHE VORSORGE, DIE SICH LOHNT – FREIBETRÄGE IN DER GRUNDSICHERUNG leistung widerspiegeln. Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtig keit, sondern auch ein Ausdruck von Respekt und Anerkennung. Zusätzliche Altersvorsorge muss sich immer und für jede und jeden lohnen. Deshalb soll die Anrechnung der Zusatzrenten auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung neu geregelt werden. Bisher werden Einkommen aus zusätzlicher Altersvorsorge beim Bezug von Grundsicherung voll angerechnet. Wer im Alter Grundsicherung bezieht, kann damit von seiner zusätzlichen Alters vorsorge nicht mehr profitieren. Das muss sich ändern. Wer sparsam war und Geld fürs Alter zurückgelegt hat, der soll davon auch etwas haben. Zukünftig soll daher ein Teil der selbst aufgebauten Betriebs oder RiesterRenten anrechnungsfrei bleiben. Ein Betrag bis zur Hälfte der Regelbedarfsstufe 1 (2017 also 204,50 Euro) soll deshalb in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zukünftig nicht angerechnet werden. Eine neue gesetzliche Solidarrente soll deswegen für langjährig Beschäftigte ein Alterseinkommen in Höhe von 10 Prozent über dem regionalen durchschnittlichen Bruttobedarf bei der Grund sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gewährleisten. Berechtigt sind zukünftig alle, die 35 bzw. ab 2023 40 Jahre Bei trags und Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Renten versicherung aufweisen. Kindererziehungs und Pflegezeiten sowie kurzzeitige Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit werden dabei berücksichtigt. Selbst Beschäftigte, die aufgrund geringer Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter auf Leistungen der Grund sicherung angewiesen sind, können damit durch private Vorsorge ihr Alterseinkommen deutlich verbessern. DIE GESETZLICHE SOLIDARRENTE – ANERKENNUNG FÜR LEBENSLEISTUNG Wer ein Leben lang gearbeitet und seinen Beitrag zu unserem Wohl stand und unserer Gesellschaft geleistet hat, muss im Alter mehr haben als Grundsicherung. Das Alterseinkommen muss die Lebens- 46 Damit nur diejenigen Solidarrente erhalten, die nicht über umfang reiches sonstiges Einkommen verfügen, erfolgt eine Einkom mensanrechnung unter Berücksichtigung von Freibeträgen für zusätzliche Altersvorsorge oder Nebentätigkeiten. Das Partner einkommen wird bis zum 1,5fachen der Pfändungsgrenze (derzeit damit etwa 1.600 Euro monatlich) freigestellt. Im Unterschied zur Grundsicherung soll nur eine vereinfachte Einkommensprüfung und keine jährliche Bedürftigkeitsprüfung vorgenommen werden. Das anzurechnende Einkommen und damit die Höhe der Solidarrente werden einmalig zu Beginn festgestellt und gelten dann für die gesamte Bezugszeit, sofern keine für das Einkommen wesentlichen Veränderungen eintreten. Perspektivisch soll die gesetzliche Solidarrente individuelle Leistung belohnen und zielgenau dann greifen, wenn nach langjähriger Vollzeitbeschäftigung trotzdem kein ausreichender Rentenanspruch erreicht wurde. Der Anspruch auf Solidarrente soll deswegen mittel fristig an eine Mindestzahl an Entgeltpunkten sowie die geleistete Wochenarbeitszeit gekoppelt werden. Dafür soll in Zukunft die Wochen 47 arbeitszeit durch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber erfasst und an die Rentenversicherungsträger gemeldet werden. Die gesetzliche Solidarrente stellt sicher, dass das Alterseinkommen auch nach langen Jahren der Beschäftigung mit niedrigem Einkommen dauerhaft und spürbar über dem durchschnittlichen regionalen Grundsicherungs bedarf liegt. Das stärkt das Vertrauen in das Alterssicherungssystem und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Solidarrente: Anerkennung für die Lebensleistung von Geringverdienenden. Sie unterstützt Personen, die langjährig beschäftigt waren und/oder Erziehungs und Pflegeleistungen erbracht haben. Die Solidarrente greift, wenn trotz langjähriger Beschäftigung eine Rente unter der Grundsicherung droht. Voraussetzungen: 35 Jahre Beitrags-und Berücksichtigungszeiten (Erziehungs- und Pfl egezeiten und Zeiten kurzer Arbeitslosigkeit werden angerechnet; ab 2023 sind es 40 Jahre) Vereinfachte und einmalige Einkommensprüfung Freibeträge für eigenes Einkommen, z. B. für einen Riester-Vertrag, eine Betriebsrente oder einen Minijob Anrechnung Partnereinkommen, soweit es 1.600 € übersteigt (1,5-fache Pfändungsgrenze) 48 DIE VERBESSERTE RENTENINFORMATION – ALLES AUF EINEN BLICK Nur wer gut informiert ist, kann planvoll für das Alter vorsorgen. Beschäftigte brauchen deswegen sowohl umfassende Aufklärung über die Angebote der zusätzlichen Altersvorsorge als auch regelmäßige Informationen zum Stand der eigenen individuellen Alterssicherung. Um Vorsorgelücken vorzubeugen und noch mehr Menschen durch zusätzliche Altersvorsorge abzusichern, sollen die Träger der ge setzlichen Rentenversicherung künftig über das gesamte Spektrum der staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge neutral und anbieterunabhängig Auskunft erteilen. Vollständige, verständliche, verlässliche und vergleichbare Informationen aus allen drei Säulen sind wichtig, um einen möglichen zusätzlichen Vorsorgebedarf zu erkennen. Die bestehenden Informationen sollen in diesem Sinne auf dem Weg hin zu säulenübergreifenden Altersvorsorgeinformationen weiterentwickelt werden. So kann jede und jeder auf einen Blick erkennen, welche Renten ansprüche bisher insgesamt aufgebaut wurden. Dabei soll auch über die Auswirkung der nachgelagerten Besteuerung von Renten besser informiert werden. 49 IMPRESSUM HERAUSGEBER: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat Öffentlichkeitsarbeit und Internet 11017 Berlin Stand: Januar 2017 Wenn Sie Bestellungen aufgeben möchten: Best.-Nr.: A884 Telefon: 030 18 272 272 1 Telefax: 030 18 10 272 272 1 Schriftlich: Publikationsversand der Bundesregierung Postfach 48 10 09 18132 Rostock E-Mail: [email protected] Internet: www.bmas.de Gehörlosen-/Hörgeschädigten-Service: E-Mail: [email protected] Telefax: 030 221 911 017 Gebärdentelefon: [email protected]. buergerservicebund.de Wenn Sie aus dieser Publikation zitieren wollen, dann bitte mit genauer Angabe des Herausgebers, des Titels und des Stands der Veröffentlichung. Bitte senden Sie zusätzlich ein Belegexemplar an den Herausgeber. Diese Publikation wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales herausgegeben. 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